Wie in den deutschen Medien üblich, läuft auch die Diskussion um die Schlußfolgerungen aus dem Bootsunglück völlig verquer. Schuld sind mal wieder wir. Versuch einer Ent-Schuldigung.
Danke für diesen Artikel, der endlich dieses unerträgliche und krankhafte Zuweisen von Verantwortung, unter massiver Zuhilfenahme von Mitleidserregern, anprangert.
Zitat Sie liegt schlicht und ergreifend im Wohlstandsunterschied zwischen den Kontinenten (nur ein niedriger einstelliger Prozentsatz der Asylbewerber wird am Ende als politisch oder religiös verfolgt anerkannt). Dieser erzeugt einen "osmotischen Druck" der Migration, der so lange aufrecht erhalten bleiben wird wie dieser Wohlstandsunterschied besteht.
Lieber Andreas Doeding,
als es noch Ghaddafi gab, da hat dieser nicht nur die Schleppertätigkeiten weitgehend verhindert, sondern er hat auch (nicht uneigennützig) viel Geld in die südlich von Libyen gelegenen Staaten gepumpt, und damit den 'osmotischen Druck' etwas gemindert. Ich vermute, dass auch viele Menschen aus den südlicheren Ländern in Libyen Arbeit gefunden haben.
Wenn ich dem Westen eine Schuld zuweisen wollte, dann die, dass er ohne Not Libyen in ein Chaos gestürzt und die heutigen Verhältnisse verursacht hat. Inzwischen dürfte auch der 'osmotische Druck' bei Einwohnern Rest-Libyens bestehen, deren Lebensumstände sich wohl drastisch verschlechtert haben.
Viele Flüchtlinge kommen aus den failed states am Horn von Afrika. Ich meine: Europa hat dort eine Verantwortung. Wir können nicht billigend in Kauf nehmen, dass in diesem Teil Afrikas die Piraterie, der Terrorismus und das organisierte Verbrechen herrschen. Unserer Verantwortung werden wir nicht gerecht, wenn wir einige hundert oder tausend illegal eingereiste Flüchtlinge mehr aufnehmen. Dieser Verantwortung werden wir nur gerecht, wenn wir uns mit den Ursachen befassen.
Wenn man die Probleme in diesem Teil Afrikas lösen will, müssten zunächst einige Staaten und Volksgruppen Souveränität abgeben. Sie müssten sich einer Art »UNO-Friedensmission für den Aufbau der Zivilisation« unterstellen. Damit wäre die Grundlage für die Befriedung und für den Wiederaufbau (oder erstmaligen Aufbau) einer Infrastruktur geschaffen. Die zeitweise Abgabe der Souveränität mag an Kolonialisierung erinnern. Aber es wäre diesmal eine Kolonialisierung ohne Massenmord, Zerstörung und Ausbeutung.
Zum Aufbau einer Zivilisation könnte die EU für einige Gebiete Partnerschaften übernehmen: Aufbau einer Polizei, eines Rechtssystems, eines Gesundheitswesens, einer Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, einer regulären Armee.
Natürlich würden die Ausgaben für diese Mission bei uns einen (kleinen) Wohlstandsverlust zur Folge haben, aber der wäre zu verschmerzen. Denn in der Folge würden die afrikanischen Staaten zu verlässlichen Handelspartnern und Handel ist immer zum gegenseitigen Nutzen. Ziel wäre ein Zustand der Partnerschaft, in dem es zwar immer noch ein Wohlstandsgefälle gibt (das gibt es ja in Europa auch). Es muss aber auf afrikanischer Seite das absolute und vermeidbare Elend beseitigt werden und es muss für die Menschen eine klare Perspektive erkennbar sein.
Woran scheitert es im Fall der Länder am Horn von Afrika? Am Terrorismus, der aus bestimmten islamisch-fundamentalistischen Staaten finanziert und gesteuert wird. Am Tribalismus. An Interessenkonflikten der Staaten, die dort eigentlich eingreifen müssten. Sicher auch am Erbe der Kolonialherrschaft.
Insgesamt liegt es in unserem europäischen Interesse, dass wir (a) die Verhältnisse in Afrika verbessern und (b) unsere europäischen Grenzen sichern. Ich denke, dass (a) und (b) ethisch-moralisch untrennbar zusammengehören. Warum sollte man nicht mit dem Aufbau in einer Region Afrikas beginnen?
[Editier-Hinweis: Ein Satz wurde aus dem zweiten in den ersten Absatz verschoben.]
Zitat von stefanolix im Beitrag #5Zum Aufbau einer Zivilisation könnte die EU für einige Gebiete Partnerschaften übernehmen: Aufbau einer Polizei, eines Rechtssystems, eines Gesundheitswesens, einer Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, einer regulären Armee.
Nicht die EU, nicht die UNO, schon gar keine von beiden finanzierten NGO oder ähnliche (Möchtegern-)Altruistenvereine. Wenn dort irgendwer etwas aufbauen kann, dann muss es jemand mit handfesten wirtschaftlichen Interessen sein und dem Willen, diese (eigenen) Interessen auch durchzusetzen. Momentan würden mir da nur die Chinesen einfallen.
Zitat von stefanolix im Beitrag #5Natürlich würden die Ausgaben für diese Mission bei uns einen (kleinen) Wohlstandsverlust zur Folge haben, aber der wäre zu verschmerzen.
So wie die Energiewende jeden nur eine Kugel Eis kosten sollte? Wären die Missionen auch garantiert ohne den Verlust von (unseren) Menschenleben durchzuziehen? Würden diese "Missionare" von Kindern mit Blumen empfangen werden? Wie gehen die "Missionare" denn bitte mit denjenigen um, die in diesen Ländern bisher einen ganz guten Schnitt gemacht haben? Den kleinen und großen Machthabern, den religiösen und Clanführern, den korrupten Beamten und Richtern, den Polizei- und Militärchefs?
Beste Grüße, Calimero
------------------------------------------------------- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat von Jakob Nierstein im Beitrag #2Ich habe im SPON-Forum auch geschrieben, dass Europa nicht schuld wäre an dem Drama. Der Beitrag scheiterte an der Zensur.
Wenn das der einzige Grund war, spricht das Bände.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von stefanolix im Beitrag #5Wenn man die Probleme in diesem Teil Afrikas lösen will, müssten zunächst einige Staaten und Volksgruppen Souveränität abgeben. Sie müssten sich einer Art »UNO-Friedensmission für den Aufbau der Zivilisation« unterstellen.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von stefanolix im Beitrag #5Wenn man die Probleme in diesem Teil Afrikas lösen will, müssten zunächst einige Staaten und Volksgruppen Souveränität abgeben. Sie müssten sich einer Art »UNO-Friedensmission für den Aufbau der Zivilisation« unterstellen. Damit wäre die Grundlage für die Befriedung und für den Wiederaufbau (oder erstmaligen Aufbau) einer Infrastruktur geschaffen. Die zeitweise Abgabe der Souveränität mag an Kolonialisierung erinnern. Aber es wäre diesmal eine Kolonialisierung ohne Massenmord, Zerstörung und Ausbeutung.
Hatten wir das nicht schon einmal? Ach ja, aber diesmal ohne Massenmord, Zerstörung und Ausbeutung? Die Bewohner der kolonialisierten Nationen würden die "Friedensmission" sicher mit Freudenrufen empfangen.
Zitat von stefanolix im Beitrag #5Zum Aufbau einer Zivilisation könnte die EU für einige Gebiete Partnerschaften übernehmen: Aufbau einer Polizei, eines Rechtssystems, eines Gesundheitswesens, einer Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, einer regulären Armee.
Die EU hat doch schon genügend damit zu tun, sich die EU-Mitglieder in dieser Hinsicht gefügig zu machen.
Zitat von vivendi im Beitrag #10Die Bewohner der kolonialisierten Nationen würden die "Friedensmission" sicher mit Freudenrufen empfangen.
Dass die entscheidende Initiative dazu von den jeweiligen Nationen ausgehen muss, hat Stefanolix nur deswegen nicht erwähnt, weil es so offensichtlich ist.
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Zitat von vivendi im Beitrag #10Die Bewohner der kolonialisierten Nationen würden die "Friedensmission" sicher mit Freudenrufen empfangen.
Dass die entscheidende Initiative dazu von den jeweiligen Nationen ausgehen muss, hat Stefanolix nur deswegen nicht erwähnt, weil es so offensichtlich ist.
Warten wir also darauf, dass die betroffenen Nationen sich melden, als da sind Syrien, Tunesien, Marokko, Libyen, Ägypten, Somalia, Nordkorea und viele andere.
Zitat von vivendi im Beitrag #12Warten wir also darauf, dass die betroffenen Nationen sich melden, als da sind Syrien, Tunesien, Marokko, Libyen, Ägypten, Somalia, Nordkorea und viele andere.
Ja. Genau das ist der Punkt. Aber niemand soll erzählen, es gäbe keine Lösungsansätze jenseits des "send us more money" oder "nehmt alle auf".
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Zitat von Doeding im Beitrag #1Wie in den deutschen Medien üblich, läuft auch die Diskussion um die Schlußfolgerungen aus dem Bootsunglück völlig verquer. Schuld sind mal wieder wir.
Ich habe zu diesem Thema nun eine Reihe grotesker Beiträge gelesen in unseren Medien. Eine Auswahl:
Zitat Warum Europa eine liberalere Flüchtlingspolitik braucht
Hunger, Naturkatastrophen, Kriege: Solange es Leid auf der Welt gibt, werden Menschen versuchen, nach Europa zu fliehen. In Zeiten der Globalisierung bietet diese Entwicklung aber auch Chancen. Denn es sind immer die Mutigsten, Klügsten, Wendigsten, die sich zur Wanderung entschließen.
Auch wenn ich mal ganz stark bezweifeln möchte, daß es die Klügsten sind, die kommen, so versucht Sebastian Schoepp doch, ein neues Faß zu öffnen und vermischt mal ganz unbeschwert Asyl und Einwanderung. Bisher war ich ja der Meinung, es gehe im Wesentlichen um politisch Verfolgte oder um Kriegsflüchtlinge. Nachdem diese in dem aktuellen Fall nun aus Eritrea kommen, zeigt man sich eben "wendig".
Zitat Erst kürzlich berichtete die italienische Presse über einen Afrikaner, der schon viermal versucht hatte, nach Norden zu kommen. Den fünften überlebte er nicht.
Das Mittelmeer ist das große Grab Europas geworden. Und es wird nicht friedlich gestorben, die Flüchtlinge verdursten qualvoll, sie ertrinken. Oft nachdem sie auf ihrem Weg zur afrikanischen Küste überfallen, geschlagen, ausgesetzt, ins Gefängnis geworfen oder zu Sklavenarbeit gezwungen wurden. Das Massensterben wird nördlich des Mittelmeers nicht nur kalt in Kauf genommen, sondern offenbar gewünscht.
Andrea Dernbach ist beim Tagesspiegel ja berüchtigt. Nichts auf der Welt, woran der Weiße Mann nicht schuld wäre. Über polemische Verallgemeinerungen und Behauptungen kommt sie auch dieses Mal nicht hinaus.
Zitat Die Grenzen der Aufnahmefähigkeit unserer Atmosphäre für Treibhausgase sind erreicht. Die globalen Klimaveränderungen werden weitere Millionen Menschen in Bewegung setzen, weil ihre einzige Chance zur Anpassung in der Flucht bestehen wird. Wer in einem solchen Umfeld glaubt, Migration als Abwehrschlacht gegen Flüchtlinge managen zu können, muss ziemlich naiv sein. Wer sein Überleben und das seiner Familie nicht sichern kann, wird sich auch weiterhin nicht aufhalten lassen.
Und dann ist da noch die Grüne Dagmar Dehmer, die reflexhaft das tut, was eine Grüne nun mal tun muß: Den Westen über den Umweg Klimawandel anprangern. Was der Klimawandel nun mit Lampedusa zu tun hat, bleibt ihr Geheimnis.
Zitat von stefanolix im Beitrag #5Wenn man die Probleme in diesem Teil Afrikas lösen will, müssten zunächst einige Staaten und Volksgruppen Souveränität abgeben. Sie müssten sich einer Art »UNO-Friedensmission für den Aufbau der Zivilisation« unterstellen. Damit wäre die Grundlage für die Befriedung und für den Wiederaufbau (oder erstmaligen Aufbau) einer Infrastruktur geschaffen. Die zeitweise Abgabe der Souveränität mag an Kolonialisierung erinnern. Aber es wäre diesmal eine Kolonialisierung ohne Massenmord, Zerstörung und Ausbeutung.
Zum Aufbau einer Zivilisation könnte die EU für einige Gebiete Partnerschaften übernehmen: Aufbau einer Polizei, eines Rechtssystems, eines Gesundheitswesens, einer Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, einer regulären Armee.
Das wäre viel problematischer als man so glaubt. Dies würde eine Rekolonialisierung bedeuten, die dortigen Strukturen müssten mit massivem Gewalteinsatz aufgebrochen werden, auch wenn wohlmeinend würde man als Besatzer empfunden. Man schaue sich den ausgesprochen überschaubaren Erfolg der Besatzungen in Irak und Afghanistan an, in Somalia ist so eine Hilfsmission ja auch schon einmal komplett gescheitert (Black Hawk down...). Die Verletzung des Stolzes durch eine zweite Kolonialisierung wird jede gute Absicht in der Bevölkerung nicht ankommen lassen.
Das muss vor Ort aus eigener Kraft und eigenem Willen erfolgen. Sinnvoll wären Reformen bei der Entwicklungshilfe um zu vermeiden dass korrupte Strukturen stabilisiert werden.
Grundsätzlich können es aber auch afrikanische Staaten schaffen, Botswana hat es geschafft, hoffnungsvolle Ansätze gibt es z.B. in Kenia und Ruanda.
Die einzige Möglichkeit solche Tragödien zu verhindern sehe ich übrigens darin ein effektives System zu schaffen welches dafür sorgt, dass illegale Migranten spätestens nach 3 Monaten wieder in ihren Herkunftsländern sind.
Zitat von StefanolixViele Flüchtlinge kommen aus den failed states am Horn von Afrika. Ich meine: Europa hat dort eine Verantwortung.
Ich kann eine solche Verantwortung Europas nicht erkennen, lieber Stefan. Woraus soll sie sich ergeben? Aus der Kolonialzeit, wie die Süddeutsche (wie ich meine: abwegigerweise) behauptet? Daß die Flüchtlinge aus Nordafrika nach Europa streben hat mMn keine historischen Gründe, sondern geografische und, wie im Blog geschrieben, Gründe des Wohlstandsunterschiedes. Lägen hier die USA, würden sie halt in die USA streben. Ich sehe das ähnlich wie Calimero. Aus wohlverstandenen Eigeninteresse könnte man sich wirtschaftlich am Aufbau ökonomischer Strukturen beteiligen, wenn man sich davon Gewinn versprechen könnte, wovon dann auch die Herkunftsländer etwas hätten. Aber schon für die Schaffung stabiler politischer Rahmenbedingungen in den dortigen Ländern sind diese selbst verantwortlich. Sicher, wenn die "Staatengemeinschaft" (also nicht nur Europa) um Hilfe gebeten würde, hätte ich nichts gegen entsprechene Programme. Aber schon die oft aggressiv anmutenden Forderungen lösen diverse Abwehrreflexe bei mir aus.
Zitat Wir können nicht billigend in Kauf nehmen, dass in diesem Teil Afrikas die Piraterie, der Terrorismus und das organisierte Verbrechen herrschen.
Um hier mal den stoischen Philosophen Epiktet zu bemühen: Betrübt dich etwas, so prüfe, ob es in deiner Macht ist [es zu ändern] Falls nicht, geht es dich nichts mehr an. Ich bin in diesen Punkten ziemlich pessimistisch. Ein durchgriffsstarkes, globales oder auch nur regionales Eingreifen zu diesen Mißständen stellte mMn eine ökonomische, politische und letztlich auch moralische Überforderung "des Westens" dar. Zazaz wies im Beitrag oben auf Somalia hin, wo am Ende die Leichen der amerikanischen Piloten, begleitet von einer johlenden Menge, durch die Straßen Mogadischus geschleift wurden. Das braucht kein Mensch. Und nein, der Westen trägt für solche Entwicklungen keine relevante Verantwortung.
Zitat von Tagesschau.deZu dieser menschenunwürdigen Unterbringung kommt für die Überlebenden Ärger mit italienischen Behörden. Die Staatsanwaltschaft hat gegen alle volljährigen Flüchtlinge ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das liegt in der Logik der italienischen Gesetzgebung, die Boatpeople wie Verbrecher behandelt. Straftatbestand: Illegale Einwanderung.
Ich fasse mal zusammen: Kein Mensch ist illegal., also können auch Aufenthalte nicht illegal sein. Daraus folgt, daß wenn zwei Einbrecher sich nachts in meinem Wohnzimmer aufhalten und einer von ihnen stolpert und sich den Hals bricht, daß der andere nicht strafverfolgt werden darf, weil er schon genug gestraft sei und man ihn außerdem nicht wie ein Verbrecher behandeln darf. Außerdem ist er viel ärmer als ich, und das macht mich für die Not verantwortlich, die ihn "gezwungen" hat bei mir nachts einzusteigen.
Zitat von StefanolixViele Flüchtlinge kommen aus den failed states am Horn von Afrika. Ich meine: Europa hat dort eine Verantwortung.
Ich kann eine solche Verantwortung Europas nicht erkennen, lieber Stefan. Woraus soll sie sich ergeben? Aus der Kolonialzeit, wie die Süddeutsche (wie ich meine: abwegigerweise) behauptet? Daß die Flüchtlinge aus Nordafrika nach Europa streben hat mMn keine historischen Gründe, sondern geografische und, wie im Blog geschrieben, Gründe des Wohlstandsunterschiedes. Lägen hier die USA, würden sie halt in die USA streben. Ich sehe das ähnlich wie Calimero.
Warum streben Somalier ins ferne Europa und nicht auf die vergleichsweise nahe arabische Halbinsel?
Ich möchte in einer Antwort auf die Einwände und Kommentare zu meinem Vorschlag eingehen:
1. Es gibt eine Gesamtverantwortung der entwickelten und der unterentwickelten Länder für diese Welt. Reiche und hochentwickelte Länder haben darüber hinaus auch ein Eigeninteresse, dass im Rest der Welt zumindest die physische Existenz der Menschen auf einem Existenzminimum gesichert ist. Die UNO müsste nur das Mandat erteilen. Die selbstsüchtigen NGOs würde ich vorerst völlig aus dem Spiel lassen.
2. Es gibt eine Geschichte der Kolonialisierung und Sklaverei. Europäische und arabische Staaten sowie die USA haben Millionen Afrikaner versklavt und ausgebeutet. Auch aus dieser Geschichte erwächst den ehemaligen Kolonialmächten und Sklavenhändlern eine gewisse Verantwortung.
3. Es gibt einen Zusammenhang zwischen unserer Nutzung natürlicher Ressourcen und dem Elend in Afrika. Wenn man den Fischern am Horn von Afrika mit modernsten Trawlern die Fischgründe leer fischt, kann es eine logische Folge sein, dass sie zu Piraten werden. Oder zu Armutsflüchtlingen. Oder zu den Terroristen überlaufen.
4. Die materiellen Ressourcen des Westens für die Afrika-Hilfe sind beschränkt. Deshalb soll sich die Hilfe auf einige Muster-Staaten beschränken, von wo sie mittelfristig auch Auswirkungen auf den Rest Afrikas haben wird. Staaten wie China oder andere wirtschaftlich starke Staaten können Patenschaften für weitere Staaten übernehmen.
5. Die Bitte um Hilfe für einen failed state muss von relevanten gesellschaftlichen Gruppen oder von der momentan machtlosen Regierung ausgehen. Um die Sicherheit beim Aufbau zu gewährleisten, müssen neutrale Sicherheitskräfte im Land agieren, was mit einer Abgabe von Souveränität verbunden ist. Aus fehlgeschlagenen Versuche in der Vergangenheit muss gelernt werden. Der Fall Afghanistan liegt völlig anders: Dort war es am Anfang eine Operation gegen den Terror und im gewissen Sinne auch ein Rachefeldzug für 9/11.
6. Der Zustand Griechenlands, Bulgariens oder Rumäniens (um drei sehr arme EU-Staaten zu nennen, Spanien und Portugal sind schon besser dran) ist in keiner Weise vergleichbar mit dem Elend Somalias oder Äthiopiens. Manche EU-Staaten sind relativ arm, Somalia und Äthiopien sind absolut arm und elend. In diesen Ländern hätten vernünftig eingesetzte Hilfsressourcen von z. B. 50 Mrd. Euro einen viel größeren Effekt.
7. In all den europäischen Schuldenhaushalten und Rettungsprogrammen ist vermutlich viel Geld verbrannt worden. Aber es war auf der anderen Seite auch nur Geld. Die Kaufkraft von Papiergeld, Giralgeld und Gold kann sich immer ändern. Auch der Wert von Unternehmen kann sich ändern.
8. Aber hier in der EU sind nicht Millionen Menschen vom Hungertod bedroht und auch nicht hunderttausende Menschen schon verhungert. In der EU haben im Prinzip alle Menschen Zugang zu Wasser und Nahrung und können insgesamt ihr Existenzminimum sichern. Deshalb verbieten sich Vergleiche wie »unser Afrika liegt in Griechenland«.
9. Die Afrikaner sollen natürlich so schnell wie möglich ihre Staaten selbst verwalten, ihre innere Sicherheit gewährleisten und ihre Infrastruktur wieder selbst erhalten. Sie sollen für sich selbst Verantwortung übernehmen. Aber in der Phase von vielleicht zehn Jahren bis zu diesem Zustand brauchen sie Unterstützung, die wir in unserem eigenen Interesse dort vor Ort leisten sollten. Damit nicht noch mehr Menschen im Mittelmeer jämmerlich ertrinken oder in ihren Heimatländern jämmerlich verdursten und verhungern.
Zitat von StefanolixViele Flüchtlinge kommen aus den failed states am Horn von Afrika. Ich meine: Europa hat dort eine Verantwortung.
Ich kann eine solche Verantwortung Europas nicht erkennen, lieber Stefan. Woraus soll sie sich ergeben? Aus der Kolonialzeit, wie die Süddeutsche (wie ich meine: abwegigerweise) behauptet? Daß die Flüchtlinge aus Nordafrika nach Europa streben hat mMn keine historischen Gründe, sondern geografische und, wie im Blog geschrieben, Gründe des Wohlstandsunterschiedes. Lägen hier die USA, würden sie halt in die USA streben. Ich sehe das ähnlich wie Calimero.
Warum streben Somalier ins ferne Europa und nicht auf die vergleichsweise nahe arabische Halbinsel?
Weil sie dort noch viel rigider abgewiesen werden? Weil dort keine Einwanderung ins Sozialsystem möglich ist?
Ich erinnere mich da dunkel an eine gewisse Entscheidung unseres BVerfG bezgl. der Höhe der Hartz4 Bezüge. Soweit mir erinnerlich, stützte sich die Entscheidung auf die Menschenwürde. Nun ist im Grundgesetz an der Stelle aber nicht von Bürgern, sondern von Menschen die Rede. Konsequent weitergedacht scheint mir, dass man daraus eine Verantwortung ableiten könnte, freilich nicht nur für Afrika. Was natürlich mehr über die Probleme schwammig formulierter Gesetze als über irgendeine tatsächliche Verantwortung aussagt.
Zitat von DoedingUmgekehrt sind Einflußmöglichkeit und Verantwortung keineswegs identisch. Wenn ich mein gesamtes Einkommen nähme und mein Girokonto überzöge, und all dieses Geld an "Brot für die Welt" spendete, könnte ich vermutlich einer ganzen Reihe Menschen das Überleben kurzfristig sichern helfen (auf die schädlichen Konsequenzen und Nebenwirkungen von Spenden für die Betroffenen sei hier nur andeutend hingewiesen). Ich rettete kurzfristig mutmaßlich Leben dadurch. Aber man muß schon sehr verquer denken, um mir, da ich dergleichen nicht im Entferntesten vorhabe, die Schuld am Tod von Menschen, etwa in der Sahelzone, zu geben.
Das heißt im Umkehrschluß aber, dass Sie den Tod derjenigen zumindest in Kauf nehmen. Anders gesagt, dass Sie akzeptieren, dass es andere Menschen gibt, denen es sehr viel schlechter als Ihnen geht. Was nun etwas ist, was die Linken garnicht haben können. Aus deren Sicht trifft das Adjektiv empathiebefreit auch auf Sie zu.
Ich sehe für das Problem keine gute Lösung. Helfen ist, von teuer ganz abgesehen, freilich recht aussichtslos. Die Grenzen so zu sichern, dass die illegale Einreise mehr oder weniger unmöglich wird, ginge zwangsläufig mit noch mehr Überwachung einher. Bleibt nichts tun und hoffen, dass sich das Problem irgendwann von selbst löst. Was mir momentan als die beste Lösung erscheint.
Zitat von Solus im Beitrag #22(…) Das heißt im Umkehrschluß aber, dass Sie den Tod derjenigen zumindest in Kauf nehmen. Anders gesagt, dass Sie akzeptieren, dass es andere Menschen gibt, denen es sehr viel schlechter als Ihnen geht. Was nun etwas ist, was die Linken garnicht haben können. Aus deren Sicht trifft das Adjektiv empathiebefreit auch auf Sie zu.
Ich sehe für das Problem keine gute Lösung. Helfen ist, von teuer ganz abgesehen, freilich recht aussichtslos. Die Grenzen so zu sichern, dass die illegale Einreise mehr oder weniger unmöglich wird, ginge zwangsläufig mit noch mehr Überwachung einher. Bleibt nichts tun und hoffen, dass sich das Problem irgendwann von selbst löst. Was mir momentan als die beste Lösung erscheint.
Wir als Westeuropäer könnten mit einem Bruchteil unseres Bruttosozialprodukts schon eine Menge leisten, wenn das Geld und die Ressourcen vernünftig eingesetzt würden. Niemand hätte davon einen Nutzen, dass wir alles aufgeben und uns ins Elend stürzen, wie es auch angesprochen wurde. Aber wenn wir das moralische Recht behalten wollen, unsere Grenzen zu sichern, müssen wir auf der anderen Seite auch Leben und Daseinsvorsorge sichern (helfen).
Zitat von stefanolix im Beitrag #23Aber wenn wir das moralische Recht behalten wollen, unsere Grenzen zu sichern, müssen wir auf der anderen Seite auch Leben und Daseinsvorsorge sichern (helfen).
Nein, müssen wir nicht.
Obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, was genau Sie unter dem "moralischen Recht, die Grenze zu sichern" verstehen. Ich halte es für ein völlig natürliches Recht einer jeden Nation, seine Grenze zu sichern. Ich tue mich schwer, eine Kategorie "Moral" damit zu verknüpfen.
Ist es moralisch zu rechtfertigen, abends seine Haustür abzuschließen, obwohl man nicht alles dafür getan hat, die Armut der Einbrecher zu lindern?
Ich habe mich hier neu registriert, um auf einen Punkt in der Argumentation einzugehen. Vorweg also einen Gruß in die Runde..
Zitat Wenn ich mein gesamtes Einkommen nähme und mein Girokonto überzöge, und all dieses Geld an "Brot für die Welt" spendete, könnte ich vermutlich einer ganzen Reihe Menschen das Überleben kurzfristig sichern helfen (auf die schädlichen Konsequenzen und Nebenwirkungen von Spenden für die Betroffenen sei hier nur andeutend hingewiesen). Ich rettete kurzfristig mutmaßlich Leben dadurch. Aber man muß schon sehr verquer denken, um mir, da ich dergleichen nicht im Entferntesten vorhabe, die Schuld am Tod von Menschen, etwa in der Sahelzone, zu geben.
Das ist mitnichten so "verquer", wie Sie das darstellen. Im Gegenteil wird ein konsequentes Denken wohl kaum umhin kommen, Sie schuldig zu sprechen. Immerhin wird diese Sachlage in der Moralphilosophie auch seit einigen Jahrzehnten sehr intensiv diskutiert und von den prominentesten Denkern mit sehr starken (zugleich aber einfach nachvollziehbaren) Argumenten vertreten. Das Stichwort ist hier die "unterlassene Hilfeleistung": Wer in einer drängenden Notlage helfen könnte, es aber nicht tut, macht sich schuldig. Es gibt – moralisch gesehen, und über Moralfragen sprechen wir ja hier, wenn die Rede von "Schuld" ist – keine vernünftige Möglichkeit, die Reichweite des Konzepts der Hilfspflicht zu begrenzen, etwa auf Ihre Familie, Dorf-, Volks- oder Rassegemeinschaft. Vielmehr reicht Ihre Hilfspflicht genau so weit, wie ihre Möglichkeiten zur Hilfe reichen.
Damit will ich nicht moralisieren, sondern nur darauf hinweisen, dass die von Ihnen als "verquer" beiseite geschobene Position alles andere als verquer ist, sondern ziemlich starke Gründe für sich hat. Das sieht man ja auch daran, dass sie üblicherweise nicht mit Gründen, sondern mit Polemik ("verquer") abgefertigt wird. Man sollte das also etwas tiefer erwägen, bevor man es verwirft.
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