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Dieses Thema hat 116 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

08.12.2013 18:47
Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Die skurrilsten Pressemitteilungen kommen m.E. aus dem Hause des Bundesforschungsministeriums. Es wurde Zeit einen davon mal mit einem Artikel zu würdigen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Hermes Offline



Beiträge: 59

08.12.2013 20:07
#2 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Die Aussage

Zitat
"Die Interessenunterschiede zwischen Altersgruppen sind weniger bedeutend als Interessenunterschiede innerhalb von Altersgruppen."



ist nicht ganz verkehrt. Zwar gibt es unter den heutigen Senioren nur bedingt Interessenunterschiede, also etwa zwischen Rentnern und Pensionären, sowie Senioren mit geringen und erheblichen Vermögenswerten, aber die Unterschiede in der Interessenslage der jüngeren Menschen sind doch recht offensichtlich. Daher mutmaße ich, dass die Daumenschrauben, die die Empfänger der Alterseinkommen den Einzahlern anlegen werden, bis zum Nachlassen der Zahl zu versorgender Babyboomer-Rentner weitergedreht werden und dann ersichtlich wird, wie stark die Gesellschaft bis zu diesem Zeitpunkt bereits auseinander gedriftet ist.

Denken wir etwa an die nicht-deutschstämmigen ethnischen Minderheiten, die sich vermutlich auch in der sechsten oder siebten Generation nicht ausschließlich als Deutsche verstehen werden - wozu die bevorstehende Abschaffung von Beschränkungen der doppelten Staatsbürgerschaft einen wesentlichen Beitrag leisten wird. Im Gegensatz zu den deutschstämmigen Bewohnern des Landes vertreten diese Menschen weitgehend traditionelle Familienwerte. Daher wäre vorstellbar, dass sie sich weigern, die kinderlosen Alten der heutigen Beitragszahler zu versorgen, die lieber ihre eigene Jugend perpetuieren, als Familien zu gründen.

Dass diese dies unterlassen, liegt allerdings auch daran, dass es zunehmend schwerer wird, den Leistungsansprüchen des Arbeitgebers, der die oft jahrelang prekär beschäftigten Berufsanfänger all das erwirtschaften lassen muss, was er der vorherigen Generation gemäß deren schlaraffenlandartigen Tarifverträgen aus den 70er und 80er Jahren schuldet, den finanziellen Forderungen von Vater Staat u.a. zur Versorgung der Wahlklientel oberhalb der 60 und den verordneten Rollenbilderzwängen mit dem Ziel der Verbreiterung der Einnahmebasis für Steuern und Sozialversicherungen gerecht zu werden, die allesamt die Familiengründung erschweren bis verunmöglichen.

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

08.12.2013 20:15
#3 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #1
Es wurde Zeit einen davon mal mit einem Artikel zu würdigen.

Das ganze könnte man unter die Überschrift stellen: "Die Rente ist alternativlos". Und dann lässt man die heutigen und die zukünftigen Nutznießer dieses alternativlose Konzept bekakeln. Die einen verteidigen natürlich ihren heutigen Besitzstand, die anderen gucken, dass ihr baldiger Besitzstand nicht geschmälert wird, und die dritte, die noch optimistischste und naivste Gruppe hat heute schon ihr alternativlos zukünftiges Auskommen im Blick.
Wenn Wanka jetzt sagen kann, "dass die jungen Menschen, die den demografischen Wandel in einigen Jahren deutlicher spüren werden, diesen mit großer Zuversicht sehen", dann liegt das nur daran, dass der demographische Wandel bis jetzt noch etwas furchtbar Abstraktes für die neue Zahlergeneration ist. Noch ist das Elend ja nicht spürbar, und man wird das schon irgendwie wuppen. Der naive Jungoptimist ist da genauso zuversichtlich, wie bei der Unterzeichnung seines über 30 Jahre laufenden Hauskredits, den er (mit Sicherheit und glücklich) pünktliche 5 Jahre vor Erreichung des Rentenalters abgezahlt haben wird.
Die Altvorderen haben das ja (vorbildhaft) auch so gemacht.

Da die erzwungene Generationensolidarität nun eh keinen Freiraum mehr für eigene Altersvorsorge lassen wird, fällt es bei der Überlegung bezüglich der eigenen Zuversicht nun gar nicht mehr ins Gewicht, dass es theoretisch ja durchaus auch erprobte, alternative Möglichkeiten zur Absicherung des eigenen Lebensabends geben könnte. Von Ersparnissen oder Investments (in Sachwerte und/oder den eigenen Nachwuchs) zehren zu können ist in der Zwangssolidargemeinschaft nicht vorgesehen. Das kommt nicht mehr vor. Also geht es nur noch darum seine Lebensarbeitszeit irgendwie über die Bühne zu kriegen um sich dann in den absehbar kommenden Empfängerjahren auch in den Schoß des (finanziell hoffentlich gut ausgestatteten) Solidarsystems fallen zu lassen.

Dolle Sache übrigens, so ein Generationsparlament aus politisch interessierten Rollenspielern.

Zitat von Gefühlt mit seiner Rolle im Einklang stehender Transferleistungsempfängersimulant
Georg P., 45 Jahre alt, aus Linnich

Welche Rolle haben Sie in der Politiksimulation gespielt?
Bei mir stimmte die Rolle, mit Ausnahme des Schulabschlusses, mit der Realität überein. Auf den Schulabschluss zu verzichten, hat sich als etwas schwierig gestaltet.



Beste Grüße, Calimero

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Noricus Offline



Beiträge: 2.362

08.12.2013 21:27
#4 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Hermes im Beitrag #2
Daher wäre vorstellbar, dass sie sich weigern, die kinderlosen Alten der heutigen Beitragszahler zu versorgen, die lieber ihre eigene Jugend perpetuieren, als Familien zu gründen.

Dass diese dies unterlassen, liegt allerdings auch daran, dass es zunehmend schwerer wird, den Leistungsansprüchen des Arbeitgebers, der die oft jahrelang prekär beschäftigten Berufsanfänger all das erwirtschaften lassen muss, was er der vorherigen Generation gemäß deren schlaraffenlandartigen Tarifverträgen aus den 70er und 80er Jahren schuldet, den finanziellen Forderungen von Vater Staat u.a. zur Versorgung der Wahlklientel oberhalb der 60 und den verordneten Rollenbilderzwängen mit dem Ziel der Verbreiterung der Einnahmebasis für Steuern und Sozialversicherungen gerecht zu werden, die allesamt die Familiengründung erschweren bis verunmöglichen.


Ich darf an dieser Stelle ein bisschen provozieren, lieber Hermes. Es gibt auch Menschen, auf die alles, was Sie schildern, nicht zutrifft, die aber trotzdem völlig gewollt kinderlos sind. (Ich gehöre zu diesen Menschen.) Die Entscheidung, eine Familie zu gründen oder nicht, ist doch eine höchstpersönliche. Da spielen auch viele Faktoren hinein, die von der Politik gar nicht beeinflusst werden können, z.B. in meinem Fall eine unüberwindliche Abneigung gegen das gemeinsame Wohnen mit anderen Menschen und alle daraus resultierenden Übel.
Oder muss man aus der unseligen politischen Entscheidung, die Rente nach einem Generationenvertragsmodell zu konstruieren, eine Pflicht zum Kinderkriegen ableiten? Meiner Auffassung einer liberalen Gesellschaftsordnung entspricht das jedenfalls nicht. Sehen Sie, ich plane meine Altersversorgung so, dass ich nicht von der erzwungenen Solidarität anderer Leute abhängig bin. Das muss man sich wohl leisten können, aber vor allem auch wollen. Die Freiheit erfordert bisweilen Opfer.

Hermes Offline



Beiträge: 59

08.12.2013 22:00
#5 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat
Oder muss man aus der unseligen politischen Entscheidung, die Rente nach einem Generationenvertragsmodell zu konstruieren, eine Pflicht zum Kinderkriegen ableiten? Meiner Auffassung einer liberalen Gesellschaftsordnung entspricht das jedenfalls nicht. Sehen Sie, ich plane meine Altersversorgung so, dass ich nicht von der erzwungenen Solidarität anderer Leute abhängig bin. Das muss man sich wohl leisten können, aber vor allem auch wollen. Die Freiheit erfordert bisweilen Opfer.



So, lieber Noricus, wollte ich meinen Beitrag keineswegs verstanden wissen. Selbstverständlich ist die Entscheidung für oder gegen eigene Kinder eine höchstpersönliche. Die Freiheit der Menschen wird jedoch m.E. auch dort eingeschränkt, wo der Wunsch besteht, zunächst die berufliche und finanzielle Sicherheit zu erwerben, die man bei den eigenen Eltern als Voraussetzung für eine Familiengründung kennengelernt hat und die vor 30 oder 40 Jahren für die meisten Berufsanfänger erreichbar gewesen zu sein scheint, heute aber für viele junge Menschen unerreichbar ist. Und dies nicht zuletzt deswegen, weil die ältere Generation wenig Bereitschaft zeigt, der nachwachsenden Generation die gleichen Chancen einzuräumen, wie sie sie selbst hatte, wobei dies teilweise auch darauf zurückzuführen ist, dass sie in beispielloser Weise die Kassen geplündert und implizite wie explizite Schuldenberge aufgehäuft hat, was sich eben nicht beliebig wiederholen lässt.

Südeuropa zeigt dasselbe Muster in deutlich verschärfter Form: Dort können selbst 30-Jährige noch nicht aus ihrem Kinderzimmer ausziehen, geschweige denn, eine Familie versorgen, weil in der Vergangenheit Mittel nicht eingesetzt wurden, um eine wettbewerbsfähige Ökonomie zu etablieren, die jungen Menschen Beschäftigungsaussichten bieten könnte, sondern um politische Gefälligkeit mit Posten im wachsenden öffentlichen Verwaltungsapparat zu belohnen, die von ihren inzwischen ergrauten Inhabern weiterhin unter Verursachung erheblicher Kosten bekleidet werden; es sei denn, sie genießen inzwischen eine fürstliche Pension an ihrem Altersruhesitz. In den entsprechenden Ländern sind die Geburtenraten noch niedriger als in Deutschland - und das liegt nicht an persönlichen Präferenzen, sondern an dem noch ausgeprägteren Nepotismus und der Selbstbedienungsmentalität der - zahlenmäßig stärkeren - älteren Generation.

Llarian Offline



Beiträge: 6.899

08.12.2013 22:16
#6 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #4
Es gibt auch Menschen, auf die alles, was Sie schildern, nicht zutrifft, die aber trotzdem völlig gewollt kinderlos sind. (Ich gehöre zu diesen Menschen.) Die Entscheidung, eine Familie zu gründen oder nicht, ist doch eine höchstpersönliche.

Absolut. Das sich daraus ergebende Problem ist aber ein anderes: Die Folgen dieser höchstpersönlichen Entscheidung lassen sich über ein Betrugssystem wie den Generationenvertrag wunderbar solidarisieren.

Zitat
Sehen Sie, ich plane meine Altersversorgung so, dass ich nicht von der erzwungenen Solidarität anderer Leute abhängig bin.


Aber Sie planen Sie in Abhängigkeit von der Bereitschaft anderer Kinder zu kriegen. Sie wären (mit allen anderen zusammen) völlig gekniffen, wenn andere diese Entscheidung ebenso treffen würden. Geld und Werte, die man sich erspart sind wunderschön, aber ohne jemanden, der an diesen interessiert ist, sind sie in der Regel wertlos. Das eine Gesellschaft sich selber erhalten muss erscheint mir ebenso trivial zu sein wie die Notwendigkeit dafür den notwendigen Nachwuchs zu erzeugen. Eine Gesellschaft die sich selber nicht erhalten will ist sowohl dekadent als auch dazu verurteilt unterzugehen. Einen Zwang daraus zu nehmen sich zu vermehren, würde ich sicher nicht konstuieren, aber ein Bewusstsein für die Folgen sollte schon vertreten werden. Der Grund warum die Deutschen derzeit im eigenen Lande überrannt werden, liegt darin begründet, dass sie zu dekadent geworden sind, sich selber zu vermehren. Und ich sehe es wie Hermes: Ob die Migranten, die in unserer Gesellschaft schon breite Schichten prägen, auch bereit sind die Renten für fremde "Inländer" zu zahlen, die würde ich mit einem grossen Fragezeichen versehen.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

09.12.2013 05:44
#7 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #6

Absolut. Das sich daraus ergebende Problem ist aber ein anderes: Die Folgen dieser höchstpersönlichen Entscheidung lassen sich über ein Betrugssystem wie den Generationenvertrag wunderbar solidarisieren.

Weil es mein Thema ist möchte ich, lieber Llarian und lieber Noricus, hier mal kurz polemisieren:
"Solidarisieren" sagt eigentlich schon alles. Das ist Neusprech vom Feinsten. Der sogenannte Generationenvertrag ist eine Kollektivierung.
Zwangssolidarisierung klingt hoffentlich immer noch unlogischer als Zwangskollektivierung, oder?
Ich kann Hermes nur zustimmen, die Haltung der heutigen Generation der Rentner zeigt nur allzu gut, wie diese Kollektivierung unsoziales Verhalten geradezu hervorruft.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

09.12.2013 08:43
#8 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #6
Eine Gesellschaft die sich selber nicht erhalten will ist sowohl dekadent als auch dazu verurteilt unterzugehen. Einen Zwang daraus zu nehmen sich zu vermehren, würde ich sicher nicht konstuieren, aber ein Bewusstsein für die Folgen sollte schon vertreten werden.


Lieber Llarian, meiner Erfahrung nach wollen die allermeisten Leute sich vermehren. Einige der Gründe, warum die Deutschen weniger Kinder kriegen, hat Hermes ja schon genannt. Unzutreffend ist hingegen, Kinderlosen pauschal eine dekadente Mentalität oder den Unwillen zu unterstellen, von ihrem Leben im Junge-Erwachsene-Modus abzulassen. Neben der (von Hermes erwähnten) ökonomisch suboptimalen Lage des Berufsanfängers sehe ich noch folgende Gründe, warum das traditionelle Familienmodell nicht mehr so viel Anklang findet: Angst vor ruinösen Scheidungsfolgen; Angst davor, nach der Scheidung (zumindest de facto) als Alleinerziehende(r) dazustehen; eine soziale Realität, in der die Ehe nicht mehr als Bund fürs Leben, sondern für einen Lebensabschnitt betrachtet wird; eine soziale Norm, die es Frauen gebietet, "nach oben" zu heiraten, weshalb der Partnerpool für Akademikerinnnen sehr überschaubar ist; die jedenfalls an Führungskräfte gerichtete Erwartung, jederzeit einsatzbereit zu sein, wodurch ein Familienleben erschwert bis verunmöglicht wird ...
Im Übrigen kann ich mir nicht vorstellen, dass Menschen sich deshalb für Kinder entscheiden, weil sie den demographischen Wandel aufhalten oder die Gesellschaft erhalten wollen. Die Leute kriegen Kinder, weil sie eine Familie haben möchten. Es ist doch durchaus legitim, bei dieser Entscheidung nicht an das große Ganze zu denken, sondern einem persönlichen Wunsch nachzugeben. Ich erlaube mir deshalb jedoch, nicht pausenlos dafür dankbar zu sein, dass meine Mitbürger eine Voraussetzung für den Werterhalt meines Vermögens schaffen.

Reisender ( gelöscht )
Beiträge:

09.12.2013 08:57
#9 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #7
Der sogenannte Generationenvertrag ist eine Kollektivierung.
Zwangssolidarisierung klingt hoffentlich immer noch unlogischer als Zwangskollektivierung, oder?
Ich kann Hermes nur zustimmen, die Haltung der heutigen Generation der Rentner zeigt nur allzu gut, wie diese Kollektivierung unsoziales Verhalten geradezu hervorruft.


Wie könnte denn eine angemessene Altersvorsorge/ Absicherung aussehen? Unsere Haushaltshilfe ("über Tarif" bezahlt) kann keine Ersparnisse fürs Alter zurück legen oder Investments in Sachwerte tätigen. Ihr Investment in ihre 3 Kinder wirft ebenfalls keine wesentliche Rendite ab, da die Kinder nur bis zu 1200, € netto als Salär erhalten, selbst Kinder haben und sehen müssen, wie sie zurecht kommen.

MfG Reisender

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

09.12.2013 10:54
#10 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #1
Die skurrilsten Pressemitteilungen kommen m.E. aus dem Hause des Bundesforschungsministeriums.

Mich irritiert ja nicht nur, was da inhaltlich abgelaufen ist.
Mich stört vor allem, daß ein solcher Unsinn wie diese Parlaments-Imitation ausgerechnet vom maximal unzuständigen Forschungsministerium initiiert und aus Steuergeldern bezahlt wird.

Ansonsten kann ich nur zustimmen: Solidarität ist freiwillig und gegenseitig. Was im Namen des "Sozialstaats" bei uns so veranstaltet wird, ist nicht komplett verkehrt, hat aber nicht einmal ansatzweise etwas mit Solidarität zu tun.

123 Offline



Beiträge: 287

09.12.2013 11:06
#11 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Perspektivenwechsel:

Es wird immer nur von Einzahlern "Solidarität" verlangt, niemals jedoch von Anspruchstellern, also Kassierern.
Daß die Ansprüche der Kassierer mit horrender Abgabenlast der Einzahler verbunden, und zudem noch massiv durch
Neuverschuldung, bzw. Geld aus der Notenpresse finanziert sind, interessiert jedoch niemand. Auch nicht die gegenwärtigen
und künftigen Einzahler. Denn sie sind Opfer einer massiven

Konditionierung:

Die von Politikern, Medien und Sozialindustrie behauptete "Entsozialsierung" ist angesichts der geleisteten Beiträge
eine gradezu böswillige, herabwürdigende Behauptung.
Jedoch eine sehr nützliche, denn sie soll Schuldgefühle einreden, um die Zahlbereitschaft für immer noch höhere
Abgabenlasten absichern und erweitern.
Worum es Medien, Politikern und Sozialindustrie in Wirlichkeit geht, ist deren Eigeninteresse an der Absicherung ihrer

Macht- und Profitinteressen:

Je mehr Sozialstaat, umso abhängiger sind wir Einzelne von den Politikern. Einmal nehmen sie uns massiv finanzielle Autonomie
und schränken damit faktisch extremst unser Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein. Zugleich begünstigt die
staatliche Ausbeutung und Entrechtung unseren Bedarf nach staatlicher Unterstützung.

Vor diesem Hintergrund macht der beleidigende Vorwurf der Entsolidarisierung aus machtpolitischem Kalkül doppelt Sinn.
Die Medien als praktisch durchweg linke Propagandisten haben die Freude eines Missionars und Priesters, wenn sie ihre Saat
in den Köpfen ihrer Zuhörerschaft aufgehen sehen. Die Sozialindustrie sichert sich am offensichtlichsten Zigmilliardenprofite,
und enthebt sich noch mehr als bislang der Rechenschaftspflicht im Umgang der staatlich zwangsenteigneten Gelder der arbeitenden
Bevölkerung. Darüber hinaus ist der Vorwurf der Entsolidarisierung auch logische Folge der zuvor bereits erfolgten

sozialen Normierung:

Der ethische Wert des Sozialen und Solidarischen ist so etabliert und verinnerlicht, daß eine rationale Debatte über Inhalte
und Ausmaße praktisch tabuisiert ist. Solange die politmediale Herrschaftselite sich lediglich auf die Begriffe "sozial, solidarisch"
berufen berufen muß, um ihre Macht- und Profitinteressen noch mehr auszubauen, wird sie dies auch tun.

Erst ein ethischer Paradigmenwechsel würde diesen Prozeß umkehren. Ein Ansatz wäre wie eingangs beschrieben, den Solidarbegriff
auch, und vor allem auf die Kassierer anzuwenden. Die Einzahler bekämen eine moralische Legitimation für die Vertretung ihrer
Interessen, was aber den Politikern überhaupt nicht gefallen würde, weil mit der Weigerung immer noch mehr Abgaben & Steuern an die Politik
zu bezahlen, deren Machtfülle reduziert würde. Die Medien schließlich haben ein durchweg weltanschaulich linkes Missionsinteresse,
und tabuisieren jede Hinterfragung staatlichen Machtzuwachses.

D.h., diese Entwicklung wird immer weiter gehen. Schon jetzt sind Familienhartzer finanziell gleich oder sogar besser gestellt
als mittlere Einkommen. Trotzdem gelten die Hartzer als arm, die Arbeitenden jedoch als starke Schultern und zur Finanzierung derjenigen
verpflichtet sind, die finanziell und von der Lebensqualität (12 Monate Urlaub im Jahr) besser gestellt sind.

Dieser ansich unfaßbare Mißstand sozialstaatlicher Exzesse wird jedoch genauso hingenommen, wie in früheren Epochen moralisch definierte
Herrschafts- und Ausbeutungsstrukturen, wie Ständegesellschaft, Leibeingenschaft, Sklaverei.

Im Prinzip sucht die Herrschaftselite immer mit der psychologisch gleichen Methode nach Sicherung ihrer Macht- und Profitinteressen:
Moralischer Normsetzung und moralischer Erpressung. Das ist der Kerninhalt des Vorwurfes der "Entsolidarisierung".

Christoph Offline




Beiträge: 241

09.12.2013 16:08
#12 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Reisender im Beitrag #9
Wie könnte denn eine angemessene Altersvorsorge/ Absicherung aussehen? Unsere Haushaltshilfe ("über Tarif" bezahlt) kann keine Ersparnisse fürs Alter zurück legen oder Investments in Sachwerte tätigen. Ihr Investment in ihre 3 Kinder wirft ebenfalls keine wesentliche Rendite ab, da die Kinder nur bis zu 1200, € netto als Salär erhalten, selbst Kinder haben und sehen müssen, wie sie zurecht kommen.

MfG Reisender


Warum kann Ihre Haushaltshilfe, wenn Sie sie über Tarif bezahlen, keine Ersparnisse bilden? Die Beiträge zur Renten-Umlage kann sie doch auch erwirtschaften. Gäbe es die nicht, könnte sie das Geld sparen.

Schwarzhut Offline



Beiträge: 60

09.12.2013 16:19
#13 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat
Aber Sie planen Sie in Abhängigkeit von der Bereitschaft anderer Kinder zu kriegen. Sie wären (mit allen anderen zusammen) völlig gekniffen, wenn andere diese Entscheidung ebenso treffen würden


Lieber Larian,
ich denke, Sie haben das völlig richtig erkannt. Alle modernen Gesellschaften leiden darunter, dass das Verhältnis alt/ jung sich umkehrt. Ursachen sind zum Einen der medizinische Fortschritt, der eine längere Lebenszeit ermöglicht, zum Anderen aber auch die Umwälzung unserer gesellschaftlichen Ziele.
Individueller Wohlstand, Luxus, Lebensvorstellungen, Gewohnheiten, Ideologien usw. stehen im Vordergrund. Die seit Millionen von Jahren einzig gültige Prämisse für unsere Existenz auf dieser Welt, die Erhaltung der Art, also Geburt und Aufzucht von Nachwuchs, tritt demgegenüber in den Hintergrund.
Zugespitzt formuliert: "Kinder sind teuer, lästig, stören bei spontanen Aktivitäten und stellen Ansprüche. Partnerbindungen, wie in Familien notwendig, sind Spaßbremsen und hemmen die individuelle Freiheit. "
Einzelne Kinderlose, ob gewollt oder nicht, spielen hierbei keine entscheidende Rolle. Entscheidend sind die gesamtgesellschaftliche Entwicklungen der letzten Jahrzehnte!
Man kann zu dieser Einstellung jetzt zynisch bemerken: "Das mendelt sich raus". Es wäre auch nicht tragisch, wenn nur Individuen, die diese Einstellung propagieren und leben, betroffen wären. Jedoch ist in einer Gesellschaft auch derjenige betroffen, der die "alten, überkommenen " Ziele verfolgt.

Wie Sie völlig richtig bemerken, ist Vorsorge in Form von Geld, Wertpapieren und Gütern nur möglich, wenn Nachfolger da sind, die daran Interesse haben. Egal ob im umlagefinanzierten Rentensystem oder bei privater Vorsorge in Form von Versicherungen oder Vermögensbildung , ohne eine ausreichende Zahl von Nachfolgern, die den dann zu verzehrenden Anspruch erwirtschaften, läuft dieser ins Leere. Insofern profitiert der Kinderlose erheblich von den Kindern der Anderen!
Es sollte auch klar sein, dass ein Anspruch zwar de jure bestehen kann, aber de facto ins Leere läuft, wenn die Gegenseite nicht fähig oder nicht willig ist, die Ansprüche auch zu erfüllen. Dies sollte jeder Junge bedenken, der heute mit der trügerischen Hoffnung auf einen Renten- oder Versorgungsanspruch in ferner Zukunft spekuliert. Ansprüche muss man durchsetzen können, sonst sind sie wertlos! Wenn unsere Nachfolgenerationen so wie wir heute denken, erübrigt sich mangels Verteilungsmasse jede weitere Diskussion über Verteilungsgerechtigkeit !

Herzliche Grüße
Schwarzhut

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

09.12.2013 17:47
#14 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Reisender im Beitrag #9

Wie könnte denn eine angemessene Altersvorsorge/ Absicherung aussehen? Unsere Haushaltshilfe ("über Tarif" bezahlt) kann keine Ersparnisse fürs Alter zurück legen oder Investments in Sachwerte tätigen. Ihr Investment in ihre 3 Kinder wirft ebenfalls keine wesentliche Rendite ab, da die Kinder nur bis zu 1200, € netto als Salär erhalten, selbst Kinder haben und sehen müssen, wie sie zurecht kommen.

Gute Frage! Ich kann nur meckern, im Entwerfen von Rentenmodellen würde ich versagen. Deshalb versuche ich das gar nicht erst. Das gebe ich mal ganz unumwunden zu.
Aber ich möchte trotzdem darauf verweisen, dass es schon eine Reihe von verschiedenen Modellen in unterschiedlicher Ausgestaltung gibt. Und - dass die heutigen Probleme bereits bei Einführung unseres speziellen deutschen Systems, das auf eine Kapitaldeckung bewusst verzichtet, bekannt waren.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wi...te-1407015.html

Viele Grüße, Erling Plaethe

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

09.12.2013 20:50
#15 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #10
Ansonsten kann ich nur zustimmen: Solidarität ist freiwillig und gegenseitig.

So isses! Beim Lesen der Solidaritätsdefinition aus Wikipedia überkam mich auch schon ein leichter Würgereiz.

Zitat
Solidarität (...) drückt ferner den Zusammenhalt zwischen gleichgesinnten oder gleichgestellten Individuen und Gruppen und den Einsatz für gemeinsame Werte aus.

Da trieft doch sowohl die Volksgemeinschaft als auch das Klassenbewusstsein raus. (Bezeichnenderweise wurde der Artikel auch noch mit einer Solidaritäts-Briefmarke der DDR illustriert.) Man unterstellt hier einfach, dass jeder (Massenmensch?) zu einem politisch fassbaren, ideellen Kollektiv gehört (und auch gehören will), mit dessen "natürlichen" Ebensomitgliedern er sich solidarisch verbunden, oder sogar verhaftet fühlt.

Wie kommt man auf so was?

Gleichgestellte sind doch zunächst mal Konkurrenten auf demselben Spielfeld, oder? Warum soll man ausgerechnet bei denen solidarische Bereitschaft verspüren? Meiner Ansicht nach ist selbstverständliche Solidarität nur auf einen sehr kleinen Kreis persönlich bekannter und verhafteter Individuen beschränkt. Der Partner, Kinder, Eltern und Geschwister, beste Freunde. Die kennt man und kann sich wahrscheinlich auch deren gegenseitiger Solidarität sicher sein. Alle Unterstützungen über diesen Kreis hinaus sind temporär, nicht gegenseitig, nicht verpflichtend und meist nur einem konkreten Anlass geschuldet. Jedenfalls solange dies freiwillig erfolgt. Das ist dann auch keine Solidarität, sondern z.B. Hilfsbereitschaft, Mitleid, Altruismus, aber auch z.B. Lobbyismus oder Investment.

Diese ganzen Äußerungen individuell möglicher Unterstützungsbereitschaft fassen Politik und Gesellschaftsklmpnerbetriebe nun unter dem Begriff Solidarität zusammen und verknacken dich auch gleich noch in irgendwelche Gruppenkonstruktionen, in denen du dann solidarisch sein musst. Dann wirst du in Haftung genommen wenn das Gruppenkonstrukt Deutschland irgendwo solidarische Hilfen zusagt, du bist bei solidarischen Ausgleichsmechanismen in der EU und der Euro-Gruppe mit dabei, du hängst im Länderfinanzausgleich mit drin und du sicherst z.B. der ganzen Integrationsindustrie und dem moralisierend-ökopazifistischen Komplex des Auskommen. Alles wegen deiner dir ungefragt angehängten Zwangsmitgliedschaft. Man pappt nur einfach das schöne Wort Solidarität auf das alles drauf und suggeriert dir dadurch, dass man auf dich als Teil dieser ach so tollen Gemeinschaften ebenso wohlwollend aufpasst, falls du mal Hilfe brauchen solltest.

Schöne Verarsche.

Beste Grüße, Calimero

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

09.12.2013 21:32
#16 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Lieber Calimero, der Begriff der Solidarität entstammt der Arbeiterbewegung. Individualismus war damals und dort wohl weniger verbreitet. Es bestand ein viel größeres Bedürfnis sich zu organisieren weil die Interessen, zumindest die Erwerbstätigkeit betreffend, viel homogener waren.
Das hat sich erheblich gewandelt. Die Gewerkschaften müssen aus Selbsterhaltungstrieb oder aus ähnlichen Gründen wohl zeitlebens so tun, als hätten sich die Interessen der Erwerbstätigen nicht längst so sehr diversifiziert, dass die frühere Arbeiterbewegung sich geradezu in Luft aufgelöst hat.
Insofern ist die Definition natürlich Bestandteil einer politischen Richtung, um nicht zu sagen einer Ideologie.
Ich habe die Definition nur zitiert um auf die Widersprüchlichkeit des Begriffs "Entsolidarisierung" abzustellen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Llarian Offline



Beiträge: 6.899

10.12.2013 01:20
#17 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #8
Lieber Llarian, meiner Erfahrung nach wollen die allermeisten Leute sich vermehren.

Diese Annahme hat auch Adenauer mal recht deutlich vertreten. Er konnte die Folgen seines Fehlers nicht mehr erleben. Aber zumindest in Zeiten von 1,4 Kindern pro Frau, Tendenz sinkend, ist ihre Erfahrung keine mehrheitsfähige mehr, lieber Noricus.

Zitat
Unzutreffend ist hingegen, Kinderlosen pauschal eine dekadente Mentalität oder den Unwillen zu unterstellen, von ihrem Leben im Junge-Erwachsene-Modus abzulassen. Neben der (von Hermes erwähnten) ökonomisch suboptimalen Lage des Berufsanfängers sehe ich noch folgende Gründe, warum das traditionelle Familienmodell nicht mehr so viel Anklang findet: Angst vor ruinösen Scheidungsfolgen; Angst davor, nach der Scheidung (zumindest de facto) als Alleinerziehende(r) dazustehen; eine soziale Realität, in der die Ehe nicht mehr als Bund fürs Leben, sondern für einen Lebensabschnitt betrachtet wird;


Und all das würde ich gerade als Bestätigung dessen sehen, was Sie vorher so deutlich ablehnen. Angst vor dem Leben und den Schicksalsschlägen des selben ist etwas das man in der Jugend wohl noch viel erlebt, aber einem Erwachsenen nicht gut zu Gesicht steht. Die Bereitschaft sich auf einen Menschen nicht nur einige Jahre (oder gar Monate) einzulassen, sondern die Entscheidung zu treffen das restliche Leben mit diesem zu teilen, ist einem Jugendlichen fremd. Es sollte aber einem Erwachsenen nicht fremd sein. Reife und Verantwortung kommt mit den Jahren, aber ich sehe die Tendenz, dass zunehmend viele Menschen die Verantwortung für einen anderen oder gar eine Familie, nicht übernehmen wollen. Ich hätte das mit 25 auch nicht gewollt. Aber ich bin dem Alter tatsächlich irgendwann entwachsen. Und ich betrachte es tatsächlich als eine Form der Dekadenz, dass so viele meinen auf diesem Stadium verharren zu können.
Es gibt im Leben keine Garantien. Es gibt keine lebensfesten Jobs. Keine Garantie auf einen Partner. Oder gesunde Kinder. Das ganze Leben steckt voller Unwägbarkeiten. Aber das hat unsere Eltern auch nicht davon abgehalten genau diese Unwägbarkeiten einzugehen.

Zitat
Im Übrigen kann ich mir nicht vorstellen, dass Menschen sich deshalb für Kinder entscheiden, weil sie den demographischen Wandel aufhalten oder die Gesellschaft erhalten wollen. Die Leute kriegen Kinder, weil sie eine Familie haben möchten. Es ist doch durchaus legitim, bei dieser Entscheidung nicht an das große Ganze zu denken, sondern einem persönlichen Wunsch nachzugeben.


Absolut. Ich finde auch den (leider so oft) implizierten Gedanken grotesk, man würde die Kinder für die Allgemeinheit kriegen. Und das ist nicht nur absurd, ich finde diesen Gedanken sogar höchst unmoralisch: Kinder werden frei geboren und nicht um als Rentenzahler "zu dienen". Nur: Alle persönlichen Wünsche, egal wie persönlich diese sind, haben Folgen. Ich sage nirgendwo, dass nicht jeder diese Entscheidung treffen darf. Aber man sollte sich die Ergebnisse nicht schönreden. Prinzipiell kann sich auch ein jeder dazu entschliessen nur so minimal wie möglich zu arbeiten und lieber möglichst viel rumzugammeln (ich kenne durchaus solche Leute, vor allem aus meiner Unizeit). Stattdessen könnten diese Leute auch reinhauen, was sie aber gerade nicht tun. Und das ist ihre persönliche Entscheidung. Nur hat das eben auch Folgen, und umso mehr das tun, umso massiver werden die Folgen. Die, die reinhauen, tun das auch nicht um möglichst viel Steuern zu zahlen, das kommt in der Folge mit. Und wer tut jetzt mehr für die Gesellschaft ? Auch ganz eigennütziges Verhalten kann der Gesellschaft dienen oder eben nicht dienen. Die Entscheidung einer ganzen Generation wenig Kinder zu bekommen hat Folgen. Und zwar massive. Egal wie persönlich die Entscheidung ist.

Zitat
Ich erlaube mir deshalb jedoch, nicht pausenlos dafür dankbar zu sein, dass meine Mitbürger eine Voraussetzung für den Werterhalt meines Vermögens schaffen.


Das sollten Sie aber. Und das meine ich ganz ohne Flax. Wenn andere etwas beitragen, unter Mühen beitragen, was einem nützt, so sehr nützt, dass es die Vorraussetzung für das eigene Überleben ist, dann sollte das schon etwas sein, für das man dankbar ist. Denke ich. Aber Dankbarkeit kann man nicht erzwingen. Wenn ich Steuern zahle und dafür ein Harz-Empfänger seine heisse Suppe bekommt, dann muss er mir nicht dankbar sein, dass ich ihn mitfinanziere. Ich finde zwar, er sollte es sein. Aber auch diese Dankbarkeit kann man nicht erzwingen. Das diese Dankbarkeit nicht vorhanden ist, ist nach meiner bescheidenen Meinung, ein Grund warum unser Sozialsystem immer weniger funktioniert. Ist aber eine andere Diskussion.

Llarian Offline



Beiträge: 6.899

10.12.2013 01:36
#18 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Schwarzhut im Beitrag #13
Zugespitzt formuliert: "Kinder sind teuer, lästig, stören bei spontanen Aktivitäten und stellen Ansprüche. Partnerbindungen, wie in Familien notwendig, sind Spaßbremsen und hemmen die individuelle Freiheit. "

Und vielleicht nicht weniger zugespitzt, jede einzelne dieser Aussagen ist absolut wahr, lieber Schwarzhut. Und es ist noch viel schlimmer. :)
Bevor ich selber Vater wurde, hätte ich mir nicht vorstellen können, was da auf mich zukommt. Ich glaube es ist auch gut so, dass ich das nicht konnte. Man wächst unheimlich an diesen Erfahrungen, aber man erfährt auch, dass man zu weit mehr in der Lage ist, als man sich selber vorher zugetraut hat.

Zitat
Einzelne Kinderlose, ob gewollt oder nicht, spielen hierbei keine entscheidende Rolle. Entscheidend sind die gesamtgesellschaftliche Entwicklungen der letzten Jahrzehnte!


Genau so (!) ist es. Einzelne Kinderlose hat es schon immer gegeben. Es ist ja auch nicht jedem gegeben, ich kenne durchaus Paare die jahrelang einfach keine Kinder kriegen konnten. Das kommt leider vor. Aber das eine ganze Generation das zum Lebensmotto erhebt, das ist neu.

Christoph Offline




Beiträge: 241

10.12.2013 02:24
#19 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #6
Zitat von Noricus im Beitrag #4
Es gibt auch Menschen, auf die alles, was Sie schildern, nicht zutrifft, die aber trotzdem völlig gewollt kinderlos sind. (Ich gehöre zu diesen Menschen.) Die Entscheidung, eine Familie zu gründen oder nicht, ist doch eine höchstpersönliche.

Absolut. Das sich daraus ergebende Problem ist aber ein anderes: Die Folgen dieser höchstpersönlichen Entscheidung lassen sich über ein Betrugssystem wie den Generationenvertrag wunderbar solidarisieren.

Zitat
Sehen Sie, ich plane meine Altersversorgung so, dass ich nicht von der erzwungenen Solidarität anderer Leute abhängig bin.

Aber Sie planen Sie in Abhängigkeit von der Bereitschaft anderer Kinder zu kriegen. Sie wären (mit allen anderen zusammen) völlig gekniffen, wenn andere diese Entscheidung ebenso treffen würden. Geld und Werte, die man sich erspart sind wunderschön, aber ohne jemanden, der an diesen interessiert ist, sind sie in der Regel wertlos.


Es ist aber ein fundamentaler Unterschied, ob jemand für die Zukunft auf irgendwelche Geschäftspartner hofft, die ihm abnehmen, was er angespart hat und ihn im Gegensatz einige Dienste leisten – oder sich darauf verlässt, dass ihn die zukünftigen Deutschen ernähren, ganz ohne Gegenleistung. Im Gegensatz zum Umlage-System ist es bei privater Vorsorge fast egal, welches National-Etikett die Eltern künftiger Generationen tragen.

Das Umlage-System bricht bei geringem Nachwuchs zusammen – bei privater Vorsorge steigen bloß die Preise für die Güter und Dienstleistungen, die alte Menschen benötigen.

Zitat
Das eine Gesellschaft sich selber erhalten muss erscheint mir ebenso trivial zu sein wie die Notwendigkeit dafür den notwendigen Nachwuchs zu erzeugen.


Das ist alles andere als trivial. Es ist, in abgewandelter Formulierung, die Frage aller Philosophie und Religion: «Was sollen wir hier?»
Darf man einem Kind das Leben zumuten? Man kann diese Frage dekadent finden – aber damit ist sie noch nicht beantwortet.

Zitat
Eine Gesellschaft die sich selber nicht erhalten will ist sowohl dekadent als auch dazu verurteilt unterzugehen. Einen Zwang daraus zu nehmen sich zu vermehren, würde ich sicher nicht konstuieren, aber ein Bewusstsein für die Folgen sollte schon vertreten werden.


Wenn eine Gesellschaft, die sich nicht vermehren will (sofern eine Gesellschaft überhaupt etwas wollen kann), dekadent ist, ist dann eine Gesellschaft die sich erhalten und verbreiten will nicht größenwahnsinnig?

Viele Grüße,
Christoph

Reisender ( gelöscht )
Beiträge:

10.12.2013 09:04
#20 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Christoph im Beitrag #12
Zitat von Reisender im Beitrag #9
Wie könnte denn eine angemessene Altersvorsorge/ Absicherung aussehen? Unsere Haushaltshilfe ("über Tarif" bezahlt) kann keine Ersparnisse fürs Alter zurück legen oder Investments in Sachwerte tätigen. Ihr Investment in ihre 3 Kinder wirft ebenfalls keine wesentliche Rendite ab, da die Kinder nur bis zu 1200, € netto als Salär erhalten, selbst Kinder haben und sehen müssen, wie sie zurecht kommen.

MfG Reisender


Warum kann Ihre Haushaltshilfe, wenn Sie sie über Tarif bezahlen, keine Ersparnisse bilden? Die Beiträge zur Renten-Umlage kann sie doch auch erwirtschaften. Gäbe es die nicht, könnte sie das Geld sparen.


Ja, das könnte sie. Wenn denn die ca. 450 € 40 Jahre geflossen wären. 40 Jahren Sparzeit und 1 % Verzinsung (3% Zinsen – wohlwollende 2 % Inflation) reichen für 13 Jahre – wenn unterstellt wird, dass die Lebenshaltungskosten nicht steigen. In 40 Jahren haben sie sich aber wenigstens verdoppelt.

Nicht wenige abhängig Beschäftigte und (Schein-) Selbständige hätten ohne Rentenversicherungspflicht aber nur 200 € zum zurück legen (unter der Prämisse, dass die Gelder dann beim Arbeitnehmer ankämen). Und da darf nichts passieren. In bestimmten Berufen wird es nicht möglich sein, bis 70 und länger zu malochen.

Sollte man das Rentensystem abschaffen? Die ohne Rücklagen bekommen eben Hartz 4. Wie würde man aber den Übergang organisieren können?


"Zitat
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Das eine Gesellschaft sich selber erhalten muss erscheint mir ebenso trivial zu sein wie die Notwendigkeit dafür den notwendigen Nachwuchs zu erzeugen.
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Das ist alles andere als trivial. Es ist, in abgewandelter Formulierung, die Frage aller Philosophie und Religion: «Was sollen wir hier?»
Darf man einem Kind das* Leben zumuten? Man kann diese Frage dekadent finden – aber damit ist sie noch nicht beantwortet." *dieses


So ist es! Das obige und die mangelhaften Kenntnisse meiner Kinder vom Türkischen und Arabischen haben meinen Blick auf die Zukunft arg verdüstert.

Es stellt sich dann noch eine Frage: Wie kann es sein, dass Menschen trotz harter Arbeit von der Hand in den Mund leben (Idealfall) und andere ohne Schaffung eines Gegenwertes in Saus und Braus leben (Ich gönne jedem vergoldete Radkappen an seinem V8).

Ich meine aber auch, dass das Individuelle bzw. das Abstellen auf das Individuum und die Selbstverantwortung keine Lösung sein wird. Schon weil, wie Ulrich Elkmann an anderer Stelle schrieb, nicht alle die erforderlichen Kenntnisse haben (können) und nicht gelernt haben, sich in Sachverhalte hinein zu arbeiten. Dazu kommt der Mangel an Zeit. Das fällt jedem einzelnen z.B. bei der Energieversorgung und Infrastruktur, worauf jeder angewiesen ist, der EU usw., auf die Füße.

Das Ergebnis scheint zu sein, dass ich weitestgehend keinen Einfluss auf die Gestaltung meines Lebens habe – Demokratie hin oder her.

Der Tag wird nicht friedlich enden.

MfG Reisender



Edit: Bleibt die Frage: Wenn die politischen Entscheidungsträger existenzgefährdendes zusammenrühren, machen die es mit Absicht?

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

10.12.2013 09:56
#21 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Christoph im Beitrag #12
Zitat von Reisender im Beitrag #9
Wie könnte denn eine angemessene Altersvorsorge/ Absicherung aussehen? Unsere Haushaltshilfe ("über Tarif" bezahlt) kann keine Ersparnisse fürs Alter zurück legen oder Investments in Sachwerte tätigen. Ihr Investment in ihre 3 Kinder wirft ebenfalls keine wesentliche Rendite ab, da die Kinder nur bis zu 1200, € netto als Salär erhalten, selbst Kinder haben und sehen müssen, wie sie zurecht kommen.

MfG Reisender


Warum kann Ihre Haushaltshilfe, wenn Sie sie über Tarif bezahlen, keine Ersparnisse bilden? Die Beiträge zur Renten-Umlage kann sie doch auch erwirtschaften. Gäbe es die nicht, könnte sie das Geld sparen.


Aber wenn die Haushaltshilfe Geld sparen würde (gemeint ist hier sparen im Sinne von Anlegen, also indirekt investieren), dann könnte das Geld nicht mehr zum Konsum der heutigen Rentner umverteilt werden.

Denen wohlen sie aber doch wohl nicht ihre "hart verdienten Ansprüche" streitig machen, oder? Dabei bezweifle ich nicht einmal, dass sie "hart verdient" waren, nur wurde halt durch das (reine) Umlagesystem Adenauers jede neue Generation verschaukelt - es wird nur der schwarze Peter an die nächste Generation weiter gegeben, bis eine mal nicht mehr will - oder kann.

Vom versprechen der Rente mit 63 sollten sich die heute noch Einzahlenden verschaukelt fühlen.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

10.12.2013 15:30
#22 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #17
Zitat von Noricus im Beitrag #8
Lieber Llarian, meiner Erfahrung nach wollen die allermeisten Leute sich vermehren.

Diese Annahme hat auch Adenauer mal recht deutlich vertreten. Er konnte die Folgen seines Fehlers nicht mehr erleben. Aber zumindest in Zeiten von 1,4 Kindern pro Frau, Tendenz sinkend, ist ihre Erfahrung keine mehrheitsfähige mehr, lieber Noricus.


Das Modalverb wollen habe ich gesetzt, weil ihm in meiner Aussage eine (entscheidende) sinntragende Bedeutung zukommt. Darin liegt der semantische Unterschied zwischen Adenauers und meinem Satz. Und das Problem liegt darin, dass zu viele Leute, auf die meine Äußerung zutrifft, nicht dem berühmten Kanzlerwort entsprechend handeln.

Zitat
Die Bereitschaft sich auf einen Menschen nicht nur einige Jahre (oder gar Monate) einzulassen, sondern die Entscheidung zu treffen das restliche Leben mit diesem zu teilen, ist einem Jugendlichen fremd. Es sollte aber einem Erwachsenen nicht fremd sein. Reife und Verantwortung kommt mit den Jahren, aber ich sehe die Tendenz, dass zunehmend viele Menschen die Verantwortung für einen anderen oder gar eine Familie, nicht übernehmen wollen. Ich hätte das mit 25 auch nicht gewollt. Aber ich bin dem Alter tatsächlich irgendwann entwachsen. Und ich betrachte es tatsächlich als eine Form der Dekadenz, dass so viele meinen auf diesem Stadium verharren zu können.



Das ist eine ahistorische Sichtweise. Einst war für die meisten Leute die einzige realistische Form der Altersversorgung diejenige, von ihren Kindern miternährt zu werden. Fürs Kinderkriegen gab es also unmittelbar einsichtige ökonomische Gründe. Die Familie zu verlassen wäre gleichbedeutend gewesen mit einem Verlust der Altersversorgung. Das mag zwar alles auf unsere Elterngeneration schon nicht mehr zugetroffen haben, aber solche jahrtausendealten kulturellen Prägungen ändern sich nicht zeitgleich mit den ökonomischen Rahmenbedingungen, sondern wirken nach. Wenn man der Logik Ihrer Argumentation folgt, könnte man die Dekadenz unserer Gesellschaft auch daran festmachen, dass kaum noch jemand das anbaut und herstellt, was er für seinen Lebensunterhalt wirklich braucht.


Zitat
Prinzipiell kann sich auch ein jeder dazu entschliessen nur so minimal wie möglich zu arbeiten und lieber möglichst viel rumzugammeln (ich kenne durchaus solche Leute, vor allem aus meiner Unizeit). Stattdessen könnten diese Leute auch reinhauen, was sie aber gerade nicht tun. Und das ist ihre persönliche Entscheidung. Nur hat das eben auch Folgen, und umso mehr das tun, umso massiver werden die Folgen.



Richtig. Und wenn eine Gesellschaft es als Missstand wahrnimmt, dass zu viele Leute hinter ihrem Leistungspotenzial zurückbleiben, dann sollte man sich vielleicht fragen, warum das so ist. Es wird immer Leute geben, die mit einem moderaten Einkommen völlig zufrieden sind und dieses nach dem Minimalprinzip mit möglichst wenig Aufwand zu erzielen versuchen. Dies ist ja durchaus legitim. Die Gesellschaft kann fordern, dass niemand, der sich selbst erhalten kann, der Allgemeinheit auf der Tasche liegt. Die Gesellschaft hat keinen Anspruch darauf, dass die Bürger mehr arbeiten, damit die Staatskasse geflutet wird. Ich denke, dass ein nicht ganz kleiner Teil der von ihnen geschilderten Uni-Kollegen unter anderen Bedingungen durchaus bereit wäre, mehr zu leisten.

Und so ähnlich sehe ich das bei der Familiengründung. Es gibt Menschen, die um keinen Preis der Welt eine Familie haben wollen. Dann gibt es aber welche, die eigentlich möchten, aber aus irgendeinem Grund nicht zur Tat schreiten. Mit einer Klage über die vermeintliche Dekadenz der Kinderlosen wird man an diesem Umstand nichts ändern. Die entscheidende Frage ist doch, welche Anreize man setzen kann, damit die Interessierten, aber noch Zögernden zu einer positiven Entscheidung gelangen. Da sollte man von einem Sarrazin'schen Gebärgeld für junge Akademikerinnen über massive steuerliche Entlastungen für Familien bis zur Förderung von Betriebskindergärten alles diskutieren, auch wenn es nicht ins eigene Weltbild passt.

Zitat
Auch ganz eigennütziges Verhalten kann der Gesellschaft dienen oder eben nicht dienen. Die Entscheidung einer ganzen Generation wenig Kinder zu bekommen hat Folgen.



Das bezweifelt auch niemand. Nur, lieber Llarian, was ist die Konsequenz, die man daraus ziehen soll? Meine Antwort auf diese Frage habe ich soeben gegeben.

Zitat

Zitat
Ich erlaube mir deshalb jedoch, nicht pausenlos dafür dankbar zu sein, dass meine Mitbürger eine Voraussetzung für den Werterhalt meines Vermögens schaffen.


Das sollten Sie aber. Und das meine ich ganz ohne Flax. Wenn andere etwas beitragen, unter Mühen beitragen, was einem nützt, so sehr nützt, dass es die Vorraussetzung für das eigene Überleben ist, dann sollte das schon etwas sein, für das man dankbar ist.




Da ich mich nicht erinnere, Sie um eine Nachhilfestunde in sozialadäquater Gesinnung gebeten zu haben, empfinde ich diesen Teil Ihres Kommentars als äußerst deplatziert, um es noch einigermaßen höflich zu formulieren. Zu einem Austausch auf diesem Niveau ist mir meine Zeit wirklich zu schade.

Nikosch Offline



Beiträge: 115

10.12.2013 16:50
#23 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #22
Und so ähnlich sehe ich das bei der Familiengründung. Es gibt Menschen, die um keinen Preis der Welt eine Familie haben wollen. Dann gibt es aber welche, die eigentlich möchten, aber aus irgendeinem Grund nicht zur Tat schreiten. Mit einer Klage über die vermeintliche Dekadenz der Kinderlosen wird man an diesem Umstand nichts ändern. Die entscheidende Frage ist doch, welche Anreize man setzen kann, damit die Interessierten, aber noch Zögernden zu einer positiven Entscheidung gelangen. Da sollte man von einem Sarrazin'schen Gebärgeld für junge Akademikerinnen über massive steuerliche Entlastungen für Familien bis zur Förderung von Betriebskindergärten alles diskutieren, auch wenn es nicht ins eigene Weltbild passt.

Meine Top 3 der Ausreden warum Menschen keine Kinder bekommen:
1. In diese Welt kann man doch keine Kinder setzen
2. Wir können uns Kinder nicht leisten
3. Ich habe Angst dass ...

Ausrede 1 und 2 sind verklausulierte Umschreibungen von "Ich bin nicht bereit mich einzuschränken und meinen bisherigen Lebensstil aufzugeben". Zu 3 möchte ich wiederholen was schon zuvor im Forum geschrieben wurde: "Werdet erwachsen!".

Verstehen Sie mich nicht miss. Wenn jemand klipp und klar sagt "Ich möchte keine Kinder weil ..." dann respektiere ich dass voll und ganz. Die Umwälzungen die Kinder mit sich bringen können sich Kinderlose auch in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen. Eine Argumentation nach dem Motto "Ich möchte gerne Kinder, aber ..." lasse ich jedoch nur in einem Punkt gelten: "... ich habe keinen entsprechenden Partner.".

Entweder man will Kinder oder man will keine. Niemand, der wirklich Kinder will bemisst diese nach ihren Kosten oder den Einschränkungen die sie bringen. Ein befreundetes Ehepaar lebt mit seinen drei Kindern in einer 3-Zimmer-Wohnung. Sie ist Hebamme und er Musiker und entsprechend bringen sie keine Reichtümer nach Hause. Dies ist eine der glücklichsten und zufriedensten Familien die ich kenne.

Auch für meine Frau und mich spielt bei der weiteren Familienplanung das "leisten können" nur eine untergeordnete Rolle.

Das die Deutschen so wenig Kinder bekommen liegt meiner Meinung nach nicht an mangelnden Familienleistungen, sondern an einem gesellschaftlichen Klima, dass der Familie und Kindern an sich keinen Wert mehr beibemisst, in dem Individualität und Selbstverwirklichung groß geschrieben werden und in dem eines der vorrangigen politischen Ziele ist, die Kinder möglichst schnell in die Kita abzuschieben und beide Elternteile vollzeit arbeiten zu schicken. Selbst bei denjenigen die Kinder bekommen, hat man manchmal den Eindruck, dass es sich hierbei um ein Selbstverwirklichungsprojekt handelt.

Für mich hängt es durchaus zusammen, dass die Franzosen die meisten Kinder in Europa bekommen und zu hunderttausenden auf die Straße gehen um gegen die Homoehe zu protestieren. Ich will damit absolut nicht sagen, dass die Homoehe verantworlich dafür ist wenn die Familie den Bach runter geht, sondern führe dies nur als Beispiel für ein konservativeres Familienbild der Franzosen an.

Viele Grüße
Nikosch

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

10.12.2013 17:47
#24 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Zitat von Nikosch im Beitrag #23
Entweder man will Kinder oder man will keine. Niemand, der wirklich Kinder will bemisst diese nach ihren Kosten oder den Einschränkungen die sie bringen.

Das gilt bestimmt für die grundsätzliche Entscheidung, ob man kinderlos bleiben möchte oder nicht.
Aber das gilt m. E. weitgehend nicht mehr für die Frage, ob man nach dem ersten Kind noch weitere Kinder haben möchte.

Mir fehlen jetzt dazu nähere Zahlen. Aber es würde mich nicht überraschen, wenn die Zahl der Kinderlosen in Frankreich ähnlich hoch wäre wie bei uns. Weil die grundsätzlichen Faktoren, die zu Kinderlosigkeit führen, dort gar nicht so viel anders sind als bei uns.

Aber bei uns ist es dann bei vielen Paaren nach dem ersten Kind genug. Und bei den meisten ist nach zwei Kindern Schluß.
Während in Frankreich drei Kinder völlig normal sind - das ist bei uns die Ausnahme.

Während nun bei der Grundsatzentscheidung "kinderlos oder nicht" eine Menge sehr persönliche Gründe eine Rolle spielen, gibt es bei der Anzahl der Kinder sehr wohl eine handfeste finanzielle Komponente.

Ein Kind kann noch so "mitlaufen" und nach kurzer Pause können wieder beide Partner in den Beruf. Ab zwei Kindern bleiben die meisten Mütter dann längere Zeit zu Hause (mit entsprechend reduzierten Berufsaussichten hinterher).

Umgekehrt steigen die Ausgaben beim zweiten und dritten Kind oft überproportional an (hängt natürlich vom jeweiligen Lebensstil ab). "Synergieeffekte" gibt es nur begrenzt (beim Essen), das Auftragen von Klamotten der älteren Geschwister gilt nicht mehr als zeitgemäß.
Aber ein Kind paßt oft noch in die vorhandene Wohnung, ins normale Auto. Ab dem zweiten Kind steht dann der Umzug an, wird der große Kombi nötig, reicht im Urlaub das Beistellbett im normalen Hotelzimmer nicht mehr.

Ich kenne jedenfalls genug Paare mit eher überschaubarem Einkommen, die wollen unbedingt ein Kind haben, eben aus persönlichen Gründen, bringen auch die dafür nötigen Opfer. Aber weitere Kinder würden dann einen so spürbaren Verlust an Wohlstand bedeuten, das wollen sie dann doch nicht.

adder Offline




Beiträge: 1.073

10.12.2013 18:32
#25 RE: Was die sogenannte Entsolidarisierung der Gesellschaft und der demographische Wandel miteinander zu tun haben könnten. Antworten

Lieber Nikosch, ich möchte gerne Ihre Liste nutzen, um einige Gedanken loszuwerden.

Zitat von Nikosch im Beitrag #23

Meine Top 3 der Ausreden warum Menschen keine Kinder bekommen:
1. In diese Welt kann man doch keine Kinder setzen


In welche Welt denn dann? Und natürlich vor allem: wenn all' diejenigen, die ihren Kindern zumindest halbwegs gute Gene mitgeben könnten, auf's Kinderkriegen verzichten, weil die Welt eben so ist, wie sie ist, dann wird die Welt auch nicht besser.

Zitat
2. Wir können uns Kinder nicht leisten



Ihre (in Ihrem Post folgende) Beobachtung ist schon zutreffend. Allerdings ist auch an der Beobachtung des "Nichtleisten-Könnens" etwas dran. Viele Menschen können sich wirklich und objektiv keine Kinder leisten: sie hätten nämlich gar nicht die Zeit und den Willen, das Nötige zu tun. Mit Geld hat das aber nichts zu tun.

Zitat
3. Ich habe Angst dass ...



Meine Mutter hat Angst, dass ich unsere gemeinsame (Erb-?)Krankheit an meine zukünftigen Kinder weitergebe. Ich nicht, aber nur weil ich weiss, dass es so kommen wird. Aber kann ich ungeborenen Kindern ihr zukünftiges Leben (und aller Wahrscheinlichkeit nach ihr zukünftiges Seelenleben) nehmen, nur weil sie einmal mit über 30 eine heutzutage schwere, unheilbare Krankheit bekommen werden? Hätte ich etwas direkt lebensbedrohliches (und nicht "nur" Fibromyalgie), würde ich es mir eventuell sogar noch mal überlegen wollen. Bestimmte Erbkrankheiten sind eben durchaus ein Grund, Angst vor dem Ergebnis der genetischen Vereinigung haben zu können.

Dennoch will ich - mit meiner jetzigen Partnerin (und ersten/einzigen Ehefrau) - Kinder. Allerdings hindert mich daran im Moment eben diese meine Krankheit - aber ich arbeite daran. Wenn es aber dann trotzdem nicht klappt, weiss ich nicht, ob ich mit Mitte 40 noch oben drauf einige Versuche künstlicher Befruchtung setzen wollte. Eigentlich würde ich diese Tortur meiner Frau gerne ersparen - auch um den Preis der Kinderlosigkeit; allerdings ist das zum Glück nicht alleine meine Entscheidung.

ich will damit sagen:

Zitat
Eine Argumentation nach dem Motto "Ich möchte gerne Kinder, aber ..." lasse ich jedoch nur in einem Punkt gelten: "... ich habe keinen entsprechenden Partner.".



greift zu kurz. Es gibt objektive Gründe, zwar gerne Kinder zu wollen, aber eben nicht alles menschenmögliche dafür zu tun, auch welche zu haben. Es gibt sogar nachvollziehbare Gründe, zwar Kinder zu wollen, aber eben noch nicht jetzt oder nicht in dieser Situation.

Nur leider ändern sich diese Gründe/Umstände eben nicht von alleine - und daher bleibt es dann meist beim Wollen, aber nicht können.

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