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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 78 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

27.03.2015 12:36
#76 RE: Russland heute Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #72
[D]as Redeprotokoll findet sich hier

O-Ton Rote Zora, 19.03.15

[...]

Zitat
Die spezifischen US-Interessen in Europa hat vor kurzem der Chef des einflussreichen Thinktanks Stratfor in einer Pressekonferenz in eindrucksvoller Offenheit erläutert: Hauptinteresse der Vereinigten Staaten sei es, ein Bündnis zwischen Deutschland und Russland zu verhindern, denn - so wörtlich - „vereint sind sie die einzige Macht, die uns", also die USA, „bedrohen kann".



Sieh an, Wagenknecht hat das korrekt zusammengefasst und auch die Quelle sauber eingeordnet.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

27.03.2015 20:19
#77 RE: Russland heute Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #40
Zitat von Fluminist im Beitrag #39
Die Flucht per se ist kein verfassungsmäßiger Grund für das Ende der Präsidentschaft ...

Da stimme ich ja zu - deswegen nenne ich das eine Regelungslücke.

Die Verfassung geht davon aus, daß der Präsident dazu bereit ist, sein Amt korrekt auszuüben. Z. B. also einen Rücktritt auch formal durch Erklärung im Parlament vollzieht.

Schlichtes Abhauen ist von der Verfassung schlicht nicht vorgesehen. Und ist ja auch noch kein "Landesverrat", sondern erst einmal nur Arbeitsverweigerung.
Und es kann nicht sinnvoll sein, dann die restliche Amtszeit vom Stellvertreter ausfüllen zu lassen - der ist normalerweise für kurzfristige Ausfälle wie Krankheit oder Dienstreisen zuständig.

Jetzt hätte ich zu diesem Thema doch noch mal eine ganz blöde Frage: Wenn die Sache mit Verfassungsnotstand und Regelungslücke wirklich eine stichhaltige Begründung für das Vorgehen bei der Regierungsumbildung der Ukraine war, warum haben sie dann nicht nachher die Verfassung korrigiert? Meines Wissens gilt der entsprechende Abschnitt der Verfassung auch heute in der von mir zitierten Form, d.h die Regelungslücke (wenn denn eine solche vorliegt) besteht nach wie vor! Nach über einem Jahr sollte eigentlich genug Gelegenheit gewesen sein, dieses Problem zu lösen.

Sonst geht, wenn z.B. Poroschenko die Lage irgendwann einmal zu heiß wird und er sich nach dem Vorbild seines Vorgängers ins Ausland absetzt, das Improvisieren wieder von vorne los?
Die kontinuierliche Geltung der Verfassung, gerade in einer Krisensituation, darf doch nicht vom guten Willen und verantwortungsbewußten Charakter des Präsidenten abhängen.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

27.03.2015 22:00
#78 RE: Russland heute Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #77


Sonst geht, wenn z.B. Poroschenko die Lage irgendwann einmal zu heiß wird und er sich nach dem Vorbild seines Vorgängers ins Ausland absetzt, das Improvisieren wieder von vorne los?
Die kontinuierliche Geltung der Verfassung, gerade in einer Krisensituation, darf doch nicht vom guten Willen und verantwortungsbewußten Charakter des Präsidenten abhängen.



Stimmt, viele Verfassungen hoffen aber trotzdem darauf. Wenn es kracht werden die Verfassungen aber häufig auch nicht geändert. Das hat mehrere Gründe:

a) In solche Situationen ist häufig die politische Landschaft gespalten. Nicht die beste Vorrausetzung für eine formelle Verfassungsänderung in grundlegenden Dingen.

Teilweise kommt es aber zu Verfassungsänderungen, nur ausgerechnet in dem ungeklärten Punkt nicht, der zur Verfassungskrise führte.

Der Grund hierfür ist vermutlich

b) eine Verfassungpräzisierung könnte propagandistisch ausgeschlachtet werden, um zu behaupten die Verfassungsänderer sähen ihre vorherigen Handlungen selber als Verfassungsbruch, sonst bräuchten sie die Verfassung ja nicht zu ändern. Auf jeden Fall wäre es tatsächlich ein politisch ausschlachtbares Eingeständnis, dass die Lage vorher zumindest nicht klar war und man mehrere Positionen glaubwürdig begründen kann.

Ich denke b) erklärt einiges.

Es erklärt warum hier keine entsprechende Fluchtklausel eingeführt wurde (zum Beispiel in der Art, das bei Verlassen des Landes oder nicht Erscheinens vor dem Palament trotz Vorladung und obwohl kein amtärtztlich bestätigte Krankheit vorliegt, das Präsidentenamt verlustig geht).

Anderes Beispiel, mit etwas anderer Ausgangslage, denn eigentlich war das Verfassungrecht hier sogar klar, wenn man sich logisch an allgemeine Prinzipien orientiert hätte, die gelten, bis sie nicht von einer explizit abweichenden Regel überschrieben werden (lex specialis derogat legi generali):

Punkt b) erklärt auch, warum in die honduranische Verfassung noch immer kein formelles Amtsenthebungsverfahren eingefügt wurde. Man belässt es dort immer noch dabei, dass der Präsident unter bestimmten Umständen kraft Verfassung sein Amt verliert. Doch wer entscheidet ob diese Umstände eingetreten sind? Explizit steht das nicht in der honduranischen Verfassung. Gut, eigentlich ist es klar, es handelt sich um eine (verfassungs)rechtliche Feststellung und Rechtauslegung, also die rechtssprechende Gewalt und abschließend der oberste Gerichtshof von Honduras. Dies gilt zumindest solange, wie die Verfassung nicht ausdrücklich etwas anderes sagt, denn der rechtssprechenden Gewalt wurde nun einmal die Auslegung der Gesetze und die Schlichtung von Rechtsstreitigkeiten anvertraut. Aber wie man sah, konnte selbst das medianwirksam von einer ausreichend einflussreichen politischen Gruppe (den Sozialisten des 21. Jahrhunderts) effektiv in der öffentlichen Meinung der Welt streitig gemacht werden. Einfach weil es nicht noch einmal explizit betont wurde. Man kann sich offensichtlich in politischen Streitigkeiten nicht darauf verlassen, dass sich Logik durchsetzen möge oder in einer öffentlichen Propagandaschlacht die Multiplikatoren in neuen und alten Medien sich für Logik interessieren würden. Man muss es schon in unmissverständlichen (Verfassungs-)Worten unter die Nase reiben können.

Edit: Spezifizierung.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

28.03.2015 09:41
#79 RE: Russland heute Antworten

Vielen Dank, lieber Techniknörgler, für die ausführliche Antwort!

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #78
Ich denke b) erklärt einiges.

Ja, das ist sehr plausibel. Es ist zwar nicht logisch, aber es ergibt Sinn, wie so oft in der Politik. Eine Korrektur der Verfassung würde voraussetzen, daß man sich die Vorgänge Ende Februar 2014 im Detail ansieht, und zwar unter dem Aspekt, daß sie nicht durch die Verfassung gedeckt waren; das kann leicht sehr kontrovers werden. Im Augenblick des Geschehens von Verfassungsnotstand zu reden ist das eine, nachzuweisen, daß das gewählte Vorgehen legitim war, etwas anderes. Da ist es besser, vom fait accompli auszugehen und allfälliger Kritik mit patriotischer Rhetorik zu begegnen.

Immerhin hat man jetzt ja einen historischen Präzedenzfall für den Umgang mit dieser Art von Situation, den man künftig analog anwenden könnte. Ich weiß aber nicht, ob diese common law-Denkweise in der Ukraine verbreitet ist.

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