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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 88 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.02.2015 18:01
#51 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #46
Nun ja, die Landes- und sonstigen Banken haben sich völlig ohne Fremdeinfluss ihre Bilanzen mit MBS und ABS vollgesogen.

Richtig. Es war alleine Entscheidung der jeweiligen deutschen Banken, Milliarden in zweifelhafte Anlagen zu stecken. Es gibt nicht den mindesten Beleg für die Unterstellung, die US-Regierung hätte diesen Bankvorständen dabei reingeredet.

Zitat
Und die regulatorischen Weichenstellungen unter Eichel mit aktiver Assistenz des Herrn Assmussen für eine Auflösung der Überkreuzbeteiligungen der deutschen Wirtschaft und Banken, Freigabe für britische und amerikanische Investoren, Deregulierung zum Handel mit deutschen Grundschulden (was inzwischen wieder teilweise rückgängig gemacht wurde), usw. ist alles auf der Miste des Oberlehrers Eichel gewachsen.


Nicht auf Eichels Mist, aber auf dem Mist deutscher Experten, die diese Deregulierungsmaßnahmen empfohlen haben. Weil das Aufbrechen diverser Verkrustungen im unserem Wirtschaftssystem im deutschen Interesse liegt.
Wie bei allen politischen Maßnahmen ist auch hier in einzelnen Punkten gepfuscht worden - aber grundsätzlich war das sinnvoll und hat sich inzwischen auch bewährt. Kein ernst zu nehmender Ökonom will wieder zurück in die Zeit der "Deutschland AG" mit ihren Kartellstrukturen.

Zitat
Das kann ich nicht liefern, meine aber, wer vernetzt denken kann, sollte selbst darauf kommen, was hier geschehen ist. Info dazu gibt es zuhauf.


Ein erstklassiger Beleg für Doedings These. Er hatte ja empfohlen, harmlose Angstziele zu erfinden, damit die Leute nicht mit Irrationalität sinnvolle Maßnahmen wie z. B. das TTIP bekämpfen.
Wenn man an irgendwelche obskuren Theorien glaubt, was den angeblichen Einfluß der Amis auf deutsche Reformen angeht, dann paßt man genau zum Thema.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

04.02.2015 10:07
#52 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #51
Zitat von Martin im Beitrag #46
Nun ja, die Landes- und sonstigen Banken haben sich völlig ohne Fremdeinfluss ihre Bilanzen mit MBS und ABS vollgesogen.

Richtig. Es war alleine Entscheidung der jeweiligen deutschen Banken, Milliarden in zweifelhafte Anlagen zu stecken. Es gibt nicht den mindesten Beleg für die Unterstellung, die US-Regierung hätte diesen Bankvorständen dabei reingeredet.


Lieber R.A.,

hier sind mehrere Dinge falsch: Als Milliarden in die später als zweifelhaft etikettierten Geschäfte gesteckt wurden, waren diese zu über 90% 'Investment grade', also per definitionem und gedeckt durch deutsche Vorschriften eben nicht zweifelhaft. Dass aber deutsche Regularien privaten, nur von beispielsweise US-Behörden überwachten Ratingagenturen praktisch den Freibrief über legal zulässige, bzw. geförderte Investitionsentscheidung geben, muss ja mal jemand in den Regularien platziert haben. http://www.wiwo.de/unternehmen/schuldenk...en/5139894.html

Ich habe nicht behauptet, dass die US-Regierung den Bankenvorständen reingeredet habe. Ich behaupte, dass sich unser Gesetzgeber von amerikanischen Institutionen hat beeinflussen lassen, im Sinne amerikanischer Investoren. Wenn Sie nach Belegen fragen, dann müsste es dazu einen Untersuchungsausschuss geben. Wenn Sie aber eine Ahnung bekommen wollen, wie das Finanzgeschäft im Detail funktionierte, dann müssten Sie die Nachbereitung der Abläufe um 2008 verfolgen. Beispielsweise LBBW: http://www.focus.de/finanzen/news/banken...id_3595311.html , das Settlement: http://www.bloomberg.com/news/articles/2...prime-risk-case

Das blöde an außergerichtlichen Einigungen ist, dass nicht alle Details gerichtlich untersucht und Schuldzuweisungen gemacht werden. Sozusagen eine Verhinderung von Belegen. Was übrigens bei TTIP Schiedsverfahren nicht viel anders sein dürfte. Was man aber sehen kann, ist, dass sowohl Rating, als auch Betriebsprüfung (hier PwC) von britischen und amerikanischen Firmen oder deren Ablegern dominiert sind. Dort ist die Expertise, und von dort kommt auch die Beratung für unseren Gesetzgeber. Mein Ausgangspunkt war, dass es nicht den Beteiligten und dem deutschen Steuerzahler schaden würde, wenn die Beteiligten etwas mehr Angst vor ihren Entscheidungen hätten, die sie in der Regel nicht überschauen können.

Das Verfahren gegen das LBBW Management drehte sich u.a. um die Konsolidierung von Zweckgesellschaften. Zu der Rechtslage ein aktuelles Papier von PwC. Dort schimmert das Bedauern durch, dass sich Europäische Bewertungsstandards für Unternehmen nicht an das US-Recht angeglichen haben. Die Überarbeitung dieser Standards war aber mit eine Folge der Finanzkrise. Ob damit diese Diskrepanz zu Recht oder Unrecht besteht will ich nicht bewerten. Was aber, glauben Sie, kommt nach oder mit TTIP?

Man sollte sich als Deutscher im Klaren sein, dass Rechteverwertung, Firmenübernahmen, Extraktion von Firmenschätzen ein Spezialgebiet der amerikanischen und britischen Finanzindustrie und der Anwaltskanzleien sind, und dass Deutsche oder Europäische Verhandlungsführer bei der Bewertung entsprechender Fragen am kürzeren Hebel sitzen. Deshalb habe ich für ein bisschen Angst im Zusammenhang mit TTIP Verständnis. Unterschreiben Sie Verträge, die Sie nicht vollständig verstanden haben?

Gruß, Martin

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

04.02.2015 11:58
#53 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #52
Als Milliarden in die später als zweifelhaft etikettierten Geschäfte gesteckt wurden ...

Die waren nicht "später als zweifelhaft etikettiert", sondern die waren von Anfang an zweifelhaft. Was ja auch genügend Experten erkannt haben - sonst wären die nicht mit Zinsaufschlag gehandelt worden.

Zitat
waren diese zu über 90% 'Investment grade', also per definitionem und gedeckt durch deutsche Vorschriften eben nicht zweifelhaft.


Diese Vorschriften besagen nur, daß die Papiere gewissen formalen Regeln entsprechen, daß man sie also als Bank für gewisse Verwendungen kaufen kann. Aber "können" heißt nicht "sollen".
Es bleibt immer noch die Verantwortung des Bankvorstands zu entscheiden, in welche Richtung man wieviel investiert. Für diese Verantwortung werden diese Typen auch hoch bezahlt - nicht dafür, vom Grabbeltisch alles zu nehmen, was einen formalen Stempel trägt.
Die fraglichen Papiere waren riskanter und renditeträchtiger als andere Investitionen. Man kann sich als Bank dafür entscheiden, die mit ins Portfolio zu nehmen. Aber nur bis zu dem Grad, wie man einen Ausfall verkraften kann.
Genau das haben die Landesbanken mißachtet. Und diese Mißachtung grundlegender Regeln ordentlicher Geschäftsführung hat nichts mit den Regularien zu tun.

Zitat
Ich behaupte, dass sich unser Gesetzgeber von amerikanischen Institutionen hat beeinflussen lassen, im Sinne amerikanischer Investoren.


Und für diese Behauptung gibt es keinerlei Belege. Alle wesentlichen Entscheidung zur Reform des deutschen Finanzmarkts entsprachen wohlerwogenen deutschen Interessen - da gibt es nicht einmal die Anscheinsvermutung, die Amis hätten sich einmischen müssen.

Zitat
Das blöde an außergerichtlichen Einigungen ist, dass nicht alle Details gerichtlich untersucht und Schuldzuweisungen gemacht werden.


Das ist nicht blöde, sondern sinnvoll und gewollt. Weil dieser Verzicht auf Schuldzuweisungen nur erfolgt, wenn BEIDE Seiten das wollen - z. B. weil eben keine eindeutige Schuld erkennbar ist.
Wenn die Verfolgung von Schuld sinnvoll ist, dann kann das auch die geschädigte Seite untersuchen und verfolgen lassen.

Zitat
Was man aber sehen kann, ist, dass sowohl Rating, als auch Betriebsprüfung (hier PwC) von britischen und amerikanischen Firmen oder deren Ablegern dominiert sind. Dort ist die Expertise, und von dort kommt auch die Beratung für unseren Gesetzgeber.


Es ist den Amis nicht vorzuwerfen, wenn die Deutschen nicht genug Expertise haben. Was übrigens Folge der Tatsache ist, daß der deutsche Finanzmarkt so lange überreguliert war.
Und es ist der deutschen Regierung nicht vorzuwerfen, wenn sie auf diese Expertise hört, anstatt bewußt doof zu bleiben und damit die Strukturschwächen beizubehalten.

Zitat
Unterschreiben Sie Verträge, die Sie nicht vollständig verstanden haben?


Ja. Wenn mir zuverlässige Experten die Teile erklärt haben, die ich nicht selber verstanden habe. Das ist tägliches Geschäft bei uns.
Ich sehe keinen Anlaß zur Befürchtung, daß die EU-Verhandlungsdelegation schlecht beraten würde.
Alleine schon, weil sie nicht nur auf deutsche Experten zurückgreifen kann, sondern auch auf britische. Und die sind völlig auf Augenhöhe mit den Amis.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

04.02.2015 15:25
#54 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #53
Die waren nicht "später als zweifelhaft etikettiert", sondern die waren von Anfang an zweifelhaft. Was ja auch genügend Experten erkannt haben - sonst wären die nicht mit Zinsaufschlag gehandelt worden.
Welche Experten denn? Welche, die in den Banken arbeiteten, oder in Ihrer Definition 'zuverlässig' waren?

Zitat
Die fraglichen Papiere waren riskanter und renditeträchtiger als andere Investitionen. Man kann sich als Bank dafür entscheiden, die mit ins Portfolio zu nehmen. Aber nur bis zu dem Grad, wie man einen Ausfall verkraften kann.Genau das haben die Landesbanken mißachtet. Und diese Mißachtung grundlegender Regeln ordentlicher Geschäftsführung hat nichts mit den Regularien zu tun.

'Investment grade': "Schuldner höchster Bonität, Ausfallrisiko auch längerfristig so gut wie vernachlässigbar". Ich weiß nicht, was es da zu diskutieren gibt.

Zitat
Und für diese Behauptung gibt es keinerlei Belege. Alle wesentlichen Entscheidung zur Reform des deutschen Finanzmarkts entsprachen wohlerwogenen deutschen Interessen - da gibt es nicht einmal die Anscheinsvermutung, die Amis hätten sich einmischen müssen.

http://de.scribd.com/doc/7456229/Verbrie...steriums#scribd
Weil Assmussen nie Rede und Antwort stehen musste. Dass alle Fachbegriffe aus dem Amerikanischen kommen, die Beratung von der Boston Consulting Group, das ist nur ein kleiner Nebenaspekt für den deutschen Michel. Die sogenannten deutschen Interessen wurden so wenig abgefragt, wie man das mit dem TTIP wieder versucht hat. Das Finanzministerium hat wohl auch beleglos behauptet, dass "das Investmentmodernisierungsgesetz Ende 2003 zugunsten von Hedgefonds verfasst wurde" http://www.wiwo.de/politik/deutschland/e...ab/7861464.html.

Zitat
Das ist nicht blöde, sondern sinnvoll und gewollt. Weil dieser Verzicht auf Schuldzuweisungen nur erfolgt, wenn BEIDE Seiten das wollen - z. B. weil eben keine eindeutige Schuld erkennbar ist. Wenn die Verfolgung von Schuld sinnvoll ist, dann kann das auch die geschädigte Seite untersuchen und verfolgen lassen.



Es ist blöde für den Steuerzahler, wenn er für die Folgen aufkommen muss, aber keine Staatsanwaltschaft Interesse an einer Aufklärung hat. BEIDE Seiten vertreten nicht die Betroffenen.

Zitat

Zitat
Unterschreiben Sie Verträge, die Sie nicht vollständig verstanden haben?


Ja. Wenn mir zuverlässige Experten die Teile erklärt haben, die ich nicht selber verstanden habe. Das ist tägliches Geschäft bei uns.




Nun, dann haben Sie sie ja verstanden, glauben es zumindest. Das war meine Frage.

Zitat
Ich sehe keinen Anlaß zur Befürchtung, daß die EU-Verhandlungsdelegation schlecht beraten würde.


Sie müssen auch keinen Anlass sehen, Sie haben sich wohl schon alle Details von einem 'zuverlässigen Experten' erklären lassen. Oder Sie sind einfach nicht Verhandlungspartner.

Gruß, Martin

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

04.02.2015 16:04
#55 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #54
Welche Experten denn?

Die Akteure am Markt, die diese Teile gehandelt haben.

Zitat
'Investment grade': "Schuldner höchster Bonität, Ausfallrisiko auch längerfristig so gut wie vernachlässigbar". Ich weiß nicht, was es da zu diskutieren gibt.


Es gibt viele solcher Papiere. Die trotz der Einstufung selbstverständlich immer noch ein Risiko haben, und zwar durchaus unterschiedlicher Höhe. Und die Marktbewertung dieser Risikohöhen erkennt man am ZIns: Je höher der Zins, desto höher das Risiko.
Die LZBs haben sich die fraglichen Papiere in Masse reingezogen, weil diese bessere Erträge boten als andere Bonds. Und sind damit nicht nur sehenden Auges ins Risiko gegangen, sondern haben auch noch ein Klumpenrisiko gebildet, daß die Möglichkeiten ihrer Institute überstieg. Klassische Fehlentscheidung.

Zitat
Weil Assmussen nie Rede und Antwort stehen musste.


Warum sollte er auch? Grundsätzlich waren die Maßnahmen ja auch richtig.

Zitat
Die sogenannten deutschen Interessen wurden so wenig abgefragt, wie man das mit dem TTIP wieder versucht hat.


Das ist für beide Beispiele falsch.
Das deutsche Interesse an einem reformierten Finanzmarkt war und ist deutlich vorhanden. Genau wie das deutsche Interesse am Freihandel mit Nordamerika. Das deutsche Interesse ist sogar deutlich größer als das der meisten EU-Partner.

Zitat
Das Finanzministerium hat wohl auch beleglos behauptet, dass "das Investmentmodernisierungsgesetz Ende 2003 zugunsten von Hedgefonds verfasst wurde"


Nu und? Die Beseitigung von speziellen Anti-Hedgefonds-Hindernissen war legitimer und richtiger Teil der Finanzmarktreformen. Und hat wahrscheinlich mehr zur gegenwärtig guten Wirtschaftslage in Deutschland beigetragen als der komplette Agenda/Hartz-IV-Komplex.

Zitat
BEIDE Seiten vertreten nicht die Betroffenen.


Eine Seite wäre ja die jeweilige deutsche Regierung.
Wenn die nicht die Interessen der deutschen Bürger vertreten würde, wäre das ein Problem. Aber das wäre dann nicht Schuld von TTIP.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

04.02.2015 16:50
#56 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #55
Zitat von Martin im Beitrag #54
Welche Experten denn?

Die Akteure am Markt, die diese Teile gehandelt haben.


Insbesondere mit Assmussen im Aufsichtsrat der IKB . Irgendwie ist doch die Sache selbsterklärend.

Zitat

Zitat
BEIDE Seiten vertreten nicht die Betroffenen.


Eine Seite wäre ja die jeweilige deutsche Regierung.
Wenn die nicht die Interessen der deutschen Bürger vertreten würde, wäre das ein Problem. Aber das wäre dann nicht Schuld von TTIP.




Ich darf nochmal das Finanzministerium zitieren (wiwo, s.o.):

Zitat
Zur damaligen Deregulierung stellt das Finanzministerium heute reuevoll fest: „Es wurde die Erkenntnis missachtet, dass auch die Finanzmärkte – wie alle Märkte – einen ordnenden Rahmen brauchen, um gesellschaftlichen Nutzen zu stiften.“



Und nein, es wäre nicht die Schuld von TTIP, sondern der im Auftrag der EU handelnden Akteure und der demokratischen Kontrolle. Wobei wir beim Ausgangspunkt wären, ohne gleich wieder beim Kämmerer von Pforzheim zu landen.

Gruß, Martin

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

04.02.2015 17:12
#57 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #55
Genau wie das deutsche Interesse am Freihandel mit Nordamerika. Das deutsche Interesse ist sogar deutlich größer als das der meisten EU-Partner.

Sie schreiben von "dem deutschen Interesse" so, als sei dies eine einzelne, monolithische Sache. Aber es gibt ja viele Deutsche mit vielen verschiedenen, z.T. widersprüchlichen Interessen, und auch der Staat als Ganzes hat ein Spektrum von Interessen, das in den unterschiedlichen Teilen von TTIP mehr oder weniger gut Berücksichtigung finden kann.

Auch: "Freihandel" klingt natürlich ganz phantastisch, jedem, der an die Marktwirtschaft glaubt, geht da das Herz auf. Aber das ist ja nur ein angenehmes Etikett, das einem Vertragswerk aufgeklebt wird, das viele Aspekte der wirtschaftlichen Beziehungen regeln soll, und bei dem Handelserleichterung sicher eine gewisse Rolle spielt, aber nicht alles ist.

Konkreter gesagt, von einem größeren Markt können zwar letztlich alle profitieren. Aber ist es beispielsweise offensichtlich und in jeder Hinsicht im Interesse aller Deutschen oder Europäer, wenn ihre Qualitätsstandards etwa bei Nahrungsmitteln an die der USA (nach oben oder unten) angepaßt werden?
Oder ist es klar im Interesse der Deutschen, wenn im Rahmen von "Investor-State Dispute Settlements" die Regierung in Separateinigungen mit ausländischen Unternehmen hineingezogen wird, was durchaus ihr Handeln - und vorbeugend die Tätigkeit der Legislative - beeinflussen kann, während inländische Unternehmen sich mit dem, was ihnen der "Volkeswille" vorsetzt, zufriedengeben müssen? Besteht da nicht wieder die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten inländischer Unternehmen, mit Wirkung auf die hiesigen Arbeitnehmer und das Steuereinkommen?

Das sind naive Fragen zum TTIP - ich kenne mich da nicht wirklich aus -, vielleicht können die zuverlässigen Experten da beruhigend weiterhelfen?

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.02.2015 10:24
#58 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #57
Sie schreiben von "dem deutschen Interesse" so, als sei dies eine einzelne, monolithische Sache. Aber es gibt ja viele Deutsche mit vielen verschiedenen, z.T. widersprüchlichen Interessen, ...

Das ist natürlich völlig richtig. Bei jeder solchen Maßnahme gibt es Gewinner und Verlierer - das "deutsche Interesse" kann daher nur eine (nie exakt nachrechenbare) positive Gesamtbilanz sein.

Und ich habe das "deutsche Interesse" auch nur gebracht, weil Martin ja suggeriert hat, daß die deutsche Regierung auf ominöse Weise amerikanischen Einfluß höher gewertet hätte als die eigenen Interessen.

Ansonsten interessieren mich bei TTIP in der Tat mehr die Vorteile für diverse Einzelne. Bzw. der Abbau nicht gerechtfertigter altgewohnter Privilegien diverser anderer Einzelner.

Zitat
Aber ist es beispielsweise offensichtlich und in jeder Hinsicht im Interesse aller Deutschen oder Europäer, wenn ihre Qualitätsstandards etwa bei Nahrungsmitteln an die der USA (nach oben oder unten) angepaßt werden?


Die europäischen Standards werden ja überhaupt nicht verändert. Europäische Waren werden weiterhin nach diesen Standards gefertigt. Dürfen ja aber dann im Laden (egal auf welcher Seite des Atlantiks) gleichberechtigt mit nach US-Standards gefertigten Lebensmitteln verkauft werden.
Die Grundannahme ist, daß beide Standards zwar in vielen Details unterschiedlich sind, aber insgesamt auf unterschiedlichen Wegen dasselbe Ziel erreichen: Diese Lebensmittel sind qualitativ ok und können bedenkenlos gekauft werden. Und diese Grundannahme ist m. E. völlig vernünftig und durch die praktischen Erfahrungen belegt.

Zitat
Oder ist es klar im Interesse der Deutschen, wenn im Rahmen von "Investor-State Dispute Settlements" die Regierung in Separateinigungen mit ausländischen Unternehmen hineingezogen wird ...


Ja. Weil damit die Chance erhöht wird, daß sich ausländische Investoren trotz des ungewohnten Rechtssystems auf Standorte in Europa einlassen. Und damit hierzulande Waren/Dienstleistungen anbieten, die hierzulande gewünscht werden.

Zitat
Besteht da nicht wieder die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten inländischer Unternehmen ...


Nein, da sie dieselben Rechte bei ihren ausländischen Unternehmungen haben.

Möglich ist dann natürlich, daß ein Staat bewußt mit Regelungen nur die eigene Wirtschaft schädigt. Aber das wäre dann nicht die Schuld von TTIP.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

05.02.2015 11:17
#59 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Lieber R.A., vielen Dank für die ausführliche und hilfreiche Antwort.

Zitat von R.A. im Beitrag #58
Die europäischen Standards werden ja überhaupt nicht verändert. Europäische Waren werden weiterhin nach diesen Standards gefertigt. Dürfen ja aber dann im Laden (egal auf welcher Seite des Atlantiks) gleichberechtigt mit nach US-Standards gefertigten Lebensmitteln verkauft werden.

Hieße das dann auch, daß von der EU eingeführte Beschränkungen für Importprodukte nicht gelten? Ich denke etwa an die notorische Limitierung der Staubsaugerleistung; wäre ein US-Produkt, das eine höhere Motorleistung hat, dann in der EU frei verkäuflich? Und ergäbe sich damit nicht eine Wettbewerbsverzerrung? (Ich weiß nicht, ob es in den USA eine entsprechende Limitierung auf der gleichen Leistungshöhe gibt; aber worauf ich hinauswill, ist, daß ein wirklich freier Handel zwischen den Partnern einen entsprechend freien Handel innerhalb der Partner voraussetzt.)

Zitat von R.A. im Beitrag #58

Zitat
Besteht da nicht wieder die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten inländischer Unternehmen ...

Nein, da sie dieselben Rechte bei ihren ausländischen Unternehmungen haben.


Das beantwortet meine Frage nicht ganz. Wenn ein regionaler Anbieter mit einem US-Konzern konkurriert, dann hat er sehr wenig davon, daß er bei einer hypothetischen Investition in den USA theoretisch analoge Rechte hätte.
Aber selbst wenn beide Konkurrenten auf beiden Seiten des Atlantiks agieren, ist die Lage nicht symmetrisch, wenn es um Nachteile durch staatliches Handeln in einer der beiden Seiten geht. Chancengleichheit läge nur dann vor, wenn auch z.B. deutsche Unternehmen gegenüber dem deutschen Staat das internationale Schiedsgericht anrufen könnten. Ist das etwa so geplant? Das schüfe aber doch eine sehr eigenartige Rechtslage.

Zitat von R.A. im Beitrag #58
Möglich ist dann natürlich, daß ein Staat bewußt mit Regelungen nur die eigene Wirtschaft schädigt. Aber das wäre dann nicht die Schuld von TTIP.

Bewußt - soll schon vorgekommen sein, weil ja beim staatlichen Handeln neben den konkreten wirtschaftlichen Interessen auch immer noch romantischere Aspekte mitspielen, etwa "die besondere historische Verantwortung".

Aber auch unbewußt oder ungewollt könnte es meines Erachten passieren. Das Bestreben, etwaige Konfliktfälle mit ausländischen Investoren im großen Stil zu vermeiden, kann durchaus auf die Fassung von Gesetzen und Regierungsbeschlüssen einwirken, ggf. im Konflikt mit dem (mutmaßlichen) Willen des (theoretischen) "Souveräns"; jedenfalls in einer Weise und möglicherweise einem Ausmaß, in dem die rein regionale Wirtschaft nicht auf die Politik Einfluß nehmen kann. Das kann durchaus eine Eigendynamik entwickeln.
Auch hier ergäbe sich also eine Asymmetrie, die im TTIP wurzelt (den Begriff "Schuld" würde ich hier nicht (und ohnehin immer sehr sparsam) verwenden).

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.02.2015 16:45
#60 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #59
Hieße das dann auch, daß von der EU eingeführte Beschränkungen für Importprodukte nicht gelten?

Das kommt wohl aufs Detail an. Grundsätzlich kann der Staat ja weiterhin gewisse Regeln erlassen, z. B. ein Produkt (Glühbirne ...) generell verbieten. Aber wenn das Produkt zulässig ist, dann wohl in jeder Version, die im Herstellungsland genehmigt ist.

Zitat
Wenn ein regionaler Anbieter mit einem US-Konzern konkurriert, dann hat er sehr wenig davon, daß er bei einer hypothetischen Investition in den USA theoretisch analoge Rechte hätte.


Das ist richtig.
Wie schon gesagt: Im Prinzip kann ein Staat seine eigenen Firmen noch speziell quälen und sie bewußt schlechter stellen als die Import-Konkurrenz.
Das ist aber wohl ziemlich unwahrscheinlich und dann ein spezielles Problem innerhalb dieses Staats. Freihandel bedeutet im wesentlichen, daß die viel gebräuchlichere umgekehrte Variante nicht mehr möglich ist - nämlich daß ein Staat bewußt die Importe schlechter stellt.

Zitat
Auch hier ergäbe sich also eine Asymmetrie, die im TTIP wurzelt


Solche Effekte kann es wahrscheinlich geben (käme dann auf die konkreten Details an, bei denen ich mich nicht gut auskenne).

Wir haben übrigens aktuell ein interessantes Beispiel für den Konflikt zwischen Freihandel und nationaler Gesetzgebung: Mit dem Mindestlohn quält die Bundesregierung einseitig die einheimischen Betriebe und benachteiligt sie gegenüber der ausländischen Konkurrenz. Das ist grottendoof, aber zulässig. Wegen der schon bestehenden EU-Freihandels-Vorschriften kann sie aber nicht, wie von Nahles ursprünglich geplant, auch ausländische Anbieter zum deutschen Mindestlohn zwingen.
Das ist eine Assymetrie, die aber in den EU-Verträgen gewollt ist.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

05.02.2015 17:30
#61 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #60
Zitat von Fluminist im Beitrag #59
Hieße das dann auch, daß von der EU eingeführte Beschränkungen für Importprodukte nicht gelten?

... Aber wenn das Produkt zulässig ist, dann wohl in jeder Version, die im Herstellungsland genehmigt ist.


Hmm. In den USA waren ja ab 1974 für KFZ Katalysatoren vorgeschrieben (zunächst noch ungeregelte). Weiß jemand, ob für die deutschen (& japanischen) Prestigeexporte da irgendwelche Ausnahmeregelungen galten oder ob die für diesen Markt nachgerüstet wurden? Und: ob ab Werk oder vor Ort? Darf ein englischer Autohändler Wagen mit Linkssteuerung als Neuwagen anbieten?

PS. Die Frage stellen heißt sie beantworten (Arbeitsdefinition einer blöden Frage*).

http://www2.epa.gov/aboutepa/working-cat...d-imported-cars

[EPA press release - July 16, 1975]
Regulations governing the importation of motor vehicles currently require labels on the vehicles signaling that they meet EPA emission requirements for the year that they were manufactured. However, if a car was not built to meet emission standards, it will not have an EPA label and must be bonded. The importer is required to post bond equal to the value of the vehicle, plus duty, and have the vehicle modified so that it meets Federal requirements. EPA must approve the modification and issue a statement that the vehicle has been brought into conformity with emission requirements before the Customs bond can be released and the vehicle granted final admission into this country.
...
EPA says it expects most foreign auto manufacturers and U.S. Government agencies that frequently import motor vehicles to establish the catalyst retrofit programs in order to minimize the inconvenience of bonding.


* Sokrates würde das anders sehen. Aber Sokrates ist auch eine Katze. =^.^= ("working-cat", dt. Laufkatze.)

Solus Offline



Beiträge: 384

05.02.2015 18:15
#62 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #60

Zitat
Wenn ein regionaler Anbieter mit einem US-Konzern konkurriert, dann hat er sehr wenig davon, daß er bei einer hypothetischen Investition in den USA theoretisch analoge Rechte hätte.

Das ist richtig.
Wie schon gesagt: Im Prinzip kann ein Staat seine eigenen Firmen noch speziell quälen und sie bewußt schlechter stellen als die Import-Konkurrenz.
Das ist aber wohl ziemlich unwahrscheinlich und dann ein spezielles Problem innerhalb dieses Staats. Freihandel bedeutet im wesentlichen, daß die viel gebräuchlichere umgekehrte Variante nicht mehr möglich ist - nämlich daß ein Staat bewußt die Importe schlechter stellt.


Im Land der Energiewende ist das sehr gut möglich und wahrscheinlich. Das Abschließen eines Vertrages wird das Stimmverhalten der Bevölkerung kaum verändern, die Anreize für die Regierung in Bezug auf die Gesetzgebung bleiben also im Wesentlichen unverändert - ausgenommen dort, wo vom Vertrag erzwungen, vulgo alternativlos. Damit hätten wir dann zum Spott noch den Schaden.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

05.02.2015 21:46
#63 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #60
Aber wenn das Produkt zulässig ist, dann wohl in jeder Version, die im Herstellungsland genehmigt ist.

Was am Ende natürlich das Ende der meisten Umweltgesetze in der Produktion ist, zumindest in einer globalisierten Welt. Es bedeutet den Import von Blutdiamanten, Elfenbein, Tropenholz, um nur ein paar zu nennen. Ebenso führt es natürlich auch den ganzen CO2 Handel ad absurdum, weil sich die Hersteller dann natürlich Länder suchen, die sich dafür nicht interessieren. Es geht gar nicht so sehr darum, ob das jetzt gut oder schlecht ist, man muss sich nur schon darüber klar sein, was es bedeutet. Und das ist im Zweifelsfall vor allem ein massiver Verlust von Souveränität der jeweiligen Länder.

Zitat
Freihandel bedeutet im wesentlichen, daß die viel gebräuchlichere umgekehrte Variante nicht mehr möglich ist - nämlich daß ein Staat bewußt die Importe schlechter stellt.


Das machen die Amis seit Jahr und Tag ohne Probleme. Nur machen die das eben anders. Die nennen das dann "Buy American" oder schaffen mit diversen Klagen eine so extreme Rechtsunsicherheit, dass die Preise für Importe dann doch ordentlich unwirtschaftlich werden. Und das Argument weiter oben ist absolut nicht von der Hand zu weisen: Amerikanische Rechtskultur ist eine ganz andere als die europäische. Oder anders gesagt: Die machen die Europäer nass. Die Amerikaner betrachten das Recht als ganz legitimer Teil der Produktivitätskette, das ist eine gänzlich andere Kultur. Und TTIP wird genau das noch zementieren. Es hat seinen Grund warum TTIP in den USA nahezu gar nicht kritisiert wird.

Ich bin ein ziemlich grundsätzlicher Befürworter des Freihandels. Ich sehe dennoch zwei schwer wiegende Probleme mit TTIP. Zum einen stinkt es, dass die Verhandlungen im Geheimen stattfinden. Das alleine sollte in einem so großen Dokument schon immer zu denken geben. Lobbyverbände haben Einfluss aber die Öffentlichkeit bleibt aussen vor. Zum anderen bin ich ein Befürworter des Freihandels, aber ebenso ein Befürworter der Demokratie. Ich finde es mehr als bedenklich einen zwischenstaatlichen Vertrag auf eine ähnlich unantastbare Ebene (oder gar noch höher stehend) wie das GG zu heben. In meinen Augen haftet Ewigkeitsverträgen, die sogar Personen binden sollen, die noch gar nicht geboren sind, ein Geruch von Sittenwidrigkeit an (das sehe ich übrigens auch für die meisten EU Verträge so). Es muss die Möglichkeit geben einen Vertrag auch wieder zu beenden, wenn man feststellt, dass er ein Fehler war. Das kann auch Geld kosten, keine Frage, aber genausowenig wie sich jemand "auf ewig" verschulden kann, sollten auch Staaten sich nicht in eine ewige Knechtschaft begeben.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

06.02.2015 10:19
#64 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #63
Was am Ende natürlich das Ende der meisten Umweltgesetze in der Produktion ist, ...

Bestimmt nicht. Denn auch die bisherigen Umweltschutzgesetze wurden ja trotz des internationalen Handels eingeführt. Wenn z. B. Deutschland irgendetwas für die Produktion vorschreibt, dann schlägt das immer auf die Exportchancen durch. Normale Übung seit Jahrzehnten, daran ändert sich durch TTIP nichts.

Zitat
Ebenso führt es natürlich auch den ganzen CO2 Handel ad absurdum, weil sich die Hersteller dann natürlich Länder suchen, die sich dafür nicht interessieren.


Auch dies schon seit Jahren Normalität: Europa hat einen großen Teil seiner CO2-Produktion nach China ausgelagert. Und die dort produzierten Waren werden dann wieder nach Europa gebracht.

Zitat
Und das ist im Zweifelsfall vor allem ein massiver Verlust von Souveränität der jeweiligen Länder.


Globalisierung bedeutet immer Souveränitätsverlust. Und das ist gut so.
Zum Beispiel besteht die Hoffnung, daß die absurde Mindestlohn-Politik der Frau Nahles in ihrem Schaden begrenzt werden kann, eben weil Deutschland hier nicht mehr voll souverän ist, sondern EU-Recht gilt.

Zitat
Die nennen das dann "Buy American" ...


Das versuchen andere Länder auch. Gibt es auch in Deutschland - z. B. die besonders bei linken Nationalisten beliebte Marke Trigema. Es gibt immer Käufergruppen, die sich mit solchen Kampagnen reinlegen lassen - aber größeren Einfluß auf den Freihandel hat das nicht.

Zitat
oder schaffen mit diversen Klagen eine so extreme Rechtsunsicherheit


Diese Unsicherheit trifft aber US-Produzenten genauso.

Zitat
Amerikanische Rechtskultur ist eine ganz andere als die europäische.


Richtig. Und genau deshalb ist TTIP nützlich, weil sie wenigstens einen Teil dieser Unterschiede ignorieren hilft. Natürlich muß sich ein Exporteur immer noch damit beschäftigen, was im Zielland üblich ist. Aber er muß wenigstens nicht seinen Produktionsprozeß darauf ausrichten.

Zitat
Es hat seinen Grund warum TTIP in den USA nahezu gar nicht kritisiert wird.


Klar hat das einen Grund: In den USA fehlen weitgehend die linksextremen, gut organisierten Lobby-Gruppen à la Campact, die mit ihren Lügen ganz wesentlich die Anti-TTIP-Kampagne tragen.

Zitat
Zum einen stinkt es, dass die Verhandlungen im Geheimen stattfinden.


Das ist absolut normal und bei allen internationalen Verhandlungen üblich. Weil sie ansonsten überhaupt nicht funktionieren könnten.
Verhandlungen sind vertraulich, mit den Ergebnissen gehen die Verhandler dann an die Öffentlichkeit bzw. an die Beschlußgremien - und dann wird diskutiert und entschieden, ob man das Paket will. Weil es halt immer nur ein Paket sein kann, da gibt es keine Rosinenpickerei.

Zitat
Ich finde es mehr als bedenklich einen zwischenstaatlichen Vertrag auf eine ähnlich unantastbare Ebene (oder gar noch höher stehend) wie das GG zu heben.


???
Das ist ein Handelsvertrag wie viele andere. Der ist nicht "unantastbar" und steht natürlich auch nicht über dem GG.

Zitat
In meinen Augen haftet Ewigkeitsverträgen, die sogar Personen binden sollen, die noch gar nicht geboren sind, ein Geruch von Sittenwidrigkeit an (das sehe ich übrigens auch für die meisten EU Verträge so).


OK, darüber kann man diskutieren. Aber dann grundsätzlich, nicht wegen TTIP.
Übrigens treffen diese Bedenken dann auch eine Verfassung wie unser Grundgesetz.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

06.02.2015 10:35
#65 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #64
Zitat von Llarian im Beitrag #63
Die nennen das dann "Buy American" ...

Das versuchen andere Länder auch.

Zum Beispiel Großbritannien: Buy British.
(NB. Das gute Stück ist, vielleicht nicht auf den ersten Blick kenntlich, eine Tasse, weitere Detailansichten hier.)

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

06.02.2015 10:59
#66 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #64

Zitat
Es hat seinen Grund warum TTIP in den USA nahezu gar nicht kritisiert wird.

Klar hat das einen Grund: In den USA fehlen weitgehend die linksextremen, gut organisierten Lobby-Gruppen à la Campact, die mit ihren Lügen ganz wesentlich die Anti-TTIP-Kampagne tragen.



Gebens tut's die ja. Es kann aber sein, daß seit der Absetzung des Quotenhits "Occupy!" da z.Zt. einfach die Musik raus ist, oder daß die "Kampfgruppe Michael Moore" & Genossen auf anderen Hochzeiten tanzen - für gegen die Keystone Pipeline etwa.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

06.02.2015 11:14
#67 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #66
Gebens tut's die ja.

Klar, aber nur mit einem Schatten des Einflusses, den sie in Europa und speziell in Deutschland haben.
Wenn Campact und Genossen irgendwelchen Müll verbreiten, ist das ja für deutsche Medien heilige Wahrheit. Davon können die US-Genossen nur träumen.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

06.02.2015 11:47
#68 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #64

Zitat
Zum einen stinkt es, dass die Verhandlungen im Geheimen stattfinden.

Das ist absolut normal und bei allen internationalen Verhandlungen üblich. Weil sie ansonsten überhaupt nicht funktionieren könnten.
Verhandlungen sind vertraulich, mit den Ergebnissen gehen die Verhandler dann an die Öffentlichkeit bzw. an die Beschlußgremien - und dann wird diskutiert und entschieden, ob man das Paket will. Weil es halt immer nur ein Paket sein kann, da gibt es keine Rosinenpickerei.



Lieber R.A.,

Sie sind, was Taktik im Durchsetzen von Regularien geht schlicht nicht auf dem neuesten 'Stand der Technik' : http://www.zerohedge.com/news/2014-11-10...tupidity-americ

Den 'american voter' dürfen Sie gerne gegen einen europäischen ersetzen.

Zitat
Klar hat das einen Grund: In den USA fehlen weitgehend die linksextremen, gut organisierten Lobby-Gruppen à la Campact, die mit ihren Lügen ganz wesentlich die Anti-TTIP-Kampagne tragen.



Wie können Sie das behaupten, wenn der Vertrag noch geheim ist?

Gruß, Martin

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

06.02.2015 11:57
#69 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

[quote="Martin"|p119940Sie sind, was Taktik im Durchsetzen von Regularien geht schlicht nicht auf dem neuesten 'Stand der Technik'[/quote]
Ich denke doch.
Alleine deshalb, weil die geschilderten Machenschaften nicht neueste Technik sind, sondern üblich seit Erfindung der Demokratie.
Im übrigen sehe ich da Zusammenhang mit unserem Thema.

Zitat

Zitat
Klar hat das einen Grund: In den USA fehlen weitgehend die linksextremen, gut organisierten Lobby-Gruppen à la Campact, die mit ihren Lügen ganz wesentlich die Anti-TTIP-Kampagne tragen.



Wie können Sie das behaupten, wenn der Vertrag noch geheim ist?



Ich brauche doch keinen Vertragstext, um den Einfluß von linksextremen Propagandatrupps zu beurteilen. Und ich brauche auch keinen Text, um die bisher verbreiteten Lügen als solche zu erkennen.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

06.02.2015 23:53
#70 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #64
Bestimmt nicht. Denn auch die bisherigen Umweltschutzgesetze wurden ja trotz des internationalen Handels eingeführt.

In einer Zeit wo internationaler Handel noch in den Kinderschuhen steckte. Man darf beruhigt davon ausgehen, dass das heute eine ganz andere Nummer ist. Allerdings ist der Punkt so wichtig dann auch nicht, denn die meisten Umweltgesetze betreffen ja Dinge, die nur lokal wirken. Und da kann und darf sich jeder seinen Hinterhof zusauen wie er will.

Zitat
Auch dies schon seit Jahren Normalität: Europa hat einen großen Teil seiner CO2-Produktion nach China ausgelagert. Und die dort produzierten Waren werden dann wieder nach Europa gebracht.


Richtig. Nur ist es eben auch denkbar das in Zukunft anders zu gestalten. Beispielsweise kann die EU auf die Idee kommen Produkte aus den USA mit einer CO2 Abgabe zu belegen, weil heimische Produkte ja auch damit belegt werden. Das wäre nach TTIP nicht mehr möglich. Fairer Wettbewerb ist sicher wünschenswert, aber das geht nur schlecht wenn dem einen ein Bein abgebunden wird. Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dann muss die EU die hinderlichen Gesetze halt abschaffen. Womit wir wieder bei Punkt eins sind.

Zitat
Globalisierung bedeutet immer Souveränitätsverlust. Und das ist gut so. Zum Beispiel besteht die Hoffnung, daß die absurde Mindestlohn-Politik der Frau Nahles in ihrem Schaden begrenzt werden kann, eben weil Deutschland hier nicht mehr voll souverän ist, sondern EU-Recht gilt.


So wenig ich von Frau Nahles und ihren Gesetzen halte, das ist überhaupt nicht gut so. Wir leben in einer Demokratie und das einzige was diese Demokratie einschränken kann und soll ist das Grundgesetz und sonst gar nichts. Wenn die EU die deutsche Demokratie ausser Kraft setzt ist das für unsere Gesellschaft ein massives Defizit, zumindest solange wir uns demokratisch schimpfen wollen.

Zitat
Es gibt immer Käufergruppen, die sich mit solchen Kampagnen reinlegen lassen - aber größeren Einfluß auf den Freihandel hat das nicht.


In Amiland funktioniert das ziemlich gut, sonst würden sich schon heute viele amerikanische Autohersteller kaum halten können.

Zitat
Diese Unsicherheit trifft aber US-Produzenten genauso.


Nur können die sich besser wehren. Die Prozesse zwischen Samsung und Apple sprechen da eine ziemlich deutliche Sprache. Das ist eben genau der Punkt: Für amerikanische Unternehmen ist es völlig normal sich mittels des Rechtes Vorteile zu verschaffen und den Konkurrenten zu bekämpfen. Das ist in Europa gänzlich anders. Und ich möchte eigentlich keine Gesellschaft, die es völlig normal findet, dass 2% ihres BIPs aus Gerichtsprozessen entstammen. Das ist keine Wertschöpfung im eigentlichen Sinne.

Zitat
Richtig. Und genau deshalb ist TTIP nützlich, weil sie wenigstens einen Teil dieser Unterschiede ignorieren hilft.


Ganz im Gegenteil, es verschafft amerikanischen Unternehmen einen deutlichen Wettbwerbsvorteil. Denn die können diesen Unterschied für sich nutzen. Und das werden sie auch tun, wie sie das heute schon tun.

Zitat

Zitat
Zum einen stinkt es, dass die Verhandlungen im Geheimen stattfinden.


Das ist absolut normal und bei allen internationalen Verhandlungen üblich. Weil sie ansonsten überhaupt nicht funktionieren könnten.



Das ist eine reine Behauptung, die schon von sich aus nicht allzu schlüssig ist. Vor allem aber ist sie absolut inkonsequent, denn die Geheimhaltung ist ja nur gegenüber der Öffentlichkeit, nicht gegen Lobbygruppen. Und die rühren fleissig im Topf. Das ist quasi wie eine Verhandlung bei der der wichtigste, den es betrifft, nicht am Tisch sitzen darf. Es erinnert an die Haltung der EU: "Wir beschliessen mal etwas, und die meisten wissen nicht einmal, was da eigentlich verabschiedet wird." Es geht ja gerade darum, dass die öffentliche Meinung keinen Moment entwickeln soll sich zu wehren. Denn die Öffentlichkeit ist ja gerade kein Problem, warum auch ? Ein Problem besteht nur für den, der etwas unpopuläres durchsetzen will. Was wieder ein ziemliches demokratisches Defizit darstellt.

Zitat
Das ist ein Handelsvertrag wie viele andere. Der ist nicht "unantastbar" und steht natürlich auch nicht über dem GG.


Aber klar steht er das. Das GG kann der deutsche Bundestag ändern, wenn auch unter ziemlichem Aufwand. TTIP kann nicht von deutscher Seite einseitig geändert werden. Das ist deutlich höher als das GG.

Zitat
Übrigens treffen diese Bedenken dann auch eine Verfassung wie unser Grundgesetz.


Mit dem Unterschied das das GG vom Staatsvolk geändert werden kann. Mit Ausnahmen.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

09.02.2015 12:16
#71 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #70

Ganz im Gegenteil, es verschafft amerikanischen Unternehmen einen deutlichen Wettbwerbsvorteil. Denn die können diesen Unterschied für sich nutzen. Und das werden sie auch tun, wie sie das heute schon tun.



Ich verstehe diese Logik trotz mehrfacher Wiederholung nicht.
- Ich weiß, dass in Deutschland ein heftiger Antiamerikanismus gepflegt wird
- Ich weiß, dass die derzeitige deutsche Regierung extrem populistisch ist - wenn Antiamerikanismus hipp ist, dann sind auch Merkel, Gabriel und Co. dafür zu haben
- Ich weiß, dass Deutschland extrem stark handelsorientiert ist
- Ich weiß, dass wir in der deutschen Politik und Wirtschaft auch paar Profis haben

Aber bei TIPP wird jetzt der deutschen Regierung und ihren Beratern aus der Wirtschaft unterstellt, dass die bewusst (=freiwillig) einen Vertrag unterschreiben wollen, der offensichtlich der deutschen Wirtschaft schadet, vom deutschen Wähler abgelehnt wird und offensichtlich allein amerikanischen Interessen nutzt?

Kann mir irgendjemand erklären, warum die deutsche Regierung das tun sollte?

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Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

09.02.2015 12:58
#72 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #71


Kann mir irgendjemand erklären, warum die deutsche Regierung das tun sollte?


Ich glaube, mit dieser Fragestellung kommst Du nicht weiter. Erst müsste es eine gute Antwort darauf geben, warum es jetzt einen Mindestlohn, oder warum es einen chaotischen Atomausstieg u.a. gibt. Es müsste auch eine gute Antwort geben, warum seinerzeit die gesetzlichen Schranken beseitigt wurden, die zu der sogenannten Finanzkrise geführt haben.

In jedem Fall gibt es nicht DIE Berater, sondern teilweise Berater, die eine völlig gegensätzliche Meinung vertreten (s.a. Euro-Diskussion). Und gab es nicht seinerzeit Berater der griechischen Regierung, die ihr den Euroeinstieg 'hin-getrickst' haben? Wie man heute sieht, nicht zum Nutzen der griechischen Bevölkerung.

Gruß, Martin

PS: davon abgesehen: Was unterschreibt die deutsche Regierung?

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

09.02.2015 13:10
#73 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #72

Ich glaube, mit dieser Fragestellung kommst Du nicht weiter. Erst müsste es eine gute Antwort darauf geben, warum es jetzt einen Mindestlohn, oder warum es einen chaotischen Atomausstieg u.a. gibt.


Weil die Mehrheit der Wähler der Regierung mittels Wahlen mehrfach diesen Auftrag gegeben hat.

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Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

09.02.2015 15:18
#74 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #73
Zitat von Martin im Beitrag #72

Ich glaube, mit dieser Fragestellung kommst Du nicht weiter. Erst müsste es eine gute Antwort darauf geben, warum es jetzt einen Mindestlohn, oder warum es einen chaotischen Atomausstieg u.a. gibt.


Weil die Mehrheit der Wähler der Regierung mittels Wahlen mehrfach diesen Auftrag gegeben hat.


Die Wähler haben Parteien gewählt, aber keine einzelnen Programmpunkte. TTIP stand außerdem auf keinem Programm, so weit ich mich erinnere. Wäre dann also demokratisch nicht legitimiert?.

Gruß, Martin

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

09.02.2015 15:33
#75 RE: Helikoptereltern und Helikopterstaat Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #74
Die Wähler haben Parteien gewählt, aber keine einzelnen Programmpunkte. TTIP stand außerdem auf keinem Programm, so weit ich mich erinnere. Wäre dann also demokratisch nicht legitimiert?
Eine interessante Frage, weil das ja das Fundament der repräsentativen Demokratie überhaupt betrifft. Eigentlich ist es ja gleichgültig, wer regiert, nicht aber wie regiert wird. Die Lösung ist, daß die Parteien extrem unpopuläre Entscheidungen antizipieren und deswegen nicht treffen. So wird indirekt bewirkt, daß die Entscheidungen einem demokratischen Konsens entsprechen können.

Man muß dabei beachten, daß unsere Demokratie eigentlich keine demokratische Legitimation kennt sondern nur eine Delegitimation. Nämlich die Abwahl zugunsten einer anderen Partei.

Bei den Nonsensbeispielen wie Atomausstieg, die Sie anführen, klappt das ja auch ein bißchen. Jeder von uns kennt doch persönlich Atomausstiegsbefürworter. Allgemein kann man sagen, daß eine Demokratie, in der dauerhaft eine Politik gefahren wird, die weiser ist als das Wahlvolk, nicht richtig funktioniert.

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