Zitat von Emulgator im Beitrag #20Von archäologischen Grabungen in unseren Gefilden ist bekannt, daß die Römer mit Truppen und Troß bevorzugt auf Hügelkämmen marschierten.
Das gilt nicht nur für die römischen Truppen, das gilt für die meisten Verkehrswege bis in die frühe Neuzeit.
Trotzdem war Deutschland bzw. Europa immer verkehrstechnisch gut geeignet für ziemlich jede Art von Kriegsführung - dafür gibt es ja genug praktische Beispiele. Spanien und der Balkan sind auch nicht verkehrsgünstiger strukturiert als Nordeuropa, und das hat Berber bzw. Osmanen bei ihren Eroberungen nicht gestört.
Zitat Während der Eroberung Spaniens durch die Mauren war ausgerechnet Galicien noch ein Hort heidnischer germanischer Praktiken ...
Sehr interessantes Detail, das wußte ich nicht.
Zitat Die Reconquista war schon längst in vollem Gange, als Santiago groß wurde.
Von "Reconquista" kann man anfangs kaum sprechen. Die verbliebenen christlichen Reste haben sich konsolidiert, meist mit Tributzahlungen an die Mauren. Es war für die Moslems schlicht nicht interessant, militärischen Aufwand in die Eroberung dieser armen Randgegenden zu investieren. Für die Eroberung des moslemischen Landesteils wären die christlichen Kleinkönigreiche alleine viel zu schwach gewesen, das gelang ihnen nur mit der Unterstützung der anderen Europäer.
Zitat man darf das Augsburger Bekenntnis nur nicht auf der EKD-Homepage nachlesen, denn da wurde betreffende Artikel um den Satz mit den Türken gekürzt
Da schließe ich mich Florian an: Es ist ziemlich skandalös, was die EKD da macht.
Zitat Weil die Aufklärer in ihrer Zeit gesellschaftlich ja gar nicht so einflußreich waren.
Gesellschaftlich nicht, aber die Schulbildung haben sie entscheidend beeinflußt, unser aktuelles Weltbild beruht sehr stark auf ihren Ideen. Was ja grundsätzlich auch positiv ist - die Fehler beim Islam waren damals ja eher nebensächlich.
Zitat von Emulgator im Beitrag #20Von archäologischen Grabungen in unseren Gefilden ist bekannt, daß die Römer mit Truppen und Troß bevorzugt auf Hügelkämmen marschierten.
Das gilt nicht nur für die römischen Truppen, das gilt für die meisten Verkehrswege bis in die frühe Neuzeit.
Nein, man bevorzugt natürlich Täler, wenn sie trittfest sind. Das ist in ariden und semiariden Zonen wie Südeuropa oder Asien die Regel. Auf Hügel- oder Bergkämmen müßte man ja ständig entweder bremsen oder mit viel Kraft ziehen. In den Tälern sind die Steigungen einfach geringer. Heute, wo selbst in Mitteleuropa Täler und Ebenen flächendeckend drainiert und damit tragfähig genug sind, baut man deswegen Landverkehrswege auch bevorzugt dort. Nehmen Sie sich ruhig eine topographische Karte eines antiken Weges vom Balkan oder Italien zur Hand! Etwa die Via Appia.
Zitat von R.A. im Beitrag #26Spanien und der Balkan sind auch nicht verkehrsgünstiger strukturiert als Nordeuropa, und das hat Berber bzw. Osmanen bei ihren Eroberungen nicht gestört.
Spanien und der Balkan sind einfach weniger feucht. Noch verkehrsfreundlicher für Eroberungszüge waren natürlich die Gebiete, wo schon im Altertum mit Streitwagen gekämpft wurde, also Nordafrika und der Orient.
Zitat von R.A. im Beitrag #26Trotzdem war Deutschland bzw. Europa immer verkehrstechnisch gut geeignet für ziemlich jede Art von Kriegsführung - dafür gibt es ja genug praktische Beispiele.
Mir fallen da eher Gegenbeispiele ein, aber schreiben Sie nur Ihre Beispiele! Bei uns wird das Soldatenleben ja gewöhnlich mit Durch-den-Schlamm-robben assoziiert.
Ich muß übrigens ein bißchen schmunzeln, wenn ich begründe, warum Mitteleuropa verkehrsfeindlich war, und Sie einfach ein "trotzdem" entgegnen, keine Widerlegung der Begründung. Ich kann natürlich die These auch ohne Gegenthese angreifen indem ich frage, auf welche Weise die angebliche Einheit mit Rom auf dogmatischem Gebiet tatsächlich zu einem militärischen Vorteil geführt haben soll. Das wird nämlich richtig schwierig, weil während der Reconquista durchaus auch christliche oder muslimische Fraktionen ins andere Lager gewechselt sind, ohne die eigene Religion aufzugeben.
Zitat Die Reconquista war schon längst in vollem Gange, als Santiago groß wurde.
Von "Reconquista" kann man anfangs kaum sprechen.
Doch, und zwar gerade wegen der Sache mit den Jakobusreliquien, die Sie angeführt haben. Nur war anfangs die Reliquienverehrung eben nicht ein Motiv fürs militärische Engagement, sondern eine Folge davon: Man schrieb den Erfolg der Schlacht von Clavijo dem Heiligen zu. So stieg Santiago auf.
Zitat Weil die Aufklärer in ihrer Zeit gesellschaftlich ja gar nicht so einflußreich waren.
Gesellschaftlich nicht, aber die Schulbildung haben sie entscheidend beeinflußt, unser aktuelles Weltbild beruht sehr stark auf ihren Ideen. Was ja grundsätzlich auch positiv ist - die Fehler beim Islam waren damals ja eher nebensächlich.[/quote]Ja, unser aktuelles Weltbild, in dem ein fremdes Weltbild, nämlich das dem Islam unterstellte, idealisiert wird. Das ist ja der Punkt auch im Artikel. Während und nicht lange nach den Aufklärern haben die Herrscher hingegen sich ganz selbstverständlich als christliche Herrscher betrachtet; im Kolonialismus sind christlicher Missionsgedanke und weltliche Herrschaftsentfaltung ja eine ganz emsige Symbiose eingegangen. Heute ist das anders, heute hat die Aufklärung tatsächlich einen Effekt. Und zwar den, die eigenen philosophischen Grundlagen zu verachten.
Zitat von R.A. im Beitrag #26Trotzdem war Deutschland bzw. Europa immer verkehrstechnisch gut geeignet für ziemlich jede Art von Kriegsführung - dafür gibt es ja genug praktische Beispiele.
Mir fallen da eher Gegenbeispiele ein, aber schreiben Sie nur Ihre Beispiele!
Lieber Emulgator, ich möchte dieses Nebenthema nicht wirklich vertiefen. Ich habe auch das Gefühl, daß wir etwas aneinander vorbeireden. Die europäische Geschichte ist auf jeden Fall so "reich" an Kriegen aller Art, daß ich die Geographie nicht wirklich als Hinderungsgrund sehen kann. Schon gar nicht in dem Gebiet, in dem die moslemische Expansion gestoppt wurde, also in Gallien mit seiner von den Römern geprägten Verkehrsinfrastruktur.
Zitat ... indem ich frage, auf welche Weise die angebliche Einheit mit Rom auf dogmatischem Gebiet tatsächlich zu einem militärischen Vorteil geführt haben soll.
Über Dogmatik wollte ich mich überhaupt nicht auslassen. Auch hier wohl ein Mißverständnis - und da die Diskussion hier eher über Dogmatik als über Militärstrategie gehen sollte, will ich das nicht vertiefen. Ich wollte nur sagen, daß die Spanier ihre Reconquista im wesentlichen der Mithilfe der übrigen christlichen Länder in Europa verdanken. Ich gebe Ihnen aber völlig recht, daß das ein sehr komplexer Prozeß war, mit sehr vielen Streitigkeiten untereinander auf beiden Seiten.
Zitat Während und nicht lange nach den Aufklärern haben die Herrscher hingegen sich ganz selbstverständlich als christliche Herrscher betrachtet; im Kolonialismus sind christlicher Missionsgedanke und weltliche Herrschaftsentfaltung ja eine ganz emsige Symbiose eingegangen.
Völlige Zustimmung.
Zitat Heute ist das anders, heute hat die Aufklärung tatsächlich einen Effekt. Und zwar den, die eigenen philosophischen Grundlagen zu verachten.
Es gibt zwar dieses Problem, aber das hat wohl weniger mit der Aufklärung zu tun, als mit den 68ern. Die ich wirklich nicht in der Tradition der Aufklärung sehen kann. Dagegen sind viele unserer Grundwerte (insbesondere Meinungsfreiheit und Selbstbestimmung) auf die Aufklärung zurückzuführen.
Inzwischen habe ich den Roman „Unterwerfung“ von Houllebecq ganz gelesen. Von meinem Eindruck will ich kurz berichten.
Wie sehen die zu einem weichen Islam bekehrten Franzosen die nahe Zukunft? Die neuen Moslems bestreiten nicht die Leistungen des Christentums in der europäischen Vergangenheit. Die massiv zuströmenden Einwanderer finden aber Kirchen vor, die nicht mehr in der Lage sind, sich dem Sittenverfall entgegenzustellen. Braucht zur Wiederaufrüstung aus dem Atheismus und Humanismus, aus der Sackgasse des Naturalismus und Rationalismus Europa die jüngere Schwesterreligion des Islam? (Unterwerfung, 248-249)
Die modernen Moslems versichern: Die verbleibenden Christen bräuchten in Frankreich keine Angst vor dem Status der Dhimmis haben, müssten nicht fürchten, dass ihnen Beschränkungen ihrer Glaubensausübung auferlegt werden. Im Gegenteil: die Subventionen für Verbände und Bauwerke würden erhöht, auch wenn natürlich die durch das Geld der Erdöl-Monarchien unterstützten Moscheen noch besser dastünden. Der wahre Feinds der Moslems seien nicht die Katholiken, sondern der Säkularismus, der Laizismus, der atheistische Materialismus. Houllebecq wird ironisch: Am besten wäre freilich doch der Schritt zur Konversion. Und mit den Juden sei es natürlich komplizierter wegen des Palästina-Problems (134-135).
Ich vergleiche diese Zukunftsvision einmal mit der Gegenwarts-Beschreibung durch Ulrich Greiner in der ZEIT, zusammengefasst in den Sätzen: „Der alte Konflikt der beiden Kulturen, der jetzt zu neuer Glut entfacht worden ist, erregt zwei entgegengesetzte Reaktionen. Die eine neigt zum freundlichen Verstehen muslimischer Empfindlichkeiten und zu reumütiger Selbstkritik – nennen wir sie Kulturrelativismus. Die andere neigt zu einer offensiven Kritik des Islams und zur Verteidigung abendländischer Errungenschaften – nennen wir sie Kulturkonservatismus.“ (8.2.15)
Die Positionen sind insofern verschieden, als Houllebecq seinen unglücklichen Helden, der sich wissenschaftlich mit dem Schriftsteller Joris-Karl Huysmans beschäftigte, wie diesen auf den Weg nach Innen und zur Gottesfrage führt. Was aber 1900 nicht recht gelang, kann heute erst recht nicht mehr gelingen. Der Versuch, durch einen Kloster-Besuch sein Leben zu ändern, misslingt (194-196). Warum?
Bei Houllebecqs Held steht menschlich die Sexualität im Vordergrund, die gefügigere moslemische Frau wäre also kein Hindernis, durch eine Konversion die Karriere an der Universität zu sichern. Die verschleierten Studentinnen würden nicht mehr dem Professor so einfach wie früher zufallen, aber es würde ihm doch gelingen, sie ins Bett zu bekommen. Mit einem Schöpfergott, der großartig im Kosmos spricht (und nicht durch einen Juden), würde er auch gern zurechtkommen (Laut Interview glaubt H. selber an die Harmonie des Kosmos und nicht an einen transzendenten Gott).
Will der Romanheld diese Chance auf ein zweites sexuell und karriereerfülltes Leben? Der Schluss des Buches gibt die Antwort: „… ein zweites Leben, das nicht besonders viel mit dem vorherigen gemein haben würde. – Ich hätte nichts zu bereuen.“ Es wäre also ein großer Bruch, nicht nur im Blick auf das christliche große Mittelalter. An einer Stelle im Roman ist die Beschreibung der Marienstatue in der Notre-Dame-Kapelle neben das Bikini-Foto im E-Mail der wirklich mit Leib und Seele geliebten jungen Jüdin gestellt (144-146). Aber die Geliebte musste leider vor der Islamisierung fliehen nach Israel. Von dieser Zerstörung seines Glücks kommt er nicht los. Insofern würde er in dem zweiten Leben nur zurückfallen in sein altes.
Auf den Seiten 244-245 begegnet übrigens das gleiche Nietzsche-Zitat aus „Der Antichrist“, mit dem heute in einer Moschee in Potsdam für den Islam geworben wird. Dass einer wie Jesus sich für die Menschen kreuzigen lässt, zeuge von schlechtem Geschmack; so sehr dürfe man die anderen nicht lieben, das wird hier dazuzitiert. In welchem Sinn Houllebecq dieses Nietzsche-Relikt einsetzt? Soll es uns die Augen öffnen, dass ein bestimmter Ästhetizismus auch Unsinn sein kann? Im Mund keiner der Romanfiguren ist er jedenfalls autobiographisch, auch nicht im Helden, dem Sorbonne-Professor. Er zeigt den Zusammenprall der Kulturen als solchen.
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #30Inzwischen habe ich den Roman „Unterwerfung“ von Houllebecq ganz gelesen. Von meinem Eindruck will ich kurz berichten.
Ich weiß ja nicht, welche Houellebecq-Werke Sie vorher schon gelesen haben, lieber Herr Weimer. Für das Verständnis dieses Romans ist es äußerst wichtig, ihn in den Gesamtkontext einzuordnen, denn sonst führt einen das medial vermittelte Bild in die falsche Richtung.
Houellebecqs Thema ist nicht der Islam, nicht die Sexualität, nicht einmal der dekadente Spätkapitalismus, es ist die Einsamkeit. Sie ist die Klammer, die sich durch alle Werke, vor allem auch die Gedichte zieht, und vor unterschiedlichen Projektionsflächen thematisiert wird. Und die alles andere verblassen lässt.
Ich glaube, man kommt diesem Autor nicht näher, wenn man ihn programmatisch interpretiert, auch wenn sein Stil, seine Belesenheit dazu verleitet. Auch das gern gewählte Genre der Dystopie trägt dazu bei, denn seit dem Deutschunterricht der 10. Klasse (Brave new world) haben wir gelernt, Dystopien als Kritik an den bestehenden Verhältnissen zu lesen. So sind wir sozialisiert. Aber Houellebecq entzieht sich dem, indem er seine vorgeschobenen Programmatiken ständig wechselt. Er spielt mit dem Leser, der sich eine Antwort erwartet. Er schreibt ausführlich über Nietzsche, nur um zu begründen, dass es ganz natürlich ist, sich ihm zuzuwenden, wenn es "unternrum nicht mehr stimmt". Und das ist einer der Gründe, warum ich Houellebecq wirklich gerne lese. Weil er schlauer ist als seine Leser. Weil er ihren intellektuellen Erwartungen den Spiegel vorhält und ihnen eine lange Nase dreht. Ich bin spätestens bei der "Möglichkeit einer Insel" darauf reingefallen, weil ich ihm sein Raelianer-Thema abgekauft habe, und war ernsthaft besorgt, nur noch derartige Propaganda von ihm zu lesen. Aber man hat seitdem nichts mehr davon gehört. Dann kam "Karte und Gebiet", das ich für sein mit Abstand großartigstes Buch halte, in dem er jegliche Programmatik in der Kunst ad absurdum führt.
Houellebecq ist einer der wenigen Autoren, die es schaffen, den Leser (wenn er sich darauf einlässt) zu eigenen Gedanken zu bewegen. Er hat Freude am Fabulieren, am Geschichten spinnen, er hasst seine Charaktere und liebt sie zugleich. Er leidet mit ihnen, hofft mit ihnen, resigniert mit ihnen. Beleidigen wir ihn nicht mit der Frage, was er uns sagen will!
Zitat von Meister Petz im Beitrag #32weil ich ihm sein Raelianer-Thema abgekauft habe, und war ernsthaft besorgt, nur noch derartige Propaganda von ihm zu lesen.
Könnte das nicht auch daran liegen, daß man von Vorilhon & seinem Klonerben nichts mehr vernommen hat? Auf den Raelianismus hatte er sich ja schon in "Lanzarote" kapriziert, als Ablösung des Dauerthemas Sex: "Behüte Gott! wie sonst das Zeugen Mode war, / Erklären wir für eitel Possen."
Ich gebe aber zu, daß Houllebecq ein wesentlich ergiebigerer & interessanterer Autor ist als andere, die auch diese Art von, sagen wir, Nicht-Science-Fiction pflegen: die Ausweitung der Gegenwartsbeschreibung um Facetten der Zukunft, ohne ein stringent extrapoliertes Futur zu zeichnen, sondern um Gegenwartstendenzen wie durch schräge Beleuchtung plastisch hervortreten zu lassen. William Gibson macht ja das Gleiche, aber bei ihm ist das immer uninteressanter und nichtssagender geworden: Texte, die weder Gegenwart noch Zukunft enthalten. (Neuromancer hatte ja wenigstens noch den Thriller-Plot & die film noir-Atmosphäre)- Von Douglas Coupland mal ganz zu schweigen.
ich habe von Houellebecq außer dem Roman "Unterwerfung" nur die "Ausweitung der Kampfzone", die er schon 1994 schrieb, gelesen und war 'echt' - wie man in zeitgemäßer Jugendsprache sagen müsste, da doch auch er ganz der Zeit aufs Maul schaut (der Übersetzer war sicher der richtige) - hingerissen, und zwar von der Sprache. Vor allem, weil ich zu sehr die von Botho Strauß, Handke und Stifter gewohnt war, die ich am Liebsten als Betthupferl las. Ich empfinde diese drastische und knappe Sprache so nah am wirklichen Leben. Ein 17jähriger hatte mir zum Lesen des Buches "Ausweitung der Kampfzone" geraten. Meine Erwartung wurde übertroffen. Vom neuen Roman habe ich in der Tat nur Gebrauch gemacht für die aktuelle Debatte "Eroberung Europas durch den Islam?"
Sie haben nun diesen Roman "Unterwerfung" mit dem Begriff Einsamkeit auf den tiefsten Punkt gebracht: Also der Einsamkeit unterworfen sein. Warum? Aus vielen Gründen. Einsam ist der Mensch letztlich auch, wenn und weil das Wissen um den Tod ihn zu einem Witz oder gar Nichts macht. Ich vermeinte aber auch eine große Liebe zu den Menschen herauszuhören (Sie sagen das u.a. auch), eine Suche nach einer Sinngebung nach all dem Scheitern von Sinngebungen. Das krasse Nebeneinandersetzen der erotischen Erlebnisse und des Alkoholtrinkens neben die langen Passagen über die Literaturwissenschaft oder die Kunst oder die Politik gefällt mir, denn dieses Mittel deckt die Gespaltenheit zwischen Geist und Leib auf; aber auch hier gibt es eine Ausnahme und Verbindung von Leib und Seele: in der Geschichte mit der jüdischen jungen Geliebten, die noch eine wirkliche Familie hat, und die noch eine Alternative hat, leider nur durch eine Flucht und die damit nötige Trennung der Liebenden erkaufbar. Diese Szene des Fliehenmüssens nach Israel - nicht in ein Paradies, sondern in eine bedrohte Heimat - berührt mich sehr. Und ich habe Houellebecq die paar drastischen Sexszenen vergeben, die sicher den Absatz fördern, nicht nur mit Achselzucken, weil sie wirkliches Leben oder Wünschen spiegeln, sondern weil mehr Leser vom Leid erfahren, dass Juden 70 Jahre nach Auschwitz aus Europa wieder auswandern. Und man kann nur mit der Statistik trösten, so viele blieben ja noch da.
Dank für den Hinweis auf "Karte und Gebiet" als das für Sie wichtigste Werk Houellebecqs! Mit Grüßen Ludwig Weimer
Handke als Betthupferl? Wie sagt man doch bei Ihnen in München so schön, "Katz mog d'Meis, i mog's ned..."
Zitat Ich vermeinte aber auch eine große Liebe zu den Menschen herauszuhören (Sie sagen das u.a. auch), eine Suche nach einer Sinngebung nach all dem Scheitern von Sinngebungen. Das krasse Nebeneinandersetzen der erotischen Erlebnisse und des Alkoholtrinkens neben die langen Passagen über die Literaturwissenschaft oder die Kunst oder die Politik gefällt mir, denn dieses Mittel deckt die Gespaltenheit zwischen Geist und Leib auf; aber auch hier gibt es eine Ausnahme und Verbindung von Leib und Seele: in der Geschichte mit der jüdischen jungen Geliebten, die noch eine wirkliche Familie hat, und die noch eine Alternative hat, leider nur durch eine Flucht und die damit nötige Trennung der Liebenden erkaufbar. Diese Szene des Fliehenmüssens nach Israel - nicht in ein Paradies, sondern in eine bedrohte Heimat - berührt mich sehr. Und ich habe Houellebecq die paar drastischen Sexszenen vergeben, die sicher den Absatz fördern, nicht nur mit Achselzucken, weil sie wirkliches Leben oder Wünschen spiegeln, sondern weil mehr Leser vom Leid erfahren, dass Juden 70 Jahre nach Auschwitz aus Europa wieder auswandern.
Sehen Sie, das ist genau das, was ich meine: Man kann ihn völlig unterschiedlich lesen, und hat trotzdem jeweils sehr viel davon. Darum ist Houellebecq so toll. Weil er - ich bin fest überzeugt davon - keine Intentionen hat. Er ist eben kein Kulturpessimist, auch kein Provokateur um der Provokation willen. Er ist ein großartiger Beobachter, der in der Lage ist, Beobachtungen zu verknüpfen und Zusammenhänge herzustellen. Nicht weil er jemanden davon überzeugen will, dass da draußen in der Welt ein Kausalzusammenhang existiert, und es ein intellektueller Gewinn wäre, um diesen Zusammenhang zu wissen. Sowas können Sie in - deutlich abgespeckter literarischer Qualität - vielleicht bei Martin Mosebach finden.
Houellebecq ist - so wie ich ihn lese - anders. Ihm ist die Kultur keinen Pfifferling wert. Seine Beschäftigung damit hat mit Sinnsuche, auch mit Leib und Geist nichts zu tun, sie ist reines Dandytum - im baudelaireschen Sinne. Ich glaube überhaupt, dass Baudelaire der Schlüssel zu Houellebecq wäre - wenn man denn das Bedürfnis hätte, ihn einzuordnen.
Ich würde auch nicht sagen, dass Houellebecq die Liebe zum Thema hat, daran glaubt er nicht mehr. Auch an den Sinn nicht. Aber wenn wir die schöne christliche Trias in dem Satz komplettieren wollen: Es ist die Hoffnung, die ihn nicht verlässt. In "Ausweitung der Kampfzone", ähnlich auch in "Elementarteilchen", gesteht er aber die Hoffnung auf ein glückliches Leben, auf die Flucht aus der Einsamkeit, die er damals noch klar in der individualisierung begründet sieht, nicht seinem Alter Ego zu. Er projiziert sie auf die jämmerlichsten nur denkbaren Figuren, um sich selbst als beobachtenden Zyniker darüber zu erheben. Und er tut noch etwas anderes: Er rationiert das Glück unter seinen Figuren, um es nachher um so grausamer wieder wegzunehmen. Der frühe Houellebecq ist ziemlich verzweifelt, und er lässt es an seinen Figuren aus.
Dann kam "Plattform", ein Buch, das es immer schwer hatte, weil es lediglich als Provokation gelesen wurde. Übrigens hätten Sie dem Buch viel zu verzeihen, denn die Handlung ist reinste Pornographie. Aber das Interessante ist, dass Michel - vor diesem ganzen für den Bildungsbürger einfach nur unappetitlichen Hintergrund - die Hoffnung auf die Wahre Liebe entdeckt. Noch so zaghaft, dass er sie in einem Inferno untergehen lässt, aber er tut es. In dieser Phase ist er tatsächlich auf der Suche. Und zwar auf einer ganz persönlichen. Wie gesagt, man kann Houellebecq - bis zum jetzigen Roman - als Abgesang auf den westlichen Individualismus lesen. Dann ist er ein Autor wie jeder andere zeitgenössische auch, der an Hand einer Figur einen als zu beseitigend definierten gesellschaftlichen Missstand aufzeigt. Eine Parabel. Nicht mehr als Schullektüre.
Houellebecq kommt aber vom Individuum her und beschreibt, wie er versucht, mit als gegeben empfundenen Umständen umzugehen. In diesem Sinne ist er geradezu ein Existenzialist. Und das macht ihn sperrig, geradezu ungenießbar für den selbstreferentiellen Literatur- und Kulturbetrieb, der ja von seinen Granden nur verlangt, die "richtigen Gedanken" in eine möglichst gefällige Form zu packen.
Zitat „Man schneidet unsere christlichen Wurzeln ab und zwingt uns den allgemeinen Multikulturalismus auf.“
Lieber Ludwig Weimer, habe alle 7 Seiten gelesen - hochinteressant - aber gleich auf der ersten bin ich schon hängen geblieben: Eric Zemmour spricht mir mit o.g. Zitat voll aus der Seele. Genau hier sehe ich unsere Schwäche gegenüber dem Islam und folglich auch dem Islamismus. Wird damit nicht im Grunde genommen dasselbe ausgedrückt, was der damalige - noch - Kardinal Ratzinger in seiner Predigt zur Eröffnung des Konklave 2005 die "Diktatur des Relativismus" nannte - und dafür von vielen gescholten wurde? Ich finde, dass sich in den jüngsten Entwicklungen bestätigt, wie recht er hatte. Was meinen Sie?
erst nach einem Kongress in Rom und einem Faschingswochenende in München - ja das Letztere kann es auch als 'Pflicht' für Seelsorger und Theologen geben - komme ich zum Antworten auf Ihre zwei Fragen.
Zemmour, Jude mit algerischer Abstammung, hat durchaus Nähe zum einfachen Volk und dennoch sieht er die Ausweisungs-Lösung als einzigen Weg bei der Fastunlösbarkeit des Konflikts der islamischen Einwanderer mit den Franzosen. Zemmours Vater war Apothekenhilfskraft und dann Sanitäter, der Sohn, geb. 1958, wuchs in den Ausländerghettos im Norden von Paris auf, eben da, wo man heute weitere Attentäter vermutet. Seine Auffassung, die franz. Nation werde durch die Globalisierung und den Multikulturalismus aufgelöst werden, teilen angeblich 62 Prozent. Auch die Deutschen gelten ihm als eine weitere, andere Gefahr: "Wir müssen aus dem Euro aussteigen, sonst werden wir zerquetscht", äußerte Zemmour (Der Mann, der Frankreich spaltet. ein Porträt von G. Blume, DIE ZEIT 22.01.15).
Den päpstlichen Begriff "Diktatur des Relativismus" benutze ich persönlich nicht, weil er das heute so hochgeschätzte Wort "Pluralismus" negativ zu be- und verurteilen scheint, als seien z. B. auch die humanistischen Agnostiker sozusagen Schurken statt Philosophen. Für die moderne Erkenntnistheorie gibt es eben nur subjektive (nicht objektive und also sichere) Wahrheiten. Die können doch äußerst ernsthaft sein.
Von daher halte ich das von Ihnen genannte Urteil Ratzingers eher für eine richtige geistreiche stilistische Figur: Dikatatur durch eine Haltung, die in sich eigentlich das Gegenteil davon sein will. Sie war wohl gedacht als Augenöffner für den Selbstwiderspruch. Ratzinger hat auch bessere Pointen gesetzt, ich zitiere eine aus einer Fastenpredigt als Erzbischof in München: "Einen durchschnittlichen Professor kreuzigt man nicht". Ich habe gerade beim Kongress dies zitiert und die Hörer gebeten, wenn wir den emeritierten Papst einmal zu Grabe tragen müssen, die Stimme zu erheben für: Er möge zum Kirchenlehrer erhoben werden.
Insgesamt aber sollten wir Christen heute meiner Meinung nach aber mit positiven Vorurteilen in den Dialog mit den Skeptikern, Pluralisten und Erkenntniskritikern treten. Ratzinger nannte es den "Vorhof der Heiden" (nach dem Bild des Jerusalemer Tempels). Viele 'Relativisten' suchen auch nur wie wir die der Menschheit helfende Wahrheit, aber wissen, wie schwer es ist, sie zu finden und dann noch viele davon zu überzeugen.
Ich wiederhole meine jetzt schon öfter vorgetragene Sicht in aller Kürze: Judentum und Christentum sind keine Religionen, sondern Aufklärung des Menschen durch eine bestimmte Geschichte mit Gott in Israel; daher sind die natürlichen Bundesgenossen für die Christen die agnostische Vernunft und Philosophie und die humanistischen Naturwissenschaftler, Künstler und Dichter.
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #37erst nach einem Kongress in Rom und einem Faschingswochenende in München - ja das Letztere kann es auch als 'Pflicht' für Seelsorger und Theologen geben - komme ich zum Antworten auf Ihre zwei Fragen.
Zu der karnevalesken Pflicht für Seelsorger und Theologen hat der Kirchenlehrer in spe auch etwas geschrieben:
Zitat Nun, der Ausgangspunkt des Karnevals ist zweifellos heidnisch: Fruchtbarkeitskulte, Geisterbeschwörungen fließen zusammen. Dagegen musste die Kirche einstehen, den Exorzismus sprechen, der die Dämonen bannt, die den Menschen vergewaltigen und nicht froh machen. Aber nach dem Exorzismus trat ganz unerwartet etwas Neues, eine entdämonisierte Heiterkeit hervor : Karneval ordnete sich nun dem Aschermittwoch zu, als Zeit des Lachens vor der Zeit der Buße, als Zeit einer heiteren Selbstironie, die im Lachen die Wahrheit sagt, welche derjenigen des Bußpredigers ganz nahe verwandt sein kann. So kann der Karneval, entdämonisiert, in die Richtung des alttestamentlichen Predigers weisen: "Es gibt eine Zeit zu weinen u n d eine Zeit zu lachen ..." (Ekkl 3,4). [...] Deshalb kämpfen wir Christen nicht gegen, sondern für das Lachen. Der Kampf gegen die Dämonen und das Lachen mit den Lachenden gehören zusammen: Der Christ braucht nicht schizophren zu sein, weil der christliche Glaube wahrhaft menschlich ist." Qu: Joseph Ratzinger, Die Hoffnung des Senfkorns, Freising 1973, S. 10-11.
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #37Judentum und Christentum sind keine Religionen, sondern Aufklärung des Menschen durch eine bestimmte Geschichte mit Gott in Israel.
David P. Goldman am 16. Febr. 2015, "Jiahd and Self-Sacrifice in Islam"Comparative religion is not a statistical exercise: it is meaningless to tally up the victims of Crusaders and compare them to the victims of Islam and quibble about which religion is more violent. Religious war of conquest, that is, jihad, has the same role in Islam that the Lord’s Supper has in Christianity. Christianity (and Judaism) have exercised violence in the past but never sacralized violence. That is unique to Islam among the self-styled Mosaic religions.
The great German-Jewish theologian Franz Rosenzweig argued that Islam was not a monotheistic religion, but a “parody” of one, a monistic paganism in which the old pagan gods were rolled up into a single deity. I have summarized Rosenzweig’s views in a number of locations, and taken the argument further in two essays published a decade ago (“Jihad, the Lord’s Supper, and Eternal Life” and “The Blood is the Life, Mr. Rumsfeld”).
It is important to get the theology right — not so much to understand the depredations of radical Islam, which hardly are obscure, but to understand what makes the West different. Violence is incidental to Judaism and Christianity and fundamental to Islam. It does us little good to denounce radical Islam if we forget who we are, and how we came to be here. (Meine Hervorhebung) [Der Vergleich der Religionen ist keine Sache der Statistik: es ist sinnlos, die Opfer der Kreuzzüge aufzulisten und sie mit denen des Islams zu vergleichen und dann darüber zu streiten, welche Religion gewalttätiger sei. Der religiöse Eroberungskrieg, der Jihad also, spielt im Islam dieselbe Rolle wie das Abendmahl im Christentum. Das Christentum (und das Judentum) haben in der Vergangenheit Gewalt ausgeübt, aber sie haben die Gewalt nie zu einem Sakrament erhoben. Darin steht der Islam unter den sich als "mosaisch" bezeichnenden Religionen allein da.
Der große deutsch-jüdische Theologe Franz Rosenzweig vertrat die Ansicht, daß es sich beim Islam nicht um eine monotheistische Religion handele, sondern um deren "Parodie", ein monistisches Heidentum, in dem die alten Götter zu einer einzigen Gottheit zusammengefasst wurden. Ich habe Rosenzweigs Ansichten verschiedentlich zusammengefasst, und in zwei Aufsätzen ausgeweitet, die ich vor einem Jahrzehnt veröffentlicht habe.
Es ist wichtig, die Theologie richtig zu verstehen - nicht so sehr, was die die Verheerungen des radikalen Islams betrifft - die offensichtlich sind - sondern um zu verstehen, warum der Westen anders ist. Gewalt ist eine Begleiterscheinung im Judentum und Christentum; sie ist ein Prinzip des Islams. Es nützt uns wenig, den radikalen Islam anzuklagen, wenn wir darüber vergessen, wer wir sind und woher wir kommen.] One dies a vicarious death in order to secure eternal life. Unlike Christians or Jews, whose religions are based on vicarious sacrifice, Islam demands the self-sacrifice of its adherents, in keeping with its essentially militant character. Revealed religion puts blood at a distance; Abraham sacrifices a ram and spares his son Isaac, and God sacrifices his own son in order to spare mankind. That is why blood in Judaism became taboo, to be handled only by the priest or his surrogate, the ritual butcher. Usually a Catholic priest administers the Eucharist.
[Man stirbt einen stellvertretenden Tod, um das ewige Leben zu gewinnen. Anders als Christen oder Juden, deren Religinen auf dem stellvertretenden Opfer gründen, verlangt der Islam von seinen Anhängern das Selbstopfer, im Einklang mit seinem grundsätzlich militanten Wesen. Die geoffenbarte Religion rückt das Blut fort: Abraham opfert einen Widder und verschont seinen Sohn Isaak, und Gott opfert seinen eigenen Sohn, um die Menschheit zu verschonen. Darum ist Blut im Judentum zum Tabu geworden und darf nur vom Priest oder seinem Stellvertreter, dem Schächter, berührt werden. In der Regel wird das Abendmahl durch den katholischen Priester vollzogen.] God’s covenant with Abraham is unique and singular in world history. A single universal and eternal god makes an eternal pact with a mortal that can be fulfilled only if Abraham’s tribe becomes an eternal people. But the price of this pact is self-sacrifice. That is an existential mortal act beyond all ethics, as Soren Kierkegaard tells us in Fear and Trembling.
[Gottes Pakt mit Abraham steht in der Weltgeschichte einzigartig da. Ein einziger, allumfassender und ewiger Gott schließt einen ewigen Vertrag mit einem Sterblichen, der nur erfüllt werden kann, wenn Abrahams Stamm ein ewiges Volk wird. Aber der Preis dafür ist die Selbstaufgabe. Das ist ein existentieller Akt, der über alle Ethik hinausgeht, wie Kierkegaard in Furcht und Zittern feststellt.]
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #39Usually a Catholic priest administers the Eucharist.
Zitat von H. HeineMenschenopfer heißt das Stück! Uralt ist der Stoff, die Fabel; In der christlichen Behandlung Ist das Schauspiel nicht so schrecklich, Denn dem Blute wurde Rotwein Und dem Leichnam, welcher vorkam, Wurde eine harmlos dünne Mehlbreispeis transsubstituieret.
Usually a Catholic priest administers the Eucharist.
Wahrlich harmlos ist dies Stück, wenn ein Leichnam bleibt zurück, wenn nur Wein verwandelt wird und Brot transsubstituiert! Stoff des Christenopfers ist, sich vom HERRN verwandeln lassen, der sich hingab für sein Volk; aufstehn, einstehn für sein Werk.
Zur Zeit bewegt mich eine Frage, die ich hier im Forum einmal zur Diskussion stellen möchte:
Beruht das Terrorismus-Problem, dass wir alle für Europa spüren, eigentlich wirklich auf "Islamisierung"? Oder nicht vielleicht doch eher in erster Linie auf "Arabisierung"?
Die Frage ist deshalb wichtig, weil dies dann zum einen unterschiedliche Ursachen haben könnte. Und weil es andere Herangehensweisen zur Lösung des Problems gäbe.
Warum ich darauf komme:
Es scheint mir so zu sein, dass es deutlich mehr gravierende Probleme mit arabisch- als mit türkisch- oder kurdisch- oder pakistanisch-stämmigen Moslems zu geben scheint. Islamische Euro-Terroristen waren bislang eigentlich immer Araber. (Auch die aus Hamburg stammenden Attentäter von 9/11 waren Araber). Und soweit ich das mitbekomme, scheint das Phänomen "kriminelle Großfamilie" auch v.a. ein arabisches zu sein.
Ich möchte dabei durchaus nicht ausblenden, dass auch Türken z.T. sich gegen die Mehrheitsgesellschaft abschotten, sich nicht integrieren, nicht grundgesetzkonforme Einstellungen haben, etc. Es ging mir hier erst einmal nur um die wirklich massiven Probleme von Schwerkriminalität und Terrorismus.
Falls ich mit meiner "Arabisierungs-These" recht habe, dann wäre das zugrunde liegende Problem womöglich gar nicht so sehr die Religion, sondern eher die Kultur. Natürlich vermischt sich das alles irgendwie. Aber: Türken scheinen aus dem Islam eher nicht die Notwendigkeit des antiwestlichen Terrorismus abzuleiten. Araber hingegen schon.
Zitat von Florian im Beitrag #43 Beruht das Terrorismus-Problem, dass wir alle für Europa spüren, eigentlich wirklich auf "Islamisierung"? Oder nicht vielleicht doch eher in erster Linie auf "Arabisierung"?
Jetzt bin gespannt. Auf welcher Basis können Sie beurteilen, ob Islamisten oder muslimische Radikale mehrheitlich Araber sind oder einer anderen Nationalität angehören? Bewegen wir uns da im anekdotischen Bereich ("Hab ich mal gehört")?
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #44Jetzt bin gespannt. Auf welcher Basis können Sie beurteilen, ob Islamisten oder muslimische Radikale mehrheitlich Araber sind oder einer anderen Nationalität angehören? Bewegen wir uns da im anekdotischen Bereich ("Hab ich mal gehört")?
Unter Berücksichtigung von Pakistan/Afghanistan und Mali/Nigeria/Kenia dürfte das Bild etwas diffuser werden - dennoch spricht einiges für einen solchen Ansatz.
Sunni Muslim terrorists committed “about 70 percent” of the 12,533 terrorist murders in the world last year, according to a report by the National Counterterrorism Center (NCTC). The information comes from the 2011 NCTC Report on Terrorism, which is based on information available as of March 12, 2012.
“Sunni extremists accounted for the greatest number of terrorist attacks and fatalities for the third consecutive year,” the report says. “More than 5,700 incidents were attributed to Sunni extremists, accounting for nearly 56 percent of all attacks and about 70 percent of all fatalities.”
The report says that in 2011, a total of 10,283 terrorism attacks across the world killed 12,533 people. Terrorism also is blamed for 25,903 injuries and 5,554 kidnappings.
According to NCTC, of the 12,533 terrorism-related deaths worldwide, 8,886 were perpetrated by “Sunni extremists,” 1,926 by “secular/political/anarchist” groups, 1,519 by “unknown” factions, 170 by a category described as “other”, and 77 by “Neo-Nazi/Fascist/White Supremacist” groups.
"Der große deutsch-jüdische Theologe Franz Rosenzweig vertrat die Ansicht, daß es sich beim Islam nicht um eine monotheistische Religion handele, sondern um deren 'Parodie', ein monistisches Heidentum. (David. P. Goldman)
Lieber Herr Elkmann, es lohnt sich, dass Sie Ihre umfassende Rosenzweig-Kenntniss nicht hinter dem Berg halten. Ich will mal zwei Aussagen aus dessen "Der Stern der Erlösung" von 1921 hierherstellen.
"Der Begriff des Wegs Allahs ist ganz etwas anderes als Gottes Wege. Gottes Wege sind ein Walten göttlichen Ratschlusses hoch über dem menschlichen Geschehen. Das Wandeln auf dem Weg Allahs aber bedeutet im engsten Sinne die Ausbreitung des Islam durch den Glaubenskrieg." (II/3; Suhrkamp S. 240) Rosenzweig beschreibt anschließend, wie human die Kriegsgesetze sein sollten. Was heute von Seiten der Fundamentalisten geschieht, konnte er nicht ahnen. Aber er bezeichnete auch so deutlich den großen Unterschied zwischen Bibel und Koran auf dem Feld der Geschichts- und Moraltheologie. Das ist sehr gut ausgedrückt mit dem Unterschieds-Urteil dort Sakrament Mahl zum Gedenken an die Hingabe des Lebens - und hier Sakrament Krieg gegen alle Ungläubigen.
"Das Buch, das vom Himmel herab gesendet wird - kann es eine völligere Abkehr von der Vorstellung geben, dass Gott selber 'herniedersteigt', selber sich dem Menschen schenkt, sich ihm preisgibt? Er thront in seinem höchsten Himmel und schenkt dem Menschen - ein Buch." (II/2; Suhrkamp S. 186) Dieses Zitat beendet eine Überlegung, welcher Unterschied beim Thema Erbarmen Gottes waltet. Rosenzweig sagt, der Islam sei Pflichterfüllung und nicht freie Liebesantwort eines von Gott geliebten Sünders. Eine Seite vorher: "Dass die Mängel des Menschen gewaltigere Erwecker der göttlichen Liebe sind als seine Vorzüge, das ist dem Islam ein unvollziehbarer, ein widersinniger Gedanke - es ist der Herzgedanke des Glaubens; Erbarmen hat Allah mit menschlicher Schwäche, aber dass er sie liebt vor der Stärke, diese göttliche Demut ist dem Gott Muhameds fremd."
Nur soviel aus dem durchgängigen Islam-Auseinandersetzungs-Faden in Rosenzweigs Stern der Erlösung zur Werbung für neue Leser und zum Dank für Ihren Beitrag, Herr Elkmann.
in diesem Fall bin ich unschuldig: die angeführten Passagen stammen sämtlich von David Goldman. Ich habe lediglich die Schmuggelarbeit ins hiesige Idiom übernommen.
Zitat Heute ist das anders, heute hat die Aufklärung tatsächlich einen Effekt. Und zwar den, die eigenen philosophischen Grundlagen zu verachten.
Die philosophische Grundlage der heutigen westlichen Gesellschaft ist zu einem wesentlichen Teil die Aufklärung.
Stimmt. Dennoch hat auch die Aufklärung nicht nur aufgeklärt. Nämlich dann, wenn sie Erkenntnisse zu absoluten Wahrheiten machte. Aufklärung ist ein Weg. Es ist die Erkenntnis, dass die Erlangung individueller Freiheit über die individuelle Beurteilung und Bestimmung des Selbst führt. Auch wenn sich eine individuelle Entscheidung später als Fehler herausstellen sollte. Heutige Aufklärung verdrängt diesen Ansatz fast vollständig und sieht in ihr die Erziehung und Belehrung Unwissender durch Wissende. Aufklärung klärt also lediglich darüber auf, dass ein höheres Maß an persönlicher Freiheit nicht an die Tür klopft und sich als Geschenk präsentiert, sondern individuell gegen die eigene Unmündigkeit durchgesetzt werden muss. Wer dem keine Notwendigkeit beimisst, kann also weder der persönlichen Freiheit noch der Idee der Aufklärung viel abgewinnen - eher ihrer Verklärung als Geschenk, welches sich nach dem Auspacken als die bekannte Bevormundung herausstellt.
An dieser Stelle möchte ich den Autor des Blogbeitrages, Ludwig Weimer, zitieren:
Zitat von Unterwerfung unter den IslamJudentum und Christentum sind keine Religionen, sondern Aufklärung des Menschen durch eine bestimmte Geschichte mit Gott in Israel; daher sind die natürlichen Bundesgenossen für die Christen die agnostische Vernunft und Philosophie und die humanistischen Naturwissenschaftler, Künstler und Dichter.
Solange diese Geschichte mit Gott in Israel interpretierbar ist, sie also als Erkenntnis für eine freie und individuelle Handlungsentscheidung genutzt wird und diese Entscheidung über das individuelle Handeln nicht abgegeben, sondern im Gegenteil, selbst (wieder)erlangt wird, so ist sie Aufklärung. Und für mich Bundesgenosse.
woher hatte Rosenzweig seine Islam-Kenntnisse her? Von Haus aus ist er Hegelexperte gewesen; war dessen Vorlesung zur Geschichtsphilosophie seine Quelle?
Zitat von HegelDie Abstraktion beherrschte die Mohammedaner: ihr Ziel war, den abstrakten Dienst geltend zu machen, und danach haben sie mit der größten Begeisterung gestrebt. Diese Begeisterung war Fanatismus, d. i. eine Begeisterung für ein Abstraktes, für einen abstrakten Gedanken, der negierend sich zum Bestehenden verhält. Der Fanatismus ist wesentlich nur dadurch, daß er verwüstend, zerstörend gegen das Konkrete sich verhält; aber der mohammedanische war zugleich aller Erhabenheit fähig, und diese Erhabenheit ist frei von allen kleinlichen Interessen und mit allen Tugenden der Großmut und Tapferkeit verbunden. La religion et la terreur war hier das Prinzip, wie bei Robespierre la liberté et la terreur.
Nun halte ich weiterhin meine Lieblingsthese aufrecht, wonach der Islam in der Mitte zwischen Judentum und Christentum steht, wobei er in manchen Eigenheiten mehr dem einen, in anderen mehr dem anderen ähnelt.
Als Beispiel für die Nähe zum Christentum:
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #46Das ist sehr gut ausgedrückt mit dem Unterschieds-Urteil dort Sakrament Mahl zum Gedenken an die Hingabe des Lebens - und hier Sakrament Krieg gegen alle Ungläubigen.
Denn der Jihad, wenn auch kein Sakrament, ist bekanntlich gleichfalls den Christen vorgeschrieben:
Zitat Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum geht hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.
(Wie es bei Matthäus steht, dem "islamischsten" der Evangelisten.)
Während die Juden nicht missionieren.
Als Beispiel für die Nähe zum Judentum:
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #46"Das Buch, das vom Himmel herab gesendet wird - kann es eine völligere Abkehr von der Vorstellung geben, dass Gott selber 'herniedersteigt', selber sich dem Menschen schenkt, sich ihm preisgibt? Er thront in seinem höchsten Himmel und schenkt dem Menschen - ein Buch."
Richtig, und im Judentum thront er in seinem höchsten Himmel und schenkt dem Menschen - zwei Steintafeln.
Nun stand Rosenzweig selbst eine kurze Zeit zwischen Judentum und Christentum, und schrieb den "Stern der Erlösung", als er einen intensiven privaten Dialog mit Christen führte. Kann es sein, dass er den Islam benutzte, um ihm dasjenige zuzuschreiben, was er einerseits am Judentum und andererseits am Christentum nicht mochte? Das eine, um bei aller Anziehungskraft des Christentums Jude zu bleiben, das andere, um dem Christentum das, was ihn hinderte, Christ zu werden, nicht allzusehr entgegenzuhalten?
Zitat von Florian im Beitrag #43 Beruht das Terrorismus-Problem, dass wir alle für Europa spüren, eigentlich wirklich auf "Islamisierung"? Oder nicht vielleicht doch eher in erster Linie auf "Arabisierung"?
Jetzt bin gespannt. Auf welcher Basis können Sie beurteilen, ob Islamisten oder muslimische Radikale mehrheitlich Araber sind oder einer anderen Nationalität angehören? Bewegen wir uns da im anekdotischen Bereich ("Hab ich mal gehört")?
Na ja, die Anzahl bekannter Terroristen ist natürlich überschaubar. Daher bewegen wir uns zwangsläufig im anekdotischen Bereich.
Aber der scheint mir ziemlich deutlich zu sein. Mir fällt auf jeden Fall kein einziger terroristischer Akt von Euro-Islamisten ein, der von Nicht-Arabern begangen worden wäre.
Auch in Deutschland (wo die Moslems überwiegend türkisch sind), sind die gefassten (versuchten) Attentäter m.W. meist Araber gewesen. (Mit einer Ausnahme: die "Sauerland-Gruppe" waren m.W. großteils deutschstämmige Konvertiten).
Auch die sog. "kriminellen Großfamilien" sind m.W. stets Araber (oft Libanesen) und nie Türken.
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