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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 90 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Paul Offline




Beiträge: 1.285

26.05.2015 18:22
#76 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #75
Durch die Ausgleichsmandate ist der Parteienproporz jetzt immer gewährleistet. Früher war der Parteienproporz durch die Überhangmandate, die typischerweise CDU oder SPD zukommen, leicht zugunsten der Großparteien ausgefallen. Müßte @Paul eigentlich nicht so sehr gefallen, weil Überhangmandate ja immer nur durch das Mehrheitsprinzip gewonnen werden konnten.


Lieber Emulgator,
ich gestehe, dass ich mich mit dem derzeitigen Wahlrecht nicht besonders beschäftigt habe. Das mit den Überhangsmandaten habe ich bisher nicht verstanden. Nachdem ich das was Sie hier geschrieben haben gelesen haben, schwirrt es mir im Kopf, weil ich eben nur ein schlichter Wahlbürger bin.
Vielleicht bin ich ja deshalb für ein übersichtliches Mehrheitswahlrecht, dass ich erstens verstehe und das zweitens immer eine Regierungsmehrheit als Ergebnis hat.
Stimmt es, das bei diesem Mehrheitswahlrecht keine Überhangsmandate entstehen würden?

LG, Paul

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JE SUIS JUIF

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

26.05.2015 18:32
#77 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #76
Vielleicht bin ich ja deshalb für ein übersichtliches Mehrheitswahlrecht, dass ich erstens verstehe und das zweitens immer eine Regierungsmehrheit als Ergebnis hat.

Mit Verlaub: Sie scheinen auch dieses Wahlrecht nicht zu verstehen. Denn es hat keineswegs immer eine Regierungsmehrheit als Ergebnis. Wie man in Großbritannien schon des öfteren festgestellt hat.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

26.05.2015 18:58
#78 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #77
Zitat von Paul im Beitrag #76
Vielleicht bin ich ja deshalb für ein übersichtliches Mehrheitswahlrecht, dass ich erstens verstehe und das zweitens immer eine Regierungsmehrheit als Ergebnis hat.

Mit Verlaub: Sie scheinen auch dieses Wahlrecht nicht zu verstehen. Denn es hat keineswegs immer eine Regierungsmehrheit als Ergebnis. Wie man in Großbritannien schon des öfteren festgestellt hat.


Auch mit Verlaub: In Großbritanien gibt es das Mehrheitswahlrecht für Personen. Bei 650 Kandidaten in 650 Wahlkreisen, die unterschiedlichen Parteien angehören kann natürlich alles mögliche entstehen, nur keine Regierungsmehrheit für eine Partei.

Das habe ich aber nicht gemeint, sondern die Wahl von Parteien mit Mehrheitswahlrecht.

Man zitiert sich nicht selber. Aber ich mache mal eine Ausnahme, um Ihnen das Suchen zu ersparen.

In #60 schrieb ich:
"Lieber R.A.,
aus dem was Sie geschrieben haben, habe ich entnommen, dass für unsere Gegebenheiten das Mehrheitswahlsystem die ultima ratio wäre. Natürlich könnte über bestimmte Modifizierungen nachgedacht werden. Das Ziel müsste aber bleiben: der Wähler wählt immer eine regierungsfähige Mehrheit. Er bekommt also was er wählt. Jedenfalls die Mehrheit der Wähler bekommt das.
Der Vorteil wäre, dass das Wahlprogramm umgesetzt werden könnte und die Experten nicht zu verwässernden Kompromissen gezwungen wären. Der Wähler könnte am Ende der Wahlperiode den Erfolg oder Misserfolg der Regierung direkt belohnen oder bestrafen.
Der Nachteil für die Parteien: es wäre immer nur eine an der Macht. Deshalb wird sich dieses Wahlsystem nicht durchsetzen lassen, weil die geteilte Macht in der Koalition immer noch besser ist als überhaupt keine Macht. Jedenfalls ist das wohl die derzeit vorherrschende Meinung unter den Politikern.
Für mich hat es den Anschein, dass die Vorteile für den Bürger überwiegen würden. Besonders, wenn der Koalitionspartner sich als interne Opposition begreift und durch permanenten Wahlkampf die Regierungsfähigkeit beeinträchtigt."

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JE SUIS JUIF

Emulgator Offline



Beiträge: 2.827

27.05.2015 00:02
#79 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #76
Lieber Emulgator,
ich gestehe, dass ich mich mit dem derzeitigen Wahlrecht nicht besonders beschäftigt habe. Das mit den Überhangsmandaten habe ich bisher nicht verstanden. Nachdem ich das was Sie hier geschrieben haben gelesen haben, schwirrt es mir im Kopf, weil ich eben nur ein schlichter Wahlbürger bin.
Überhangmandate sind die Abseitsregel des Wahlrechts.


Zitat von Paul im Beitrag #76
Stimmt es, das bei diesem Mehrheitswahlrecht keine Überhangsmandate entstehen würden?
Die würden auch bei einem Verhältniswahlrecht nicht auftreten. Überhangmandate gibt es nur, weil es sein kann, daß man mehr Direktmandate (= Erststimmensieger im Mehrheitswahlsystem auf Wahlkreisebene) erhält, als man Sitze über das Zweitstimmenergebnis (= Verhältniswahlrecht auf Bundes- bzw. Landesebene) bekommt. Persönlich finde ich Überhangmandate nicht ungerecht. Warum soll eine Partei mehr Sitze bekommen, weil eine andere sehr viele Einzelbewerber aufgestellt hat, die beliebter sind, als ihre eigene Partei? Die Idee bei den zwei Stimmen ist ja gerade gewesen, daß man durch die Erststimme mehr Einfluß auf die Personenzusammensetzung hat, als wenn man bloß Listen wählt, die von den Landesverbänden ausgekungelt wurden.
Das ganze Chaos mit den negativen Stimmengewichten ist nur dadurch geschehen, daß man einen parteiinternen Landesproporz haben wollte: Wenn also die SPD bundesweit 20% erreicht, im Saarland aber 40%, werden trotzdem nur 20% der saarländischen Abgeordneten von der SPD sein. Irgendjemand fand das gerecht. Ich nicht. Da in der Situation aber typischerweise auch ca. 40% der saarländischen Wahlkreise von der CDU gewonnen werden, fallen im Saarland Überhangmandate an, und zwar umso mehr, je weniger die CDU bundesweit per Zweitstimme erreicht. In einem bestimmten Rundungsbereich können so durch weniger Stimmen für die CDU insgesamt mehr Mandate für die CDU herausspringen. Ungerecht! Und nebenbei ist der parteiinterne Landesproporz durch die Überhangmandate sowieso nicht mehr erfüllt.
Durch das neue Wahlrecht von 2013 werden einfach für alle Parteien so viele Sitze hinzugefügt, daß Landes- und Parteienproporz wieder gewährt bleiben. Das finde ich unsinnig, weil so der Bundestag um ein Vielfaches der Zahl der Überhangmandate aufgebläht wird. Und zwar sind diese Ausgleichsmandatsträger allesamt Leute vom Ende der Landeslisten. Am Ende stehen den herausragend beliebten Erststimmensiegern, die zu Überhangmandaten geführt haben, ganz viele Nulpen aus den anderen Listen und Ländern gegenüber.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

27.05.2015 10:03
#80 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #78
Das habe ich aber nicht gemeint, sondern die Wahl von Parteien mit Mehrheitswahlrecht.

Entschuldigung, das war mir nicht klar.
Ein solches Wahlrecht gibt es bisher weltweit nicht (was natürlich für sich kein Ablehnungsgrund ist), es wäre m. E. auch nicht GG-konform.

Die Frage wäre dann, ob die einzelnen Abgeordneten dann noch mehr sein können als reine Abstimmungsmaschinen. Oder ob man ihnen dann noch erlauben könnte, die Fraktion zu verlassen - denn sie wären hier ja nicht mehr in erster Linie Vertreter ihres Wahlkreises oder ihres Teils der Wählerschaft, sondern in erster Linie Erfüllungsgehilfe für eine Regierungsmehrheit.

In der Praxis würde das dann zu Wahlbündnissen führen. Das wären dann Koalitionen vor der Wahl, auf deren interne Zusammensetzung die Wähler keinen Einfluß mehr hätten.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.827

27.05.2015 13:14
#81 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #78
Das Ziel müsste aber bleiben: der Wähler wählt immer eine regierungsfähige Mehrheit. Er bekommt also was er wählt. Jedenfalls die Mehrheit der Wähler bekommt das.
Vielleicht meinen Sie das, was in Italien in Kürze Wahlrecht wird. Da bekommt die stärkste Partei eine Mindestanzahl an Mandaten, damit sie nicht mehr auf so viele Koalitionspartner angewiesen ist. Italien ist ja auch in der Vergangenheit ein Beispiel für instabile Regierungen mit sehr vielen Koalitionspartnern gewesen; manche waren nicht einmal ein Jahr im Amt. Im Vergleich zu Italien sehen Sie aber, daß wir überhaupt kein Stabilitätsproblem haben. Bei uns gab es auf Bundesebene noch nie eine Dreierkoalition und auch auf Landesebene sind die sehr selten.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

27.05.2015 16:33
#82 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Lieber Emulgator, lieber R.A.
ich bedanke mich für die Mühe, die Sie sich mit mir gegeben haben. (#79, #80, #81)
Es ist alles wohl doch nicht so einfach wie "klein Fritzchen" es sich vorstellt.

Was ich mir wünsche? Nach jeder Wahl eine Partei an der Regierung, die dann das umsetzen kann, was sie dem Wähler versprochen hat.
Wer kennt so ein Wahlverfahren?
Koalitionen sind Gift für die Handlungsunfähigkeit der Regierung. Ist es denn von der Hand zu weisen, dass die Wahlmüdigkeit ihre Ursache in dieser Situation hat?
Der Wähler erlebt nie, dass die Partei, die er gewählt hat an die Regierung kommt. Kein Wähler erlebt das. Für mich ist das sehr frustrierend.

Nochmal zur Unabhängigkeit des Abgeordneten. M.E. ist das eine Chimäre, die es nie gegeben hat. Jeder Abgeordnete (Bundestag, Landtag, Kreistag) ist von seiner Partei abhängig. Muckt er auf, ist er ganz schnell weg vom Fenster. Dafür gibt es doch genügend Beispiele? Mir fallen auf Anhieb Merz, Lafontaine und Lmbsdorff ein. Oder Täuscht mich mein Gedächnis?

Als ehemaliger DDR-Bürger wollte ich nach der Wende "die Zukunft mitgestalten". Meinen Ausflug in die Politik habe ich sehr schnell beendet, weil ich mich einer Parteihirarchie nicht unterordnen konnte. Den Blockflöten wollte ich mich auch nicht unterordnen. Da war dann ganz schnell "Schluss mit Lustig".

LG, Paul

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JE SUIS JUIF

Florian Offline



Beiträge: 3.135

27.05.2015 17:46
#83 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #82

Was ich mir wünsche? Nach jeder Wahl eine Partei an der Regierung, die dann das umsetzen kann, was sie dem Wähler versprochen hat.
Wer kennt so ein Wahlverfahren?


Zitat von Paul im Beitrag #82

Das Ziel müsste aber bleiben: der Wähler wählt immer eine regierungsfähige Mehrheit. Er bekommt also was er wählt. Jedenfalls die Mehrheit der Wähler bekommt das.


Ich bin mir nicht sicher, ob Sie wirklich zu Ende gedacht haben, was Sie sich da wünschen.

Wenn ich Sie richtig verstehe, wünschen Sie sich zweierlei:

Erstens ein Wahlrecht, bei dem garantiert IMMER eine einzige Partei die Mehrheit der Mandate hat.
Mit anderen Worten:
Die relativ stärkste Partei bekommt eine absolute Mehrheit.

Zweitens: die Mehrheit der Wähler bekommt einer Regierung durch die Partei, die sie gewählt hat.

Habe ich das so richtig verstanden?

Nun stehen diese beiden Wünsche aber im Widerspruch zueinander.
Konkretes Beispiel eines Wahlergebnisses:
Partei A: 30% der Stimmen, Partei B: 25%, Partei C: 20%, Partei E: 15%, Partei F: 10%

Nach Ihrem ersten Wunsch müsste dann Partei A 50+x% der Sitze bekommen.
Aber das steht im Widerspruch zu Ihrem zweiten Wunsch, weil dann 70% der Wähler gerade NICHT die Partei, die sie gewählt haben, als Regierungspartei bekommen.

RichardT Offline




Beiträge: 287

27.05.2015 18:36
#84 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Die Diskussionen hier über das Wahlrecht und die Wahlbeteiligung sind ja nett, aber ich glaube sie werden bald sehr akademische Diskussionen sein. Denn noch wählen wir ja was wir wollen.
Nicht mehr lange.

Ich habe gerade einen Beitrag auf sciencefiles.org gelesen.
Darin erklärt der zukünftige SPD Fraktionsvorsitzende wie das Wahlrecht -seiner und seiner Partei Meinung nach- geändert werden muß, damit die Ergebnisse rauskommen die die Politiker sich wünschen.

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Wer ist John Galt?

Paul Offline




Beiträge: 1.285

27.05.2015 23:55
#85 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Lieber Florian, Sie haben recht.
Da habe ich nicht richtig nachgedacht.

Zitat von Florian im Beitrag #83


Zitat von Paul im Beitrag #82

Das Ziel müsste aber bleiben: der Wähler wählt immer eine regierungsfähige Mehrheit. Er bekommt also was er wählt. Jedenfalls die Mehrheit der Wähler bekommt das.


Ich bin mir nicht sicher, ob Sie wirklich zu Ende gedacht haben, was Sie sich da wünschen.

Zitat
Jedenfalls die Mehrheit der Wähler bekommt das.



Dieser Satz ist das Ergebnis eines Denkfehlers.

Trotzdem bleibt es bei meinem Wunsch: Ein Wahlsystem, das immer zu einer Alleinregierung führt.
Man darf doch wohl noch träumen.

LG, Paul

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JE SUIS JUIF

Tiefseetaucher Online




Beiträge: 342

28.05.2015 08:35
#86 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #81
Bei uns gab es auf Bundesebene noch nie eine Dreierkoalition und auch auf Landesebene sind die sehr selten.

Da die CSU hartnäckig darauf besteht, eine eigenständige Partei zu sein, gab es natürlich auch auf Bundesebene schon öfter die Dreierkoalition CDU, CSU und FDP. Auch die erste große Koalition war eine Dreierkoalition aus CDU, CSU und SPD.
Wenn man die CSU allerdings nur als bayrischen Ableger der CDU sieht, haben Sie Recht. Aber sagen Sie das bloß keinem CSU-Anhänger. Das könnte schmerzhaft werden. Ich lasse mal offen, für wen.

Political Correctness ist nichts anderes als betreutes Denken.

Tiefseetaucher Online




Beiträge: 342

28.05.2015 08:47
#87 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #85

Trotzdem bleibt es bei meinem Wunsch: Ein Wahlsystem, das immer zu einer Alleinregierung führt.
Man darf doch wohl noch träumen.

LG, Paul


Wenn ich Sie recht verstanden habe, soll die stärkste Partei grundsätzlich die Mehrheit der Sitze bekommen?
Das könnte dann aber noch schneller zum Albtraum werden als in der Realität geschehen.
Reichstagswahl Juli 1932
Reichstagswahl November 1932

edit: Tippfehler korrigiert (Sir in Sie)

Political Correctness ist nichts anderes als betreutes Denken.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

28.05.2015 09:15
#88 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Zitat von Tiefseetaucher im Beitrag #87
Zitat von Paul im Beitrag #85

Trotzdem bleibt es bei meinem Wunsch: Ein Wahlsystem, das immer zu einer Alleinregierung führt.
Man darf doch wohl noch träumen.

LG, Paul


Wenn ich Sir recht verstanden habe, soll die stärkste Partei grundsätzlich die Mehrheit der Sitze bekommen?
Das könnte dann aber noch schneller zum Albtraum werden als in der Realität geschehen.
Reichstagswahl Juli 1932
Reichstagswahl November 1932



Sie schreiben es, lieber Tiefseetaucher: Das ist die tief sitzende Angst, bei sehr vielen Deutschen. Auch ich hatte das beim Schreiben meines Wunsches immer im Hinterkopf. Diese Angst habe ich verdrängt. Bin aber im Innersten hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis nach einem starken Staat und der Angst vor dem möglichen Missbrauch der Macht.
Trotzdem neige ich dazu, in der gegenwärtigen Situation, dem starken Staat noch mal eine Chance geben zu wollen. In der Hoffnung, dass die kriegstreibende Kraft durch das europäische Umfeld gebändigt werden könnte.
Die andere Angst: Deutschland könnte von Innen "zerfressen" werden, Sarrazin nennt es "Deutschland schafft sich ab", ist mindestens ebenso groß. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies eher eintreten könnte, als der Machtmissbrauch durch die Alleinherrschaft einer Partei, halte ich gegenwärtig für größer.

Zumal die Nazis, Ihren Hinweis aufgreifend, die Macht nicht durch Wahl erhalten haben, sondern durch das Ermächtigungsgesetz. Das müsste künftig verhindert werden. Wie man das hundertprozentig erreichen kann, weiß ich aber auch nicht.

Wie geschrieben: Ich bin hin und her gerissen.

LG, Paul

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JE SUIS JUIF

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

28.05.2015 10:24
#89 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #81
Italien ist ja auch in der Vergangenheit ein Beispiel für instabile Regierungen mit sehr vielen Koalitionspartnern gewesen ...

Nicht wirklich.
Italien wirkte instabil aus Sicht von Ländern, in denen eine Neuwahl mit Regierungsneubildung als Krisensignal galt. Das war in Italien nicht der Fall - da wurden nur zwischen den immer gleichen Akteuren die Gewichte etwas neu justiert.
De facto war Italien das am stabilsten regierte Land des Westens: Eine durchgängige Regierungslinie über Jahrzehnte, ohne echten Wechsel, nur mit Rotation diverser Politiker in den wichtigen Ämtern.

Zitat
Im Vergleich zu Italien sehen Sie aber, daß wir überhaupt kein Stabilitätsproblem haben.


Haben wir nicht. Sondern genau wie in Italien haben wir eher ein Skleroseproblem: Die verschiedenen politischen Großrichtungen unterscheiden sich nicht mehr wirklich, es ist daher extrem schwer, echte Neuerungen einzuführen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

28.05.2015 10:31
#90 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #82
Koalitionen sind Gift für die Handlungsunfähigkeit der Regierung.

Nein. Koalitionen machen nur besser sichtbar, was bei einer Einparteienregierung hinter verschlossenen Türen passiert: Das übliche (und legitime!) Gerangel um Positionen und Mehrheiten.

Für die Handlungsfähigkeit sind ganz andere Parameter wichtig: Hat die Regierung (egal aus wievielen Parteien sie besteht) einen inhaltlichen Grundkonsens über die anstehenden wichtigen Fragen? Sind die handelnden Personen kompromiß- UND durchsetzungsfähig? Gibt es wirklich den Wunsch nach Handlung?

Gerade die letzte Frage sollte nicht unterschätzt werden. Es ist gar nicht so selten, daß die Mehrheit im Lande eigentlich gar keine großen Veränderungen möchte. Also ist "Handlungsfähigkeit" überhaupt nicht gefragt. Aber offen zugeben darf keiner, daß die Regierung nur still verwaltet - also wird Inszenierung betrieben (wie vom Publikum gewünscht).

Zitat
Ist es denn von der Hand zu weisen, dass die Wahlmüdigkeit ihre Ursache in dieser Situation hat?


Eher unwahrscheinlich. Frust über Politik kommt noch viel mehr auf, wenn die Regierung aus Sicht mancher Wählergruppen "das Falsche" entscheidet - also zu viel Handlungsfähigkeit beweist.

Mir persönlich wäre z. B. deutlich lieber gewesen, wenn Regierungen mit grüner Beteiligung deutlich handlungsunfähiger gewesen wären ...

Zitat
Nochmal zur Unabhängigkeit des Abgeordneten. M.E. ist das eine Chimäre, die es nie gegeben hat.


Das kommt darauf an, wie weit man "Unabhängigkeit" faßt.
Natürlich ist ein Abgeordneter nie komplett unabhängig, wenn er sich von einer Partei aufstellen ließ, mit Hilfe der Parteifreunde seinen Wahlkampf führte und den Wählern versprochen hat, das Parteiprogramm umzusetzen.
Aber das heißt nicht, daß er reiner Abnicksklave wäre. Eine Regierung muß immer wieder "ihre" Abgeordneten auch inhaltlich überzeugen - sonst werden die intern eine Kursänderung erzwingen.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

28.05.2015 11:51
#91 RE: Meckerecke: Der beleidigte Böhrnsen Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #89
De facto war Italien das am stabilsten regierte Land des Westens: Eine durchgängige Regierungslinie über Jahrzehnte, ohne echten Wechsel, nur mit Rotation diverser Politiker in den wichtigen Ämtern.

Es gibt eine historische Parallele, die man gar nicht vermuten möchte, wenn man das heutige System dort kennt: die Dritte Französische Republik. Zwischen 1870 und 1940 gab es dort 109 Regierungen mit weitgehend dem gleichen Personal (allein Aristide Briand gehörte 34 davon an).

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

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