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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 87 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Robin Offline



Beiträge: 317

23.02.2016 19:43
#51 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von dirk im Beitrag #49
Wenn man das woertlich nimmt, nimmt die Regierung einen Antrag entgegen. Dieser ist (zunaechst) unzulaessig wegen der Drittstaatregelung (e.g. Artikel 3 Dublin). Dann nimmt die Regierung diesen ihr vorgelegten, aber unzulaessigen Antrag, rennt damit zu Artikel 17 Dublin III und erklaert sich den immer noch unzulaessigen Antrag zu pruefen. Daraufhin geht dann die Zustaendigkeit an Deuschland ueber, woraufhin dann der Antrag durch die Zeit zurueckwandert und fuer zulassig erklaert wird. Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.


Das war ja ziemlich genau das, was ich mit den Schrödinger-Katzen-Anträgen gemeint habe. Ich glaube inzwischen, das entscheidende Wörtchen ist "prüfen". Liest man das als "bearbeiten" (ich würde es so sehen) so liegen Sie richtig, liest man es als "Zulässigkeit feststellen" dann hat der werte Emulgator recht. Die Sichtweise, dass der einspringende Drittstaat schon vor der Antragsstellung eintreten kann, scheint aber jedenfalls im Wortlaut nicht zutreffend (auch wenn es möglicherweise so gehandhabt wird).
Was ich aber ohnehin nicht verstehe: das Dublinverfahren wurde ja offiziell nur für Syrer "ausgesetzt" (das meint offenbar die Anwendung des Selbsteintrittsrechts - so hatte es Merkel einmal erklärt). Es sind ja nun bei weitem nicht nur Syrer. Und es wird sich ja auch keiner direkt aus Griechenland herteleportieren (für GR wird das Verfahren offiziell auch nicht angewendet):
http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...-a-1049639.html
Und die Ausnahme für Syrer galt auch nur bis 21.10. letzten Jahres:
https://www.tagesschau.de/inland/fluecht...fahren-101.html
Also Lügenpresse? Lügenregierung? Oder was?

------
"Kurz, womit konnte die Disharmonie einer so schwachen, unruhigen, sich selbst widersprechenden Regierung als mit Barbarei und dem Tode aller vernünftigen, nützlichen Literatur endigen? Hier war kein Griechenland, kein Rom mehr; Europa war ein dunkles Getümmel ziehender Barbaren." (J.G.v.H.)

dirk Offline



Beiträge: 1.538

24.02.2016 02:14
#52 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von Robin im Beitrag #51

Das war ja ziemlich genau das, was ich mit den Schrödinger-Katzen-Anträgen gemeint habe. Ich glaube inzwischen, das entscheidende Wörtchen ist "prüfen". Liest man das als "bearbeiten" (ich würde es so sehen) so liegen Sie richtig, liest man es als "Zulässigkeit feststellen" dann hat der werte Emulgator recht.


Ich glaube das ist zweitrangig, denn die Eintrittsklausel bei Dublin ist ja eine "Kann-Vorschrift"; sie verpflichtet Deutschland nicht, die Zuständigkeit zu übernehmen; und sie sagt auch nicht, wer denn "Deutschland" ist. Ist es die Regierung, die den Eintritt beschliessen kann, und wenn ja unter welchen Bedingungen, etc. Oder ist es das Parlament? Wie und wann von der Klausel Gebrauch gemacht wird, ist eine nationale Frage.

Und ohne eine nationales Gesetz, welches der Regierungs Spielreaum liefert, diese Klausel auszunetzen, ist sie quasi nicht existent. Wenn sich also nicht noch irgendwo ein Paragraph findet, der es der Regierung erlaubt massenhaft und pauschal die Zuständigkeit zu übernehmen, kann sie mit diesem Trick nicht
§27a AsylG aushebeln.

Mehr noch, in jedem anständig geordnetem Gesetz wäre §27a AsylG auch genau der Ort, um eine Ausnahmeregelung zur Übernahme der Zuständigkeit hinzuweisen. Dort steht aber keine, woraus sich die Schlussfolderung ergibt, dass §27a der Regierung untersagt, den Antrag auch nur weiter anzugucken


Zitat
Also Lügenpresse? Lügenregierung? Oder was?


Man wird ja immer gescholten, wenn man von Lügenpresse spricht, denn es könnte ja auch sein, dass einfach Dummheit dahinterstecke. Nun ist für mich eine falsche Tatsachenbehauptung eine falsche Tatsachenbhauptung und mir sind die Absichten relativ egal (es sind andere, die moralisieren). Und in dem Sinne ja. Heiko Maas hat in der FAZ ja auch behauptet, dass vom Dublin Selbsteintritt seit November kein Gebrauch mehr gemacht werde. Das hiesse ja, dass seit November tatsächlich nur diejenigen Asyl erhalten haben dürfen, die eine Teleportation glaubhaft machen konnten. Also ziemliche Lüge.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

24.02.2016 13:27
#53 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von dirk im Beitrag #52
Zitat von Robin im Beitrag #51

Das war ja ziemlich genau das, was ich mit den Schrödinger-Katzen-Anträgen gemeint habe. Ich glaube inzwischen, das entscheidende Wörtchen ist "prüfen". Liest man das als "bearbeiten" (ich würde es so sehen) so liegen Sie richtig, liest man es als "Zulässigkeit feststellen" dann hat der werte Emulgator recht.


Ich glaube das ist zweitrangig, denn die Eintrittsklausel bei Dublin ist ja eine "Kann-Vorschrift"; sie verpflichtet Deutschland nicht, die Zuständigkeit zu übernehmen;

Ich dachte jetzt, der Knackpunkt sei, daß die wörtliche Dublin-Regelung als Gelegenheit für einen Staat, die Zuständigkeit zu übernehmen, voraussetzt, daß bei eben diesem Staat der Antrag gestellt worden sei. Wenn der Antrag gestellt wurde, ohne daß bereits Zuständigkeit vorliegt, dann erklärt das AsylG ihn für unzulässig, und insbesondere ist es dann nicht mehr möglich, die Zuständigkeit zu übernehmen. So habe ich Ihre Position bis zum gegenwärtigen Punkt verstanden. Diese Auffassung wäre so richtig, wenn in der Begründung der Dublin-III-Verordnung nicht als Interpretationshilfe stünde:

Zitat

(17) Die Mitgliedstaaten sollten insbesondere aus humänitären Gründen oder in Härtefällen von den Zuständigkeitskri­terien abweichen können, um Familienangehörige, Ver­wandte oder Personen jeder anderen verwandtschaftli­chen Beziehung zusammenzuführen, und einen bei ihm oder einem anderen Mitgliedstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn sie für eine solche Prüfung nach den in dieser Verordnung fest­gelegten verbindlichen Zuständigkeitskriterien nicht zu­ständig sind.


Die Kann-Vorschrift der EU-Verordnung wurde durch den Wortlaut des AsylG importiert.
Natürlich bedeutet das mehr Macht für die Bundesregierung. Andererseits kann das durchaus gewollt sein, damit die Bundesregierung gewandter auf europäischer Ebene agieren kann. Und damit hat sie leider auch mehr Spielraum für Tolpatschigkeit.

Zitat von dirk im Beitrag #52
und sie sagt auch nicht, wer denn "Deutschland" ist. Ist es die Regierung, die den Eintritt beschliessen kann, und wenn ja unter welchen Bedingungen, etc. Oder ist es das Parlament? Wie und wann von der Klausel Gebrauch gemacht wird, ist eine nationale Frage.
Und ohne eine nationales Gesetz, welches der Regierungs Spielreaum liefert, diese Klausel auszunetzen, ist sie quasi nicht existent.
Was den Spielraum der Bundesregierung in Angelegenheiten der EU einschränkt, ist im wesentlichen im EUZBBG geregelt, dann gibt es noch Sachen wie das Parlamentsbeteiligungsgesetz für Bundeswehreinsätze, die laut GG sowieso nur in Kooperation mit EU oder NATO oder UN stattfinden dürfen. Nicht viel, gell? Ich sage ja, daß aller Unmut über "Brüssel" eigentlich Unmut über die nationalen Regierungen ist, die ihn erfolgreich auf Europa abwälzen. Kurz gesagt: In Europa ist Deutschland die Bundesregierung.

Zitat von dirk im Beitrag #52
Mehr noch, in jedem anständig geordnetem Gesetz wäre §27a AsylG auch genau der Ort, um eine Ausnahmeregelung zur Übernahme der Zuständigkeit hinzuweisen. Dort steht aber keine, woraus sich die Schlussfolderung ergibt, dass §27a der Regierung untersagt, den Antrag auch nur weiter anzugucken.
In einem anständigen Gesetz stünde, daß das Durchwinken von Asylanträgen untersagt ist. So herum. Wo im Gesetz steht denn, daß man ein beschleunigtes Verfahren für Iraker und Syrer einrichten dürfe? Es ist nirgends verboten, also darf es die Regierung als Durchführungsbestimmung einrichten. Was ja auch geschehen ist, ohne daß Sie es kritisieren. Was die Entscheider des BAMF einschränkt, ist ein Erlaß des Bundesministeriums.

Sie müssen verstehen: Im Gesetz stehen Rechte, auf die der Bürger bzw. Asylant pochen kann. Alles andere liegt im Ermessen der Exekutive. Zuungunsten des Bürgers/Asylanten wird der Handlungsspielraum der Exekutive selten eingeschränkt. Vom Parlament her wäre es zwar clever, genau das in die Gesetze einzubringen, aber dann stellt der Kanzler die Vertrauensfrage und die Abgeordneten müssen nach Hause gehen. So ist das im GG. In der WRV oder der Paulskirchenverfassung war das anders geregelt. Da hätten die Parlamente durchaus in den Gesetzen die Regierung eingeschränkt, damit die Regierung über den Umweg exekutiver Ermessensspielräume die Haushaltshoheit des Parlaments untergräbt. Nach 1945 wollte man aber einen starken Kanzler als Regierungs-Führer mit starker Position in der Gesetzgebung haben. Das ist gelungen.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

24.02.2016 18:02
#54 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #53

Ich dachte jetzt, der Knackpunkt sei, daß die wörtliche Dublin-Regelung als Gelegenheit für einen Staat, die Zuständigkeit zu übernehmen, voraussetzt, daß bei eben diesem Staat der Antrag gestellt worden sei. [...]So habe ich Ihre Position bis zum gegenwärtigen Punkt verstanden. Diese Auffassung wäre so richtig, wenn in der Begründung der Dublin-III-Verordnung nicht als Interpretationshilfe stünde:

Zitat

(17) Die Mitgliedstaaten sollten insbesondere aus humänitären Gründen oder in Härtefällen von den Zuständigkeitskri­terien abweichen können, um Familienangehörige, Ver­wandte oder Personen jeder anderen verwandtschaftli­chen Beziehung zusammenzuführen, und einen bei ihm oder einem anderen Mitgliedstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn sie für eine solche Prüfung nach den in dieser Verordnung fest­gelegten verbindlichen Zuständigkeitskriterien nicht zu­ständig sind.



Erst einaml setzt die Klausel ja schon varaus, dass der Staat eionen Antrag gesehen hat. Dies so auszulegen, dass damit gemeint sei, man koenne sich einfach pauschal und abstrakt fuer zustaendig erklaeren, ohne dass Antraege vorliegen, kann mE nicht korrekt sein.
Zweitens, auch hier steht "die Mitgliedsstaaten", nicht die "Regierungen der Mitgliedsstaaten" Und selbst wenn, waeren die Befugnisse der Regierung im innerstaatlichen Recht zu klaeren. Und da gibt es keine Befugnis massenhaft und pauschal die Zustaendigkeit zu uebernehmen.

Zitat
Die Kann-Vorschrift der EU-Verordnung wurde durch den Wortlaut des AsylG importiert.


Reden wir weiterhin von 27a AsylG? Dann kann das nicht stimmen. Da steht klipp und klar "keine Zustaendigkeit -> unzulassiger Antrag" und nicht "Bundesregierung kann nach Belieben Ausnahmeklauseln in EU Vertraegen in Anspruch nehmen". Wenn sie da recht haetten, dann vergewaltigen Juristen Logik und Sprache so sehr, dass wir noch ein viel groesseres Problem haetten.

Zitat


Sie müssen verstehen: Im Gesetz stehen Rechte, auf die der Bürger bzw. Asylant pochen kann. Alles andere liegt im Ermessen der Exekutive.


Wollen Sie sagen, dass wenn der Regeriung nicht etwas explizit gesetzlich untersagt ist, dann darf sie das tun? Warum dann nicht gleich die deutsche Staatsbuergerschaft an alle Buerger der Welt vergeben? Oder ist da ein Gesetz, dass dies explizit verbietet?

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

26.02.2016 13:53
#55 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von dirk im Beitrag #54
Erst einaml setzt die Klausel ja schon varaus, dass der Staat eionen Antrag gesehen hat. Dies so auszulegen, dass damit gemeint sei, man koenne sich einfach pauschal und abstrakt fuer zustaendig erklaeren, ohne dass Antraege vorliegen, kann mE nicht korrekt sein.
Wie Sie richtig lesen, reicht es, wenn einer der beiden einen Antrag gesehen hat. Daß nun so ein Antrag entsteht, ist einigermaßen trivial. Wenn Sie den Rest des AsylVG und der entsprechenden Richtlinien lesen, dann werden Sie nämlich sehen, daß die Grenzbeamten, die Flüchtlinge aufgreifen, diese nicht etwas zurückschicken dürfen oder hinter einem Zaun stehen lassen dürfen oder ertrinken lassen dürfen, sondern sie müssen die Flüchtlinge zur Aufnahmeeinrichtung bringen, damit sie dort ihren Antrag stellen können. Ganz deutlich gesagt: Die Grenzer müssen den Flüchtlingen helfen, einen Asylantrag zu stellen. Es ist Griechenland, Ungarn, Österreich, Slowenien und der Bundesrepublik explizit verboten, anders zu handeln. Nebenbei ist es ein Rechtsstaatsgrundsatz, daß der Staat bei der Beantragung der Rechte, die er zu gewähren verspricht, nicht hemmt.

Ich merke gerade, daß dieser Punkt gegenwärtig offenbar komplett mißverstanden wird. Der ganze Zirkus mit der Grenzsicherung richtet sich nämlich nicht gegen die Flüchtlinge, sondern bloß gegen die Transportunternehmen. Das ist ein Unterschied zum Limes oder zur Chinesischen Mauer. Die Flüchtlinge muß man sowieso aufnehmen, wenn sie da sind: Flüchtlingskonvention, Grundrecht auf Asyl usw. Aber Richtlinie 2001/51/EG sieht vor, daß die Transportunternehmen mehrere 1000€ Strafe zahlen müssen für jeden Ausländer, den sie ins Inland bringen. Damit ist der legale Markt für solche Transporte ausgetrocknet. Übrig bleiben die Transportunternehmen, die sich der Haftung entziehen können. Am sichersten für ihn ist es, falls von seiner Firma keiner mehr dabei ist, wenn die Flüchtlinge in der EU eintreffen.
Ich empfehle diese Darstellung von n-tv wegen einer etwas älteren Aussage eines CDU-Politikers zum Thema, die gerade wegen des zeitlichen Abstandes sehr amüsant ist. Persönlich halte ich die gegenwärtige Lage für nichts anderes als die Folge einer Unehrlichkeit: Man will gutmenschlich zu Flüchtlingen sein, aber nur, solange man nichts dafür opfern muß.

Zitat von dirk im Beitrag #54
Zweitens, auch hier steht "die Mitgliedsstaaten", nicht die "Regierungen der Mitgliedsstaaten" Und selbst wenn, waeren die Befugnisse der Regierung im innerstaatlichen Recht zu klaeren.
Die Regierungen handeln ja immer als Bevollmächtigter ihres Staates. Dieser trägt hinterher die Rechtswirkung im Außenverhältnis. Die Gültigkeit der Vollmachten ist eine Frage des Innenverhältnisses. Das habe ich Ihnen aber schon oben erklärt.

Zitat von dirk im Beitrag #54
Reden wir weiterhin von 27a AsylG? Dann kann das nicht stimmen. Da steht klipp und klar "keine Zustaendigkeit -> unzulassiger Antrag" und nicht "Bundesregierung kann nach Belieben Ausnahmeklauseln in EU Vertraegen in Anspruch nehmen".
Doch, genau das steht da. Es steht dort nicht, "selbst wenn die Welt untergeht, bleiben Anträge unzulässig." So viel Mut hat man nämlich insbesondere in der EU nicht gehabt. Und ich weiß nicht, ob es gut wäre so viel Mut zu einer ausnahmslosen Regelung zu haben, wenn die Regelung eigentlich dumm ist.

Zitat von dirk im Beitrag #54
Wollen Sie sagen, dass wenn der Regeriung nicht etwas explizit gesetzlich untersagt ist, dann darf sie das tun? Warum dann nicht gleich die deutsche Staatsbuergerschaft an alle Buerger der Welt vergeben? Oder ist da ein Gesetz, dass dies explizit verbietet?
Ja, das StAG. Es setzt den Antrag des Menschen voraus (Bürger ist er ja noch nicht, deswegen heißt es ja "Einbürgerung". "Ausländischer Mitbürger" ist übrigens ein Oxymoron: Entweder ist man Ausländer oder Bürger.) Wenn man jemanden ohne seinen Antrag einbürgert, kann er sich gerichtlich dagegen wehren. Übrigens würde auch sein Heimatstaat verärgert werden: Das konnte man sehr gut sehen, als Rußland an die Bürger der Krim seine Staatsbürgerschaft (selbst ohne Antrag) verteilt hat. Die Ukraine war zurecht verärgert.
Aber was, wenn ein Ausländer einen Einbürgerungsantrag stellt und die Behörde bei §8 Abs.1 Nr. 4 "sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist" sehr großzügig ist? Wer kann dagegen klagen? Niemand! Nur, wer davon eine "Beschwer" hat. Das sind Sie ganz bestimmt nicht. Allenfalls wäre es der Sozialversicherungsträger, mithin der Fiskus selber. Warum sollte man diesen Passus also so auslegen, als würde er der Exekutive in toto eine Beschränkung auferlegen?

dirk Offline



Beiträge: 1.538

26.02.2016 20:17
#56 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #55
Zitat von dirk im Beitrag #54
Erst einaml setzt die Klausel ja schon varaus, dass der Staat eionen Antrag gesehen hat. Dies so auszulegen, dass damit gemeint sei, man koenne sich einfach pauschal und abstrakt fuer zustaendig erklaeren, ohne dass Antraege vorliegen, kann mE nicht korrekt sein.
Wie Sie richtig lesen, reicht es, wenn einer der beiden einen Antrag gesehen hat. Daß nun so ein Antrag entsteht, ist einigermaßen trivial.

Also kann Ihr Einwand von oben auch nicht richtig sein.
Aber nehjmen sie meinetwegen §29 AsylG, dieser geht nicht über die Zuständigkeit nach Dublin:

Zitat von §29 AsylG (1)

(1) Ein Asylantrag ist unbeachtlich, wenn offensichtlich ist, dass der Ausländer bereits in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung sicher war und die Rückführung in diesen Staat oder in einen anderen Staat, in dem er vor politischer Verfolgung sicher ist, möglich ist.



Wenn Sie den Rest des AsylVG und der entsprechenden Richtlinien lesen, dann werden Sie nämlich sehen, daß die Grenzbeamten, die Flüchtlinge aufgreifen, diese nicht etwas zurückschicken dürfen oder hinter einem Zaun stehen lassen dürfen oder ertrinken lassen dürfen, sondern sie müssen die Flüchtlinge zur Aufnahmeeinrichtung bringen, damit sie dort ihren Antrag stellen können. Ganz deutlich gesagt: Die Grenzer müssen den Flüchtlingen helfen, einen Asylantrag zu stellen. Es ist Griechenland, Ungarn, Österreich, Slowenien und der Bundesrepublik explizit verboten, anders zu handeln. Nebenbei ist es ein Rechtsstaatsgrundsatz, daß der Staat bei der Beantragung der Rechte, die er zu gewähren verspricht, nicht hemmt.


Zitat
Zitat von dirk im Beitrag #54
Zweitens, auch hier steht "die Mitgliedsstaaten", nicht die "Regierungen der Mitgliedsstaaten" Und selbst wenn, waeren die Befugnisse der Regierung im innerstaatlichen Recht zu klaeren.
Die Regierungen handeln ja immer als Bevollmächtigter ihres Staates. Dieser trägt hinterher die Rechtswirkung im Außenverhältnis. Die Gültigkeit der Vollmachten ist eine Frage des Innenverhältnisses. Das habe ich Ihnen aber schon oben erklärt.


Exakt. Und in eben jenem Binnenverhältnis sehe ich nirgendwo eine Ermächtigung dernach die Regierung pauschal und massenhaft die Zustaendigkeit nach Dublin III Artikel 17 übernehmen kann (abgesehen davon, ist die massenhafte Anwendung über Ausnahmen hinaus noch nicht einmal von Dublin gedeckt). Daraufhin behaupteten Sie (und das Staatsbürgerschaftsbeispiel geht in die gleiche Richtung), dass eine solche explizite Ermächtigung gar nicht nötig sei. Es reiche, wenn dies nicht ausdrücklich untersagt ist.

Und genau das ist der Streitpunkt zwischen uns. Ich kann und will mir das nicht vorstellen. Dann könnte, wie ich oben schrieb die Regierung ja auch einfach mit Staatsbürgerschaften um sich werfen, oder neue Sozialleistungen erfinden, oder die Sozialhilfe an Ausländer im Ausland auszahlen, oder, oder, oder. Das widerspricht dem Bild, das ich von der Verfassheit dieses Staates habe, kolossal. Es kann sein, dass ich hier falsch liege, aber dann hätte ich gerne Quellenverweise.

Zitat

Zitat von dirk im Beitrag #54
Reden wir weiterhin von 27a AsylG? Dann kann das nicht stimmen. Da steht klipp und klar "keine Zustaendigkeit > unzulassiger Antrag" und nicht "Bundesregierung kann nach Belieben Ausnahmeklauseln in EU Vertraegen in Anspruch nehmen".
Doch, genau das steht da.


Solange ich lesen kann, steht das dort nicht. Und wenn wir uns nicht einmal darüber einigen können, ist eine Fortführung der Diskussion sinnlos.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

26.02.2016 21:36
#57 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von dirk im Beitrag #56
Aber nehjmen sie meinetwegen §29 AsylG, dieser geht nicht über die Zuständigkeit nach Dublin:

Zitat von §29 AsylG (1)

(1) Ein Asylantrag ist unbeachtlich, wenn offensichtlich ist, dass der Ausländer bereits in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung sicher war und die Rückführung in diesen Staat oder in einen anderen Staat, in dem er vor politischer Verfolgung sicher ist, möglich ist.

Ich glaube, jetzt verstehe ich Sie besser. Das ist ein bißchen irreführend, weil zwar deutsche Wörter vorkommen, diese aber eine ganz fest umrissene Definition haben,

"Unzulässig" heißt nicht, daß es verboten sei, einen Antrag zu stellen, oder daß ihm nach inhaltlicher Würdigung nicht stattzugeben sei, sondern daß verfahrensrechtlich keine Zuständigkeit vorliegt.Der Antrag wird also entgegengenommen, aber wegen "Unzulässigkeit" --also fehlender Zuständigkeit-- zurückgewiesen. Wenn man einen Antrag an eine Behörde oder eine Klage an ein Gericht schickt, muß daraus immer hervorgehen, daß diese Stelle tatsächlich sachlich zuständig ist. Sonst ist es unzulässig. Behörde oder Gericht kümmern sich auch nicht darum, den Vorgang eigenständig an die richtige Stelle weiterzuleiten.

Idealerweise ist immer genau ein Gericht bzw. genau eine Behörde zuständig. Bloß im Bezug zum Ausland kann es Kollisionen geben; dann schreibt man in den Vertrag z.B. Gerichtsstand ist Deutschland (womit sich der tatsächliche Gerichtsstand nach dem GVG ergibt). Im Fall von Dublin III hat man eine ähnliche eindeutige Regelung, denn EU ist ja nicht ganz Ausland: Entweder Erstankunftsort in der EU oder ggf. entsprechend regierungsamtlicher Zuständigkeitserklärung.

"Unbeachtlichkeit" heißt, daß eine Sache keine Rechtsfolgen hat, d.h. rechtsunerheblich ist. In diesem Fall gilt der Asylantrag also als gar nicht gestellt. Das sind etwas andere Rechtsfolgen, als wenn er gestellt wurde, aber unzulässig ist.

Zitat von dirk im Beitrag #56
Und genau das ist der Streitpunkt zwischen uns. Ich kann und will mir das nicht vorstellen. Dann könnte, wie ich oben schrieb die Regierung ja auch einfach mit Staatsbürgerschaften um sich werfen, oder neue Sozialleistungen erfinden, oder die Sozialhilfe an Ausländer im Ausland auszahlen, oder, oder, oder. Das widerspricht dem Bild, das ich von der Verfassheit dieses Staates habe, kolossal. Es kann sein, dass ich hier falsch liege, aber dann hätte ich gerne Quellenverweise.
Als Quelle kann ich Ihnen anbieten Art. 19 Abs. 4 GG. Das heißt, daß man nur dann etwas gegen die Obrigkeit machen kann, wenn man selber in seinen Rechten dadurch verletzt wird, und zwar konkret. Man nennt das eine "Beschwer". Was ist Ihre Beschwer, wenn andere Sozialleistungen bekommen (selbst wenn Sie eingezahlt haben, jene aber nicht)? Keine! Was ist Ihre Beschwer, wenn andere eingebürgert werden? Keine! Was ist Ihre Beschwer, wenn andere hier Asyl bekommen? Keine! Was ist Ihre Beschwer, wenn die Turnhalle ihres Sportvereins dadurch blockiert wird?

Erst hier wird es interessant. Den Anspruch haben Sie gegen den Sportverein; freilich nicht als Beschwer (im öff. Recht) sondern als zivilrechtlichen Anspruch gegen den Verein. In der Satzung kann es allerdings heißen, daß solche Ereignisse, die der Verein nicht zu vertreten hat, ihn nicht zum Schadenersatz verpflichten. Damit hat der Verein keine Beschwer. Damit kann er auch nicht gegen die Kommune klagen, die die Turnhalle requiriert hat. So läuft das ganze.

Ich kann mir gut vorstellen, daß das Ihrem Bild von der Verfaßtheit des Staates widerspricht. Ist aber so. Es gibt keine Popularklage. Auch wenn die Regierung etwas macht, was Rechtsverletzungen der Obrigkeit programmiert (etwa die Staats- und Sozialkassen plündern, einen Krieg vom Zaun brechen, usw.) dann kann man als Bürger dagegen erstmal nichts machen.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

26.02.2016 22:22
#58 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #57


"Unzulässig" heißt nicht, daß es verboten sei, einen Antrag zu stellen, oder daß ihm nach inhaltlicher Würdigung nicht stattzugeben sei, sondern daß verfahrensrechtlich keine Zuständigkeit vorliegt.Der Antrag wird also entgegengenommen, aber wegen "Unzulässigkeit" --also fehlender Zuständigkeit-- zurückgewiesen. [...]

"Unbeachtlichkeit" heißt, daß eine Sache keine Rechtsfolgen hat, d.h. rechtsunerheblich ist. In diesem Fall gilt der Asylantrag also als gar nicht gestellt. Das sind etwas andere Rechtsfolgen, als wenn er gestellt wurde, aber unzulässig ist.


Und in keinem Falle darf der Abtrag positiv beschieden werden, was auch immer die Bedeutung ist, die Juristen diesen Worten geben. Oder sehe ich das falsch?


Zitat
Als Quelle kann ich Ihnen anbieten Art. 19 Abs. 4 GG. Das heißt, daß man nur dann etwas gegen die Obrigkeit machen kann, wenn man selber in seinen Rechten dadurch verletzt wird, und zwar konkret. Man nennt das eine "Beschwer". Was ist Ihre Beschwer, wenn andere Sozialleistungen bekommen (selbst wenn Sie eingezahlt haben, jene aber nicht)? Keine!



Sind dies nicht zwei verschiedene Paar Schuhe? Der (mögliche) Rechtsbruch* ist eine Sache, die Möglicherkeit aller dagegen zu klagen eine andere. Was ist mit den Rechten des Parlamentes als Gesetzgeber. Ist es nicht in seinen Rechten verletzt worden? Hat es nicht Klagebefugnis?

Ich zitiere aus dem Gutachten von di Fabio, ob die im §18(4) AsylG erlaubte Ministererlaubnis (die die Einreise von Asylbewerbern zulässt, obwohl aus sicheren Drittstaat kommend) rechtmäßig in dieser Größenordnung angewandt werden kann

Zitat von Gutachten di Fabio
Aber selbst wenn eine Ministeranordnung vorläge, so könnte sie doch nur begrenzte Herausforderungen erfasse, die weder die Staatlichkeit der Bundesrepublik noch die Funktionsfähigkeit der Länder herausfordern, sondern wie im Falle des Katastrophen-schutzes gerade sichern sollen. Solche dispensiven Entscheidungen sind ihrer Natur nach auf überschaubare und beherrschbare
Fälle oder allenfalls situativ zeitlich oder örtlich begrenzt erlaubt.



Und das trotz einer expliziten Ausnahmeregelung im Gesetz. Im Falle der Asylantrage gibt es diese Ausnahmeregelung nicht einmal (in deutschen Gesetzen). Wieso solltere der Regerierung dann ein weiterer Rahmen gegeben sein als beim Fall der Einreise?

* Vielleicht sollte ich sagen, dass wenn ich von "Rechtsbruch durch die Regierung" rede, nicht meine, dass ich in meine Rechten verletzt wurde, sondern dass die Regierung über den legitimierten Kompetenzbereich hinaus agiert.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

27.02.2016 01:59
#59 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von dirk im Beitrag #58
Und in keinem Falle darf der Abtrag positiv beschieden werden, was auch immer die Bedeutung ist, die Juristen diesen Worten geben. Oder sehe ich das falsch?
Genau, unzulässige Anträge müssen abgelehnt werden, weil man ja sonst in den Bereich der eigentlich zuständigen Stelle eingreifen würde.

Zitat von dirk im Beitrag #58
Sind dies nicht zwei verschiedene Paar Schuhe? Der (mögliche) Rechtsbruch* ist eine Sache, die Möglicherkeit aller dagegen zu klagen eine andere. Was ist mit den Rechten des Parlamentes als Gesetzgeber. Ist es nicht in seinen Rechten verletzt worden? Hat es nicht Klagebefugnis?
Da gab und gibt es schon viele Befugnisse. Man hätte ja schon den 2. Nachtragshaushalt ablehnen können. Der Freistaat Bayern kann klagen; das Gutachten haben Sie selber verlinkt. (Kannte ich übrigens noch nicht. Scheint aber in vielen Punkten darauf hinauszulaufen, ob etwas schlimm oder nicht schlimm ist; d.h. es kann jeder Richter so oder so sehen.)
Die Oppositionsfraktionen im Bundestag können Regierungsanfragen stellen oder sogar selber gegen bestimmte Regierungserlasse klagen. Auch die EU-Kommission, ja sogar Österreich oder Ungarn oder Slowenien können ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik einleiten. Alles möglich. Geschieht aber nicht. Warum auch immer. Vielleicht, weil man selber Dreck am Stecken hat, heimlich mit der Situation ganz zufrieden ist, nichts besseres weiß usw.

Zitat von dirk im Beitrag #58
* Vielleicht sollte ich sagen, dass wenn ich von "Rechtsbruch durch die Regierung" rede, nicht meine, dass ich in meine Rechten verletzt wurde, sondern dass die Regierung über den legitimierten Kompetenzbereich hinaus agiert.
Keine Sorge, irgendwann wird das Gewohnheitsrecht.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

27.02.2016 09:18
#60 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #59
Zitat von dirk im Beitrag #58
* Vielleicht sollte ich sagen, dass wenn ich von "Rechtsbruch durch die Regierung" rede, nicht meine, dass ich in meine Rechten verletzt wurde, sondern dass die Regierung über den legitimierten Kompetenzbereich hinaus agiert.
Keine Sorge, irgendwann wird das Gewohnheitsrecht.

Da es bei dieser Diskussion, wenn ich mich recht erinnere, hauptsächlich darum geht, einen Rechtsbruch der Regierung nachzuweisen, könnte man statt am Asylrecht auch an anderer, fundamentalerer Stelle ansetzen, beispielsweise bei der (fortgesetzten und massenhaften) Duldung und aktiven Förderung unkontrollierter Einreise und unregistrierten Aufenthalts im Land?

Hier mag sich vielleicht höchsten Orts die Einsicht durchgesetzt haben, daß solche bürokratischen Härten übertrieben und überflüssig seien und es ja nur auf das physische Vorhandensein der natürlichen Person ankomme ("ganz ganz viele Menschen in Deutschland"), aber dann bitteschön für alle; sonst liegt ein Verstoß gegen die Rechtsgleichheit vor. Es ist dann doch nicht einzusehen, warum z.B. ein wohlhabender Russe, der in Baden-Baden sein Geld ausgeben will, ein Visum beantragen und bei der Einreise seine Personalien nachweisen muß, oder warum auf Staatsbürger und regulär eingereiste Ausländer strenge Meldegesetze angewendet werden. Wenn schon ein Hippiestaat mit Flower Power, dann bitte richtig.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

27.02.2016 15:42
#61 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #59
Zitat von dirk im Beitrag #58
Und in keinem Falle darf der Abtrag positiv beschieden werden, was auch immer die Bedeutung ist, die Juristen diesen Worten geben. Oder sehe ich das falsch?
Genau, unzulässige Anträge müssen abgelehnt werden, weil man ja sonst in den Bereich der eigentlich zuständigen Stelle eingreifen würde.



Um es nochmal zusammenzufassen:
1. Wir haben §27a AsylG, der bedeutet, dass ein Antrag unzulässig ist (und damit nicht genehmigt werden kann ), wenn Deutschland nach Dublin III nicht zuständig ist.
2. Deutschland ist im "Default Case", da es keine EU Aussengrenze hat, nicht zuständig.
3. Nun sagen Sie, das reiche nicht, um einen Rechtsbruch via 27a AsylG festzustellen, denn die Bundesregierung könne nach Artikel 17 Dublin III die Zuständigkeit übernehmen
4. Woraufhin ich sage, dass es drei Anker gibt, um dies dennoch zu tun (bzw. warum ich ihren Einwand nicht teile)
a. Dem Wortlaut von Dublin kann die Zuständigkeit nur für bereits vorliegende Anträge übernommen werden. Wenn aber der Regierung ein Antrag vorliegt, für den sie keine Zuständigkeit hat, ist er nach 27a AsylG unzulässig, weswegen sie nichtg mit dem gleichen, also unzulässigen, Antrag zu Artikel 17 Dublin III rennen kann, um dem Antrag rückwirkend die Zulässigkeit zu geben. (Logik)
b. Auch Artikel 17 Dublin III, erlaubt nicht die massenhafte, pauschale Übernahme der Zuständigkeit, sondern beabsichtigt Ausnahmefälle abzudecken. (hier kommt ein bisschen Interpretation ins Spiel)
c. Selbst wenn Europarecht (e.g. Dublin III) Deutschland diesen Spielraum liesse, müsste die Wahrnehmung des Spielraums durch die Bundesregierung immer noch durch nationales Recht, also Gesetze, gedeckt sein. Das sehe ich nicht.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

27.02.2016 15:52
#62 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #60
Zitat von Emulgator im Beitrag #59
Zitat von dirk im Beitrag #58
* Vielleicht sollte ich sagen, dass wenn ich von "Rechtsbruch durch die Regierung" rede, nicht meine, dass ich in meine Rechten verletzt wurde, sondern dass die Regierung über den legitimierten Kompetenzbereich hinaus agiert.
Keine Sorge, irgendwann wird das Gewohnheitsrecht.

Da es bei dieser Diskussion, wenn ich mich recht erinnere, hauptsächlich darum geht, einen Rechtsbruch der Regierung nachzuweisen, könnte man statt am Asylrecht auch an anderer, fundamentalerer Stelle ansetzen, beispielsweise bei der (fortgesetzten und massenhaften) Duldung und aktiven Förderung unkontrollierter Einreise und unregistrierten Aufenthalts im Land?



Das wäre für mcih auch der einerseits klarste Punkt. In den Worten von di Fabio: "das Grundgesetz setzt die Beherrschbarkeit der Grenzen und die Kontrolle über die auf dem Staatsgebiet befindlichen Personen voraus.". Und da kann man schlecht zu Anne Will gehen und erklären, das gelte nciht mehr.

Nun ist das aber auch gleichzeitig der unklarste Angriffspunkt, denn es setzt ein gewisses Staatsverständnis oder rechtsphilosophisches Verständnis voraus, was in diesen Zeiten, in denen selbst Einigkeit über einfachste logische Sachverhalte ("A ist A" und "zwei und zwei sind vier") nicht gegeben ist, problematisch ist.

Deswegen habe ich auf §27a AsylG verwiesen, der für mich eine klare "Smoking Gun" darstellt und bin nach wie vor überascht, dass Emulgator es anders sieht. Zwar bin ich überzeugt, dass ich recht habe, und seine Auffassung juritisch nicht haltbar ist, da ich aber kein Jurist bin, möchte ich mich dabei nicht allzuweit aus dem Fenster lehnen.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

28.02.2016 15:33
#63 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von dirk im Beitrag #61
3. Nun sagen Sie, das reiche nicht, um einen Rechtsbruch via 27a AsylG festzustellen,
Vielleicht definieren Sie einfach mal, was "Rechtsbruch" bedeuten solle. Es gibt Pflicht- und Rechtsverletzungen, gegen die der dadurch betroffene vor dem zuständigen Gericht klagen kann. Dafür ist das Recht da. Es ist nicht dafür da, Haftungen aus Pflichtverletzungen vorzubeugen. Dafür hat man seine praktische Vernunft (oder eben nicht). Gesetze sind auch nicht dafür da, ein allgemeines "das tut man nicht" zur Geltung zu bringen.

Zitat von dirk im Beitrag #61
c. Selbst wenn Europarecht (e.g. Dublin III) Deutschland diesen Spielraum liesse, müsste die Wahrnehmung des Spielraums durch die Bundesregierung immer noch durch nationales Recht, also Gesetze, gedeckt sein. Das sehe ich nicht
Gesetze werden bei uns faktisch von denselben Leuten beschlossen, die auch den Kanzler wählen. Wer erwarten Sie, sollte eben diesem Kanzler eine Beschränkung auferlegen?

dirk Offline



Beiträge: 1.538

28.02.2016 16:51
#64 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #63
Zitat von dirk im Beitrag #61
3. Nun sagen Sie, das reiche nicht, um einen Rechtsbruch via 27a AsylG festzustellen,
Vielleicht definieren Sie einfach mal, was "Rechtsbruch" bedeuten solle. Es gibt Pflicht- und Rechtsverletzungen, gegen die der dadurch betroffene vor dem zuständigen Gericht klagen kann. Dafür ist das Recht da. Es ist nicht dafür da, Haftungen aus Pflichtverletzungen vorzubeugen. Dafür hat man seine praktische Vernunft (oder eben nicht). Gesetze sind auch nicht dafür da, ein allgemeines "das tut man nicht" zur Geltung zu bringen.


Nehmen wir Artikel 20, (3) GG "Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden." Rechtsbruch wäre nun, wenn die Regierung sich nicht mehr an die Gesetze hält (e.g. Krieg ohne Parlamentsbeschluss führt, Ausgaben tätigt, die den vom Bundestag beschlosessenen Haushalt sprengen)



Zitat

Zitat von dirk im Beitrag #61
c. Selbst wenn Europarecht (e.g. Dublin III) Deutschland diesen Spielraum liesse, müsste die Wahrnehmung des Spielraums durch die Bundesregierung immer noch durch nationales Recht, also Gesetze, gedeckt sein. Das sehe ich nicht
Gesetze werden bei uns faktisch von denselben Leuten beschlossen, die auch den Kanzler wählen. Wer erwarten Sie, sollte eben diesem Kanzler eine Beschränkung auferlegen?


Die Frage ist nicht ernst gemeint oder? Die Antwort das Gesetz. Und damit die Abgeordneten des Bundestages und Mitglieder des Bundesrates. Selbst wenn eine Identität zwischen denjenigen besteht, die den Kanzler stellen, und jenen die Gesetze ändern können, kann man doch nicht auf entsprechende Rechtsgebung verzichten. E.g. der Haushalt, den der Finanzminister vorschlägt, muss immer noch genehmigt werden, auch wenn der Finanzminister von der Kanzlerin ernannt ist, die wiederum von den gleichen Leuten gewählt ist, die über den Haushaltsentwurf zu befinden haben. Das ist doch unstrittig.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

28.02.2016 18:48
#65 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von dirk im Beitrag #64
Nehmen wir Artikel 20, (3) GG "Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden." Rechtsbruch wäre nun, wenn die Regierung sich nicht mehr an die Gesetze hält (e.g. Krieg ohne Parlamentsbeschluss führt, Ausgaben tätigt, die den vom Bundestag beschlosessenen Haushalt sprengen)
Das ist erstens keine Legaldefinition des Wortes Rechtsbruch, zweitens werden solche Situationen gerade durch rechtliche Maßnahmen behoben. Beispielsweise können Bundeswehrsoldaten in Ihrem Beispielfall Abmarschbefehle verweigern (sie müssen es sogar, wenn dadurch ein Krieg ausbrechen würde!). Anschließende Wehrdisziplinarverfahren vor den Verwaltungsgerichten würde die Bundesrepublik verlieren. Wenn das Haushaltsrecht des Parlaments verletzt wird, kann eine Fraktion klagen. Da gilt überall das Recht fort. Da ist kein Rechtsbruch.

Zitat von dirk im Beitrag #64

Zitat
Gesetze werden bei uns faktisch von denselben Leuten beschlossen, die auch den Kanzler wählen. Wer erwarten Sie, sollte eben diesem Kanzler eine Beschränkung auferlegen?

Die Frage ist nicht ernst gemeint oder? Die Antwort das Gesetz. Und damit die Abgeordneten des Bundestages und Mitglieder des Bundesrates.

Die Antwort ist nicht "das Gesetz". Wir sind ja in der Situation, wo das Gesetz erst entworfen werden muß. Wer sorgt also dafür, daß so eine Beschränkung im Gesetz steht?

Zitat von dirk im Beitrag #64
E.g. der Haushalt, den der Finanzminister vorschlägt, muss immer noch genehmigt werden, auch wenn der Finanzminister von der Kanzlerin ernannt ist, die wiederum von den gleichen Leuten gewählt ist, die über den Haushaltsentwurf zu befinden haben. Das ist doch unstrittig.
Aber eben eine Formalie. Ich weiß nicht, was Sie daran so interessiert, um des Kaisers Bart zu diskutieren. Der Haushalt wird natürlich bei uns immer gebilligt. Da sind eben keine "checks and balances". Anders ist das nur in Kommunen, wo der Rat und der Bürgermeister separat von den Bürgern gewählt werden. Da kann es vorkommen, daß der Rat ablehnt. So toll ist das für den Rat aber auch nicht, weil irgendwann sich das Land in die Gemeinde einmischt.

Was ich sagen will: Man kann nicht gegen jeden Blödsinn juristisch angehen. Es gibt zwar viel Blödsinn, gegen den jemand die Klagebefugnis hätte, aber selbst dagegen wird nichts geschehen, wenn der Klagebefugte mit dem Blödsinn ganz gut leben kann. So ist das auch jetzt. Deswegen finde ich es gut, wenn künftig in den Parlamenten eine neue Fraktion sitzen wird und damit eine Klagebefugnis haben wird, die etwas für Blödsinn hält, was alle anderen (aus Angst, als Rassisten zu gelten?) tolerieren.

augustin Offline



Beiträge: 128

28.02.2016 21:31
#66 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von dirk im Beitrag #61
Selbst wenn Europarecht (e.g. Dublin III) Deutschland diesen Spielraum liesse, müsste die Wahrnehmung des Spielraums durch die Bundesregierung immer noch durch nationales Recht, also Gesetze, gedeckt sein. Das sehe ich nicht.


In diesem Fall nicht, da Verordnungen der Europäischen Union (im Gegensatz zur weitaus häufigeren Richtlinie) Gesetzescharakter haben und unmittelbar für und gegen jedermann wirken. Soweit Europarecht mit nationalem Recht kollidiert, genießt es Anwendungsvorrang und das nationale Recht tritt zurück.

Insofern kann sich die Bundesregierung tatsächlich zunächst auf die Dublin III - Verordnung stützen, wenn sie die betreffenden Asylanträge bearbeitet.

Ihrer Ansicht, dass die Bundesregierung den Zweck der humanitären Ausnahmeregelung missachtet, gebe ich allerdings Recht.

Viele Grüße

Augustin

augustin Offline



Beiträge: 128

28.02.2016 21:40
#67 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #65
Das ist erstens keine Legaldefinition des Wortes Rechtsbruch, zweitens werden solche Situationen gerade durch rechtliche Maßnahmen behoben. Beispielsweise können Bundeswehrsoldaten in Ihrem Beispielfall Abmarschbefehle verweigern (sie müssen es sogar, wenn dadurch ein Krieg ausbrechen würde!). Anschließende Wehrdisziplinarverfahren vor den Verwaltungsgerichten würde die Bundesrepublik verlieren. Wenn das Haushaltsrecht des Parlaments verletzt wird, kann eine Fraktion klagen. Da gilt überall das Recht fort. Da ist kein Rechtsbruch.


Doch, der Rechtsbruch ergibt sich aus der Verletzung des Gesetzes. Die Möglichkeit gegen eine Rechtsverletzung auf dem Rechtsweg vorzugehen, heilt nicht die Verletzung selbst, sondern korrigiert nur (im besten Fall) das Ergebnis der Verletzung.

Alles andere wäre auch unlogisch, denn die Verletzung eines subjektiven Rechts ist gerade eine Voraussetzung für die Eröffnung des Rechtswegs.

Zitat
Erst hier wird es interessant. Den Anspruch haben Sie gegen den Sportverein; freilich nicht als Beschwer (im öff. Recht) sondern als zivilrechtlichen Anspruch gegen den Verein. In der Satzung kann es allerdings heißen, daß solche Ereignisse, die der Verein nicht zu vertreten hat, ihn nicht zum Schadenersatz verpflichten. Damit hat der Verein keine Beschwer. Damit kann er auch nicht gegen die Kommune klagen, die die Turnhalle requiriert hat. So läuft das ganze.



Der Verein hat die Beschwer, dass er sein Eigentums- oder Nutzungsrecht nicht ausüben kann und wäre somit klagebefugt.

Viele Grüße

Augustin

dirk Offline



Beiträge: 1.538

28.02.2016 22:25
#68 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von augustin im Beitrag #66
Zitat von dirk im Beitrag #61
Selbst wenn Europarecht (e.g. Dublin III) Deutschland diesen Spielraum liesse, müsste die Wahrnehmung des Spielraums durch die Bundesregierung immer noch durch nationales Recht, also Gesetze, gedeckt sein. Das sehe ich nicht.


In diesem Fall nicht, da Verordnungen der Europäischen Union (im Gegensatz zur weitaus häufigeren Richtlinie) Gesetzescharakter haben und unmittelbar für und gegen jedermann wirken. Soweit Europarecht mit nationalem Recht kollidiert, genießt es Anwendungsvorrang und das nationale Recht tritt zurück.



Vielen Dank. Also mit andern Worten: Es gibt das Gesetz, das die Regierung ermächtigt, den Ermessensspielraum auch auszunutzen und dieses Gesetz ist Dublin III als EU Verordnung selbst!? Und wenn in einer EU-Verordnung die Rede von "Mitgliedsstaaten" ist, sind damit die "Regierungen der Mitgliedsstaaten" gemeint und nicht etwa ein Freiraum für die Nationalstaaten das im Binnenverhätnis selbst zu regeln?

augustin Offline



Beiträge: 128

29.02.2016 16:54
#69 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von dirk im Beitrag #68
Vielen Dank. Also mit andern Worten: Es gibt das Gesetz, das die Regierung ermächtigt, den Ermessensspielraum auch auszunutzen und dieses Gesetz ist Dublin III als EU Verordnung selbst!? Und wenn in einer EU-Verordnung die Rede von "Mitgliedsstaaten" ist, sind damit die "Regierungen der Mitgliedsstaaten" gemeint und nicht etwa ein Freiraum für die Nationalstaaten das im Binnenverhätnis selbst zu regeln?



Nein, für das Europarecht ist die innerstaatliche Kompetenzverteilung eine Blackbox. Es beschränkt sich darauf, den Mitgliedsstaaten als Organen der EU Aufgaben zuzuweisen. Wie sie diese umsetzen, ist ihre Sache.

Im nationalen Recht weist § 5 Abs. 1 Satz 1 AsylG dem BAMF die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Asylanträgen zu und damit auch die Ermessensausübung gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III VO. Über das BAMF übt das Bundesinnenministerium die Fachaufsicht aus und kann Verwaltungsvorschriften erlassen. An der Stelle kommt die Bundesregierung ins Spiel.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

29.02.2016 17:15
#70 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von augustin im Beitrag #69
Zitat von dirk im Beitrag #68
Vielen Dank. Also mit andern Worten: Es gibt das Gesetz, das die Regierung ermächtigt, den Ermessensspielraum auch auszunutzen und dieses Gesetz ist Dublin III als EU Verordnung selbst!? Und wenn in einer EU-Verordnung die Rede von "Mitgliedsstaaten" ist, sind damit die "Regierungen der Mitgliedsstaaten" gemeint und nicht etwa ein Freiraum für die Nationalstaaten das im Binnenverhätnis selbst zu regeln?



Nein, für das Europarecht ist die innerstaatliche Kompetenzverteilung eine Blackbox. Es beschränkt sich darauf, den Mitgliedsstaaten als Organen der EU Aufgaben zuzuweisen. Wie sie diese umsetzen, ist ihre Sache.



Danke. Das macht Sinn.

Zitat von augustin

Im nationalen Recht weist § 5 Abs. 1 Satz 1 AsylG dem BAMF die Zuständigkeit für die Bearbeitung von Asylanträgen zu und damit auch die Ermessensausübung gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III VO. Über das BAMF übt das Bundesinnenministerium die Fachaufsicht aus und kann Verwaltungsvorschriften erlassen. An der Stelle kommt die Bundesregierung ins Spiel.



Verstehe. Aber ist mit § 5 Abs. 1 Satz 1 tatsaechlich ein so gewaltiger Ermessensspielraum an das BAMF uebergangen? Ich denke es ist unstrittig, dass die Dimension, in der dieser nun angewendet wird, weder in Dublin III noch im AsylG beabsichtigt war.

Rein persoenlich wuerde mich interessieren, wie Sie das Argument mit dem Wortlaut von Dublin III, Artikel 17 sehen. Demnach muss ja, damit die Ermessensklausel angewendet werden kann, dem Mitgliedsstaat bereits ein Antrag vorliegen. Der aber waere nach 27a AsylG schon unzulaessig, bevor (!) das BAMF mit diesem die Dublin Klausel aktivieren kann.

augustin Offline



Beiträge: 128

29.02.2016 19:14
#71 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von dirk im Beitrag #70

Verstehe. Aber ist mit § 5 Abs. 1 Satz 1 tatsaechlich ein so gewaltiger Ermessensspielraum an das BAMF uebergangen? Ich denke es ist unstrittig, dass die Dimension, in der dieser nun angewendet wird, weder in Dublin III noch im AsylG beabsichtigt war.


Das ist das Krumme an der Nummer. Eine humanitäre Einzelfallvorschrift wird zweckwidrig massenhaft angewendet.

Meines Erachtens könnte das schon deswegen rechtswidrig sein, weil das von der Vorschrift vorgesehene Ermessen pauschal nicht mehr ausgeübt wird. Soweit ich mich dunkel erinnere, hatte das BMI dem BAMF per Verwaltungsvorschrift vorgegeben, dass Anträge von Syrern generell nach Art. 17 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III VO zu übernehmen sind, wodurch Art. 3 Abs. 1 Dublin III VO für Syrer faktisch suspendiert wurde.

Das kann ausgesprochen problematisch sein, denn wenn das Gesetz Ermessen vorschreibt, so muss dieses auch zwingend ausgeübt werden, ansonsten hat man es mit einem rechtswidrigen Ermessensausfall zu tun. Möglicherweise argumentiert man hier seitens der Bundesregierung mit Ermessensreduktion.

Ich bin wohlgemerkt beruflich nicht im Asylrecht unterwegs und wenn ich mir privat die Laune verderben will, finde ich bessere Wege. Ich beschäftige mich daher mit solchen Dingen nur, wenn sie zufällig doch mal anstehen oder ich privat gefragt werde. Also alles unter Vorbehalt.

Zitat
Rein persoenlich wuerde mich interessieren, wie Sie das Argument mit dem Wortlaut von Dublin III, Artikel 17 sehen. Demnach muss ja, damit die Ermessensklausel angewendet werden kann, dem Mitgliedsstaat bereits ein Antrag vorliegen. Der aber waere nach 27a AsylG schon unzulaessig, bevor (!) das BAMF mit diesem die Dublin Klausel aktivieren kann.



Das Argument scheitert daran, dass der zuständige Beamte in zeitlicher Hinsicht nicht zuerst § 27a AsylG und dann Art. 17 Dublin III VO prüft, sondern beides zugleich. Er schaut gemäß § 27a AsylG - ist jemand anderes zuständig? - Blick in die Dublin III VO - eigentlich sind es die anderen Mitgliedsstaaten gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 ff.

ABER: Ausnahmeermessen gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabsatz 1. Wenn die Bundesrepublik den Antrag gemäß Unterabsatz 1 prüft, dann wird sie gemäß Unterabsatz 2 zum zuständigen Staat, wodurch § 27a AsylG nicht mehr greift, zumindest nicht was die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union anbelangt.

All das wäre für den juristischen Einzelfall aus meiner Sicht unproblematisch - problematisch sind die oben genannten Aspekte der ermessenfreien Massenabfertigung. Und in der faktischen Rechtsanwendung ist der praktisch nicht existente Gesetzesvollzug letztlich der Sargnagel jeder Regelung.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

29.02.2016 22:51
#72 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von augustin im Beitrag #71
[...]


Vielen Dank für die ausführliche und kundige Antwort

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

29.02.2016 23:17
#73 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat
All das wäre für den juristischen Einzelfall aus meiner Sicht unproblematisch - problematisch sind die oben genannten Aspekte der ermessenfreien Massenabfertigung. Und in der faktischen Rechtsanwendung ist der praktisch nicht existente Gesetzesvollzug letztlich der Sargnagel jeder Regelung.


Mir fällt gerade eine Parallele ein - die niederländische Drogenpolitik. Soviel ich weiß, besteht die "Legalisierung" nicht aus einem Gesetz, sondern einer Anweisung des Justizministeriums, Drogenbesitz für den persönlichen Gebrauch nicht zu verfolgen:

Zitat
Cannabis remains a controlled substance in the Netherlands and both possession and production for personal use are still misdemeanors, punishable by fines. Coffee shops are also technically illegal but are flourishing nonetheless. However, a policy of non-enforcement has led to a situation where reliance upon non-enforcement has become common, and because of this the courts have ruled against the government when individual cases were prosecuted.
This is because the Dutch Ministry of Justice applies a gedoogbeleid (tolerance policy) with regard to the category of soft drugs: an official set of guidelines telling public prosecutors under which circumstances offenders should not be prosecuted.

https://en.wikipedia.org/wiki/Drug_polic...Non-enforcement
Hier ist die Situation sogar noch extremer, weil Gerichte gegen geltendes Recht und gegen die Behörden urteilen, wenn diese das Recht - ausnahmsweise anwenden.

Ich habe mich schon mal gefragt, wieso die Holländer nicht einfach die Gesetze ändern - und das ist wirklich interessant: Weil es mehreren internationalen Verträgen widerspricht, den sie unterschrieben haben:

Zitat
The Netherlands is a party to the 1961 Single Convention on Narcotic Drugs, the 1971 Convention on Psychotropic Substances, and the 1988 United Nations Convention Against Illicit Traffic in Narcotic Drugs and Psychotropic Substances. The 1961 convention prohibits cultivation and trade of naturally-occurring drugs such as cannabis; the 1971 treaty bans the manufacture and trafficking of synthetic drugs such as barbiturates and amphetamines; and the 1988 convention requires states to criminalize illicit drug possession. (...)Many countries have now decided not to use the full weight of criminal sanctions against people who are in possession of drugs that are for their personal consumption. The Conventions say that there must be an offence under domestic criminal law, it does not say that the law has to be enforced, or that when it is what sanctions should apply. . . . Despite such grey areas latitude is by no means unlimited. The centrality of the principle of limiting narcotic and psychotropic drugs for medical and scientific purposes leaves no room for the legal possibility of recreational use. . . . Nations may currently be pushing the boundaries of the international system, but the pursuit of any action to formally legalize non-medical and non-scientific drug use would require either treaty revision or a complete or partial withdrawal from the current regime.
The Dutch policy of keeping anti-drug laws on the books while limiting enforcement of certain offenses is carefully designed to reduce harm while still complying with the letter of international drug control treaties. This is necessary in order to avoid criticism from the International Narcotics Board, which historically has taken a dim view of any moves to relax official drug policy.



Also, wie schauts aus? Herrschaft des Unrechts (TM Horst) in Bezug auf Kifferei in Holland?

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

dirk Offline



Beiträge: 1.538

01.03.2016 00:10
#74 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #73


Also, wie schauts aus? Herrschaft des Unrechts (TM Horst) in Bezug auf Kifferei in Holland?

Gruß Petz


Interessantes Beispiel.

Grundsätzlich gibt es bei jeder Klassifizierung Abstufungen und uneindeutige Grenzfälle, also Grauzonen. Das heisst aber nicht, dass andere Fälle nicht eindeutig klassifizierbar sind. So auch bei der "Herrschaft des Unrechts".

Die niederländische Drogenpolitik, wie sie sie beschreiben, bereitet meinem Staatsverständnis allerdings in der Tat Probleme. Es gibt aberdennoch deutlche Unterschiede zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung
1. Die Aufnahme des Asylverfahrens, die Genehmigung von Asyl, Bereitsstellung von Wohnungen und anderen sozialen Leistungen sind allesamt aktive Akte seitens der Regierung, für die es - man korrigiere mich - eine Rechtsgrundlage bedarf. Es nist icht so, dass man lediglich passiv die Verfolgung eines Gesetzesverstoßes nicht umsetzt
2. Die Kontrolle über das Staatsgebiet und der sich darin aufhaltenden Personen ist, meinem zugegeben subjektivem Verständnis nach, elementar für einen Staat. Das hat eine ganz andere Dimension
3. Die Flüchtlongspolitik sorgt für irreversible Konsquenzen.
4. Das Flüchtlingsthema bindet einen Großteil der finanziellen und administrative Ressourcen. Das ist kein verschwindend kleiner Anteil an der Exekutivpolitik, sondern seit fast einem Jahr das dominierende Thema schlechthin. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, aber ein derartiger Schwarm schon

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

01.03.2016 14:40
#75 RE: Hetze, Hass und Dunkeldeutschland Antworten

Zitat von augustin im Beitrag #67
Doch, der Rechtsbruch ergibt sich aus der Verletzung des Gesetzes. Die Möglichkeit gegen eine Rechtsverletzung auf dem Rechtsweg vorzugehen, heilt nicht die Verletzung selbst, sondern korrigiert nur (im besten Fall) das Ergebnis der Verletzung.
Mit war einfach nicht klar, was "Rechtsbruch" aus Laienmund bedeuten soll. Das Recht ist ja nicht dafür gedacht, Regeln aufzustellen, die jedes Rechtssubjekt im Grunde auch mit sich selber ausmachen könnte (z.B. Fastenregeln), sondern es befaßt sich mit Handlungen, die die Belange Dritter beeinträchtigen.

Zitat von augustin im Beitrag #67
Alles andere wäre auch unlogisch, denn die Verletzung eines subjektiven Rechts ist gerade eine Voraussetzung für die Eröffnung des Rechtswegs.
Wenn Sie so "Rechtsbruch" benutzen, ist das ja OK. Aber die Schwierigkeit für @dirk liegt ja offenbar darin, daß den Rechtsweg jemand beschreiten muß, der es einfach nicht will, sogar obwohl er erkannt hat, daß eine Klage angezeigt ist (z.B. Herr Seehofer als MinPrä Bayerns). Ein Hoch auf die Dispositionsmaxime! Am "unteren Ende" trägt alle Last doch der Bürger, und der kann gegen Sozialabgaben und Steuern nichts tun, sondern allenfalls gegen die Beschlagnahmung von Turnhallen. Immerhin, diese Gerichtsverfahren (wenn es denn welche gibt) werden pünktlich zum Wahljahr in ihre heiße Phase gehen.

Zitat von augustin im Beitrag #67
Der Verein hat die Beschwer, dass er sein Eigentums- oder Nutzungsrecht nicht ausüben kann und wäre somit klagebefugt.
Am Ende nutzen die Halle aber nur natürliche Personen. Wenn die laut Vereinssatzung die Nutzung nicht einklagen können, wenn der Verein sie nicht gewährleisten kann? Es gibt ja solche Klauseln. Man stimmt dem zu, fragt sich aber doch, warum man Beiträge zahlen soll, wenn man sich sowieso auf nichts verlassen kann.
Was anderes: Turnhallen sind ja schon immer als Ausweichquartiere für Katastrophenfälle (Überschwemmungen, Großbrände, langwierige Bombenentschärfungen -- Sachen, die derzeit übrigens einfach nicht passieren dürfen, weil man nicht wüßte, wohin mit den Evakuierten) vorgesehen. Ich gehe davon aus, daß genau deswegen die Kommunen so auch vorgegangen sind: Man macht von einer Katastrophenregelung gebrauch.


Zitat von augustin im Beitrag #67
Möglicherweise argumentiert man hier seitens der Bundesregierung mit Ermessensreduktion.
Ja, soweit ich verstanden habe, war es explizit als Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens gedacht. Ich glaube, grundsätzlich geht es auch in Ordnung, denn Ermessen heißt ja auch, daß ermessen werden kann/muß, wie weit und detailliert die Sachverhalte zur Ermessensentscheidung aufgenommen werden müssen.

Natürlich ist es eklatant falsch gedacht gewesen, da die Verwaltungseinsparung am Ende zu >10 Mrd. Zusatzkosten p.a. führt. Das liegt sicher an der verkehrten politischen Anreizsetzung, die gerichtlich aber unerheblich sind. Man würde wahrscheinlich argumentieren, daß man politisch Griechenland nicht mit mehreren Millionen Flüchtlingen alleinlassen kann. Daß das stimmt, werden wir ja bald sehen. Dann müßte die Ausnahmeregelung zur Zuständigkeit in Dublin III sowieso massenhaft zum Zuge kommen. Ich kann mir gut vorstellen, daß so die Bundesregierung vor Gericht argumentieren würde. Daher vielleicht auch jetzt das Beharren der Bundesregierung auf einer "europäischen Lösung", gleichgültig welcher. Für Merkel ist die richtige Katastrophe, daß sie damit bei allen anderen EU-Ländern abblitzt.

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