Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #21 Nichts anderes wollte ich sagen. Unter Kohl nahm es kaum spürbar seinen Anfang, zum Beispiel über seinen Sozialminister. Bei Merkel kann es jetzt keiner mehr übersehen.
Ich glaube es gibt schon einen Unterschied. Unter Kohl war Blüm am Ende ein Zugeständnis an die Herz-Jesu-Sozialisten, die es ja auch in der CDU reichlich gibt. Das würde ich noch nicht als Bruch sehen, Kohl hat sich schon bemüht auch konservative Positionen einzunehmen. Es gab ja auch zur Zeit von Kohl nie eine ernsthafte Partei rechts der CDU. Merkel ist im Unterschied weniger aus der eigenen Partei motiviert, sondern hat systematisch linke Positionen übernommen, um ihren Gegnern die Themen zu nehmen. Die konservativen Wähler hat man schlicht ignoriert, "weil die ja ohnehin keine Alternative haben". Eine solche Verachtung der eigenen Wählerschaft (Stimmvieh) habe ich unter Kohl nicht wahrgenommen. Vielleicht ist das aber auch meine sehr subjektive Sicht der Dinge.
Zitat Man sollte aber die Trägheit des Bürgertums gegen allzu drastische Veränderung und seine Verharrungskräfte im "Status Quo" nicht unterschätzen.
Zustimmung in der Sache, aber nicht in der Wortwahl. Ich würde es nicht Trägheit nennen. Sondern Besonnenheit. Seit dem zweiten Weltkrieg (vielleicht gerade dadurch) war Deutschland insgesamt erstaunlich unanfällig für Extremismus. Klar hatten wir den deutschen Herbst, aber im Vergleich zu Frankreich, Italien oder den USA läuft sowas hier sehr ruhig ab. Keine Volksaufstände, keine "Generalstreiks" und auch wenig Bereitschaft sich auf Extremisten wirklich einzulassen. Zumindest was die normale Bevölkerung angeht (bei Intellektuellen ist es leider nicht so schön). Deswegen haben sich auch lange so wenig Menschen gegen Merkel gewehrt. Aber allmählich geht es tatsächlich an die Substanz. Der Deutsche geht nicht auf die Barrikaden, weil er für den Strom mehr zahlt oder weil er ein bisschen mehr Steuern für Europa entrichten soll. Die Flüchtlingssituation hat da ein anderes Gewicht und damit bewegen sich selbst die sonst recht besonnenen Deutschen irgendwann nach draussen. Und das kann natürlich irgendwann eine Gesellschaft auch wirklich verändern.
Zitat von Llarian im Beitrag #24Aber ich glaube inzwischen das nahezu alle Kandidaten besser sind als Merkel. Zumal ein solcher Sturz ja auch nur mit einem Kurswechsel kommen könnte (warum sollte es sonst einen Sturz geben). Schäuble erst einmal? Warum nicht? Seine Haltung zum Rechtsstaat halte ich für nahezu indiskutabel, aber wie eben schon gesagt, im Moment ist alles besser als Merkel. Langfristig müsste man mal schauen. Im Moment schaut sich ja keiner irgendetwas laut zu sagen. Ich kann mir sogar Seehofer vorstellen, der wenigstens ein bischen versucht hat gegenzusteuern (wenn er auch im entscheidenden Moment immer zu feige war).
Am Ende ist mir der Kandidat fast egal, wichtig ist der Bruch mit der Politik Merkel. Und das nicht erst dann, wenn die CDU ihr eigenes Projekt 18 durchgesetzt hat.
OK, spielen wir mal das Szenario durch. Die CDU stürzt Merkel und macht Schäuble zum Parteivorsitzenden. Schäuble verordnet einen Kurswechsel, die CDU trägt ihn mit.
Jetzt stellt sich das Problem, dass dieser Kurswechsel auch von einer SPD getragen werden muss. Dabei ist (siehe dein Ausgangspost) nicht Gabriel das Problem, nicht einmal Andrea Nahles, die auch nicht weiß, wie sie die ganzen Integrationskurse bezahlen soll. Sondern die SPD-Basis.
Ich vermute mal, dass die Granden in Union und SPD Neuwahlen vermeiden wollen. Die Union, weil sie - ähnlich wie nach dem Spendenskandal - sich erstmal konsolidieren muss. Die SPD hat das oben angesprochene Problem mit der Basis. Wie sollen sie denen verklickern, dass sie mit dem Wahlziel losziehen, Juniorpartner in einer Grenzschließungsregierung zu werden? Wenn AfD mit 12 und FDP mit möglicherweise auch 10 Prozent (Neuwahlen nach einem Merkelsturz wären eine Frischzellenkur für die FDP) im Bundestag sind, reichts für Rotrotgrün nicht mal rechnerisch. Eine realistische Verteilung könnte sein: Union 30, SPD 25, FDP 10, AFD 12, Grüne 12, Linke 10. Union-FDP-AFD wird unter Schäuble und Lindner nicht passieren, Für die Rotfront reichts knapp nicht. Das kann von Union und SPD keiner wollen.
Also muss die SPD gegen die Wut ihrer Basis einen neuen Kanzler wählen. Das wird sicher nicht Seehofer. Vielleicht nicht mal Schäuble.
Einen Merkelsturz macht das alles nicht wahrscheinlicher...
EDIT: Hast Du mal dran gedacht, dass bei einem Sturz Merkels Gabriel sogar die Rotfront (ohne Neuwahlen) lieber sein könnte?
Erst einmal: Eine gewisse "sozialdemokratische" Komponente hatte die CDU schon immer (und die CSU erst recht). Man darf ja nicht vergessen, daß die Partei ziemlich links angefangen hat (incl. Forderung nach Enteignung der Großindustrie) und erst langsam stärker nach rechts ging. In den 50er und 60er Jahren war die FDP der rechte Flügel im deutschen Parlament, und da ist sie ja von der Sitzordnung noch heute. Und bis in die Kohlzeit gab es den starken Arbeitnehmerflügel, der auch programmatisch und personell großen Einfluß hatte.
Und natürlich ist es auch so, daß sich jede Partei, sogar eine wirklich konservative, an gewisse gesellschaftliche Entwicklungen anpaßt. Wenn die CDU heute immer noch gegen Sex vor der Ehe oder Prügelstrafe in der Schule wäre, würde sie keiner mehr ernst nehmen. Wenn sie inzwischen fast die Homo-Ehe akzeptiert, was noch vor 20 Jahren undenkbar war, dann ist das nicht wirklich ein Merkel-Linksrutsch, sondern schlichtes Anerkennen der gesellschaftlichen Veränderungen.
Darüber hinaus gibt es dann die rein Merkel'schen Verschiebungen, aus rein taktischen Gründen, insbesondere bei der Ausländerfrage. Da hat sie die Partei auch nicht hinter sich und bei einem Merkel-Sturz wäre völlig klar, daß jeder Nachfolger weitgehend zur alten CDU-Position zurückkehren würde. Natürlich mit ein paar rhetorischen Verrenkungen damit es nicht zu peinlich offensichtlich wird, wie sehr alle CDU-Funktionäre aus Merkel-Gehorsam auf Abwegen unterwegs waren. Aber man sollte doch nicht glauben, daß alle diese Merkel-Getreuen, die als potentielle Nachfolger in Frage kämen, und die die letzten Monate jeden Schritt der Kanzlerin gepriesen haben - daß die das wirklich ernst gemeint haben. Die werden überaus froh sein, wenn sie das vergessen können.
Und das gilt ähnlich auch für die SPD. Natürlich gibt es da wirklich ein paar Leute, die gläubig die Grenzöffnung bejubelt haben. Aber der größte Teil der Partei, auch Exponenten des linken Flügels wie Nahles, werden überaus erleichtert sein, wenn sie nicht mehr den Merkel-Kurs unterstützen müssen. Bei einem CDU-Kurswechsel zurück nach rechts wird die SPD weitgehend folgen, und zwei Zentimeter links vom Koalitionspartner stehen bleiben. Um dann im Prinzip alle nötigen Maßnahmen gegen die Masseneinwanderung mitzutragen, immer natürlich gewürzt mit etwas humanitärer Distanzierung von einigen Punkten.
Neuwahlen wird es auf keinen Fall geben. Sowohl Union wie SPD werden alles tun, damit die neue Konstellation sich etabliert, die Flüchtlingsfrage eingedämmt wird, und sie mit zeitlichem Abstand und möglichst anderen Themen in die BTW im Herbst 2017 gehen können.
Das alles natürlich nur, wenn die Wahlen für die CDU so schlecht ausgehen, daß sie am Merkel-Sturz nicht mehr vorbeikommt. Llarian hat schon recht - wenn die Niederlage nicht groß genug ist für diesen Wechsel, dann geht die Union und noch viel mehr den Bach runter.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #19Und wenn? Würdest Du die CDU mit einer Kanzlerkandidatin von der Leyen wählen?
Aus "bürgerlicher" Sicht ist von der Leyen sicher auch nicht die große Lichtgestalt. Wahrscheinlich fühlt sie sich an die traditionellen bürgerlichen Positionen sogar noch weniger gebunden als Merkel.
ABER: Sie hätte - anders als Merkel - in der Flüchtlingsfrage taktischen Spielraum.
Merkels großes Problem ist ja, dass sie sich in dieser Frage so massiv festgelegt hat. (Eigentlich sehr untypisch für sie. Normalerweise ist sie ja immer eine Meisterin darin gewesen, sich nicht festzulegen und dadurch Manövrierraum zu erhalten.) Wir können nicht in Merkels Kopf schauen. Aber ich würde wetten, dass sie den Fehler ihrer Flüchtlingspolitik längst erkannt hat. Aber sie kann da einfach nicht mehr raus, ohne einen kompletten Gesichtsverlust. Frau von der Leyen könnte das hingegen problemlos. Für sie (die sich in der Frage ja nicht so exponiert hat wie Merkel) wäre das nur eine "normale" politische Kehrtwende, wie es sie öfter mal gibt. So viel Flexibilität traue ich ihr auch zu - speziell dann, wenn sie sich dadurch die Kanzlerschaft holen kann...
Gleiches gilt übrigens auch für jeden anderen möglichen Nachfolger. Egal ob de Maiziere, Bouffier oder Schäuble: Sie alle könnte sich in der Flüchtlingsfrage in einer Weise neu aufstellen, wie Merkel das durch ihre eigenen Festlegungen nicht könnte.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #27 Jetzt stellt sich das Problem, dass dieser Kurswechsel auch von einer SPD getragen werden muss. Dabei ist (siehe dein Ausgangspost) nicht Gabriel das Problem, nicht einmal Andrea Nahles, die auch nicht weiß, wie sie die ganzen Integrationskurse bezahlen soll. Sondern die SPD-Basis.
Ich glaube tatsächlich das die Basis gar nicht das große Problem wäre. Die Leute "an der Basis" sehen ja, was auf der Strasse passiert und sehen auch die Probleme, die Merkel bereitet hat. Wer ein Problem sein dürfte sind eher die verbleibenden Reste der "Deutschland verrecke" Fraktion, die es noch nicht zu den Grünen geschafft haben (Maas beispielsweise) und natürlich die Jusos. Wie stark die derzeit in der SPS sind, vermag ich nicht zu sagen. Ich glaube nur, wenn die CDU sich jetzt offen für Grenzen ausspricht, nicht einmal Gabriel dumm genug wäre öffentlich und laut dagegen zu wettern. Die AfD ist im Wesentlichen Fleisch von der Union, d.h. nicht, dass nicht auch ehemalige SPD Wähler dorthin wechseln können. Wir haben es ja mit der kuriosen Situation zu tun, dass weniger als die Hälfte der Bürger diese Politik noch trägt.
Zitat Wenn AfD mit 12 und FDP mit möglicherweise auch 10 Prozent (Neuwahlen nach einem Merkelsturz wären eine Frischzellenkur für die FDP) im Bundestag sind, reichts für Rotrotgrün nicht mal rechnerisch.
Aber es reicht immer noch für die große Koaltion, und realistisch ist es das, was sich beide wünschen. Von allen Parteien im Bundestag (Grüne und SED mal aussen vor), sind sich Union und SPD so oder so am nächsten. Ich glaube auch, dass sie keine Neuwahlen wollen, einfach weil das die AfD massiv aufwerten würde (ich glaube nicht, dass die FDP besonders viel profitiert). Aber an der Regierung selbst würde es wenig ändern.
Zitat Also muss die SPD gegen die Wut ihrer Basis einen neuen Kanzler wählen. Das wird sicher nicht Seehofer. Vielleicht nicht mal Schäuble.
Es gibt da eine schöne Aussage: Die SPD bestimmt nicht den Kanzlerkandidaten der Union.
Zitat EDIT: Hast Du mal dran gedacht, dass bei einem Sturz Merkels Gabriel sogar die Rotfront (ohne Neuwahlen) lieber sein könnte?
Wenn er seine politische Karriere in weniger als einem Jahr beenden will, dann könnte er das tun. Eine solche Regierung könnte in der derzeitigen Lage der Zünder sein, dass es richtig knallt.
Zitat von Florian im Beitrag #29 Merkels großes Problem ist ja, dass sie sich in dieser Frage so massiv festgelegt hat. (Eigentlich sehr untypisch für sie. Normalerweise ist sie ja immer eine Meisterin darin gewesen, sich nicht festzulegen und dadurch Manövrierraum zu erhalten.) Wir können nicht in Merkels Kopf schauen. Aber ich würde wetten, dass sie den Fehler ihrer Flüchtlingspolitik längst erkannt hat. Aber sie kann da einfach nicht mehr raus, ohne einen kompletten Gesichtsverlust. Frau von der Leyen könnte das hingegen problemlos. Für sie (die sich in der Frage ja nicht so exponiert hat wie Merkel) wäre das nur eine "normale" politische Kehrtwende, wie es sie öfter mal gibt. So viel Flexibilität traue ich ihr auch zu - speziell dann, wenn sie sich dadurch die Kanzlerschaft holen kann...
Gleiches gilt übrigens auch für jeden anderen möglichen Nachfolger. Egal ob de Maiziere, Bouffier oder Schäuble: Sie alle könnte sich in der Flüchtlingsfrage in einer Weise neu aufstellen, wie Merkel das durch ihre eigenen Festlegungen nicht könnte.
Sehe ich auch so. Merkel ist in gleich mehrere Fallen gefangen. Die hauptsächlichen Falle kann man mit "Wer Fehler A macht muß auch Fehler B machen" umreißen vor dem Hintergrund ihrer vielen Kehrtwenden in der Vergangenheit. Und sie hat ein Ding mit "christliche Nächstenliebe verträgt keine Obergrenze", am Laufen; Vater Pfarrer usw. Ich denke, viel komplizierter ist das gar nicht bei ihr. Und jeder denkbare Nachfolger hätte diese Hypotheken so nicht. Insofern kann man wohl durchaus sagen, daß "Merkel muß weg" die Hauptsache ist; alles weitere ergibt sich dann quasi von alleine und kann eigentlich nur in (relativ) vernünftigere Bahnen zurückführen.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #9Eines der Probleme - nicht zentral für diese spezielle Menschenfischerei des Apostels Gabriel & auch nicht mit der Es-Pe-De "als Partei", bzw als Marke - sondern flächendeckend im Politikbetrieb mindestens der letzen drei Jahrzehnte ist ja, daß nichts mehr davon irgendeiner bestimmten Partei, ihrer Programmatik oder ihrem Herkommen verbunden ist.
Das stimmt. Die politischen Philosophien, die die Grundlage für die Parteien waren, sind verschwunden. Vom Sozialismus spricht man in der SPD seit Bad Godesberg nicht mehr; seit dem "New Labour"-Versuch von Schröder ist auch der Programmpunkt des konstant wachsenden Sozialstaates gestorben. Selbst die PDS/Linke weiß bei ihrem Begriff "demokratischer Sozialismus" nur, was er nicht sei; insbesondere glaubt man nicht mehr an den Sozialismus als Zwischenstufe zum kommunistischen Gesellschaftsparadies. Eine christliche Motivation für CDU/CSU ist ebenfalls längst gegessen: Der Islam gehöre zu Deutschland, Abtreibung faktisch erlaubt, und die Kirchgänger sind in der CDU auch längst in der Minderheit. Bleibt nur noch der Liberalismus, aber dessen Sachwalterin sieht sich eher zuständig für Kompromisse mit den Orientierungslosen.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #9Zumindest in der Wahrnehmung der Wähler wie der Medien standen bis zum Anfang der Ägide Kohl die Christdemokraten für eine andere Ausrichtung der Politik als die Sozialdemokraten.
Die CDU/CSU hatte Staatsausgabenprogramme zur Konjunkturbelebung damals eher abgelehnt. Merkel spricht hingegen von "nachfrageorientierter Angebotspolitik". Es kann auch umgekehrt gewesen sein, jedenfalls ist es ein Oxymoron und zugleich ein Beispiel für die gedankliche Entleerung der Politik. Es regieren nur noch Chatterbots, die gar nicht mehr den Sinn ihrer Worte verstehen.
Zitat von Llarian im Beitrag #30Aber es reicht immer noch für die große Koaltion, und realistisch ist es das, was sich beide wünschen.
Hängt davon ab, wer "beide" sind. Für die Parteiführungen von CDU und SPD stimmt das wahrscheinlich.
Aber jetzt einmal aus dem Nähkästchen geplaudert: Der Schwager eines guten Bekannten ist CDU-Bundestagsabgeordneter (Hinterbänkler). Auf diese Weise habe ich neulich bei einem Abendessen mal einen Einblick in die dortige Gefühlswelt bekommen. Da wurde Schwarz-Gelb schon SEHR hinterhergetrauert. Und zwar gar nicht so sehr aus politischer Überzeugung. Sondern viel banaler: In der großen Koalition ist der einzelne Abgeordnete weitgehend entmachtet. Mein Gewährsmann hat sich zur Zeiten von Schwarz-Gelb noch deutlich einflussreicher gefühlt. (Abgesehen davon entfallen in einer "kleinen Koalition" natürlich auch mehr nette Parlaments- und Regierungspöstchen auf die Unionsabgeordneten als in einer großen Koalition).
Spiegelbildlich ist gerade diese Entmachtung der Hinterbänkler natürlich eine der Gründe, warum der CDU-Parteiführung die große Koalition wahrscheinlich ganz gut gefällt.
Und die Interessenlage der CSU (incl. CSU-Führung) ist natürlich auch eine andere als die der CDU: In einer großen Koalition ist die CSU ja letztlich nur fünftes Rad am Wagen. Sie ist für die Stimmenmehrheit nicht zwingend erforderlich. Wie man ja auch aktuell sieht, hat sie dadurch auch kein wirkliches Erpressungs-Potenzial: Merkel kann Seehofer kühl auflaufen lassen. Für eine machtbewusste CSU-Führung ist daher eine knappe schwarz-gelbe Koalition ggf. vorteilhafter als eine große Koalition.
Mir geht's nur darum: Man sollte in solchen Fragen die Parteien vielleicht nicht als monolithischen Block sehen mit einer einheitlichen klaren Koalitionspräferenz. Die Fraktion sieht das z.B. womöglich anders als die Parteiführung. Und die CDU-Führung sieht es womöglich anders als CSU-Führung.
Zitat von Florian im Beitrag #29Merkels großes Problem ist ja, dass sie sich in dieser Frage so massiv festgelegt hat. (Eigentlich sehr untypisch für sie. Normalerweise ist sie ja immer eine Meisterin darin gewesen, sich nicht festzulegen und dadurch Manövrierraum zu erhalten.) Wir können nicht in Merkels Kopf schauen.
Wenn ich's doch einmal versuche, dann stößt mir ein Aspekt auf, der schon seit Beginn ihrer Kanzlerschaft auffällig ist und eine Dimension ihres Handelns zeigt, die über das ansonsten dominierende Prinzip "Machterhalt auf kurzem Rasen" hinausgeht. Schon immer scheint Frau Merkel nämlich ihre Aufgabe in erster Linie außenpolitisch aufzufassen und sich um das Wohlergehen der Republik, die ihrer Fürsorge anvertraut ist, nur ganz am Rande zu kümmern. Sofort nach Regierungsantritt flatterte sie von einem Staatsbesuch und Gipfeltreffen zum anderen und fühlt sich hier offenbar so recht in ihrem Element. Hier ist sie auch willens, sich ggf. ziemlich weit aus dem Fenster zu lehnen, siehe etwa ihre Rußlandmission mit Chaperone Hollande anläßlich der ukrainischen Krise. Deutschland als Land und seine Bewohner dienen ihr hierbei nur als Hintergrund und wirtschaftliche Basis; ihr Interesse daran ähnelt dem einer Baronesse, die sich für ihre Ländereien nur insofern interessiert, als sie regelmäßig genug Einkünfte abwerfen, um ihre täglichen Diners und Ballbesuche zu finanzieren, und im übrigen die Details ganz dem Verwalter überläßt.
Als Folge dieser Haltung waren alle ihre großen Entscheidungen durch außernationale Erwägungen motiviert. Bei der Eurorettung ging es ihr darum, eine Idee mit allen Mitteln zu stützen und ggf. Leuten irgendwo zu helfen, auch auf Kosten ihres eigenen Staatsvolks. Mit der Energiewende hat sie auf ein (ziemlich verdreht interpretiertes) Ereignis in Japan reagiert, das in dieser Form in Deutschland gar nicht eintreten kann. Und auch jetzt dominieren Erwägungen über irgendwelche moralischen internationalen Verpflichtungen (die übrigens existierenden internationalen Verträgen nicht ent-, sondern z.T. widersprechen) über jeden Gedanken eines Interesse des Landes, dessen Regierung sie führt. Bezeichnenderweise setzen alle 3 Punkte des "Drei-Punkte-Plans" - die Ursachen zu bekämpfen, die Außengrenzen der EU wiederherzustellen und die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union zu regeln - außerhalb Deutschlands im Ausland an und stehen vollkommen außerhalb der eigentlichen Kompetenz einer Bundeskanzlerin.
Kurz gesagt, Merkel hat ihrer eigenen Bundesrepublik nichts zu bieten und hatte das auch nie. Daß sie dennoch so viel Erfolg bei den Wählern hatte, liegt vielleicht daran, daß jedenfalls bis vor einem Jahr auch die Deutschen jede internationale Aufgabe, die von der eigenen problematischen Identität ablenkt und dabei das etwas neurotische Selbstwertgefühl bauchpinselt, begrüßt und sich insofern von Merkel bestens vertreten gefühlt haben.
Zitat von Florian im Beitrag #29Aber ich würde wetten, dass sie den Fehler ihrer Flüchtlingspolitik längst erkannt hat. Aber sie kann da einfach nicht mehr raus, ohne einen kompletten Gesichtsverlust.
Aus obigen Gründen bin ich da etwas skeptisch. Sie kann ihre Flüchtlingspolitik nicht korrigieren, weil sie die Alternative - eine sich auch einmal mit innenpolitischen Fragen und dem Schlamassl, das sie bereits angerichtet hat, beschäftigende Politik - nicht kann und auf ihre alten Tage auch nicht mehr lernen will. Was im Detail in Deutschland passiert, ist ihr einfach egal.
Zitat von R.A. im Beitrag #28Aber man sollte doch nicht glauben, daß alle diese Merkel-Getreuen, die als potentielle Nachfolger in Frage kämen, und die die letzten Monate jeden Schritt der Kanzlerin gepriesen haben - daß die das wirklich ernst gemeint haben. Die werden überaus froh sein, wenn sie das vergessen können.
Und damit werden sie einen weiteren Sargnagel in das Vertrauen in die Politik schlagen. Beim Spruch "Wer A sagt, muß auch B sagen" kann man Kompromisse eingehen: was genau ist denn nun B? worin liegt die Kausalität?; aber wenn der viel grundlegendere Spruch "Wer A sagt, muß dann auch A gesagt haben" ignoriert wird, dann besteht die Gefahr, daß der Bürger auch an der Unersetzlichkeit des politischen Personals seine Zweifel bekommt.
Zitat von Llarian im Beitrag #18Ich sehe diese Verlagerung nicht unter Kohl...Jedenfalls ist die Sozialdemokratisierung unter Merkel sicher eine Potenz größer
Nichts anderes wollte ich sagen. Unter Kohl nahm es kaum spürbar seinen Anfang, zum Beispiel über seinen Sozialminister. Bei Merkel kann es jetzt keiner mehr übersehen.
Als "back to the roots" könnte man das allerdings auch bezeichnen. Man kann zum Beispiel an Katzer denken, Blüms Ziehvater, der in den 60ern aktiv war.
Liberal, in diesem Fall wirtschaftsliberal, ist die CDU halt nicht und war sie auch nie. Vielmehr dominiert die Devise: Von allem etwas. Dazu gehört u.a. auch das, ich sach mal, lebensweltlich Konservative, dessen Ausgrenzung momentan die Probleme verursacht; eine Desozialdemokratisierung ist gar nicht nötig, damit die CDU wieder Wasser unter den Kiel bekommt, würde auch nix nutzen, weil das keine zusätzlichen Wähler bringt. Im Übrigen kann auch bei der AfD von anti-sozialdemokratisch keine Rede sein. Die Herstellung oder Wiederherstellung von angeblich schon verlorenen oder wenigstens weiter schwindenden HOMOGENITÄTEN ist deren Thema. Das Letztere ist im Grunde der Leitbegriff, um den sich alles dreht; passt doch prima zur Tradition der Sozialdemokratie. Lediglich die SPD hat halt das Problem, dass bei denen immer weniger dazu passt.
Zitat von Fluminist im Beitrag #34 Als Folge dieser Haltung waren alle ihre großen Entscheidungen durch außernationale Erwägungen motiviert. Bei der Eurorettung ging es ihr darum, eine Idee mit allen Mitteln zu stützen und ggf. Leuten irgendwo zu helfen, auch auf Kosten ihres eigenen Staatsvolks. Mit der Energiewende hat sie auf ein (ziemlich verdreht interpretiertes) Ereignis in Japan reagiert, das in dieser Form in Deutschland gar nicht eintreten kann. Und auch jetzt dominieren Erwägungen über irgendwelche moralischen internationalen Verpflichtungen (die übrigens existierenden internationalen Verträgen nicht ent-, sondern z.T. widersprechen) über jeden Gedanken eines Interesse des Landes, dessen Regierung sie führt. Bezeichnenderweise setzen alle 3 Punkte des "Drei-Punkte-Plans" - die Ursachen zu bekämpfen, die Außengrenzen der EU wiederherzustellen und die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union zu regeln - außerhalb Deutschlands im Ausland an und stehen vollkommen außerhalb der eigentlichen Kompetenz einer Bundeskanzlerin.
Mit Blick auf die Energiewende vermag ich die außenpolitische Bezogenheit, über eine reine Triggerwirkung von Fukushima hinaus, nicht zu erkennen. Aus meiner Sicht handelte es sich damals um eine rein innenpolitisch motivierte Entscheidung. Kurzfristig-taktisch weil die Stimmung zum Thema in der Bevölkerung und den Medien eindeutig pro Ausstieg war; längerfristig-strategisch, um sich den Grünen schonmal als Koalitionspartner anzudienen; beides jedoch der innenpol. Machtsicherung geschuldet.
Richtig ist, daß das innenpolitische Verständnis Merkels sich auf eine Art "Opium fürs Volk" verdichten läßt (und die Energiewende ist dem m. E. zuzurechnen; oder auch die Nahles-Wohltaten, die Merkel nahezu ausnahmslos passieren läßt), um auf dem von ihr offensichtlich heißgeliebten internationalen Parkett ihre hochwichtigen Pirouetten drehen zu können.
Zitat von Doeding im Beitrag #36Mit Blick auf die Energiewende vermag ich die außenpolitische Bezogenheit, über eine reine Triggerwirkung von Fukushima hinaus, nicht zu erkennen. Aus meiner Sicht handelte es sich damals um eine rein innenpolitisch motivierte Entscheidung. Kurzfristig-taktisch weil die Stimmung zum Thema in der Bevölkerung und den Medien eindeutig pro Ausstieg war; längerfristig-strategisch, um sich den Grünen schonmal als Koalitionspartner anzudienen; beides jedoch der innenpol. Machtsicherung geschuldet.
Es stimmt, daß in diesem Fall diese erste Dimension so überwiegt, daß man den zweiten Aspekt leicht übersehen könnte, wenn man die Geschichte isoliert betrachtet. Aber im Zusammenhang gesehen ist es doch ein weiteres Indiz dafür, daß Merkels Optik fest auf Unendlich eingestellt ist und lokale Probleme nicht oder nur sehr verschwommen abbildet.
Zitat von Doeding im Beitrag #36Aus meiner Sicht handelte es sich damals um eine rein innenpolitisch motivierte Entscheidung. Kurzfristig-taktisch weil die Stimmung zum Thema in der Bevölkerung und den Medien eindeutig pro Ausstieg war; längerfristig-strategisch, um sich den Grünen schonmal als Koalitionspartner anzudienen; beides jedoch der innenpol. Machtsicherung geschuldet.
Es stimmt, daß in diesem Fall diese erste Dimension so überwiegt, daß man den zweiten Aspekt leicht übersehen könnte, wenn man die Geschichte isoliert betrachtet. Aber im Zusammenhang gesehen ist es doch ein weiteres Indiz dafür, daß Merkels Optik fest auf Unendlich eingestellt ist und lokale Probleme nicht oder nur sehr verschwommen abbildet.
Die Ignoranz gegenüber lokalen Problemen ist eindeutig. Ich habe schon im Forum angemerkt, daß diese Frau anders als fast alle anderen Bundespolitiker niemals ein Mandat auf den Ebenen darunter gehabt hat. Da aber die Bundesregierung Gesetze mit Wirkung auf Länder und Kommunen initiieren kann, war Merkel von ihrem lückenhaften Erfahrungsschatz her die allerschlechteste Wahl als Bundeskanzler, die jemals möglich war. Mit der innenpolitischen Machtsicherung und -erwerb hat das insofern nichts zu tun, als daß wir sie als Problem gar nie hätten, wenn sie auch das nicht gekonnt hätte. Womöglich gehört beides auch ein bißchen zusammen: Da sie nie innenpolitische Gestaltungsziele erkennen ließ, konnte sich davon auch keiner bedroht fühlen, der widersprechende Gestaltungsziele hat. Die Außenpolitik hingegen ist in der deutschen Politik ziemlich irrelevant, zumal sie sowieso nicht eigenständig (ohne NATO und EU) verfolgt werden kann. Insofern sah sie immer als eine innenpolitisch ungefährliche ideale Konsenskandidatin aus.
Zitat von Doeding im Beitrag #31Die hauptsächlichen Falle kann man mit "Wer Fehler A macht muß auch Fehler B machen" umreißen vor dem Hintergrund ihrer vielen Kehrtwenden in der Vergangenheit.
Das ist in der Tat die hauptsächliche Falle. Kleinere Kehrtwenden hat sie viele gemacht (weil ihr ja auch die meisten Sachen inhaltlich egal sind). Aber ihre wesentlichen Fehler Griechenland, Fukushima und jetzt Flüchtlinge haben immer damit zu tun, daß sie sich in einer wesentlichen Sache aus dem Fenster gelehnt hat, mit einer unüblich klaren Festlegung - und dann feststellen mußte, daß das ein kapitaler Fehler war. Aber weil ihr Machtsystem darauf aufbaut, keine Fehler zuzugeben, mußten dann immer weitere Fehler folgen. Am deutlichsten sieht man das in der unendlichen Griechenland-Geschichte.
Zitat Und sie hat ein Ding mit "christliche Nächstenliebe verträgt keine Obergrenze", am Laufen; Vater Pfarrer usw.
Daran glaube ich nicht, daß ist eine Erfindung der Merkel-treuen Presse.
Merkel hat nie irgendeinen Funken Empathie für Flüchtlinge gezeigt (und das Thema gibt es ja schon länger). Sie hat ihre Grenzöffnung weder vorbereitet noch sich hinterher um die Folgen gekümmert (bis der Protest hochkochte). Die Flüchtlinge waren ihr abseits des PR-Gags mit dem Selfie ziemlich egal. Auch die zynische Zusammenarbeit mit Erdogan oder die Inkaufnahme der Bootstoten zeigt, daß Nächstenliebe bei ihr keine Kategorie ist.
Zitat von Fluminist #37Aber im Zusammenhang gesehen ist es doch ein weiteres Indiz dafür, daß Merkels Optik fest auf Unendlich eingestellt ist und lokale Probleme nicht oder nur sehr verschwommen abbildet.
Irgendwann werden sich einmal Bücher mit dem Einfluß beschäftigen, den Schellnhuber mit seiner Großen Transformation auf die Kanzlerin gehabt hat.
Zitat von Doeding im Beitrag #31Zitat:Und sie hat ein Ding mit "christliche Nächstenliebe verträgt keine Obergrenze", am Laufen; Vater Pfarrer usw.
Daran glaube ich nicht, daß ist eine Erfindung der Merkel-treuen Presse.
Merkel hat nie irgendeinen Funken Empathie für Flüchtlinge gezeigt (und das Thema gibt es ja schon länger). Sie hat ihre Grenzöffnung weder vorbereitet noch sich hinterher um die Folgen gekümmert (bis der Protest hochkochte). Die Flüchtlinge waren ihr abseits des PR-Gags mit dem Selfie ziemlich egal. Auch die zynische Zusammenarbeit mit Erdogan oder die Inkaufnahme der Bootstoten zeigt, daß Nächstenliebe bei ihr keine Kategorie ist.
Ich hab nochmal bisschen gesucht, und Du scheinst recht zu haben. Das mit der christlichen Nächstenliebe wird ihr im wesentlichen von der Presse (und auch Parteifreunden und anderen interessierten Gruppen) zugeschrieben (so wie früher rationales Kalkül, weil sie ja gelernte Physikerin ist ). Wenn sie ihr Handeln begründet hat, dann eigentlich immer pseudorechtsstaatlich ("Asylrecht kennt keine Obergrenze") oder depressiv ("Wir haben nicht die Macht, die Grenzen zu sichern").
Bemerkenswert dabei ist, wie ihr munter Handlungsmotive in den Mund gelegt werden, und wie wenig sie eigentlich ihr Handeln selbst begründet hat (und man ihr das auch durchgehen läßt). Merkel als gigantische Projektionsfläche: jeder liest in sie hinein, was er hineinlesen will. Gilt ja für ihre Gegner (an-die-eigene-Nase-pack) im übrigen genauso.
Ich würde sogar sagen: Die größte Projektionsfläche seit Gerhard Schröder! Und gut im Rennen mit Trump, Bush und Obama.
Aber ist es nicht auch eine interessante Erkenntnis, dass die Deutschen - egal welcher politischen Richtung sie anhängen - offenbar ein überwältigendes Bedürfnis nach Sinnstiftung durch die Politik verspüren?
Ich würde sogar sagen: Die größte Projektionsfläche seit Gerhard Schröder! Und gut im Rennen mit Trump, Bush und Obama.
Aber ist es nicht auch eine interessante Erkenntnis, dass die Deutschen - egal welcher politischen Richtung sie anhängen - offenbar ein überwältigendes Bedürfnis nach Sinnstiftung durch die Politik verspüren?
Gruß Petz
Naja, die von Dir genannten sind ja irgendwie schon anhand von Aussagen zu "packen". Merkel scheint mir eher die Art Projektionsfläche zu sein wie sie sich Freud für einen Psychoanalytiker vorgestellt hat: als Person und Mensch gleichsam unerkannt bleibend; die Projektion als gewollte Strategie, an der der Analysand sich "abarbeiten" konnte. Dergleichen kann man nun weiß Gott weder von Schröder noch von Trump sagen. Ein irgendwie speziell deutsches Bedürfnis nach Sinnstiftung durch Politik vermag ich darin allerdings nicht zu erkennen. Es ist ja eher das Thema Kausalattribution: Menschen möchten im Verhalten von Mitmenschen zugrundeliegende Motive erkennen. Hilft beim Ordnen der Welt. Oder wie meintest Du das?
Zitat von Meister Petz im Beitrag #42Zitat:Aber ist es nicht auch eine interessante Erkenntnis, dass die Deutschen - egal welcher politischen Richtung sie anhängen - offenbar ein überwältigendes Bedürfnis nach Sinnstiftung durch die Politik verspüren?
Im Sinne meines Beitrags zur "Petzschen Verhinderungsmentalität": Politik als Religionsersatz.
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Ich würde sogar sagen: Die größte Projektionsfläche seit Gerhard Schröder! Und gut im Rennen mit Trump, Bush und Obama. Aber ist es nicht auch eine interessante Erkenntnis, dass die Deutschen - egal welcher politischen Richtung sie anhängen - offenbar ein überwältigendes Bedürfnis nach Sinnstiftung durch die Politik verspüren?
Naja, die von Dir genannten sind ja irgendwie schon anhand von Aussagen zu "packen".
Also Schröder definitiv nicht. Der Bild-Bams-und-Glotze-Kanzler mit der ruhigen Hand war die perfekte Projektionsfläche für Freund und Feind. Was Trump angeht - dass Trump eine tolle Projektionsfläche ist, zeigt sich an der just in diesem Thread diskutierten Tatsache, dass seine tatsächliche Richtung hier kaum Beachtung findet. Programmatisch ist er - mit Ausnahme des Zuwanderungsthematik - näher an Obama als an Clinton. Aber er kann gleichzeitig zur Hassfigur für europäische Antiamerikanisten werden wie zum Hoffnungsträger für Anti-Establishment-Amerikaner.
Zitat Merkel scheint mir eher die Art Projektionsfläche zu sein wie sie sich Freud für einen Psychoanalytiker vorgestellt hat: als Person und Mensch gleichsam unerkannt bleibend; die Projektion als gewollte Strategie, an der der Analysand sich "abarbeiten" konnte. Dergleichen kann man nun weiß Gott weder von Schröder noch von Trump sagen.
Also komm, bei Schröder war die Strategie offensichtlich. Nicht, als Person unerkannt zu bleiben, sondern als Person alles gleichzeitig zu verkörpern, was die Menschen interessiert. Das hat er meisterhaft verstanden, der alte Neoliberalmarxist und Genosse des kleinen Bosses .
Bei Merkel bin ich mir da gar nicht so sicher - im Gegensatz zum eitlen Stutzer aus Hannover dürfte Merkel relativ uninteressiert daran sein, wer sich in welcher Form an ihr abarbeitet.
Zitat Ein irgendwie speziell deutsches Bedürfnis nach Sinnstiftung durch Politik vermag ich darin allerdings nicht zu erkennen. Es ist ja eher das Thema Kausalattribution: Menschen möchten im Verhalten von Mitmenschen zugrundeliegende Motive erkennen. Hilft beim Ordnen der Welt. Oder wie meintest Du das?
Ich glaube, es geht darüber hinaus. Es ist die typisch deutsche Frage, "wofür jemand steht". Werte, Prinzipien, Gedanken. Nicht zu verschweigen die emotionale Komponente - Vorbild und Kümmerer. Am liebsten mag der Deutsche die Politiker, bei denen er den Eindruck hat, alles, was er tut, geschieht genau für ihn persönlich. Eben der Vater Staat (was sagt Herr Freud eigentlich zu dieser Form von Projektion?).
Da wird man bei Merkel wenig finden. Schröders Prinzip war wenigstens Schröder, aber ist Merkels Prinzip Merkel? Was ist Merkel? Zettel, der unermüdliche Merkelverteidiger, hat den Gedanken hier mal gestreift: http://zettelsraum.blogspot.de/2011/02/a...kanzleramt.html
Zitat von Meister Petz im Beitrag #42Zitat:Aber ist es nicht auch eine interessante Erkenntnis, dass die Deutschen - egal welcher politischen Richtung sie anhängen - offenbar ein überwältigendes Bedürfnis nach Sinnstiftung durch die Politik verspüren?
Im Sinne meines Beitrags zur "Petzschen Verhinderungsmentalität": Politik als Religionsersatz.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #45Da wird man bei Merkel wenig finden. Schröders Prinzip war wenigstens Schröder, aber ist Merkels Prinzip Merkel? Was ist Merkel? Zettel, der unermüdliche Merkelverteidiger, hat den Gedanken hier mal gestreift: http://zettelsraum.blogspot.de/2011/02/a...kanzleramt.html
Als ich Ihrem Link folgte und einem weiteren Link innherhalb des Artikels von Zettel, stieß ich auf folgende Formulierung.
Zitat von ZettelUnd wie sah es in Kultur und Gesellschaft aus? [...]
Dieselbe Generation derer, die in den siebziger Jahren die bleibenden Eindrücke ihres Lebens empfangen hatten, war, wie in der Politik, so nun auch in diesen Bereichen an der Macht; [...] Sie übernahm die Leitung der Gesellschaft, diese Kohorte der um 1945 herum Geborenen; nicht nur im klassischen linken Bereich. [...]
Wie in der ersten Epoche hatte das Land wieder seine Präzeptoren, die den Menschen sagten, was gut und böse ist, was sie tun und lassen sollen. Nur waren es nicht mehr die christlichen Kirchen. An die Stelle der Priester traten die Hohepriester einer Ideologie, gemixt aus Marxismus, Ökologismus und einem Schuß dessen, was man später Gutmenschentum nannte.
Es scheint mir, Zettel beschrieb hier den Übergang der Moral vom religiösen ins politischen, den auch ich vermeine wahrzunehmen. Was für mich diese beiden Moralauffassungend dabei verbindet ist die Tatsache, dass sie Moral "externalisieren": "Richtig" und "Falsch" entspringen in der Beurteilung nicht mehr der eigenen, persönlichen Ethik und Vernunft, sondern externen Regeln, welche den Dogmen entspringen, auf denen die jeweilige Geisteshaltung aufbaut.
Also die Art und Weise, wie die meisten Menschen schon immer ihre Religion gelebt haben und wogegen, so wie ich es mittlerweile (als blutiger philosophischer Laie) verstehe, sich ja auch die Aufklärung richtete.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Meister Petz im Beitrag #2 Statt dessen sucht er neue Wähler am rechten Rand. Diejenigen, die finden, dass Flüchtlinge keine Mobiltelefone haben sollen und keine menschenwürdige Behausung. Und das, lieber Llarian, sind nicht die Kunden der Tafeln und nicht die armen Rentner. Es sind die Facebook-Hetzer und Pegidisten.
Pauschalisieren darf man fromm und frei sofern es die rechten trifft. Haben Sie mit den "Kunden" an der Tafel mal gesprochen? Wieviele von denen haben ein Smartphone? Und fragen Sie mal arme Rentner wie sie zur Pegida und der Flüchtlings-Unpolitik stehen. Fast niederträchtig ist der Vorwurf, Pegidisten würden "Flüchtlingen" menschenwürdige Behausungen versagen wollen. Wer sind die "Flüchtlinge"? Wievielen soll hier eine menschenwürdige Behausung zustehen.Und wer zahlt ihnen das Smartphone?
Diese Fragen sind sehr einfach und werden deswegen in den oberen Etagen nicht gestellt.Die Antworten wären zu uncool. Angenehmer sind da Facebook-Hetzer und üble Pegidisten mit völlig unbegründeten Sorgen.Hier ist die mutige Konfrontation eine Lust. Bei denen kommen die Folgen dieser Unpolitik nur als erstes an.
Warum haben Sie die AFD nicht in Reihe mit "Pegidisten" und "Facebook-Hetzern" gestellt? Hemmungen? Warum?
Ich habe diesen Beitrag wegem massivem Verstoss gegen die Forumsrichtlinien gelöscht. Da der User Eberhardt bereits nach kürzester Mitgliedschaft so aus der Rolle fällt ist er hiermit gesperrt. Aller Vorraussicht nach wird seine Mitgliedschaft damit beendet.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #2 Statt dessen sucht er neue Wähler am rechten Rand. Diejenigen, die finden, dass Flüchtlinge keine Mobiltelefone haben sollen und keine menschenwürdige Behausung. Und das, lieber Llarian, sind nicht die Kunden der Tafeln und nicht die armen Rentner. Es sind die Facebook-Hetzer und Pegidisten.
Pauschalisieren darf man fromm und frei sofern es die rechten trifft.
Wenn es dann noch welche trifft, die sich nicht wehren dürfen, nennt man das „couragiert“.
Zitat von HR im Beitrag #47Fast niederträchtig ist der Vorwurf, Pegidisten würden "Flüchtlingen" menschenwürdige Behausungen versagen wollen.
Natürlich niederträchtig. Aber politisch correct und couragiert. Trotz meines anstippsen vor ein paar Tagen hat Meister Petz immer noch keinen Beleg für seine niederträchtige Unterstellung gebracht. So was hält man in dieser Szene nicht für nötig, die Beschuldigung ist der Beweis.
Zitat von HR im Beitrag #47Wer sind die "Flüchtlinge"? Wievielen soll hier eine menschenwürdige Behausung zustehen.Und wer zahlt ihnen das Smartphone?
Solche Fragen werden von den guten GenossInnen üblicherweise mit „Du bist Nazi“ beantwortet. Bin gespannt, ob das hier auch so weitergeht.
Zitat von HR im Beitrag #47Diese Fragen sind sehr einfach und werden deswegen in den oberen Etagen nicht gestellt.Die Antworten wären zu uncool. Angenehmer sind da Facebook-Hetzer und üble Pegidisten mit völlig unbegründeten Sorgen.Hier ist die mutige Konfrontation eine Lust.
Klar. Lehren aus der Geschichte und wehret den Anfängen.
Zitat Lutz Bachmann, ein 41-jähriger Inhaber einer Werbeagentur, sprach am Montag vergangener Woche vor der Menge von armen Rentnern, die in unbeheizten Wohnungen säßen und sich kein Stück Stollen mehr leisten könnten, während Asylbewerber in luxuriös ausgestatteten Unterkünften lebten.
der Ton ihres Beitrages entspricht nicht dem Ton, der diesem Forum genuegt. Wenn Sie Frust und Agression abbauen muessen, dann tun Sie das bitte wo anders. Höfliche (!) Konversation ist hier immer gefragt, aber einen anderen, noch dazu einen Autor, so von der Seite anzumachen ist eine nicht besonders gute Idee. Überlegen Sie mal selbst ob das der Ton ist mit dem Sie angesprochen werden wollen.
Da ich weiss, dass Sie das besser können, möchte ich Sie dringend bitten das in Zukunft zu achten.
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