Zitat von Doeding im Beitrag #25käme ich bei Böhmermanns ebenfalls nicht auf die Idee, ihn als in letzterem Sinne rassistisch (bzw. homophob) zu sehen
Es geht meines Ermessens gar nicht darum, was Böhmermann ist oder nicht ist. Es geht darum, welche Handlung notwendig ist, um öffentlich eine Zuschreibung zu erhalten.
Eine Zeile des Böhmermann Gedichts aus dem Mund von Frau Storch oder Frau Petry, in welchem Kontext auch immer, und der Rassismus oder Homophobie läge sofort auf der Hand. Da bin ich recht sicher. Bei den beiden würde wahrscheinlich schon deutlich weniger ausreichen. Bei Böhmermann dagegen ist klar, dass er kein Rassist und nicht homophob ist, fast gleichgültig was er sagt. Das ist ein Doppelstandard, nichts anderes.
Die Frage, welche man stellen kann, ist, ob man das für eine Form des harten politischen Kampfes oder für einen monopolistischen Anspruch auf die Moral hält. Wahrscheinlich verschwimmt das ineinander und der Übergang ist fließend. Die allgemeine „Empathiebesoffenheit“ in der Politik lässt mich persönlich allerdings vermuten, dass der Glaube an den Besitz der richtigen Moral eine immer dominierendere Rolle spielt.
Zum Böhmermann denke ich übrigens, er ist genauso viel oder wenig homophob, wie viele andere denen man das vorwirft, weil sie gedankenlos ab und an in diesem Zusammenhang abwertende Formulierungen nutzen. Wie schlimm man die unterliegende Geisteshaltung finden möchte, ist das eine. Dass man diese Geisteshaltung je nach Person unterschiedlich benennt, das andere.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #26 Die Frage, welche man stellen kann, ist, ob man das für eine Form des harten politischen Kampfes oder für einen monopolistischen Anspruch auf die Moral hält. Wahrscheinlich verschwimmt das ineinander und der Übergang ist fließend. Die allgemeine „Empathiebesoffenheit“ in der Politik lässt mich persönlich allerdings vermuten, dass der Glaube an den Besitz der richtigen Moral eine immer dominierendere Rolle spielt.
Es ist sicherlich beides. Wobei es diese Attributionen in der politischen Auseinandersetzung auch in jenen Zeiten gegeben hat, in der links, im Sinne von sozialdemokratisch, auch gleich eine Verdächtige Nähe zum Kommunismus unterstellt hat. Als Jg. 70 habe ich die letzten Ausläufer dessen durchaus noch mitbekommen. Und es gab wieder andere Zeiten, da ging dieser Anpassungsdruck, dieser moralische Alleinvertretungsanspruch, verbunden mit ideologischer Verhärtung nach innen, von den Kirchen aus. Diese Neigung ist also weltanschaulich höchstwahrscheinlich neutral und ist, scheint mir, eher mit dem jeweils herrschenden Mainstream verkoppelt. So sehr PI oder Pegida heute in der Rolle der underdogs sind (und sich darin inszenieren), hätte ich keinen Zweifel, daß deren Akteure am liebsten ihrerseits political correctness durchsetzten, nur eben ihre Vorstellung davon. Man wird doch wohl noch sagen dürfen, daß der Islam nicht an allem schuld ist.
Abseits davon handelt es sich wohl um ein allgemein-menschliches Phänomen; dem Wunsch nach Kategorisierung, Ordung und Vereinfachung der Phänomene um uns herum, um sie besser handhaben zu können. Umgekehrt: je mehr man dessen bedürftig ist, desto verwirrender ist für den Betroffenen vermutlich die Wirklichkeit, resp. desto schlichter der Geist.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Doeding im Beitrag #25käme ich bei Böhmermanns ebenfalls nicht auf die Idee, ihn als in letzterem Sinne rassistisch (bzw. homophob) zu sehen
Es geht meines Ermessens gar nicht darum, was Böhmermann ist oder nicht ist. Es geht darum, welche Handlung notwendig ist, um öffentlich eine Zuschreibung zu erhalten.
Eine Zeile des Böhmermann Gedichts aus dem Mund von Frau Storch oder Frau Petry, in welchem Kontext auch immer, und der Rassismus oder Homophobie läge sofort auf der Hand. Da bin ich recht sicher. Bei den beiden würde wahrscheinlich schon deutlich weniger ausreichen. Bei Böhmermann dagegen ist klar, dass er kein Rassist und nicht homophob ist, fast gleichgültig was er sagt. Das ist ein Doppelstandard, nichts anderes.
Die Frage, welche man stellen kann, ist, ob man das für eine Form des harten politischen Kampfes oder für einen monopolistischen Anspruch auf die Moral hält. Wahrscheinlich verschwimmt das ineinander und der Übergang ist fließend. Die allgemeine „Empathiebesoffenheit“ in der Politik lässt mich persönlich allerdings vermuten, dass der Glaube an den Besitz der richtigen Moral eine immer dominierendere Rolle spielt.
Zum Böhmermann denke ich übrigens, er ist genauso viel oder wenig homophob, wie viele andere denen man das vorwirft, weil sie gedankenlos ab und an in diesem Zusammenhang abwertende Formulierungen nutzen. Wie schlimm man die unterliegende Geisteshaltung finden möchte, ist das eine. Dass man diese Geisteshaltung je nach Person unterschiedlich benennt, das andere.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
Keiner kann Gedanken lesen - somit ist ein jeder bei der Beurteilung darauf angewiesen, was jemand sagt. Das ist übrigens ein sehr angenehmer Nebeneffekt der Meinungsfreiheit. Man sagt was man denkt. Selbst wenn man lügt geschieht das nicht ohne vorheriges (Nach-)Denken. Und jeder erfährt es. Ich wäre übrigens für solch eine konsequente Meinungsfreiheit wie in den USA. Aber ich bezweifle dass sie sich mit unserem hohen Anspruch an Moral verträgt. Es zählt also was jemand sagt und was er nicht sagt, zählt auch nicht. Außer in der Satire, im Wortspiel, beim Humor. Da kann man Gedanken beim Zuhörer anstoßen, die man zwar gedacht, aber nicht vollständig gesagt hat. Das erledigen dann die Gedanken des Lesers oder Zuhörers.
Aber jemandem etwas in den Mund zu legen was er nicht gesagt hat, ist in Deutschland Volkssport und generiert nicht nur negative Unterstellungen sondern auch positive. Böhmermann halte ich für zynisch genug den Spaß welchen er beim Vorlesen seines Sudelgedichts hatte auch schon beim Verfassen verspürt zu haben. Was spekulativ ist. Genauso wie die Ansicht dass es absurd wäre ihm Rassismus zu unterstellen.
Zitat von Doeding im Beitrag #27Diese Neigung ist also weltanschaulich höchstwahrscheinlich neutral und ist, scheint mir, eher mit dem jeweils herrschenden Mainstream verkoppelt.
Lieber Andreas,
darüber habe ich ebenfalls bereits häufig nachgedacht und ich muß dir hier zustimmen. Es gibt aber zwei Punkte, die ich darüber hinaus ebenfalls sehe.
1) Diese Dinge sind wohl "weltanschaulich höchstwahrscheinlich neutral" aber trotzdem falsch. Die Tatsache nun, dass an andere Stelle, in anderen Zeiten Dinge falsch sind / waren, macht es nicht besser oder entbindet von Kritik, wenn die gleichen Dinge wieder getan werden.
2) Grundsätzlich halte ich diesen, von mir beschriebenen Mechanismus trotzdem für den „Kristallisationspunkt“ an dem sich totalitäres Denken entwickeln kann und eine Besonderheit läßt mich diesen Umstand, bezogen auf heute, kritischer sehen als bezogen auf die Vergangenheit. Ich glaube unsere Gesellschaft (die Teile, welche sich mit dem Moralmonopol ausgestattet sehen) hat sich selbst nie weiter entfernt von den diversen Zivilisationsbrüchen der Vergangenheit empfunden, wie heute. Vielleicht kann man sagen, dass ein unendliches Vertrauen in die eigene Moral vorhanden ist, dass man durch sie vor solchen Zivilisationsbrüchen auf immer geschützt ist. Genau dieser Umstand macht es in meinen Augen so gefährlich, wenn heutzutage mit dem Monopol auf Moral gezündelt wird. Die Vorstellung, dass man selbst mit der eigenen Moral straucheln kann ist, um mit dem Wort von Frau Rittig zu sprechen, vollkommen absurd. Man fühlt sich hier so sicher, dass man für Probleme aus dieser Richtung keinerlei Wahrnehmung mehr besitzt. Das Ignorieren linksextremer Gewaltexzesse, welche ja „die Richtigen“ treffen, ist ein schönes Beispiel hierfür.
Du hast in deinem Beitrag ebenfalls erwähnt, dass dieser Anpassungsdruck in der Vergangenheit von den Kirchen ausging. Da stimme ich zu. Interessant finde ich dabei, dass es damals die Religion war, die diesen Anpassungsdruck ausübte, weil es auch heute wieder eine Art säkulare Religion ist, die ihn ausübt. Ich habe ja schon mehr als einmal in diesem Blog darüber nachgedacht, dass dieses statische Naturbild, inklusive seines Bewahrungsfetisch, immer mehr zum Ersatz der schwindenden Kirchen wird. Die Positionierung „gegen Rechts und Rassismus“ ist dabei (wohl historisch bedingt) zum integralen Bestandteil dieses Glaubens geworden.
Wenn man das so sieht, könnte man Religion durchaus als Gefahr ausmachen, in dem Sinne dass sie (als Massenphänomen) über ihr Moralmonopol immer die Tendenz besitzt, Anpassungsdruck zu erzeugen und dabei zu „überziehen“. Vielleicht macht dies auch die Schärfe des aktuellen gesellschaftlichen Konflikts aus. Es ist eine Art ""Religionskrieg"", bei der sich eine Glaubensrichtung dagegen wehrt, dass ihr Fetisch durch den einer anderen Glaubensrichtung ersetzt wird, und wie oft in solchen Fällen leidet Mündigkeit und Vernunft.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
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Zitat von Doeding im Beitrag #25Daß Menschen aus solchen Beobachtungen ihre Schlüsse ziehen, finde ich gleichwohl nicht so ungewöhnlich; ich bin da ebenso heuristisch unterwegs (und wer nicht?).
Die Heuristik bezieht sich darauf, daß man zu erraten versucht, ob die betreffende Person ironisch spricht oder es so meint, wie sie sagt; oder ("Deckmantel-Theorie") meint, was sie ironisch zu sagen vorgibt. Es ist richtig, daß dabei die bekannte Vorgeschichte, frühere, mutmaßlich unironische Äußerungen u. dgl. einen wichtigen Hinweis geben können; aber wenn man sich allzu sehr darauf stützt, läuft man doch Gefahr, wie n_s_n bemerkt hat, mit zweierlei Maß zu messen und zu großes Gewicht darauf zu legen, wer was sagt.
Ich würde doch dafür plädieren, mehr von der inneren Evidenz des Werks auszugehen. Zu einer guten Satire gehört doch, daß klar oder wenigstens nicht zu schwer erkennbar ist, was satirisiert wird; zu einer Provokation, daß der Adressat erkennbar ist. (Bei Pirinçci, wie immer man sich sonst zu ihm stellen will, waren beide Punkte deutlich.) Ironie steht diesem Ziel nicht im Wege. Bei Helmut Qualtingers "Herrn Karl" beispielsweise war die Ironie perfekt durchgezogen, und dennoch war völlig klar, daß er die Mitläufermentalität anprangert, nicht anpreist. Auch Gerhard Polts "Man spricht deutsh" macht chauvinistische Klischees lächerlich, indem er sie ironisch annimmt und witzig ad absurdum führt. Das ist völlig ironische Satire, die funktioniert. Und zwar ohne Disclaimer. Ich halte Böhmermanns Disclaimer, ob er nun juristisch etwas bringt oder nicht, übrigens für Teil des Problems: durch diesen Bruch der Ironie, die Distanzierung des Clowns von der Persona, die er darstellen soll, wird das heilsame Lachen über diese Persona, das uns die Absurdität ihrer Ansichten einsehen und verarbeiten ließe, bestenfalls zum krampfhaften Lachen eines Packverachters. Daß Böhmermann selbst den Disclaimer für nötig hielt, ist eine künstlerische Bankrotterklärung, die eingesteht, daß die Ironie des Gedichts nicht funktioniert. Tiefe Ironie setzt eben hohe Kunst voraus, und die hat er nicht, jedenfalls nicht hier.
Aber auch die Frage nach dem Adressaten seiner Provokation gibt Rätsel auf. Ist es das ausländerfeindliche Pack, dessen "Geschwätz er auf den Punkt" bringt, wie Frau Rittig offenbar meint? Ist es eine mehr oder weniger anonyme Herde von Feinden freier Meinungsäußerung, wie das ZDF offenbar meint:
Zitat von FAZ„Form und Inhalt des satirischen Beitrags zielten nicht auf eine Ehrverletzung des türkischen Staatspräsidenten, sondern bezweckten die kritische Auseinandersetzung“ mit Erdogans Verhältnis zur Pressefreiheit. Es sei um die Debatte über den rechtlichen Begriff der Schmähkritik gegangen und um „die Rezeption solcher satirischer Stilmittel in der digitalen Medienöffentlichkeit“.
Ist es Frau Merkel, die nicht entschieden genug für die Redefreiheit eingetreten war? Ist es am Ende doch Erdoğan selbst, in seiner Rolle als Medienfeind? Das ist alles unklar, und eine angebliche Satire, die so offen für Interpretation ist, lädt eben auch eine Interpretation ein, die sie einfach wörtlich nimmt.
Wenn es aber eigentlich darum ging - wie hie und da auch gemutmaßt - Erdoğan und die Bundesregierung zu kompromittieren, dann ist es nicht Satire, sondern bloß Subversion.
Ich bleibe dabei: qua Satire war das ganz schlechte Satire.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #26Eine Zeile des Böhmermann Gedichts aus dem Mund von Frau Storch oder Frau Petry, in welchem Kontext auch immer, und der Rassismus oder Homophobie läge sofort auf der Hand. Da bin ich recht sicher. Bei den beiden würde wahrscheinlich schon deutlich weniger ausreichen. Bei Böhmermann dagegen ist klar, dass er kein Rassist und nicht homophob ist, fast gleichgültig was er sagt. Das ist ein Doppelstandard, nichts anderes.
Nicht unbedingt. Ein Doppelstandard wäre es, wenn Böhmermann Rassist wäre und trotzdem seine Sprüche nicht kritisiert würden.
Es ist aber grundsätzlich vernünftig und legitim, wenn man Aussagen von Personen vor dem Hintergrund ihrer sonstigen Äußerungen interpretiert. Wenn zwei das Gleiche sagen, ist es ja nicht unbedingt das Selbe. Bei Äußerungen, die unklar sind bzw. mehrere Deutungen zulassen ist es naheliegend, andere bekannte Positionen zur Interpretation zu benutzen.
Und das gilt natürlich besonders hier, da unbeschadet anderer Einordnungsdifferenzen ziemlich klar ist, daß Böhmermann seine Äußerungen nicht wirklich selber ernst meint.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #26Eine Zeile des Böhmermann Gedichts aus dem Mund von Frau Storch oder Frau Petry, in welchem Kontext auch immer, und der Rassismus oder Homophobie läge sofort auf der Hand. Da bin ich recht sicher. Bei den beiden würde wahrscheinlich schon deutlich weniger ausreichen. Bei Böhmermann dagegen ist klar, dass er kein Rassist und nicht homophob ist, fast gleichgültig was er sagt. Das ist ein Doppelstandard, nichts anderes.
Nicht unbedingt. Ein Doppelstandard wäre es, wenn Böhmermann Rassist wäre und trotzdem seine Sprüche nicht kritisiert würden.
Es ist aber grundsätzlich vernünftig und legitim, wenn man Aussagen von Personen vor dem Hintergrund ihrer sonstigen Äußerungen interpretiert. Wenn zwei das Gleiche sagen, ist es ja nicht unbedingt das Selbe. Bei Äußerungen, die unklar sind bzw. mehrere Deutungen zulassen ist es naheliegend, andere bekannte Positionen zur Interpretation zu benutzen.
Und das gilt natürlich besonders hier, da unbeschadet anderer Einordnungsdifferenzen ziemlich klar ist, daß Böhmermann seine Äußerungen nicht wirklich selber ernst meint.
Wenn ein Nichtrassist rassistische Aussagen macht, sind die per se nicht rassistisch? Ob eine Aussage rassistisch ist oder nicht wird also danach bewertet, wie die Person dahinter politisch eingeschätzt wird? Und das wäre dann auch kein Doppelstandard? Das sehe ich nicht so. Die Aussage selbst ist zu bewerten und nicht die Person welche sie trifft. Es spielt überhaupt keine Rolle ob derjenige ein Rassist ist oder nicht. Es ist ja schon fast unmöglich in Deutschland jemanden zu finden der ein "anerkannter" Antisemit ist. Die Suche nach einem echten Rassisten dürfte noch schwieriger werden. Und wenn es also gar keine Rassisten in Deutschland gibt, gäbe es somit auch keine rassistischen Aussagen. Das erinnert mich an die Reinwaschung nach dem 2.WK als es plötzlich keine Nazis mehr in Deutschland gab.
edit: Nach dieser Methode verfährt auch Jakob Augstein. Der ist auch recht erfolgreich damit, seine antisemitischen Aussagen salonfähig zu machen und gleichzeitig brüsk abzulehnen ein Antisemit zu sein.
Zitat von R.A. im Beitrag #31Wenn zwei das Gleiche sagen, ist es ja nicht unbedingt das Selbe.
Grundsätzlich ist das richtig, wobei die Frage ist, wodurch sich eine solche Unterscheidung bei Aussagen legitimiert. In allererster Linie wohl durch vorausgehende Handlungen der Sprechenden. Wo die fehlen, kann man sicherlich noch aus der Häufigkeit eindeutiger Formulierungen in der Vergangenheit gewisse Unterschiede bei der Interpretation machen. Das sowas aber nicht selten inflationär gebraucht wird, mag Besipielhaft dieser Beitrag aus der Qualitätspresse belegen, in welchem faktische jedem AfD Wähler unterstellt wird, Rassist zu sein (Was immer man von der AfD hält, ist das harter Tobak). Rassist ist man manchmal ganz pauschal und sehr schnell, manchmal nie.
Zitat von R.A. im Beitrag #31daß Böhmermann seine Äußerungen nicht wirklich selber ernst meint
Dass er das Wort "schwul" in dem von mir im Beitrag beschriebenen Kontext verwendet hat, läßt mich persönlich zumindest schließen, dass er durchaus abwertend zu dieser Attributierung steht. Wenn man kein Empfinden dafür zu haben scheint, dass man eine völlig wertfreie Attributierung neben sehr stark negativ wertende Attributierung stellt, erklärt sich das mir persönlich dadurch, dass man die erste Attributierung möglicherweise doch nicht so wertfrei sieht.
Herzlich
nachdenken_schermzt_nicht
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Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #32Es ist ja schon fast unmöglich in Deutschland jemanden zu finden der ein "anerkannter" Antisemit ist.
Lieber Erling, diese Analogie habe ich übersehen und sie macht den Punkt ja überdeutlich:
Es wird nicht der "Ist Zustand" anhand objektiver Kriterien bewertet, sondern das was durch die "vorherrschende Moral" als "Ist Zustand" definiert wird.
Herzlich
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Auch Berthold Kohler haut in diese Kerbe und gibt nebenbei ein Beispiel dafür, wie richtige Satire aussieht:
Zitat Dass Satire alles darf, heißt freilich nicht, dass jeder Satire darf. Nehmen wir mal Erika Steinbach, diese – Achtung, jetzt kommt wieder Kunst, wenn auch viel kleinere als aus dem Atelier Böhmermann – Kuh, die glaubte, sie könne sich dem Thema Flüchtlinge mit einer satirischen Bemerkung zu einem Foto nähern. Die Steinbach kann’s einfach nicht. Sie hätte sich ein Beispiel an den Tweets nehmen sollen, die Böhmermann über sie abgesondert hat, in denen es nur so von eingeölten, holzharten Homosexuellenkörperteilen pimmelt. Klar, zur Kunstfertigkeit des Meisters hätte sie es natürlich nicht gebracht. Wenigstens hätte sie aber sagen sollen, dass es sich bei dem gezeigten blonden Mädchen um ein uneheliches Kind Erdowahns handele und dass das Ganze nur der hehren Absicht diene, dem deutschen Volk vorzuführen, was eine unerlaubte Volksverhetzung sei. Dann hätte es gar nicht heißen können, das sei so „widerlich, rassistisch, hetzerisch“, dass sie aus ihrer Partei ausgeschlossen gehöre. Stattdessen hätte sie wahrscheinlich den Grimme-Preis bekommen.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #32Wenn ein Nichtrassist rassistische Aussagen macht, sind die per se nicht rassistisch?
Nein.
Es geht mir um Aussagen, bei denen die Interpretation unklar ist. Und da schaue ich schon darauf, wer die Aussage getätigt hat.
Beispiel: Die Aussage "Juden sind minderwertig und müssen ausgerottet werden" ist eindeutig rassistisch. Egal wer sie sagt. Und wer sie sagt und ernst meint, kann als Rassist bezeichnet werden.
Aber selten sind Aussagen so eindeutig. Wenn z. B. jemand sagt "Die Rolle der Juden in der Finanzindustrie ist problematisch", dann klingt das auch erst einmal merkwürdig und der Antisemitismus-Verdacht liegt in der Luft. Und da macht es dann schon einen Unterschied, ob die Aussage vom NPD-Vorsitzenden kommt oder vom Chef des Zentralrats der Juden.
Mir fällt bezüglich meines letzten Posts eine Analogie ein:
Ich hatte mit Martin in einem anderen Thread eine Diskussion darüber ob eine Information getrennt von der Quelle zu bewerten sei. Ich habe dies verneint weil es ja um die Glaubwürdigkeit der Information geht. Und die hat eine Menge mit dem Autor zu tun.
Auf die Böhmermann-Diskussion übertragen, würde eine Bewertung der Person bedeuten, dass man die Authentizität einer jeden Aussage einer Person in Frage stellt. Ihr also abspricht zu sagen was sie meint. Das wäre m.E. ein Fall von Paternalismus - wohlwollend betrachtet.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #32Es ist ja schon fast unmöglich in Deutschland jemanden zu finden der ein "anerkannter" Antisemit ist.
Lieber Erling, diese Analogie habe ich übersehen und sie macht den Punkt ja überdeutlich:
Es wird nicht der "Ist Zustand" anhand objektiver Kriterien bewertet, sondern das was durch die "vorherrschende Moral" als "Ist Zustand" definiert wird.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
Genau. So geschehen bei der Bekanntgabe der ersten amtlichen Klimaleugner, äh Klimaskeptiker, durch das Umweltbundesamt.
Ich weiß es sowieso nicht ;-) Aber bei denjenigen die hier zitiert wurden, wäre es sehr plausibel, daß sie ihn näher kennen und das beurteilen können. Man könnte natürlich bei weiterer Diskussion von ihnen verlangen, daß sie das auch belegen.
Zitat
Zitat von R.A. im Beitrag #31Wenn zwei das Gleiche sagen, ist es ja nicht unbedingt das Selbe.
Grundsätzlich ist das richtig, wobei die Frage ist, wodurch sich eine solche Unterscheidung bei Aussagen legitimiert. In allererster Linie wohl durch vorausgehende Handlungen der Sprechenden.
Richtig. Und das ist natürlich oft sehr schwer und eine Garantie ist es auch nicht - manchmal wechseln Leute ja ihre Ansichten.
Zitat Das sowas aber nicht selten inflationär gebraucht wird, mag Besipielhaft dieser Beitrag aus der Qualitätspresse belegen, in welchem faktische jedem AfD Wähler unterstellt wird, Rassist zu sein
Wir sind uns wohl einig, daß Doppelmoral und Unterstellungen in der "Qualitätspresse" häufig vorkommen. Insbesondere in Bezug auf politisch nicht genehme Personen/Parteien.
Mir ging es nur um den grundsätzlichen Hinweis. Eine Aussage kann oft nur innerhalb ihres Kontexts beurteilt werden, und zu diesem Kontext gehört durchaus auch der persönliche Hintergrund dessen, von dem die Aussage kommt.
Weil er dann nicht fürs ZDF arbeiten würde, denn die müssen laut RStV der Völkerverständigung dienen und sollen (Soll-Bestimmung, also nicht zwingend sondern im Ermessen stehend) in diesem Rahmen ausgewogen und wahrheitsgetreu informieren und unterhalten.
Weil er dann nicht fürs ZDF arbeiten würde, denn die müssen laut RStV der Völkerverständigung dienen und sollen (Soll-Bestimmung, also nicht zwingend sondern im Ermessen stehend) in diesem Rahmen ausgewogen und wahrheitsgetreu informieren und unterhalten.
Beim RBB hat mal ein Rassist gearbeitet und der Sender hat regelrecht darum gekämpft ihn behalten zu können. Sein Name: Ken Jebsen. Und was für das ZDF gilt, gilt auch für den RBB. Es gibt im Netz jede Menge Kostproben von dem Dreck den er auf KenFM öffentlich-rechtlich verbreiten durfte bis Broder sich mit ihm anlegte und den RBB "zwang" sich schweren Herzens von ihm zu trennen
Ich habe so einige Probleme mit den Etikettierungen, angefangen beim 'Rassisten' bis zum 'Antisemiten'. Etikettierung und Konsequenzen darauf folgen letztlich demselben Schema, das man den 'Rassisten' vorwirft. Es ist wie eine Ampelkennzeichnung auf Produkten für diejenigen, die nicht lesen können und wollen. Ich sehe in der Etikettierung eine Mischung aus mentaler Bequemlichkeit und einer Schiffe-Versenken-Mentalität. Ich habe viel mit US-Amerikanern höherer Bildung zusammengearbeitet und auch diskutiert, ich habe dort nie diesen schon fast radikalen Etikettierungsdrang gespürt, wie das in deutschen Diskussionen der Fall ist. Es mag sein, dass sich das in den USA inzwischen auch etwas geändert hat, die USA scheinen mir aber inzwischen auch nicht mehr das freie Land zu sein, das ich vor 40 Jahren kennen gelernt habe.
Es ist nun mal so, dass Menschen Vorurteile, Urteile, Positionen haben, die unfair bis bösartig sein können, es ist Teil der menschlichen Natur und Gesellschaft. Vielleicht liegt es auch an der Unpersönlichkeit des Internets, vielleicht gibt es Parallelen zum Unterschied zwischen dem Leben in der Großstadt und auf dem Dorf. Trotzdem meine ich, dass es gelegentlich die Anstrengung wert wäre, sich hierzulande eine Meinung ohne Etikett zu bilden.
Zitat von Martin im Beitrag #42ITrotzdem meine ich, dass es gelegentlich die Anstrengung wert wäre, sich hierzulande eine Meinung ohne Etikett zu bilden.
Das meine ich auch. Was stört uns denn am Rassisten? Daß er Leute nach einem Vorurteil beurteilt, das sich an eine Äußerlichkeit (oder angebliche Erfahrung) hängt, ohne ihnen ihre über jede solche Etikettierung hinausgehende Individualität und Entwicklungsfähigkeit zuzubilligen. Wenn ich nun eine an sich neutrale oder ambivalente Äußerung von X höre, den ich aufgrund früherer Erfahrung oder Hörensagen für einen Rassisten halte, und aufgrund dieses Vorurteils davon ausgehe, das er nur etwas ganz Schlimmes und Rassistisches gemeint haben kann, was mein Vorurteil wieder bestätigt, dann wende ich doch im Grunde dasselbe Prinzip an und bin daher kein bißchen besser als er. Ebenso wenn ich für eine unsägliche Äußerung von Y, den ich nicht für einen Rassisten halten will, jede mögliche beschönigende Erklärung suche.
Kontext ist immer wichtig, aber Vorgeschichte (und eigenes Vorurteil) sind nicht identisch mit Kontext. Es kommt schon vor, daß Personen ihre Meinung ändern, und man sollte ihnen immer die Gelegenheit dazu einräumen.
"Rassist" ist keine eigene Spezies Mensch, sondern etwas, was jemand ist, während er rassistische Ansichten verbal oder handgreiflich vertritt. Damit kann jeder jederzeit anfangen oder aufhören.
Zitat von Doeding im Beitrag #27Diese Neigung ist also weltanschaulich höchstwahrscheinlich neutral und ist, scheint mir, eher mit dem jeweils herrschenden Mainstream verkoppelt.
Lieber Andreas,
darüber habe ich ebenfalls bereits häufig nachgedacht und ich muß dir hier zustimmen. Es gibt aber zwei Punkte, die ich darüber hinaus ebenfalls sehe.
1) Diese Dinge sind wohl "weltanschaulich höchstwahrscheinlich neutral" aber trotzdem falsch. Die Tatsache nun, dass an andere Stelle, in anderen Zeiten Dinge falsch sind / waren, macht es nicht besser oder entbindet von Kritik, wenn die gleichen Dinge wieder getan werden.
Natürlich, hier kein Widerspruch von mir. Ich finde es nur immer wichtig (und redlich im Sinne der kritischen Selbstprüfung), daß man das nicht zu sehr an der (eher zufällig) gegenwärtigen Realisierung dieses Phänomens, dem linksgrünen Zeitgeist festmacht, sondern daß jeder Bewegung, jeder (politischen) Ideologie diese Tendenz wohl innewohnt.
Zitat 2) Grundsätzlich halte ich diesen, von mir beschriebenen Mechanismus trotzdem für den „Kristallisationspunkt“ an dem sich totalitäres Denken entwickeln kann und eine Besonderheit läßt mich diesen Umstand, bezogen auf heute, kritischer sehen als bezogen auf die Vergangenheit. Ich glaube unsere Gesellschaft (die Teile, welche sich mit dem Moralmonopol ausgestattet sehen) hat sich selbst nie weiter entfernt von den diversen Zivilisationsbrüchen der Vergangenheit empfunden, wie heute.
Hier habe ich, lieber n_s_n, meine Zweifel. Ich glaube nicht, daß beispielsweise die Nazis und ihre Mitläufer sich moralisch im Unrecht gesehen haben; die große Weltgefahr ging für sie halt vom "Bolschewismus" (von dem ohne Zweifel auch eine erhebliche Gefahr ausgegangen ist) und vom "Internationalen Finanzjudentum" aus, Hilters Lieblingsparanoia, die aber eben doch in weiten Teilen des Bürgertums verbreitet gewesen ist. das ganze vermengt mit etwas Vulgärdarwinismus, und schon wurde das ganze moralisch scheinlegitimiert. Für die Nazis ging es um die Rettung der Zivilisation, daran haben die meisten, davon bin ich überzeugt, wirklich geglaubt. Und wer kann dagegen schon moralische Einwände haben?
Auch die Stalin-Bolschewisten würden, vermute ich, den Begriff des Zivilisationsbruches weit von sich gewiesen haben und hätten, damit konfrontiert, ihren ideologischen Sermon runterbeten können. Gleiches gilt für die religiös unterfütterten Diktaturen und Zivilisationsbrüche der Vergangenheit und Gegenwart. Ich glaube, das ist der immer gleiche Mechanismus, ABER: wir leben in einer Demokratie, bei der es Korrekturmechanismen gibt, und ich glaube, daß man die, auch in der gegenwärtig oft mißlichen politischen Lage und Klima, nicht kleinreden sollte (ohne Dir das damit unterstellen zu wollen). Die Demokratie hat das Potenzial, diese Kräfte einzuhegen, indem es eine Pendelbewegung des Zeitgeists ermöglicht, an deren Funktionieren ich immer noch glaube. Kann man an der Flüchtlingskrise ganz gut sehen (makroskopisch gesehen; im Detail läuft natürlich immer noch vieles falsch). Energiewende dauert vermutlich nur entsprechend länger, weil Ursache und Wirkungen durch politische Winkelzüge besser zeitlich entkoppelt werden konnten. Die Zeit der Abrechnung, da bin ich leidlich sicher, kommt auch hier (auch wenn viele bis dahin eingetretene Schäden nicht, oder nicht mehr ohne weiteres, korrigiert werden können).
Ich glaube nicht, daß die Menschen heute mehr oder weniger moralisch-diktatorisch unterwegs sind als zu anderen Zeiten oder in anderen Regionen; entscheidend ist das System, nämlich daß wir einen demokratisch verfaßten Rechtsstaat haben. Mir ist spontan kein Land bekannt (auch nicht Deutschland 1933; diese Demokratie war nie wirklich etabliert), in dem sich eine alles in allem gut funktionierende Demokratie mit alles in allem gut funktionieren Institutionen schleichend selbst abgeschafft und durch eine Diktatur ersetzt hätte. Diktaturen beginnen fast immer mit Revolutionen, und im Revolutionen veranstalten sind wie Deutsche glücklicherweise eher schlecht .
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Doeding im Beitrag #44Hier habe ich, lieber n_s_n, meine Zweifel. Ich glaube nicht, daß beispielsweise die Nazis und ihre Mitläufer sich moralisch im Unrecht gesehen haben;
Hier hast du mich zumindest in Teilen mißverstanden - wenn ich dich jetzt nicht mißverstehe . Natürlich haben sich viele Menschen in dieser Zeit moralisch nicht im Unrecht gesehen. Das ist eine Position, die ich sogar oft vertrete, weil diese Erkenntnis wichtig ist, um die Geschehnisse im dritten Reich richtig verstehen und einordnen zu können. Mein Punkt ist ja genau der, dass sich Menschen, die sich im (moralischen) Recht fühlen, ihre Taten nicht mehr hinterfragen. Und da genau da sehe ich die Paralelle zu heute, die ich möglicherweise umständlich formuliert habe. Viele Menschen glauben heute so sehr mit ihrer Moral gegen Totalitarismus geschützt zu sein, dass sie ihre Taten (die mit ihrer Moral in Einklang sind) in dieser Hinsicht nicht mehr hinterfragen. Sie, leben quasi nicht nur im Bewußtsein moralisch richtig zu liegen ("was weltanschaulich neutral immer so ist"), sondern haben zusätzlich auch mehr oder weniger ganz einfache formale moralische Vorschriften von denen sie glauben, dass sie gegen Totalitarismus schützen, obwohl sie in der Art der Umsetzung genaus gegenteilig wirken.
Mit deinem Punkt, dass wir in unserer Demokratie starke Korrekturmechanismen haben, auf die man ein sehr gutes Stück weit vertrauen sollte und kann, hast du definitiv Recht. Mir ging es mit dem was ich schrieb auch gar nicht darum, den Untergang herbeizuschreiben, sondern ich wollte die Mechnismen, die ich zu erkennen glaube, offen legen (und habe dabei nur noch mehr verwirrt ):
Im Totalitarimus geschehen schlimme Dinge, weil Menschen dort blind an ihre Moral glauben. Heute glauben Menschen wieder blind eine Moral, weil sie glauben, dass schützt sie vor Totalitarismus. Das ist für mich der Treppenwitz, den die wenigsten zu sehen scheinen. Das soll in keiner Weise sagen, dass wir auf einen Totalitarismus zusteuern. Das glaube ich nicht. Das soll sagen, dass nach meiner Auffassung, die meisten Menschen immer noch nicht begriffen haben, woraus Totalitarismus entsteht. Nicht aus der falschen Weltanschauung heraus, sondern aufgrund einer beliebigen Moral, der man so blind vertraut, dass sie jede Tat rechtfertigt. Man spricht so oft davon, was die Deutschen aus der Geschichte gelernt haben. Diese Lektion, zumindest in meinen Augen, nicht.
Ich wollte garnichts widersprüchliches zu deinem letzten Beitrag formulieren. Im Gegenteil. Ich hoffe mir ist gelungen, das um was es mir ging jetzt verständlicher auszudrücken.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
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Zitat von Martin im Beitrag #42Ich habe so einige Probleme mit den Etikettierungen, angefangen beim 'Rassisten' bis zum 'Antisemiten'. Etikettierung und Konsequenzen darauf folgen letztlich demselben Schema, das man den 'Rassisten' vorwirft. Es ist wie eine Ampelkennzeichnung auf Produkten für diejenigen, die nicht lesen können und wollen. Ich sehe in der Etikettierung eine Mischung aus mentaler Bequemlichkeit und einer Schiffe-Versenken-Mentalität. Ich habe viel mit US-Amerikanern höherer Bildung zusammengearbeitet und auch diskutiert, ich habe dort nie diesen schon fast radikalen Etikettierungsdrang gespürt, wie das in deutschen Diskussionen der Fall ist. Es mag sein, dass sich das in den USA inzwischen auch etwas geändert hat, die USA scheinen mir aber inzwischen auch nicht mehr das freie Land zu sein, das ich vor 40 Jahren kennen gelernt habe.
Es ist nun mal so, dass Menschen Vorurteile, Urteile, Positionen haben, die unfair bis bösartig sein können, es ist Teil der menschlichen Natur und Gesellschaft. Vielleicht liegt es auch an der Unpersönlichkeit des Internets, vielleicht gibt es Parallelen zum Unterschied zwischen dem Leben in der Großstadt und auf dem Dorf. Trotzdem meine ich, dass es gelegentlich die Anstrengung wert wäre, sich hierzulande eine Meinung ohne Etikett zu bilden.
Gruß, Martin
Ich möchte Ihnen zustimmen. Ich habe das Wort "Rassist" nur benutzt weil es zuvor benutzt wurde. Ich benutze es normalerweise nicht als persönliche Zuschreibung.
Nun, den künstlerischen Wert kann man durchaus in Frage stellen.
Abgesehen von der Deutung, die hier im Zimmer vorgeschlagen wurde, dass man das Gedicht sozusagen als ein Symbol versehen soll, das nur noch für sich selbst steht, könnte man allerdings noch einen anderen Sinn in diesem Beitrag sehen: Es geht in der Satire nicht so sehr um den Inhalt des Gedichtes, sondern um die absehbaren gesellschaftlichen, politischen und sogar juristischen Folgen, die es nach sich zieht.
So gesehen sind wir alle Beteiligte an einem großen politischen Aktionskunstwerk. Sowas wie Sacha Baron Cohen?
Nun, den künstlerischen Wert kann man durchaus in Frage stellen.
Abgesehen von der Deutung, die hier im Zimmer vorgeschlagen wurde, dass man das Gedicht sozusagen als ein Symbol versehen soll, das nur noch für sich selbst steht, könnte man allerdings noch einen anderen Sinn in diesem Beitrag sehen: Es geht in der Satire nicht so sehr um den Inhalt des Gedichtes, sondern um die absehbaren gesellschaftlichen, politischen und sogar juristischen Folgen, die es nach sich zieht.
So gesehen sind wir alle Beteiligte an einem großen politischen Aktionskunstwerk. Sowas wie Sacha Baron Cohen?
Böhmermann hatte mit der Sendung seines "Gedichtes" zwei populistische (weil von der öffentlichen Meinung getragen) Stoßrichtungen: Die eine war der von der Kanzlerin im Alleingang eingefädelte Türkeivertrag welchen sie der EU überhalf um die (einzig effektive) Schließung der Balkanroute durch Eigeninitiative Österreichs und anderer Länder zu verhindern. Das ist bekanntlich misslungen. Also beides, auch der Türkeivertrag. Denn auch für den braucht sie die Mithilfe Griechenlands die sie nicht bekommt. Ohne Griechenland will sie aber keine EU-Politik durchgeführt sehen, als überzeugte EU-Europärin. Die zweite Stoßrichtung liegt im Narzissmus Bömermanns begründet und sucht Aufmerksamkeit um jeden Preis. Schmidt hätte so was nicht gemacht. Böhmermann ist wurscht was für Folgen sein handeln hat und zudem wollte er wohl auch mal den Beweis antreten, dass der ÖR kein Staatsfernsehen ist. Ist er aber doch, nur hat mal die Kontrolle versagt oder die Kanzlerin sieht einfach mal dem Ende ihrer Amtszeit entgegen. Da der Medienbetrieb ziemlich links tickt und die Umfragewerte der SPD in den Keller rauschen kann man das Ganze als Tritt in den ... ansehen.
Was aber, wieder einmal, deutlich wurde, ist die selektive Wahrnehmung mit der das Thema behandelt wurde. Steinmeier steht und stand für den Iran-Deal und Gabriel hat Rohani sogar einen Freund genannt. Also das Rumhacken auf Erdogan hat nichts mit seinen Menschenrechtsverletzungen zu tun und die Forderung Deutschland solle Despoten nicht mehr die Hand reichen ist reine Menschenrechts-Folklore.
Aber solch eine selektive Sichtweise ist eben populär und niemand fragt sich warum Erdogan dran ist und nicht Putin, der das Netzwerk des Bundestags abgeschöpft und erst vor kurzem eine üble Schmutzkampagne gegen Deutschland fuhr (Fall Lisa). Kürzlich hat sich Moskau für eine wilde Verschwörungstheorie gegenüber der SZ entschuldigt (Panamapapers). Ich will hier gar nicht aufzählen mit wie viel Potentaten Deutschland schön Wetter macht.
Ebenso selektiv ist die Sicht auf die angeblich bedrohte Meinungsfreiheit. Wenn irgendein ausländischer Politiker unsere Meinungsfreiheit bedroht, ist es Putin. Und im Inland ist es der Bundesjustizminister. Aber nicht Erdogan. Er und die Türkei ist einfach mal ein Nato-Verbündeter und auf lange Sicht wichtiger Teil einer jeden geostrategischen Überlegung. Überhaupt ist die Meinungsfreiheit weder von Erdogan noch von Putin bedroht.
Die Kanzlerin bekommt Pfeffer von vielen Seiten, selbst in der Union wird an ihrem Stuhl gesägt. Bei der SPD hofft man dadurch den eigenen Abstieg zu stoppen. Und die Union kann nicht mehr mit ihr in einen weiteren Bundeswahlkampf ziehen, will sie ihren Abwärtstrend stoppen.
Ich hab noch einen Nachtrag von jemandem der hier mal hohes Ansehen genoss. Nicht dass ich jetzt ein Anhänger wäre, nein. Aber ich gebe unumwunden zu, dass mir dieser Artikel von Bernd Lucke außerordentlich gut gefällt. Das fängt schon mit dem Titel seines Beitrages an, den ich leider, leider nicht zitieren kann, weil mir die Forumsregeln nur allzugut bekannt sind. http://bernd-lucke.de/was-man-nicht-sage...feige-drecksau/
mir gefällt an Luckes Artikel einiges nicht. Lucke suggeriert eine Kausalität von Erdogan mit der Verbesserung ökonomischer und gesundheitlicher Randbedingungen, auch wenn er es nicht explizit behauptet. Im Kontext will er das jedenfalls so verstanden wissen. Beispiel Lebenserwartung: Die Lebenserwartung in der Türkei steigt von etwas unter 50 Jahren seit 1960 kontinuierlich an und nähert sich asymptotisch EU-Werten. Da gibt es keine erkennbare Erdogan-Unstetigkeit. Ähnliches gilt für die Säuglings- und Kindersterblichkeit.
Bei einem solchen Beitrag frage ich mich eher, was Lucke antreibt, sich für Erdogan in dieser Form in die Bresche zu werfen.
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