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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 91 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

19.04.2016 11:28
#76 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #65
Also mich hat das überhaupt nicht überrascht.

Du bist wirklich davon ausgegangen, daß sich die Koalition in ausgerechnet so einer Frage öffentlichkeitswirksam zerlegt?
Und offen zugibt, daß die Kanzlerin sich einfach mit ihrem Stimmrecht gegen den SPD-Widerspruch durchgesetzt hat?

Ehrlich gesagt: Ich kenne die SPD und ihre Machtlogik nun schon seit vielen Jahren. Und da ist es normalerweise ein völliges Tabu, sich so vorführen zu lassen. Mir ist immer noch unklar, warum sich Steinmeier und Maas so haben demütigen lassen. Das wird nicht aufgewogen durch etwas Anbiedern an den Populismus.

Zitat
Im übrigen muss ich abermals auf eine Fortentwicklung Deines Zitates verweisen...(#59)


Welches Zitat? Ich verstehe den Verweis auf #59 nicht.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

19.04.2016 11:59
#77 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #75
Böhmermann urteilt primär ästhetisch, sekundär moralisch, und niemals politisch.
Interessant.

Hier bin ich möglicherweise in der Tat im eigenen Denken zu unpräzise. Da für mich Politik und Moral immer mehr verschwimmen, vor allem weil politisches Handeln immer öfter mit Moral begründet wird, impliziert für mich ostentative moralische Positionierung gleichzeitig auch eine politische Positionierung. Ich verstehe also Politik mehr als Haltung, denn als Handwerk. Ich frage mich woher das kommt.

Wahrscheinlich daher, dass ich persönlich politisches Handeln immer mehr als Missionierung im Sinne der eigenen Moralvorstellung empfinde und damit die Politische Haltung, der dieses Handeln entspringt, mir als Synonym für den Begriff "Religion" samt implizierter Moral erscheint.

In diesem Verständnis ist Böhmermann für mich sehr stark politisch. Faktisch ist er aber nur überzeugter Anhänger einer Religion, welche derzeit einen sehr starken politischen Einfluß genießt.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

19.04.2016 12:01
#78 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #76
Ehrlich gesagt: Ich kenne die SPD und ihre Machtlogik nun schon seit vielen Jahren. Und da ist es normalerweise ein völliges Tabu, sich so vorführen zu lassen. Mir ist immer noch unklar, warum sich Steinmeier und Maas so haben demütigen lassen. Das wird nicht aufgewogen durch etwas Anbiedern an den Populismus.

Aber findest Du nicht, dass dieses Not in our name zur ganzen Affäre passt wie Gesäß auf Putzwasserbehälter?

Es ist ja völlig irre, dass jede kleinste Facette breitgetreten wird, dieser Aspekt aber kaum kommentiert wird. Ich glaube, dass es außerhalb der professionellen Politik - nicht als Demütigung gesehen wird, sondern als tapferer Widerstand für das Gute, Wahre und Schöne

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

19.04.2016 12:09
#79 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #77
Hier bin ich möglicherweise in der Tat im eigenen Denken zu unpräzise. Da für mich Politik und Moral immer mehr verschwimmen, vor allem weil politisches Handeln immer öfter mit Moral begründet wird, impliziert für mich ostentative moralische Positionierung gleichzeitig auch eine politische Positionierung. Ich verstehe also Politik mehr als Haltung, denn als Handwerk. Ich frage mich woher das kommmt.

Wahrscheinlich daher, dass ich persönlich politisches Handeln immer mehr als Missionierung im Sinne der eigenen Moralvorstellung empfinde und damit die Politische Haltung, der dieses Handeln entspringt, mir als Synonym für den Begriff "Religion" samt implizierter Moral erscheint.

Abgesehen davon, dass ich den Begriff der Religion bzgl. partieller und diffuser Weltanschauungen immer für unpassend halte: Meinst Du dann, die Gesetze und politischen Entscheidungen sind quasi nur ein Abfallprodukt des moralischen Wettbewerbs? Das ist genau das verfehlte Politikverständnis der Böhmermänner (wobei er eben auch sehr stark ästhetisch geprägt ist). Ich weiß nicht, ob die beste Art, es zu bekämpfen ist, dass man es sich zu eigen macht...

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

19.04.2016 12:45
#80 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #78
Aber findest Du nicht, dass dieses Not in our name zur ganzen Affäre passt wie Gesäß auf Putzwasserbehälter?

Von hinterher betrachtet durchaus. Aber vorher erwartet hätte ich das überhaupt nicht. Es ist einfach atemberaubend wie sich diese Sache entwickelt hat.

Zitat
Ich glaube, dass es außerhalb der professionellen Politik - nicht als Demütigung gesehen wird, sondern als tapferer Widerstand für das Gute, Wahre und Schöne


So würden es Steinmeier und Maas bestimmt gerne gesehen wissen und natürlich gibt es auch Leute, die das tun. Andere finden es nicht ausreichend, weil man sich eben überstimmen ließ anstatt das zur Koalitionsfrage zu machen.

Aber was ich halt überraschend finde: Typisch gerade für die SPD ist es normalerweise, in erster Linie die professionelle Innensicht zu beachten. Die ist für Entscheidungen wichtig, nachgelagert kommt erst das Verkaufen nach außen (was dann zu Logikbrüchen und Unglaubwürdigkeit führen kann).

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

19.04.2016 13:04
#81 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat
Typisch gerade für die SPD ist es normalerweise, in erster Linie die professionelle Innensicht zu beachten. Die ist für Entscheidungen wichtig, nachgelagert kommt erst das Verkaufen nach außen (was dann zu Logikbrüchen und Unglaubwürdigkeit führen kann).


Vielleicht hat sich ja der grüne Politikstil aus Schröderzeiten auch in der SPD durchgesetzt: Konsequente Umsetzung der Kanzlerlinie unter lautdröhnendem Protest.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

19.04.2016 14:00
#82 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #79
Meinst Du dann, die Gesetze und politischen Entscheidungen sind quasi nur ein Abfallprodukt des moralischen Wettbewerbs?
Nein, das denke ich nicht. Allerdings sehe ich durchaus eine Tendenz in diese Richtung, die ich imer wieder kritisiere. Siehe zum Beispiel hier oder hier oder hier.

Zitat von Meister Petz im Beitrag #79
Das ist genau das verfehlte Politikverständnis der Böhmermänner
Es mag als ein semantischer Unterschied erscheinen, aber mir ist es ein sehr wichtiger Unterschied: Es ist nicht mein Verständnis von Politik, sondern meine Wahrnehmung von Teilen des aktuellen Politikbetriebs.


Zitat von Meister Petz im Beitrag #79
Ich weiß nicht, ob die beste Art, es zu bekämpfen ist, dass man es sich zu eigen macht
Mein Ziel ist nicht, mir dies zu Eigen zu machen. Ich habe nur im Rahmen meiner Wahrnehmung beschrieben bzw. gedacht und in dieser Wahrnehmung verstehen Menschen unter Politik immer öfter moralisches Handeln, gemessen an bestimmten Maßstäben. Ich mache damit wohl eine eigenmächtige inhaltliche Zuschreibung an das Wort "politisch", ohne damit aussagen zu wollen, was es richtiger Weise bedeuten sollte. Ich finde es falsch, auf diese Art und Weise Politik zu betreiben, weswegen es mich ja auch so nervt (dass es trotzdem geschieht) und dadurch meine Wahrnehmung domniniert. Es ist aber auf jeden Fall gut, sich über diese selektive Wahrnehmung und/oder "eigenmächtige Begriffsbedeutungszuschreibung" bewußt zu werden. Wenn man da nicht aufpasst, assimiliert man wahrscheinlich mit der Zeit tatsächlich an die, welche man nicht mag.

In diesem Sinne danke für deinen Hinweis.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

19.04.2016 14:16
#83 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #76
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #65
Also mich hat das überhaupt nicht überrascht.

Du bist wirklich davon ausgegangen, daß sich die Koalition in ausgerechnet so einer Frage öffentlichkeitswirksam zerlegt?
Und offen zugibt, daß die Kanzlerin sich einfach mit ihrem Stimmrecht gegen den SPD-Widerspruch durchgesetzt hat?

Ehrlich gesagt: Ich kenne die SPD und ihre Machtlogik nun schon seit vielen Jahren. Und da ist es normalerweise ein völliges Tabu, sich so vorführen zu lassen. Mir ist immer noch unklar, warum sich Steinmeier und Maas so haben demütigen lassen. Das wird nicht aufgewogen durch etwas Anbiedern an den Populismus.

Zitat
Im übrigen muss ich abermals auf eine Fortentwicklung Deines Zitates verweisen...(#59)

Welches Zitat? Ich verstehe den Verweis auf #59 nicht.


In #59 habe ich das relativiert was Du zitiert hast.

Der Dissens hat mich nicht überrascht weil die SPD ihre Zustimmung für das Türkeiabkommen verknüpft hat, mit einer "harten und kritischen Auseinandersetzung" wegen der Mißachtung der Pressefreiheit. In diesem Zusammenhang sehe ich den Besuch des Botschafters beim Strafprozess gegen zwei Journalisten, wovon sich das AA nicht distanzierte.
Der ist Teil dieser Auseinandersetzung weil eine Mehrheit in Deutschland gegen das Türkeiabkommen ist und die SPD gleichzeitig in Umfragen abstürzt.
Also wird die Menschenrechtsproblematik weiter in den Vordergrund geschoben. Dann kommt extra3 und Erdogan sieht die Möglichkeiten aus der Defensive zu kommen nutzt sie und der Druck auf die SPD wächst weiter (von Erdogan vorführen lassen) noch mehr die Stirn zu bieten. Nach Böhmermann ist die Schmerzgrenze für die SPD erreicht. Sie muss ihren Absturz stoppen und kann das Türkeiabkommen nicht mehr richtig verkaufen.
Sie opponiert gegen Merkel. Die aber hat keinen Spielraum (ich sehe ihr Ja zur Ermächtigung als zwingend) - der
Eklat ist da.
Ich habe nicht vorhergesehen, dass die SPD Merkel im Regen stehen lässt oder andere Variante, sich überstimmen lässt.
Die SPD sieht 10% + irgendwas im Bund endgehen.
Und Merkel hat außer der SPD auch die CSU als Opposition.
Klar wird es jetzt rau. Sie kämpft um ihre Kanzlerschaft.
Ebenso wie der Widerstand

Viele Grüße, Erling Plaethe

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

19.04.2016 14:27
#84 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #75
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #72
Lieber Petz, ich habe hier ein Interview mit Böhmermann aus 2013 in dem sein "satirisches Politmagazin" angekündigt wird. Auf die Frage was ihn an Politikern interessiere antwortet er:
"Ihre Hilflosigkeit". In der Tat!
http://www.zeit.de/campus/2013/04/in-der...jan-boehmermann

Ja genau, das meine ich. Ihn interessiert Politik nicht auf der Sachebene ("Politik gibt es gar nicht"), sondern lediglich als Blaupause für die Analyse und Kritik des daraus emergierenden kommunikativen Handelns der Politiker und der dahinter stehenden Haltung. Böhmermann urteilt primär ästhetisch, sekundär moralisch, und niemals politisch.

Gruß Petz

Die Aussage "Politik gibt es gar nicht" ist gleichbedeutend mit alles ist Politik. Er ist interessiert an gesellschaftlichen Themen sagt er, das ist Politik.
Böhmermann politischer als Du und ich!

Viele Grüße, Erling Plaethe

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

19.04.2016 14:39
#85 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #84
Die Aussage "Politik gibt es gar nicht" ist gleichbedeutend mit alles ist Politik. Er ist interessiert an gesellschaftlichen Themen sagt er, das ist Politik.
Böhmermann politischer als Du und ich!

Dann gilt die Gleichsetzung auch für "alles ist Satire" und Böhmermann ist freizusprechen. Würde er selber auch so sehen.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

19.04.2016 14:55
#86 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat
Wenn man da nicht aufpasst, assimiliert man wahrscheinlich mit der Zeit tatsächlich an die, welche man nicht mag.


Zwangsläufig, lieber n_s_n, das beste Beispiel sind die engagierten Antirassisten. Die sind auf der Suche nach rassistischen Motiven so fixiert, dass sie a) überall Rassismus wittern (Mohrenkopf etc.) und b) in ihrer Stellvertreterrolle sich dermaßen über die vermeintlichen Rassismusopfer erheben, dass es selbst schon rassistische Züge annimmt.

Konfrontiert man sie mit letzterem, werden sie empört sein (aber ich denke doch nicht so, sondern nur die anderen!), bei ersterem dagegen bestreiten, dass es nur ihre Wahrnehmung ist, und dem Gegenüber Verdrängung, Salonfähigmachung oder gar Paktieren mit dem politischen Feind (cui bono?) vorwerfen.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

19.04.2016 14:55
#87 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #82
Ich habe nur im Rahmen meiner Wahrnehmung beschrieben bzw. gedacht und in dieser Wahrnehmung verstehen Menschen unter Politik immer öfter moralisches Handeln, gemessen an bestimmten Maßstäben. Ich mache damit wohl eine eigenmächtige inhaltliche Zuschreibung an das Wort "politisch", ohne damit aussagen zu wollen, was es richtiger Weise bedeuten sollte. Ich finde es falsch, auf diese Art und Weise Politik zu betreiben, weswegen es mich ja auch so nervt (dass es trotzdem geschieht) und dadurch meine Wahrnehmung domniniert. Es ist aber auf jeden Fall gut, sich über diese selektive Wahrnehmung und/oder "eigenmächtige Begriffsbedeutungszuschreibung" bewußt zu werden. Wenn man da nicht aufpasst, assimiliert man wahrscheinlich mit der Zeit tatsächlich an die, welche man nicht mag.
Wenn ich dies als Angebot einer Nebendiskussion annehmen darf, um meinen eigenen Mostrich beizusteuern:

Ich glaube, Politik und Moral sind tatsächlich auf die Weise verbunden, daß eine Weltanschauung/Philosophie beides simultan beantwortet. Auch eine rein "private" Weltanschauung muß sich immer mit der Frage auseinandersetzen, wie ihr Anhänger denn zum Staatsbetriebe zu stehen habe. Damit ist man schon auf gewisse Weise in der politischen Sphäre. Umgekehrt haben Weltanschauungen, die sich primär politisch verstehen und Privatheit eigentlich nicht kennen (kollektivistische Weltanschauungen), auch eine moralische Positionierung im Gepäck, zumindest dergestalt, daß sie eine "private Moral" den politischen Umständen unterworfen sehen: Für die Lageraufseher und Polizisten war dasselbe geboten, was normalerweise selbst in der jeweiligen Diktatur verboten war (z.B. Mord).

Unsere Situation ist gegenwärtig, daß gar keine Weltanschauung oder politische Philosophie mehr eine Rolle spielt: Sozialismen, polit. Katholizismus, Liberalismus --alle tot. Damit greift die Rückfallösung, daß auch politische Akteure nur noch die private Moralvorstellungen (ich sage private Moral im Gegensatz zum --von uns beiden vermutlich abgelehnten-- Begriff der politischen Moral) als Handlungsleitfaden nehmen.

Das ist für sich gar nicht so schlecht, nur leider übersieht man auf verhängnisvolle Weise, daß ihr Handeln nicht nur ihre eigene Privatheit umfaßt, sondern auch auf die Ressourcen zurückgreift, die ganz unmoralisch durch erzwungene Abgaben (Steuern) einbezogen werden. Dadurch hat das privat gefühlte Handeln (z.B. Merkels facebookparty) zugleich einen bedeutsamen Hebel zur Anreizsetzung bei Dritten. Und ist damit (oh Wunder!) politisch, obwohl man philosophisch gar nichts mit diesen Effekten anfangen kann. (Beispiel: Ein Recht auf Sozialhilfe kann von möglichen Bedürftigen anders kalkuliert werden, als wenn echte Bedürftige ihren Lebensunterhalt nur durch Almosen bestreiten könnten, die durch private Barmherzigkeit gegeben werden.)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

19.04.2016 15:30
#88 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #85
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #84
Die Aussage "Politik gibt es gar nicht" ist gleichbedeutend mit alles ist Politik. Er ist interessiert an gesellschaftlichen Themen sagt er, das ist Politik.
Böhmermann politischer als Du und ich!

Dann gilt die Gleichsetzung auch für "alles ist Satire" und Böhmermann ist freizusprechen. Würde er selber auch so sehen.

Gruß Petz

Ich mache mir solche Aussage nicht zu Eigen nur weil ich den Quatsch zitiere und mit Quatsch beantworte.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

19.04.2016 15:37
#89 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #88
Zitat von Meister Petz im Beitrag #85
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #84
Die Aussage "Politik gibt es gar nicht" ist gleichbedeutend mit alles ist Politik. Er ist interessiert an gesellschaftlichen Themen sagt er, das ist Politik.
Böhmermann politischer als Du und ich!

Dann gilt die Gleichsetzung auch für "alles ist Satire" und Böhmermann ist freizusprechen. Würde er selber auch so sehen.

Ich mache mir solche Aussage nicht zu Eigen nur weil ich den Quatsch zitiere und mit Quatsch beantworte.

Weiß ich doch.

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

23.04.2016 21:21
#90 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #21
Zum einen habe ich keine Ahnung, was im Detail vereinbart wurde, was davon als umgesetzt gilt, was passiert, wenn dies nicht umgesetzt wird, wann beispielsweise Geld fließt. In den letzten Tagen hieß es immer wieder, die Vereinbarung sei bereits gescheitert, Konsequenzen wurden aber nie erwähnt.

Die Vereinbarung gescheitert? Aber nicht doch:

Zitat von FAZ
Nach dem Treffen mit Merkel verkündete Davutoglu, dass das Abkommen zwischen der Türkei und der EU bereits deutliche Wirkung zeige. Im November hätten noch 6000 Flüchtlinge täglich die Ägäis auf dem Weg in die EU überquert, diese Zahl sei inzwischen aber auf 130 gesunken.


Damit, daß die geschmähten Balkanstaaten Schotten dicht gemacht haben, hat das selbstverständlich nichts zu tun, sondern es ist allein das Verdienst von Merkel und ihren türkischen Partnern.
Und so ist das, was ursprünglich wie eine langfristige, aufwendige Verpflichtung und Partnerschaft aussah, bereits ruckzuck erledigt und in allen Punkten geleistet, selbst wenn die paar Rückzuführenden der ersten und voraussichtlich letzten Runde es nur bis Griechenland geschafft haben:

Zitat von FAZ
Mit Blick auf sein Land sagte Davutoglu: „Wir haben unsere Aufgaben erfüllt.“


Wir staunen, aber so schnell und einfach geht das offenbar! Jetzt ist aber im Gegenzug die EU in der Pflicht:

Zitat von FAZ
Er gehe nun davon aus, dass die EU wie vereinbart die notwendigen Schritte für die Aufhebung der Visumpflicht für Türken unternehmen werde. „Das ist für die Türkei essenziell.“


In der Politik, dieser Art von Politik jedenfalls, ist Spin alles, wie es scheint.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

24.04.2016 06:51
#91 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #90

Wir staunen, aber so schnell und einfach geht das offenbar! Jetzt ist aber im Gegenzug die EU in der Pflicht:

Zitat von FAZ
Er gehe nun davon aus, dass die EU wie vereinbart die notwendigen Schritte für die Aufhebung der Visumpflicht für Türken unternehmen werde. „Das ist für die Türkei essenziell.“

In der Politik, dieser Art von Politik jedenfalls, ist Spin alles, wie es scheint.



Ja, da würde ich jetzt gerne Mäuschen spielen: Das mit der Rücknahme von ("illegalen") Migranten durch die Türkei hat sich wohl im Sande verlaufen, die Migranten sind wohl nicht einverstanden. Der Exodus aus Lagern in der Türkei sollte wohl durch von der EU bezuschusste attraktivere Gestaltung dieser Lager gestoppt werden. Merkel hat das jetzt wohl persönlich inspiziert. Sie wird uns sicher erzählen, dass die Türken das jetzt hervorragend im Griff haben. Vermutlich haben sie in einer zusätzlichen Maßnahme die Schleuser in den türkischen Häfen zu einer Party eingeladen, damit die Boote im Hafen bleiben. Gaddafis Rezepte dürften wirkungsvoller sein als schöne Flüchtlingslager.

Tja, wird die EU nun die Visumpflicht aufheben? Der weitere Verlauf ist ein Fall für Spieltheoretiker. Denn wozu braucht es eine Visumpflicht, wenn die Türkei faktisch niemanden zurücknehmen muss, und das Geld für schöne Lager bereitgestellt ist. Heißt das, das Geld versickert anderweitig, wenn die Visumpflicht nicht einkassiert wird?

Wie auch immer, ich hatte hier in Ludwigsburg fast in Sichtweite einen Vorgeschmack auf unsere visumfreie deutsche Zukunft: http://www.rheinneckarblog.de/23/tuerken...fad/100724.html

Gruß, Martin

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

24.04.2016 10:17
#92 RE: Böhmermanns Gedicht und die unbemerkte Beleidigung Antworten

Um noch einmal zu meinem ursprünglichen Thema zurückzukehren: Gestern konnte ich auf der ADG lesen, dass die "versteckte Beleidigung des Herrn Böhmermann" beim ZDF kein Einzelfall zu sein scheint. In einer "heute Sendung" wurde eine in Großbritannien durchgeführte Studie zur politischen Einstellung von Muslimen mit folgendem Satz kommentiert:

„Diese Studie berücksichtigt nur die Stadtteile, in denen die muslimische Bevölkerung mindestens 20% beträgt, also in bildungsfernen Stadtteilen.“

Dieser Satz ist unglaublich. Er enthält zum einen ein Ressentiment, welches im ZDF sonst gerne anderen vorgeworfen wird: Ein höherer Anteil an Muslimen in der Bevölkerung sei gleichbedeutend mit höherer Bildungsferne. Auf dem viel gescholtenen Stammtischniveau würde das wohl heissen, Muslime seien dumm. Ausserdem wird implizit unterstellt, dass nur ungebildete Muslime von einer Radikalisierung durch den Islam bedroht seinen. So realitätsverleugnend diese Unterstellung zum einen ist, enthält sie auch noch gleichzeitig das unglaubliche Ressentiment, dass ungebildete Menschen zu Radikalisierung und Gewalt neigen.

Ich sehe meinen Verdacht, den ich im Falle Böhmermann beschrieb, bestätigt. Die Ressentiments, welche die deutschen, gutmenschelnden Weltenretter in der Mitte unserer Gesellschaft sehen, sehen sie nur deshalb, weil sie von sich selbst auf andere schließen. Und ich bin dazu gezwungen, wenn ich mich denn nicht in Beugehaft nehmen lassen möchte, die Verbreitung solch übler Ressentiments, wie sie das ZDF hier zum Besten gibt, mit einem Beitrag von über 200 EUR im Jahr mit zu finanzieren, der zu allem Überfluß von denen, die ihn einstreichen, auch noch als "Demokratieabgabe" bezeichnet wird.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

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