Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #48Ebenso selektiv ist die Sicht auf die angeblich bedrohte Meinungsfreiheit. Wenn irgendein ausländischer Politiker unsere Meinungsfreiheit bedroht, ist es Putin. Und im Inland ist es der Bundesjustizminister. Aber nicht Erdogan. Er und die Türkei ist einfach mal ein Nato-Verbündeter und auf lange Sicht wichtiger Teil einer jeden geostrategischen Überlegung. Überhaupt ist die Meinungsfreiheit weder von Erdogan noch von Putin bedroht.
Die eigentliche Bedrohung der Meinungsfreiheit kommt von innen, durch die übergeholfene Schere im Kopf, durch die rhetorische Ver-pack-ung der Konsenskritiker, durch die außergerichtliche Verurteilung auf Grundlage von keinem Paragraphen verbotener (und ggf. noch passend hingedrehter) Meinungsäußerung - z.B. im Falle der Nicht-Causa Pirinçci, dem per Lynchjustiz mal eben so durch damnatio memoriæ seiner Bücher (was immer man von deren literarischer Qualität halten will, das steht hier nicht zur Debatte) der Lebensunterhalt entzogen wurde, nachdem er keine justiziable Beleidigung begangen und nichts Verbotenes gesagt hatte. Daß so etwas stattfindet und alsbald in der Versenkung des allgemeinen Schweigens verschwindet, schadet der Freiheit der Gesellschaft viel mehr als irgendwelche diplomatischen Depeschen von Despoten an die Regierung, erpreßbar oder nicht.
Unter diesem Blickwinkel erscheint Böhmermanns Aktion als Ablenkung und, mit dem großen Hallo, das hier eine Sottise zum Freiheitskampf hochstilisiert, doppelt obszön.
Zitat von Martin im Beitrag #50Lieber Erling Plaethe,
mir gefällt an Luckes Artikel einiges nicht. Lucke suggeriert eine Kausalität von Erdogan mit der Verbesserung ökonomischer und gesundheitlicher Randbedingungen, auch wenn er es nicht explizit behauptet. Im Kontext will er das jedenfalls so verstanden wissen. Beispiel Lebenserwartung: Die Lebenserwartung in der Türkei steigt von etwas unter 50 Jahren seit 1960 kontinuierlich an und nähert sich asymptotisch EU-Werten. Da gibt es keine erkennbare Erdogan-Unstetigkeit. Ähnliches gilt für die Säuglings- und Kindersterblichkeit.
Bei einem solchen Beitrag frage ich mich eher, was Lucke antreibt, sich für Erdogan in dieser Form in die Bresche zu werfen.
Gruß, Martin
Die gleiche Frage können Sie auch an mich stellen. Die Antwort ist, dass sich Lucke die selektive Wahrnehmung geraderückt die schnell deutlich wird, wenn man Rohani oder Putin mit Erdogan vergleicht. Ich habe in der Zeit der Kämpfe um Aleppo in deutschen Medien (auch in der "Welt") ständig von der syrischen Armee gelesen. Kaum ein Wort von der Rolle der Kommandeure der Iranischen Revolutionsgarden (von der Rolle Suleiman ganz zu schweigen) und denen der Hisbollah (auch das ein Thema in meinem bereits erwähnten Artikel auf meinem Blog). Die Rolle des Iran in Syrien wurde massiv heruntergespielt. Ein Schelm wer den damals gerade abgeschlossenen Iran-Deal und die herzlichen Willkommensgesten der beteiligten Staaten Richtung Iran damit in Verbindung bringt. Wer beeinflusst hier mehr die Berichterstattung und wer hat hier richtig Blut an den Händen?
Erdogan wird also m.E. nicht verteidigt sondern sein Handeln einer umfassenderen Betrachtung unterzogen. Einer weniger emotionalen und mehr rationalen. Oder: weniger Thymos - mehr Nous. Die Aufregung um Erdogan und seine Darstellung steht im Missverhältnis zum Umgang mit viel übleren Potentaten und der des Iran. Der spielt m.E. dabei in einer ganz anderen Liga.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #48Ebenso selektiv ist die Sicht auf die angeblich bedrohte Meinungsfreiheit. Wenn irgendein ausländischer Politiker unsere Meinungsfreiheit bedroht, ist es Putin. Und im Inland ist es der Bundesjustizminister. Aber nicht Erdogan. Er und die Türkei ist einfach mal ein Nato-Verbündeter und auf lange Sicht wichtiger Teil einer jeden geostrategischen Überlegung. Überhaupt ist die Meinungsfreiheit weder von Erdogan noch von Putin bedroht.
Die eigentliche Bedrohung der Meinungsfreiheit kommt von innen, durch die übergeholfene Schere im Kopf, durch die rhetorische Ver-pack-ung der Konsenskritiker, durch die außergerichtliche Verurteilung auf Grundlage von keinem Paragraphen verbotener (und ggf. noch passend hingedrehter) Meinungsäußerung - z.B. im Falle der Nicht-Causa Pirinçci, dem per Lynchjustiz mal eben so durch damnatio memoriæ seiner Bücher (was immer man von deren literarischer Qualität halten will, das steht hier nicht zur Debatte) der Lebensunterhalt entzogen wurde, nachdem er keine justiziable Beleidigung begangen und nichts Verbotenes gesagt hatte. Daß so etwas stattfindet und alsbald in der Versenkung des allgemeinen Schweigens verschwindet, schadet der Freiheit der Gesellschaft viel mehr als irgendwelche diplomatischen Depeschen von Despoten an die Regierung, erpreßbar oder nicht.
Unter diesem Blickwinkel erscheint Böhmermanns Aktion als Ablenkung und, mit dem großen Hallo, das hier eine Sottise zum Freiheitskampf hochstilisiert, doppelt obszön.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #52 Die gleiche Frage können Sie auch an mich stellen. Die Antwort ist, dass sich Lucke die selektive Wahrnehmung geraderückt die schnell deutlich wird, wenn man Rohani oder Putin mit Erdogan vergleicht.
Ich hatte den Beitrag weniger als Vergleich mit Russland und dem Iran gesehen, er wäre aus ökonomischer Sicht auch nie fair zu machen gewesen, da der Iran schon lange, Russland seit über einem Jahr Sanktionen unterworfen sind, die Türkei dagegen seit zwanzig Jahren von der Zollunion mit der EU profitiert, was Erdogan in den Schoß gefallen ist. Die Zollunion ist in jedem Fall nicht sein Verdienst.
Zitat Ich habe in der Zeit der Kämpfe um Aleppo in deutschen Medien (auch in der "Welt") ständig von der syrischen Armee gelesen. Kaum ein Wort von der Rolle der Kommandeure der Iranischen Revolutionsgarden (von der Rolle Suleiman ganz zu schweigen) und denen der Hisbollah (auch das ein Thema in meinem bereits erwähnten Artikel auf meinem Blog). Die Rolle des Iran in Syrien wurde massiv heruntergespielt. Ein Schelm wer den damals gerade abgeschlossenen Iran-Deal und die herzlichen Willkommensgesten der beteiligten Staaten Richtung Iran damit in Verbindung bringt. Wer beeinflusst hier mehr die Berichterstattung und wer hat hier richtig Blut an den Händen?
Ich erinnere mich an verschiedene Berichte über iranische Kommandeure, ab und zu ist ja auch einer davon gefallen (fiel nicht auch einer einem israelischen Luftangriff zum Opfer?) Auch die massive Unterstützung der Hisbollah wurde verschiedentlich erwähnt. Ob ausgewogen oder nicht will ich in dem Zeitabstand nicht bewerten. Ich hätte dagegen eher die Rolle der USA heruntergespielt gesehen, deren Rolle erst nach dem Eingreifen Russlands peu à peu deutlicher wurde. Aber so hat wohl auch jeder von uns seine selektive Wahrnehmung .
Gruß, Martin
Zitat Erdogan wird also m.E. nicht verteidigt sondern sein Handeln einer umfassenderen Betrachtung unterzogen. Einer weniger emotionalen und mehr rationalen. Oder: weniger Thymos - mehr Nous.
Zitat von Martin im Beitrag #54 Ich hatte den Beitrag weniger als Vergleich mit Russland und dem Iran gesehen, er wäre aus ökonomischer Sicht auch nie fair zu machen gewesen, da der Iran schon lange, Russland seit über einem Jahr Sanktionen unterworfen sind, die Türkei dagegen seit zwanzig Jahren von der Zollunion mit der EU profitiert, was Erdogan in den Schoß gefallen ist. Die Zollunion ist in jedem Fall nicht sein Verdienst.
Das stimmt natürlich, das ist meine Sicht. Ich wollte auch nicht für Lucke sprechen. Was den Iran anbelangt so ist das Herunterspielen seiner Rolle (es geht bei weitem nicht nur um Kommandeure, sondern vor allem um Truppen und der Iraner Suleiman hat mit Putin den Syrien-Deal gemacht) ja nach Beendigung der Sanktionen bzw. die in Aussichtstellung erfolgt. Und Russlands Einfluss auf Deutschland läuft völlig unabhängig von Sanktionen über Parteien und Politiker. Aber das mit meiner selektiven Sichtweise will ich nicht zurückweisen. Ich arbeite daran sie abzubauen.
Abseits der Wortwahl von Herrn Lucke (die ich von ihm nicht erwartet hätte) stoße ich mich auch an etwas anderem bei diesem Text: Ich mußte bei der Lektüre an die "Es war/ist ja nicht alles schlecht." Rhetorik denken, die ich in anderen Zusammenhängen "nicht besonders glücklich" finde. - Auch wenn sie von Lucke wohl nicht so gemeint war. Aber das ist meine (vielleicht) falsche Spekulation.
Sie haben natürlich Recht, lieber Erling, dass es hierzulande keine Äquidistanz (im Vergleich zu Erdogan) bei der Beurteilung anderer Despoten gibt. Ich glaube nur, der richtige Weg wäre, andere Despoten hart als solche zu bennenen, anstatt Erdogan "weich" zu zeichnen. Um so mehr in einem Land, welches zivile Nutzung der Kernkraft für Teufelszeug hält und gleichzeitig Atomdeals mit dem Iran unterzeichnet.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Abseits der Wortwahl von Herrn Lucke (die ich von ihm nicht erwartet hätte) stoße ich mich auch an etwas anderem bei diesem Text: Ich mußte bei der Lektüre an die "Es war/ist ja nicht alles schlecht." Rhetorik denken, die ich in anderen Zusammenhängen "nicht besonders glücklich" finde. - Auch wenn sie von Lucke wohl nicht so gemeint war. Aber das ist meine (vielleicht) falsche Spekulation.
Sie haben natürlich Recht, lieber Erling, dass es hierzulande keine Äquidistanz (im Vergleich zu Erdogan) bei der Beurteilung anderer Despoten gibt. Ich glaube nur, der richtige Weg wäre, andere Despoten hart als solche zu bennenen, anstatt Erdogan "weich" zu zeichnen. Um so mehr in einem Land, welches zivile Nutzung der Kernkraft für Teufelszeug hält und gleichzeitig Atomdeals mit dem Iran unterzeichnet.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
Die ganze Diskussion um Erdogan hat einen Anfang. Ich habe dazu gestern auf meinem Blog was geschrieben. Die SPD hat wegen ihrer nahezu kompromisslosen Willkommenskultur generell Schwierigkeiten irgendeine Maßnahme zur Begrenzung des Flüchtlings- und Migrantenstroms in der Koalition mitzutragen. Sichere, d.h. dichte EU-Außengrenzen sind mit der SPD nicht durchsetzbar weil deren Basis da nicht mitmacht. Die Verlagerung der Drecksarbeit ist zwar schon ok. aber eben nicht ohne moralische Verpackung. Also war der SPD wichtig auf die miese Menschenrechtssituation im Allgemeinen und die nicht vorhandene Pressefreiheit im Besonderen parallel mit Nachdruck hinzuweisen. Das AA war involviert als der deutsche Botschafter in der Türkei zur Verhandlungseröffnung gegen zwei türkische Journalisten gegangen ist. Man kann schon fragen was er da wollte. Ob der deutsche Botschafter im Iran auch zu Prozessen geht oder gegen die massenweisen Hinrichtungen (966 in 2015 inklusive Kinder) so ostentativ auftritt? Dann wurde von links eine regelrechte Anti-Erdogan Kampagne gefahren, mit Unterstützung der SPD die in der Regierung immer auch Opposition ist. Und Opposition heißt in diesem Fall: Gegen das Türkeiabkommen kämpfen, was man als Koalitionspartner mitträgt. Wahrscheinlich äußerst ungern. Wer da auf den Zug vom anderen politischen Spektrum aufspringt, hat von der Kanzlerin einfach die Nase gestrichen voll (Merkel muss weg). Böhmermann macht Wahlkampf für die SPD und gegen die Kanzlerin - die hat sich nun gewehrt.
Und was die Despoten angeht: Es ist nicht deutscher außenpolitischer Stil sich wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Verweisen auf Menschenrechte zu vermiesen. Und da stehen wir auch nicht allein. So läuft das eben nicht. Außenpolitik und internationale Wirtschaftspolitik ist kein Ponyhof. Deutschland würde schon viel tun, hielte es konsequenter beschlossene Sanktionen ein.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #57Böhmermann macht Wahlkampf für die SPD und gegen die Kanzlerin - die hat sich nun gewehrt.
Lieber Erling, das ist eine mögliche Interpretation, aber ich habe auf Deinem Blog schon kommentiert, warum ich sie nicht für wahrscheinlich halte. Weil Böhmermann nicht so tickt. Im Grunde genommen ist er völlig unpolitisch, was Parteien angeht, sein Ziel ist die Kreation von medialen Hypes. Wenn sich die Gelegenheit bietet, zu politischen Themen, aber eben nicht nur (siehe isch hab Polizei). Seine Filterbubble sind die Medien, und sein Beitrag war ganz klar eine Reaktion auf die extra3-Affäre. Ich glaube nicht, dass er ein explizit tagespolitisches Ziel hat. Natürlich gehört er zum öffentlich-rechtlichen Justemilieu, aber das war es auch schon. Außerdem konnte er nicht damit rechnen, dass die Affäre solche Ausmaße annehmen würde - ich bleibe nach wie vor bei der Vermutung, ohne die öffentlich diskutierte Löschung wäre das nicht so hochgekocht.
Lieber Petz, das mit dem "macht Wahlkampf" ist polemisch gemeint. Mir ist schon klar, dass er nicht parteipolitisch unterwegs ist. Man zielt auf Erdogan aber treffen will man das Türkeiabkommen. Wie Böhmermann tickt bleibt vage. Aber dass er klug und scharfsinnig ist wird ihm von allen Seiten attestiert. Und das lege ich zugrunde. Nach dem extra3 Lied hieß es allerorten es wäre zu zahm, hätte zu wenig Biss. Das Publikum wollte mehr weil das längst am Laufen war. Böhmermann lieferte wonach gelechzt wurde. In seiner politisierten Fangemeinde. Manchmal ist es erhellend was Spon so schreibt, auch oder gerade wenn man wie ich nicht übereinstimmt:
Zitat Die Grundrechte waren also in vielem schon stark eingeschränkt, lange bevor der Streit um Artikel fünf und Jan Böhmermann ausbrach - der Fall Böhmermann ist überhaupt nur denkbar in einem Klima der bereitwilligen und breiten Grundrechtsverletzungen, weil erst durch den Flüchtlings-Deal von Angela Merkel mit der türkischen Regierung Monate vor dem Böhmermann-Eklat diese Situation der Erpressbarkeit durch einen Despoten entstehen konnte. Und es gehört zum schamlosen Schauspiel der heutigen Heuchelei, dass es oft gerade diejenigen sind, die diesen Deal begrüßt haben, die sich nun emphatisch auf die Seite von Böhmermann schlagen.
Und weiter:
Zitat Es geht um das Wesen der Demokratie in Krisenzeiten, es geht um die Frage, welchen Preis wir dafür zahlen müssen, wenn wir eine rigorose Abschottungspolitik betreiben wollen, es geht darum, wie sich unsere Gesellschaft dadurch verändert, und der Fall Böhmermann ist ein ein erstes Beispiel dafür.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #59Man zielt auf Erdogan aber treffen will man das Türkeiabkommen.
Ich glaube, man wollte in Deutschland eine Zensurdebatte anzetteln. Nicht mehr und nicht weniger. Erdogan war deswegen das Ziel, weil er gerade die passende Vorlage geliefert hatte und weil, wie Du sagst, die Diskussion schon am Laufen war. Ähnlich wie bei Varoufakis. Aber es ist nicht anzunehmen, dass Böhmermann deswegen ein Anliegen hat, den Türkeideal oder die Griechenland-Troika zu bekämpfen.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #59Man zielt auf Erdogan aber treffen will man das Türkeiabkommen.
Ich glaube, man wollte in Deutschland eine Zensurdebatte anzetteln. Nicht mehr und nicht weniger. Erdogan war deswegen das Ziel, weil er gerade die passende Vorlage geliefert hatte und weil, wie Du sagst, die Diskussion schon am Laufen war. Ähnlich wie bei Varoufakis. Aber es ist nicht anzunehmen, dass Böhmermann deswegen ein Anliegen hat, den Türkeideal oder die Griechenland-Troika zu bekämpfen.
Auch wenn das nichts zur Sache tut , glaube ich übrigens aufgrund eigener, empirischer Erfahrung, dass der "linken Mainstream Böhmermann Boheme" eher der Türkei Deal selbst (als Gegenpol zu gutmeinender Weltenrettung) ein Dorn im Auge ist, denn die Tatsache, dass er mit einem Despoten abgeschlossen wurde.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #60Ich glaube, man wollte in Deutschland eine Zensurdebatte anzetteln.
Was mich bei dem Gedanken stört ist der Punkt, dass die Böhmermann Boheme ja sonst alles sagen darf was sie will und sie eher umgekehrt findet, dass Meinungsfreiheit bei Leuten, die anders denken als sie selbst, eingeschränkt werden sollte. Warum sollte sie sich also eine Debatte über zu viel Zensur wünschen, wo sie doch im Kern nur mehr Zensur wünscht? Auf der richtigen Seite eben.
Insofern würde ich Böhmermanns Gedicht eher als Ausloten von zulässigen Geschmacklosigkeiten auffassen, denn als ausloten der Meinungsfreiheit, bei dem Versuch Merkels Türkeideal anzugreifen, weil man gerne weiterhin alle willkommen heißen würde.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #57Böhmermann macht Wahlkampf für die SPD und gegen die Kanzlerin - die hat sich nun gewehrt.
Aber bestimmt nicht!
Zum ersten sehe ich das wie die Kollegen: Böhmermann hat hier keine parteipolitischen Ambitionen. Und es ist auch nicht so, daß die SPD so generell Erdogan-kritisch wäre. Das Abkommen mit ihm zu den Flüchtlingen hat sie ja mitgetragen.
Daß es bei der Klageerhebung-Abstimmung zu einem Dissens im Kabinett kommen würde, und daß die SPDler dort sich demonstrativ gegen Merkel stellen würden - das war nun völlig überraschend und von Böhmermann überhaupt nicht zu erwarten.
Zitat Und da stehen wir auch nicht allein. So läuft das eben nicht. Außenpolitik und internationale Wirtschaftspolitik ist kein Ponyhof. Deutschland würde schon viel tun, hielte es konsequenter beschlossene Sanktionen ein.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #57Böhmermann macht Wahlkampf für die SPD und gegen die Kanzlerin - die hat sich nun gewehrt.
Aber bestimmt nicht!
Zum ersten sehe ich das wie die Kollegen: Böhmermann hat hier keine parteipolitischen Ambitionen. Und es ist auch nicht so, daß die SPD so generell Erdogan-kritisch wäre. Das Abkommen mit ihm zu den Flüchtlingen hat sie ja mitgetragen.
Daß es bei der Klageerhebung-Abstimmung zu einem Dissens im Kabinett kommen würde, und daß die SPDler dort sich demonstrativ gegen Merkel stellen würden - das war nun völlig überraschend und von Böhmermann überhaupt nicht zu erwarten.
Also mich hat das überhaupt nicht überrascht. Im übrigen muss ich abermals auf eine Fortentwicklung Deines Zitates verweisen...(#59)
Auch wenn das nichts zur Sache tut , glaube ich übrigens aufgrund eigener, empirischer Erfahrung, dass der "linken Mainstream Böhmermann Boheme" eher der Türkei Deal selbst (als Gegenpol zu gutmeinender Weltenrettung) ein Dorn im Auge ist, denn die Tatsache, dass er mit einem Despoten abgeschlossen wurde.
Oh, das tut eine ganze Menge zur Sache. Nicht weil Du aus der "Kollegen-Phalanx"(Grüße an R.A.) ausscherst und weil ich mich über Zustimmung natürlich freue. Nein. Sondern weil Du diese Perspektive ja vertiefst.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #60Ich glaube, man wollte in Deutschland eine Zensurdebatte anzetteln.
Was mich bei dem Gedanken stört ist der Punkt, dass die Böhmermann Boheme ja sonst alles sagen darf was sie will und sie eher umgekehrt findet, dass Meinungsfreiheit bei Leuten, die anders denken als sie selbst, eingeschränkt werden sollte. Warum sollte sie sich also eine Debatte über zu viel Zensur wünschen, wo sie doch im Kern nur mehr Zensur wünscht? Auf der richtigen Seite eben.
Insofern würde ich Böhmermanns Gedicht eher als Ausloten von zulässigen Geschmacklosigkeiten auffassen, denn als ausloten der Meinungsfreiheit, bei dem Versuch Merkels Türkeideal anzugreifen, weil man gerne weiterhin alle willkommen heißen würde.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #48Ebenso selektiv ist die Sicht auf die angeblich bedrohte Meinungsfreiheit. Wenn irgendein ausländischer Politiker unsere Meinungsfreiheit bedroht, ist es Putin. Und im Inland ist es der Bundesjustizminister. Aber nicht Erdogan. Er und die Türkei ist einfach mal ein Nato-Verbündeter und auf lange Sicht wichtiger Teil einer jeden geostrategischen Überlegung. Überhaupt ist die Meinungsfreiheit weder von Erdogan noch von Putin bedroht.
Die eigentliche Bedrohung der Meinungsfreiheit kommt von innen, durch die übergeholfene Schere im Kopf, durch die rhetorische Ver-pack-ung der Konsenskritiker, durch die außergerichtliche Verurteilung auf Grundlage von keinem Paragraphen verbotener (und ggf. noch passend hingedrehter) Meinungsäußerung - z.B. im Falle der Nicht-Causa Pirinçci, dem per Lynchjustiz mal eben so durch damnatio memoriæ seiner Bücher (was immer man von deren literarischer Qualität halten will, das steht hier nicht zur Debatte) der Lebensunterhalt entzogen wurde, nachdem er keine justiziable Beleidigung begangen und nichts Verbotenes gesagt hatte. Daß so etwas stattfindet und alsbald in der Versenkung des allgemeinen Schweigens verschwindet, schadet der Freiheit der Gesellschaft viel mehr als irgendwelche diplomatischen Depeschen von Despoten an die Regierung, erpreßbar oder nicht.
Unter diesem Blickwinkel erscheint Böhmermanns Aktion als Ablenkung und, mit dem großen Hallo, das hier eine Sottise zum Freiheitskampf hochstilisiert, doppelt obszön.
Das sehe ich genau so.
Und ich muss hier widersprechen.
Wenn ich recht informiert bin, haben Pirinçcis Verlage – jedenfalls einige, er hat ja über mehrere Häuser publiziert – entschieden, die entsprechenden Titel aus dem Programm zu nehmen. Dies ist juristisch als Kündigung der Verlagsverträge aus wichtigem Grund, wegen Unzumutbarkeit der weiteren Vertragseinhaltung, zu werten.
Pirinçci hätte sich dagegen auf dem Zivilrechtsweg zur Wehr setzen können. Wenn ich mich recht erinnere, hat er in den Medien mitgeteilt, davon abzusehen.
Wenn Pirinçci die Kündigung der Verlagsverträge unbekämpft lässt und somit die in diesen Verträgen vereinbarten Rechtseinräumungen nicht mehr bestehen, ist er selbstverständlich berechtigt, die Verwertungsrechte an seinen Werken einem anderen Verlag zu übertragen. In ungebrochenem Vertrauen auf den Kapitalismus gehe ich davon aus, dass die Verlagsfindung ein Leichtes sein sollte, wenn es für seine Werke noch einen ausreichend großen Markt gibt. Sollte es einen solchen Markt nicht mehr geben, was ich mir eigentlich nicht vorstellen kann, würden sich Pirinçcis durch die Kündigung verursachte Einkommenseinbußen ohnehin nur in einem überschaubaren Rahmen bewegen und von einer Existenzvernichtung könnte nicht die Rede sein.
Das Problem des Boykotts durch die Buchgroßhändler stellt sich im Zeitalter des Web 2.0 mit Direktvertriebswegen vom Verlag zum Leser auch nicht mehr so gravierend dar wie in früheren Zeiten. Und auch hier vertraue ich auf den Kapitalismus: Es lässt sich gewiss ein Buchgroßhändler finden, der sich das Geschäft nicht entgehen lassen möchte.
Ich verstehe ganz und gar nicht, warum ein Verlag die Auslieferung von Katzenkrimis stoppt, wenn über den Autor der Stab gebrochen wird, weil dieser etwas gesagt haben soll, was er tatsächlich nicht gesagt hat.
Aber man kann den Fall Böhmermann, dem eine Kriminalstrafe droht, und den Fall Pirinçci, der auf dem Zivilrechtsweg bzw. durch Nutzung seiner Privatautonomie das Ergebnis herstellen könnte, dass seine Werke weiterhin verlegt werden, nicht miteinander vergleichen.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #48Ebenso selektiv ist die Sicht auf die angeblich bedrohte Meinungsfreiheit. Wenn irgendein ausländischer Politiker unsere Meinungsfreiheit bedroht, ist es Putin. Und im Inland ist es der Bundesjustizminister. Aber nicht Erdogan. Er und die Türkei ist einfach mal ein Nato-Verbündeter und auf lange Sicht wichtiger Teil einer jeden geostrategischen Überlegung. Überhaupt ist die Meinungsfreiheit weder von Erdogan noch von Putin bedroht.
Die eigentliche Bedrohung der Meinungsfreiheit kommt von innen, durch die übergeholfene Schere im Kopf, durch die rhetorische Ver-pack-ung der Konsenskritiker, durch die außergerichtliche Verurteilung auf Grundlage von keinem Paragraphen verbotener (und ggf. noch passend hingedrehter) Meinungsäußerung - z.B. im Falle der Nicht-Causa Pirinçci, dem per Lynchjustiz mal eben so durch damnatio memoriæ seiner Bücher (was immer man von deren literarischer Qualität halten will, das steht hier nicht zur Debatte) der Lebensunterhalt entzogen wurde, nachdem er keine justiziable Beleidigung begangen und nichts Verbotenes gesagt hatte. Daß so etwas stattfindet und alsbald in der Versenkung des allgemeinen Schweigens verschwindet, schadet der Freiheit der Gesellschaft viel mehr als irgendwelche diplomatischen Depeschen von Despoten an die Regierung, erpreßbar oder nicht.
Unter diesem Blickwinkel erscheint Böhmermanns Aktion als Ablenkung und, mit dem großen Hallo, das hier eine Sottise zum Freiheitskampf hochstilisiert, doppelt obszön.
Das sehe ich genau so.
Und ich muss hier widersprechen.
Wenn ich recht informiert bin, haben Pirinçcis Verlage – jedenfalls einige, er hat ja über mehrere Häuser publiziert – entschieden, die entsprechenden Titel aus dem Programm zu nehmen. Dies ist juristisch als Kündigung der Verlagsverträge aus wichtigem Grund, wegen Unzumutbarkeit der weiteren Vertragseinhaltung, zu werten.
Pirinçci hätte sich dagegen auf dem Zivilrechtsweg zur Wehr setzen können. Wenn ich mich recht erinnere, hat er in den Medien mitgeteilt, davon abzusehen.
Wenn Pirinçci die Kündigung der Verlagsverträge unbekämpft lässt und somit die in diesen Verträgen vereinbarten Rechtseinräumungen nicht mehr bestehen, ist er selbstverständlich berechtigt, die Verwertungsrechte an seinen Werken einem anderen Verlag zu übertragen. In ungebrochenem Vertrauen auf den Kapitalismus gehe ich davon aus, dass die Verlagsfindung ein Leichtes sein sollte, wenn es für seine Werke noch einen ausreichend großen Markt gibt. Sollte es einen solchen Markt nicht mehr geben, was ich mir eigentlich nicht vorstellen kann, würden sich Pirinçcis durch die Kündigung verursachte Einkommenseinbußen ohnehin nur in einem überschaubaren Rahmen bewegen und von einer Existenzvernichtung könnte nicht die Rede sein.
Das Problem des Boykotts durch die Buchgroßhändler stellt sich im Zeitalter des Web 2.0 mit Direktvertriebswegen vom Verlag zum Leser auch nicht mehr so gravierend dar wie in früheren Zeiten. Und auch hier vertraue ich auf den Kapitalismus: Es lässt sich gewiss ein Buchgroßhändler finden, der sich das Geschäft nicht entgehen lassen möchte.
Ich verstehe ganz und gar nicht, warum ein Verlag die Auslieferung von Katzenkrimis stoppt, wenn über den Autor der Stab gebrochen wird, weil dieser etwas gesagt haben soll, was er tatsächlich nicht gesagt hat.
Aber man kann den Fall Böhmermann, dem eine Kriminalstrafe droht, und den Fall Pirinçci, der auf dem Zivilrechtsweg bzw. durch Nutzung seiner Privatautonomie das Ergebnis herstellen könnte, dass seine Werke weiterhin verlegt werden, nicht miteinander vergleichen.
Lieber noricus, ich verstehe Fluminist so, dass die eigentliche Bedrohung der Meinungsfreiheit von innen kommt. Die Begründung Deines Widerspruchs geht aber an dieser These vorbei. Wer sich damit befasst, kann auch feststellen, dass man auf dieser Ebene sehr wohl einen Vergleich machen kann. Dirk Maxeiner macht das übrigens auch: http://www.achgut.com/artikel/ich_gehe_j...nderen_gruenden
Ob er parteipolitische Präferenzen hat, ist damit natürlich nicht gesagt, allerdings würde ich vemuten, dass er eher mal "klassisch mainstream links" tickt. Das wenige was ich von ihm gesehen habe, war auch eigentlich immer irgendwie mit klassich linken mainstream Positionen verknüpft. Irgendwo hatte er sich auch mal (Youtube oder Twitter) sehr stark im Sinne von "Refugees Welcome" geäußert (meine ich zu erinnern), ich finde das aber nicht mehr. Was immer man daraus jetzt an möglichen parteipolisitschen Präferenzen ableiten möchte oder nicht, wäre das natürlich ein Motiv den Türkei Deal aus dieser Position heraus anzugreifen zu wollen.
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Also gut, wenn es als Kriterium für "politisch sein" schon ausreicht, eine Meinung kundzutun, dann ist er politisch. Aber dann sagt es halt nix mehr aus.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #69Ob er parteipolitische Präferenzen hat, ist damit natürlich nicht gesagt, allerdings würde ich vemuten, dass er eher mal "klassisch mainstream links" tickt. Das wenige was ich von ihm gesehen habe, war auch eigentlich immer irgendwie mit klassich linken mainstream Positionen verknüpft. Irgendwo hatte er sich auch mal (Youtube oder Twitter) sehr stark im Sinne von "Refugees Welcome" geäußert (meine ich zu erinnern), ich finde das aber nicht mehr. Was immer man daraus jetzt an möglichen parteipolisitschen Präferenzen ableiten möchte oder nicht, wäre das natürlich ein Motiv den Türkei Deal aus dieser Position heraus anzugreifen zu wollen.
Und ein anderes Motiv wäre, dass er sich an einem Döner verschluckt hat und aus Rache an der Dönerindustrie deren Produkte verunglimpfen will, indem er sie mit dem präsidentiellen Genital in Verbindung bringt. Rückwirkend kann man immer leicht Intentionen und Kausalitäten konstruieren, die das tatsächliche Ergebnis von Anfang an geplant haben. Aber ich agree to disagree auch mit Euch beiden. .
Zitat von Noricus im Beitrag #67Und ich muss hier widersprechen.
Wenn ich recht informiert bin, haben Pirinçcis Verlage – jedenfalls einige, er hat ja über mehrere Häuser publiziert – entschieden, die entsprechenden Titel aus dem Programm zu nehmen. Dies ist juristisch als Kündigung der Verlagsverträge aus wichtigem Grund, wegen Unzumutbarkeit der weiteren Vertragseinhaltung, zu werten.
Pirinçci hätte sich dagegen auf dem Zivilrechtsweg zur Wehr setzen können. Wenn ich mich recht erinnere, hat er in den Medien mitgeteilt, davon abzusehen.
Wenn Pirinçci die Kündigung der Verlagsverträge unbekämpft lässt und somit die in diesen Verträgen vereinbarten Rechtseinräumungen nicht mehr bestehen, ist er selbstverständlich berechtigt, die Verwertungsrechte an seinen Werken einem anderen Verlag zu übertragen. In ungebrochenem Vertrauen auf den Kapitalismus gehe ich davon aus, dass die Verlagsfindung ein Leichtes sein sollte, wenn es für seine Werke noch einen ausreichend großen Markt gibt. Sollte es einen solchen Markt nicht mehr geben, was ich mir eigentlich nicht vorstellen kann, würden sich Pirinçcis durch die Kündigung verursachte Einkommenseinbußen ohnehin nur in einem überschaubaren Rahmen bewegen und von einer Existenzvernichtung könnte nicht die Rede sein.
Das Problem des Boykotts durch die Buchgroßhändler stellt sich im Zeitalter des Web 2.0 mit Direktvertriebswegen vom Verlag zum Leser auch nicht mehr so gravierend dar wie in früheren Zeiten. Und auch hier vertraue ich auf den Kapitalismus: Es lässt sich gewiss ein Buchgroßhändler finden, der sich das Geschäft nicht entgehen lassen möchte.
Ja, der Kapitalismus. Ein Autor, der in keinem Buchladen präsent ist und bei amazon nur noch sporadisch und antiquarisch gehandelt wird, ist erst mal weg vom Fenster. Und der Literaturbetrieb ist nicht gerade eine Sparte, in der auffällt, wenn jemand fehlt.
Zitat von Noricus im Beitrag #67Ich verstehe ganz und gar nicht, warum ein Verlag die Auslieferung von Katzenkrimis stoppt, wenn über den Autor der Stab gebrochen wird, weil dieser etwas gesagt haben soll, was er tatsächlich nicht gesagt hat.
Verstehe ich ehrlich gesagt auch nicht. Außer der Möglichkeit, daß von der massiven Negativberichterstattung eben doch mehr im Gedächtnis hängengeblieben ist als von den späteren Richtigstellungen, und ein Verlag, nebst allen größeren Buchhandlungen, nicht mit mehr mit dem Autor in Verbindung gebracht werden will.
Mein Punkt hier ist, daß Verlag und Buchhandel hier meinen etwas Gutes zu tun, und ein Urteil vollstrecken, das gar nie gefällt wurde und keine substantielle Grundlage besitzt.
Zitat von Noricus im Beitrag #67Aber man kann den Fall Böhmermann, dem eine Kriminalstrafe droht, und den Fall Pirinçci, der auf dem Zivilrechtsweg bzw. durch Nutzung seiner Privatautonomie das Ergebnis herstellen könnte, dass seine Werke weiterhin verlegt werden, nicht miteinander vergleichen.
Ach, ich sehe da schon einige Parallelen. Provokationskünstler, der Fäkal- und Genitalsprache als Stilmittel benützt? Freilich, in der Behandlung und deren Anlaß bestehen Unterschiede; während der eine auf Facebook weiterblödelt ("Daher verlasse ich jetzt erstmal das Land..."), wurde dem anderen auch gleich seine private Homepage vom Betreiber gesperrt.
Aber es geht mir gar nicht um Pirinçci, er ist nur ein Beispiel. Worauf ich eigentlich hinauswollte, ist, daß es eine Ablenkung ist, wenn Böhmermann so tut, als wäre das drängende Problem mit der Meinungsfreiheit in Deutschland, daß man nicht beliebig Zoten über fremde Staatspräsidenten reißen darf, während die tatsächlich die demokratischen Freiheiten und den Prozeß der optimalen Lösungsfindung bedrohende Entwicklung, daß Regierungsmitglieder Regierungskritikern die Redefreiheit absprechen wollen, unangegriffen weiterläuft.
Also gut, wenn es als Kriterium für "politisch sein" schon ausreicht, eine Meinung kundzutun, dann ist er politisch. Aber dann sagt es halt nix mehr aus.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #69Ob er parteipolitische Präferenzen hat, ist damit natürlich nicht gesagt, allerdings würde ich vemuten, dass er eher mal "klassisch mainstream links" tickt. Das wenige was ich von ihm gesehen habe, war auch eigentlich immer irgendwie mit klassich linken mainstream Positionen verknüpft. Irgendwo hatte er sich auch mal (Youtube oder Twitter) sehr stark im Sinne von "Refugees Welcome" geäußert (meine ich zu erinnern), ich finde das aber nicht mehr. Was immer man daraus jetzt an möglichen parteipolisitschen Präferenzen ableiten möchte oder nicht, wäre das natürlich ein Motiv den Türkei Deal aus dieser Position heraus anzugreifen zu wollen.
Und ein anderes Motiv wäre, dass er sich an einem Döner verschluckt hat und aus Rache an der Dönerindustrie deren Produkte verunglimpfen will, indem er sie mit dem präsidentiellen Genital in Verbindung bringt. Rückwirkend kann man immer leicht Intentionen und Kausalitäten konstruieren, die das tatsächliche Ergebnis von Anfang an geplant haben. Aber ich agree to disagree auch mit Euch beiden. .
Gruß Petz
Lieber Petz, ich habe hier ein Interview mit Böhmermann aus 2013 in dem sein "satirisches Politmagazin" angekündigt wird. Auf die Frage was ihn an Politikern interessiere antwortet er: "Ihre Hilflosigkeit". In der Tat! http://www.zeit.de/campus/2013/04/in-der...jan-boehmermann
Zitat von Fluminist im Beitrag #71Provokationskünstler, der Fäkal- und Genitalsprache als Stilmittel benützt
und etwas off topic: In Großbritannien wäre B. übrigens seit der inkriminierten Sendung unten durch, nicht wegen Erdoğan - der ist den Briten herzlich egal - sondern wegen dieser Darbietung. Vielleicht war ihm gar nicht klar, wie stark der Tobak ist, den er zwischen 3:20 und 3:50 ein kleines Mädchen dem dunkeldeutschen Pack ins Stammbuch rammsteinen läßt. Wohlgemerkt kann man diese Art Sprache allabendlich im Bahnhofsviertel jeder respektablen britischen Stadt hören und das Wortspiel mit "Kant" ist auch nicht unbecunt, aber sie von einem Mädchen im Preteenalter aufsagen zu lassen ist völlig inakzeptabel, das machte ihn direkt zum Kinderschänder. Bei der Kombination strong language und Kinder verstehen die Briten keinen Spaß; das British Board of Film Classification setzt auch bei einem ansonsten ganz harmlosen Film sofort die Altersbeschränkung hoch, wenn auch nur das F-Wort darin vorkommt. Sehr beliebte Unterhalter haben für Geringeres ihren Job bei der BBC verloren.
Ist natürlich im vorliegenden Fall irrelevant; die Sendung fand ja im deutschen "Kulturraum" und auf Denglish statt. Aber es zeigt doch, daß man den "wahllosen Griff in die unterste Schublade" nicht überinterpretieren sollte. Dieser Mann wohnt offenbar in der untersten Schublade.
Ich hab noch eine weitere interessante Betrachtung des unpolitischen B. im Interview mit dem unabhängigen politischen Berater Zini das Wuslon. Eine echte Perle politisch korrekter deutscher Beleidigungskultur: http://www.neo-magazin-royale.de/zdi/art...-interview.html
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #72Lieber Petz, ich habe hier ein Interview mit Böhmermann aus 2013 in dem sein "satirisches Politmagazin" angekündigt wird. Auf die Frage was ihn an Politikern interessiere antwortet er: "Ihre Hilflosigkeit". In der Tat! http://www.zeit.de/campus/2013/04/in-der...jan-boehmermann
Ja genau, das meine ich. Ihn interessiert Politik nicht auf der Sachebene ("Politik gibt es gar nicht"), sondern lediglich als Blaupause für die Analyse und Kritik des daraus emergierenden kommunikativen Handelns der Politiker und der dahinter stehenden Haltung. Böhmermann urteilt primär ästhetisch, sekundär moralisch, und niemals politisch.
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