Zitat von Reisender im Beitrag #73Die EU ist also eine Angelegenheit, die beliebig mißbraucht werden kann, damit Einzelne unpopuläre Maßnahmen in ihrem Land durchdrücken können. De facto ist die Bande (von Billiard) EU vom interessierten Bürger nicht mehr zu kontrollieren.
Es stimmt, daß dem mittelmäßig interessierten Bürger die Entscheidungsgänge intransparent sind. Wer aber wirklich interessiert ist, der kann analog zur Bundes- und Landesgesetzgebung die Parlamentsdrucksachen des EP und die Arbeitspapiere der Kommission lesen. Der Vertrag von Lissabon bietet uns EU-Bürgern sogar ein Informationsfreiheitsrecht über alle Dokumente von Rat, Kommission. Das gibt es in Bund und Ländern so nicht. Institutionell ist damit de jure die Hinterzimmerkungelei, wie man sich von der deutschen Politik kennt, nicht möglich. Aber man muß sich freilich um diese Informationen kümmern (ich gebe zu, ich mache es auch fast nie) oder es muß Journalisten geben, die sich darauf einlassen. Das ist aber kein Mangel der EU sondern ein Mangel der von nationalen öff.-rechtlichen Sendeanstalten dominierten nationalen Medien, die überdies als Marktzutrittshemmnis für europäisch orientierte Medien wirken (z.B. Euronews). Heute wurden übrigens wieder einige wichtige und an sich umstrittene Gesetzesvorlagen im Bundestag behandelt. Aber in den Medien hat erstmal das Fußballspiel mehr Aufmerksamkeit.
Zitat von Reisender im Beitrag #73Auf dem Bau ist es unmöglich, beim Bau des Hauses alle existierenden Normen, Vorschriften einzuhalten. Sinn macht nur, die Verkehrsregeln anzugleichen = Arbeitsschutz und grundlegende Normen wie z.B. Belastbarkeiten einzelner Bauteile für bestimmte Zwecke im Sinne der Gefahrenvermeidung. Der Rest muß dem Kunden überlassen bleiben.
Wenn D seine Bauherren mit neuen Energiesparvorschriften zur Kasse bittet, kommt die EU auch nicht und stoppt den Irrsinn. Da, wo ich eine verbindliche Normierung von Mindeststandards sinnvoll finde, passiert nichts, dort, wo ich es als überflüssig erachte, zu regeln, tobt der Paragraphenkrieg.
Erzeugnisse der Bauindustrie werden niemals dem europäischen Warenverkehr unterliegen: Sie sind immobil. Insofern ist es schon schlüssig, daß hier die EU nichts macht. Aber es gibt einen Wettbewerb, der die deutsche Überbürokratisierung eindämmen kann, indem die EU dafür sorgt, daß den anderen Faktoren außer Boden und Gebäuden, nämlich Kapital und Arbeit, nicht zusätzliche bürokratische Mobilitätshemmnisse auferlegt werden. Im Wettbewerb zwischen den EU-Staaten hat immer das effizienteste und unbürokratischste den Vorteil. Ohne EU hat derjenige den Vorteil, der diesen Wettbewerb am effizientesten zu seinen Gunsten verhindert.
Zitat von Reisender im Beitrag #73Btw: Zur Zeit boomt die Baubranche - wegen der geringen Zinsen. Auf Grund der Nachfrage ziehen die Preise für Grundstücke und Bauleistungen an. Spätestens, W E N N nun die EZB die Zinssätze wieder anhebt, setzt die Insolvenzwelle ein und es gibt wieder eine Schwemme bei den Zwangsversteigerungen, da der Kreditsumme nicht der entsprechende Gegenwert gegenübersteht.* Also kann die EZB die Zinssätze nicht mehr anheben.
Sie kann schon, genau wie die FED ab 2004. Dann kommt eben die Insolvenzwelle. Das war auch in den USA erwartet worden, wenn auch nicht ganz so schlimm, wie die Subprime-Krise hinterher wurde. Es stimmt schon, daß die Bundesbank ihre Leitzinsen nie so affig niedrig gesetzt hätte, wie es jetzt die EZB tut. Institutionell ist das aber kein Mangel an EU oder EZB. Es ist einfach die währungspolitische Überzeugung mancher der Verantwortlichen eine andere. Ein Generationenwechsel in der Bundesbank hätte in dem instututionellen Rahmen der 80er-90er denselben Effekt gehabt.
Zitat von Reisender im Beitrag #73Die EU ist also eine Angelegenheit, die beliebig mißbraucht werden kann, damit Einzelne unpopuläre Maßnahmen in ihrem Land durchdrücken können. De facto ist die Bande (von Billiard) EU vom interessierten Bürger nicht mehr zu kontrollieren.
Es stimmt, daß dem mittelmäßig interessierten Bürger die Entscheidungsgänge intransparent sind. Wer aber wirklich interessiert ist, der kann analog zur Bundes- und Landesgesetzgebung die Parlamentsdrucksachen des EP und die Arbeitspapiere der Kommission lesen. Der Vertrag von Lissabon bietet uns EU-Bürgern sogar ein Informationsfreiheitsrecht über alle Dokumente von Rat, Kommission. Das gibt es in Bund und Ländern so nicht. Institutionell ist damit de jure die Hinterzimmerkungelei, wie man sich von der deutschen Politik kennt, nicht möglich. Aber man muß sich freilich um diese Informationen kümmern (ich gebe zu, ich mache es auch fast nie) oder es muß Journalisten geben, die sich darauf einlassen. Das ist aber kein Mangel der EU sondern ein Mangel der von nationalen öff.-rechtlichen Sendeanstalten dominierten nationalen Medien, die überdies als Marktzutrittshemmnis für europäisch orientierte Medien wirken (z.B. Euronews).
So weit ich weiß, sind Sitzungsprotokolle aus der Kommissionsarbeit nicht so öffentlich, dass ich sie ohne größeren Aufwand im Internet abrufen kann. Wenn doch wäre ich interessiert, das zu wissen. Ich bin auch nicht sicher, ob die Berichte der Berichterstatter des EU-Parlaments ohne Weiteres abrufbar sind. Gesetzesentwürfe habe ich schon eingesehen.
Wie es aber scheint, werden die ganz wichtigen Dinge entweder nicht protokolliert (s. Varoufakis' Erfahrungsbericht aus den Eurogruppentreffen), oder Protokolle sind plötzlich nicht mehr auffindbar (s. Taxe-Untersuchungsausschuss / Protokolle der Gruppe Verhaltenskodex). Wie will man sich da gegen den Vorwurf des Mauschelns verteidigen? TTIP will ich mal gar nicht aufwärmen.
'Mauscheln' trifft die Problematik aber nur teilweise. Ein Individuum, ob nun unvernetzt oder Teil irgendeines Verbandes, mag sich zwar die Mühe machen, ein Gesetzgebungsverfahren zu verfolgen, in der Regel bleibt dies aber höchstens informativ. Erst wenn die Chance einer Einflussnahme besteht, wird sich für den einen oder anderen lohnen, sich mit den Verfahren zu beschäftigen. Diese Chance wird von großen Lobby-Verbänden durchaus wahrgenommen, trotzdem ist nach meiner Erfahrung die Hürde der Einflussnahme recht hoch, auch deutsche Regierungsmitglieder lassen sich nur sporadisch mobilisieren.
Es gibt aber auch Bereiche, wo einzelne Angestellte der Kommission eine schwer angreifbare Machtfülle haben. Ich habe zumindest die Erfahrung gemacht, dass über den Prozess der Harmonisierung von Normen Kommissionsangestellte Normen nach eigenem Gutdünken verändern können, egal wie schwerwiegend die Folgen sind. Zwar kann es eine Art Anhörung verschiedener Interessenvertreter geben, die letzte Entscheidung trifft aber ein einzelner Beamter. Das ist dann kein Mauscheln, aber Willkür.
Dann kenne ich auch Fälle, wo Gesetzentwürfe einigermaßen transparent ausgehandelt wurden, dann aber im EU-Parlament irrationale Bedenken mit Einfügungen in letzter Minute abgefedert werden, mit teuren Folgen für die Betroffenen. Bei der Schnelle der Änderungen braucht man keine Transparenz mehr, die nützt dann in diesem Fall nichts.
Diese Beispiele sollen nur dazu dienen, den eitel-Sonnenschein-Eindruck auf den Boden der Realität zu bringen.
Zitat von Martin im Beitrag #77So weit ich weiß, sind Sitzungsprotokolle aus der Kommissionsarbeit nicht so öffentlich, dass ich sie ohne größeren Aufwand im Internet abrufen kann. Wenn doch wäre ich interessiert, das zu wissen. Ich bin auch nicht sicher, ob die Berichte der Berichterstatter des EU-Parlaments ohne Weiteres abrufbar sind. Gesetzesentwürfe habe ich schon eingesehen.
Protokolle der (nichtöffentlichen) Kommissionssitzungen findet man hier.
Verglichen mit dem Bundestag ist das EP ebenfalls transparenter. Eine gewisse Nichtöffentlichkeit der Abgeordnetentätigkeit muß man freilich hinnehmen. Zum einen schützt das den Bürger, der sich an seinen MdEP/MdB/MdL wenden will. Ja, es schützt auch die vielgescholtenen Lobbyisten! Ihr Dasein hat seinen demokratischen Zweck. Dementsprechend ist ja auch die Kommunikation zwischen Abgeordneten und Bürgern straf(prozeß)rechtlich besonders geschützt. Zum anderen wird befürchtet, daß die Sachlichkeit bei zu viel Öffentlichkeit dem Wahlkampf geopfert würde (wobei ich dieses Argument nicht ganz vorbehaltlos teile).
Die Dokumente des Rates findet man meistenteils hier. Der Rat, also die Regierungen, mit denen wir es alleine zu tun hätten, wenn es die EU nicht gäbe, sind traditionell am zugeknöpftesten.
Ich habe das alles auch noch nie so arg benutzt. Es gibt ja noch das grundsätzliche Problem, daß die Regelungen zu komplex und die Regelungsfelder zu zahlreich werden, als daß es noch von Nichtexperten verfolgt werden könnte. Einfachheit ist leider keine oft gepflegte demokratische Tugend. Zugunsten der EU ist allerdings festzuhalten, daß all diese Regelungskomplexität ohne die EU nur auf einer anderen Ebene stattfinden würde. Speziell für Deutschland, den Weltmeister in komplizierter Verwaltungsgesetzgebung (insbesondere im Steuerrecht) wäre der Verzicht auf die vereinfachende Wirkung der EU tatsächlich irgendwann eine existenzielle Bedrohung für das Funktionieren der Demokratie.
Danke für den Link. Ob er in der Praxis nützlich ist müsste ein Test zeigen. Ich habe aber mal die Gelegenheit genutzt kurz quer zu lesen, und bin auf einen Bericht der Kommission an das EU Parlament gestoßen http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/...443-DE-F1-1.Pdf
Die Transparenz erlaubt mir ein paar sarkastische Bemerkungen. Die Kommission beschäftigt sich ausführlich mit den Risiken, wenn Einmal-Medizinprodukte entgegen der Herstellervorgaben mehrfach benutzt werden. Die Regelung dürfte sich an die medizinischen Anwender richten. Eigentlich könnte man so ein Kapitel recht kurz abschließen, denn Verwendung außerhalb der Herstellervorgaben ist grundsätzlich nicht erlaubt.
Nun werden lang und breit Gefahren diskutiert, ohne allerdings zu einer Risikoabschätzung zu kommen: Es gibt keine verwertbaren Daten. Wenn ich die damalige Berichterstatterin Dagmar Roth-Behrendt richtig verstehe schreibt sie sich auf ihre Fahnen, Mehrfachverwendung von Einmalprodukten verboten zu haben. Das Dokument lässt ahnen, welchen Aufwand die Kommission betreibt, um eine recht selbstverständliche Aussage zu treffen. Sie hätten aber auch mal bei den US-Kollegen nachschauen können. Der Apparat sucht sich wohl Beschäftigung selbst.
So nebenbei, etwas O.T.: Lustig wird es bei der Auflistung der Gefahren, beispielsweise die Gefahr, dass Reinigungsverfahren nicht alle Mikroorganismen, bzw. Prionen beseitigen könnten. Diese Gefahr besteht auch bei wiederverwendbaren Produkten. Wer sich einer viel beworbenen Darmspiegelung unterzieht kommt in engen Kontakt mit einem teuren und damit wiederverwendbaren Schlauch. Dessen Reinigungsverfahren ist lediglich desinfizierend, Viren werden nicht zuverlässig abgetötet, Prionen schon gar nicht. Das Risiko einer Infektion ist genauso unbekannt wie bei wiederverwendbaren Einmalprodukten. Das ist Stand der Technik. Der Patient wird darüber nicht aufgeklärt, die Blutuntersuchung vorab deckt den Fall 'Prionen' und m.W. Hepathitis (kann vom Arzt abhängen) nicht ab. Diesen etwas komplexeren Fall hat sich die Kommission nicht herausgesucht.
Zitat von Martin im Beitrag #79Danke für den Link. Ob er in der Praxis nützlich ist müsste ein Test zeigen. Ich habe aber mal die Gelegenheit genutzt kurz quer zu lesen, und bin auf einen Bericht der Kommission an das EU Parlament gestoßen http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/...443-DE-F1-1.Pdf
Die Transparenz erlaubt mir ein paar sarkastische Bemerkungen. Die Kommission beschäftigt sich ausführlich mit den Risiken, wenn Einmal-Medizinprodukte entgegen der Herstellervorgaben mehrfach benutzt werden. Die Regelung dürfte sich an die medizinischen Anwender richten. Eigentlich könnte man so ein Kapitel recht kurz abschließen, denn Verwendung außerhalb der Herstellervorgaben ist grundsätzlich nicht erlaubt.
Ja, das stimmt und danke für das Thema, für das ich mich selber interessiere. Will man trotzdem wiederaufarbeiten, kann man sich behördlicherseits ja einfach auf den Standpunkt stellen, das wiederaufgearbeitete Medizinprodukt sei ein neues Produkt, für das der ganze Zulassungsprozeß nochmal abzuspulen ist. So ähnlich ist es ja auch bei Medikamenten, die für eine neue Indikation zugelassen werden sollen. Das ist denn auch die Empfehlung am Ende des Dokuments.
Zitat von Martin im Beitrag #79Das Dokument lässt ahnen, welchen Aufwand die Kommission betreibt, um eine recht selbstverständliche Aussage zu treffen. Sie hätten aber auch mal bei den US-Kollegen nachschauen können.
Letzteres steht doch auf S. 7!? Wie ich es sehe, wurde die Kommission vom Parlament oder Rat gefragt. Es wäre jetzt natürlich interessant zu wissen, wer seine nationale Linie da europäisch durchdrücken will. Sinnvoll an der EU-Zuständigkeit ist jedenfalls, daß man als EU-Bürger bei der europaweiten Suche nach kostengünstigen Behandlungen sich nicht unwissend ausgerechnet in dem Land mit der schlechtesten Hygiene behandeln läßt (und die Folgekosten davon womöglich der nationalen KV zur Last fallen).
Zitat von Martin im Beitrag #79Lustig wird es bei der Auflistung der Gefahren, beispielsweise die Gefahr, dass Reinigungsverfahren nicht alle Mikroorganismen, bzw. Prionen beseitigen könnten. Diese Gefahr besteht auch bei wiederverwendbaren Produkten. Wer sich einer viel beworbenen Darmspiegelung unterzieht kommt in engen Kontakt mit einem teuren und damit wiederverwendbaren Schlauch. Dessen Reinigungsverfahren ist lediglich desinfizierend, Viren werden nicht zuverlässig abgetötet, Prionen schon gar nicht. Das Risiko einer Infektion ist genauso unbekannt wie bei wiederverwendbaren Einmalprodukten. Das ist Stand der Technik. Der Patient wird darüber nicht aufgeklärt, die Blutuntersuchung vorab deckt den Fall 'Prionen' und m.W. Hepathitis (kann vom Arzt abhängen) nicht ab. Diesen etwas komplexeren Fall hat sich die Kommission nicht herausgesucht.
Naja, es war ja nur die Frage nach der Wiederaufarbeitung von Einmalprodukten, wozu der Rektoskopieschlauch eben nicht gehört. Wollen Sie eine Parallele finden, dann ist der Schlauch sowieso eine "semi-kritische Anwendung": Der Dickdarm ist eigentlich nur für Wasser, Ionen und z.T. Fettsäuren permeabel. Viren und Prionen fängt man sich weiter oben ein.
Zitat von Emulgator im Beitrag #80Naja, es war ja nur die Frage nach der Wiederaufarbeitung von Einmalprodukten, wozu der Rektoskopieschlauch eben nicht gehört. Wollen Sie eine Parallele finden, dann ist der Schlauch sowieso eine "semi-kritische Anwendung": Der Dickdarm ist eigentlich nur für Wasser, Ionen und z.T. Fettsäuren permeabel. Viren und Prionen fängt man sich weiter oben ein.
Zitat von Emulgator im Beitrag #80Ja, das stimmt und danke für das Thema, für das ich mich selber interessiere. Will man trotzdem wiederaufarbeiten, kann man sich behördlicherseits ja einfach auf den Standpunkt stellen, das wiederaufgearbeitete Medizinprodukt sei ein neues Produkt, für das der ganze Zulassungsprozeß nochmal abzuspulen ist. So ähnlich ist es ja auch bei Medikamenten, die für eine neue Indikation zugelassen werden sollen. Das ist denn auch die Empfehlung am Ende des Dokuments.
Einmal benutzt ist das Produkt so wenig Medizinprodukt mehr wie ein beliebiger Hosenknopf. Das ist über die Zweckbestimmung klar geregelt. Wer aus einem Hosenknopf ein Medizinprodukt machen möchte wird Hersteller im Sinne der Medizinprodukterichtlinie. Das sagt - übertragen - ja auch der zitierte Teil aus den USA. Bei Änderung der Zweckbestimmung ist es ein bisschen anders, innerhalb der Zweckbestimmung bleibt es ein Medizinprodukt, die Änderung muss aber neu zugelassen werden.
Die Regeln sind so klar, dass die Kommission bei einer Anfrage nur darauf hätte verweisen müssen, dass der 'Wiederinverkehrbringer' Medizinproduktehersteller wird. Die ganzen Risikobetrachtungen etc. hätten sie sich sparen können. Es hätte aber nach zu wenig Arbeit ausgesehen. Ist übrigens schon lange in MEDDEV-Dokumenten der EU geregelt (refurbishing).
Zitat von Reisender im Beitrag #73Die EU ist also eine Angelegenheit, die beliebig mißbraucht werden kann, damit Einzelne unpopuläre Maßnahmen in ihrem Land durchdrücken können. De facto ist die Bande (von Billiard) EU vom interessierten Bürger nicht mehr zu kontrollieren.
Es stimmt, daß dem mittelmäßig interessierten Bürger die Entscheidungsgänge intransparent sind. Wer aber wirklich interessiert ist, der kann analog zur Bundes- und Landesgesetzgebung die Parlamentsdrucksachen des EP und die Arbeitspapiere der Kommission lesen. Der Vertrag von Lissabon bietet uns EU-Bürgern sogar ein Informationsfreiheitsrecht über alle Dokumente von Rat, Kommission. Das gibt es in Bund und Ländern so nicht. Institutionell ist damit de jure die Hinterzimmerkungelei, wie man sich von der deutschen Politik kennt, nicht möglich. Aber man muß sich freilich um diese Informationen kümmern (ich gebe zu, ich mache es auch fast nie) oder es muß Journalisten geben, die sich darauf einlassen. Das ist aber kein Mangel der EU sondern ein Mangel der von nationalen öff.-rechtlichen Sendeanstalten dominierten nationalen Medien, die überdies als Marktzutrittshemmnis für europäisch orientierte Medien wirken (z.B. Euronews). Heute wurden übrigens wieder einige wichtige und an sich umstrittene Gesetzesvorlagen im Bundestag behandelt. Aber in den Medien hat erstmal das Fußballspiel mehr Aufmerksamkeit.
Danke für Ihre Zeit! Man kann das "interessiert sein" gern erweitern um "können; zeitlich und intellektuell. Ich gestehe, ich habe zu mich interessierenden Themen die Vorstellung, sie sachlich mit dem "für und wider" von Sachkundigen dargeboten zu bekommen. Ein Beispiel gab es vor kurzem hier: http://www.rolandtichy.de/meinungen/krie...urch-naivitaet/ Aber letztlich muß sich jeder selbst kümmern, stimmt.
Zitat
Zitat von Reisender im Beitrag #73Btw: Zur Zeit boomt die Baubranche - wegen der geringen Zinsen. Auf Grund der Nachfrage ziehen die Preise für Grundstücke und Bauleistungen an. Spätestens, W E N N nun die EZB die Zinssätze wieder anhebt, setzt die Insolvenzwelle ein und es gibt wieder eine Schwemme bei den Zwangsversteigerungen, da der Kreditsumme nicht der entsprechende Gegenwert gegenübersteht.* Also kann die EZB die Zinssätze nicht mehr anheben.
Sie kann schon, genau wie die FED ab 2004. Dann kommt eben die Insolvenzwelle. Das war auch in den USA erwartet worden, wenn auch nicht ganz so schlimm, wie die Subprime-Krise hinterher wurde. Es stimmt schon, daß die Bundesbank ihre Leitzinsen nie so affig niedrig gesetzt hätte, wie es jetzt die EZB tut. Institutionell ist das aber kein Mangel an EU oder EZB. Es ist einfach die währungspolitische Überzeugung mancher der Verantwortlichen eine andere. Ein Generationenwechsel in der Bundesbank hätte in dem instututionellen Rahmen der 80er-90er denselben Effekt gehabt.
Vertsehe ich das richtig: Man schafft eine Situation, in der als Folge dann manche Menschen meinen, jetzt oder nie und versuchen, das Glück beim Schopf zu packen. Dann kommt der Entscheidungsträger und sagt nicht nur "Ätsch!" sondern ruiniert die Betroffenen vorsätzlich?
Zitat von Reisender im Beitrag #83Vertsehe ich das richtig: Man schafft eine Situation, in der als Folge dann manche Menschen meinen, jetzt oder nie und versuchen, das Glück beim Schopf zu packen. Dann kommt der Entscheidungsträger und sagt nicht nur "Ätsch!" sondern ruiniert die Betroffenen vorsätzlich?
Man ruiniert sie nicht vorsätzlich. Aber man führt tatsächlich eine Situation herbei, bei der ein gutes Zinsrisikomanagement für viele Wirtschaftssubjekte existenziell wichtig ist. Deren Verluste und womöglich deren Ruin wird in kauf genommen.
Wenn man eine Zentralbank hat, die neben der Währungsstabilität noch Nebenziele verfolgt (die FED macht das und seit neuestem auch die EZB), dann kommt ein zusätzlicher Aspekt ins Spiel zwischen Zentralbank und Wirtschaftssubjekten, denn bestimmte Entscheidungen wirken nur, wenn sie überraschend getroffen werden und nicht schon vorher von den Markterwartungen eingepreist werden. Klar, man will in diesen Situationen Wirtschaftssubjekte erwischen, die noch eine Position offen haben, etwa eine Währung halten, die abgewertet werden soll. Leider umgibt sich so die Zentralbank mit dem Ruf der Unzuverlässigkeit, die dem Stabilitätsziel entgegensteht. So kann es sein, daß mit der Absicht, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, indem durch währungspolitische Manipulationen eine Reichtumsillusion und somit eine Zusatznachfrage geschaffen wird, das Wirtschaftswachstum langfristig gebremst wird, weil durch diese Währungspolitik Zins- und Währungsrisiken entstehen, die Ressourcen in die Risikovorsorge (und weg von der Liquidität) zwingen.
Hier sind übrigens nationale Besonderheiten wichtig. Beispielsweise zwingt das deutsche HGB zu mehr bilanzieller Vorsicht als andere Rechnungslegungsnormen (IAS, US-GAAP).
Ganz weg ist Boris Johnson wohl doch nicht. Er wird im neuen Kabinett 'Foreign Secretary', und damit in einer wichtigen Rolle bei der Verhandlung des Brexits.
Zitat von Martin im Beitrag #86in einer wichtigen Rolle bei der Verhandlung des Brexits.
...und der neugeschaffene Ministerposten von/für David Davis heißt Secretary of State for European Union Relations (Wikipedia), oder Secretary of State for Exiting the European Union (Telegraph) oder Secretary of State for Leaving the Europan Union (Independent). Oder Brexit Czar (Bloomberg).
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Martin im Beitrag #86in einer wichtigen Rolle bei der Verhandlung des Brexits.
...und der neugeschaffene Ministerposten von/für David Davis heißt Secretary of State for European Union Relations (Wikipedia), oder Secretary of State for Exiting the European Union (Telegraph) oder Secretary of State for Leaving the Europan Union (Independent). Oder Brexit Czar (Bloomberg).
Zitat von Reisender im Beitrag #83Vertsehe ich das richtig: Man schafft eine Situation, in der als Folge dann manche Menschen meinen, jetzt oder nie und versuchen, das Glück beim Schopf zu packen. Dann kommt der Entscheidungsträger und sagt nicht nur "Ätsch!" sondern ruiniert die Betroffenen vorsätzlich?
Man ruiniert sie nicht vorsätzlich. Aber man führt tatsächlich eine Situation herbei, bei der ein gutes Zinsrisikomanagement für viele Wirtschaftssubjekte existenziell wichtig ist. Deren Verluste und womöglich deren Ruin wird in kauf genommen.
Wenn man eine Zentralbank hat, die neben der Währungsstabilität noch Nebenziele verfolgt (die FED macht das und seit neuestem auch die EZB), ...
"Damit steigt die Gefahr einer Schuldenblase, zumal viele Firmen das Geld nutzen, um Übernahmen zu finanzieren, eigene Aktien zurückzukaufen oder Dividenden auszuschütten*. " * Böswillige würden das wohl ein Schneeballsystem nennen.
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