___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Ohne Frage hast du dar einige gute Punkte. Was ich mich aber frage und was mir nicht so klar erscheint, woher die von dir zurecht festgestellte Fixierung kommt. Vielleicht ist das aber die berühmte Frage nach Henne oder Ei.
Du schreibst:
Zitat Er besudelt die Reinheit der deutschen Geschichte, genau so sehr wie die Zuwanderung die Homogenität des deutschen Volkes besudelt.
Ich würde nicht widersprechen, dass es dieses Gedankengut in der AfD gibt. Auch nicht, dass es dort derzeit auf dem Vormarsch ist. Dass es den Kern und das komplette Wesen der Partei bzw. Wählerschaft ausmacht, glaube ich aber nicht.
Ich habe vielmehr das Gefühl, dass die Debatte um Zuwanderung genau in dieses Fahrwasser gedrückt wird, weil eben alle Kritik an bestimmter Politik in dieses Fahrwasser gedrückt wird. Wenn du so willst, ist es weder die Fixierung der "Linken" noch der "Rechten" auf die Nazis, sondern die Taktik des linken Mainstreams, Debattenhoheit mit dem Nazi Vorwurf zu gewinnen, der diese Fixierung bewirkt. Viele Menschen schaffen einfach nicht, ungerchtfertigte Vorwürfe zu übergehen. So werden sie thematisiert. Und das wirkt dann wie ein Magnet auf Menschen, denen das wirklich inhaltlich wichtig ist, sich in dieser Debatte zu positionieren und Einfluß zu suchen. Solche Leute findet man nun auch bei der AfD, aber sie alleine reichen meines Ermessens nicht aus, das komplette Wesen dieser Partei und ihrer Sympathisanten zu erfassen. Laute, gut organisierte Minderheiten, erscheinen oft nur wie der wesentliche Teil einer Bewegung. Das kennt man auch von anderen Parteien und gesellschaftlichen Bewegungen.
Wenn ich es anderes zu formulieren versuche, würde ich sagen: Der "Nazi Vorwurf" ist im deutschen, öffentlichen Diskurs eine mächtige Waffe. Darum kann man ihn nicht ignorieren, was eine Fixierung aus unterschiedlichsten Motiven fördert.... und natürlich gibt das Windschatten für Menschen, denen das Völkische wirklich am Herzen liegt. Die sehe ich aber immer noch als Minderheit in diesem Land, die sich aber mittlerweile traut laut zu werden.
Weil du auf den Vorwurf Wegners gegen Merkel eingehst: Ich persönlich habe aufgehört Merkels Politik ihr persönlich zuzuordnen. Sie steht der Regierung voran, die Deutschland lange Zeit mehrheitlich wollte und diese Politik war in Fragen der Zuwanderung 2015ff, so meine ich zumindest, nicht frei vom Einfluß der deutschen Geschichte. Merkel ist für mich hier der Spiegel der deutschen Seele, welche mit ihrer Schuld durchaus ringt und nun erkennt, dass sie womöglich überzogen hat.
Leon de Winter hat im "Ewigen Antisemiten" im Zusammenhang mit der Zuwanderung formuliert: "Wir haben Angst zu Unterscheiden und aus dem Schatten des Holocaust zu treten. Das ist passiert."
Bei diesen Worten gingen mir ganze Lichterkerzen auf und seither gehe ich mit einem Beitrag in ZR schwanger, habe aber einfach keine Zeit. Diese schreckliche Erfahrung der Deutschen Geschichte mit dem Akt des Unterscheidens, wirkt bis heute in ganz Europa in unseren gesellschaftlichen Ordnungen nach. Was auch ein bisschen die Verklärung der totalitären Linken erklären könnte, die nie (deklaratorisch) Unterscheiden, sondern Gewalt nur anwenden, um Unterschiede einzuebenen.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #102Ohne Frage hast du dar einige gute Punkte. Was ich mich aber frage und was mir nicht so klar erscheint, woher die von dir zurecht festgestellte Fixierung kommt. Vielleicht ist das aber die berühmte Frage nach Henne oder Ei.
Höchstwahrscheinlich. Aber dann ist sie auch nicht zu beantworten.
Zitat Du schreibst:
Zitat Er besudelt die Reinheit der deutschen Geschichte, genau so sehr wie die Zuwanderung die Homogenität des deutschen Volkes besudelt.
Ich würde nicht widersprechen, dass es dieses Gedankengut in der AfD gibt. Auch nicht, dass es dort derzeit auf dem Vormarsch ist. Dass es den Kern und das komplette Wesen der Partei bzw. Wählerschaft ausmacht, glaube ich aber nicht.
Ich habe vielmehr das Gefühl, dass die Debatte um Zuwanderung genau in dieses Fahrwasser gedrückt wird, weil eben alle Kritik an bestimmter Politik in dieses Fahrwasser gedrückt wird. Wenn du so willst, ist es weder die Fixierung der "Linken" noch der "Rechten" auf die Nazis, sondern die Taktik des linken Mainstreams, Debattenhoheit mit dem Nazi Vorwurf zu gewinnen, der diese Fixierung bewirkt.
Nun gut, dass Du mich mit diesem "Notwehrargument" nicht gerade auf ganzer Linie überzeugst, wird Dich nicht überraschen. Denn es beantwortet LLarians Ursprungsfrage nicht: Wer zwingt denn Gauland, der mit Sicherheit keiner der Scharfmacher à la Maier oder Poggenburg ist ohne Not sowas rauszuhauen?
Ich kann ja nicht für den linken Mainstream in toto sprechen, aber ich verknüpfe diese geschichtstheoretischen Diskurse aus zwei Gründen mit der Zuwanderungsdebatte. Zum einen, weil es ohne Zuwanderungsdebatte gar nicht möglich wäre, diese Diskurse zu führen, ohne sich damit als Partei in den Bereich unter 3% zu katapultieren. Ganz ehrlich, wer erwartet von einer Partei, deren Bundesvorsitzender so drängende Themen wie "Stolz auf die Leistung der deutschen Soldaten in zwei Weltkriegen" auf die politische Agenda setzt, irgendwelche konkreten Problemlösungen? Hier folge ich dem Werwohlf: "It's the despair, stupid.". Und zum anderen, wie beschrieben, weil der "Schuldkult" von der AfD als Hindernis für eine restriktive Zuwanderung identifiziert wurde.
Du hast mich da übrigens auf eine interessante These gebracht. Vielleicht gibt es nämlich ein Wesen der AfD - um mal den höchst strapazierten Vergleich anzubringen - sowenig, wie es in den 80ern ein Wesen der Grünen gab. Vielleicht ist sie tatsächlich, aufgrund ihrer permanenten Zerstrittenheit, mangelnden Erfahrung mit politischer Verantwortung und ihrem "metapolitischen" Selbstverständnis als Bewegung vorrangig eine Projektionsfläche. Es ist ja offensichtlich, dass der Erfolg der AfD zu großen Teilen darauf basiert, Wünsche und Erwartungen zu kanalisieren. Nicht nur bezüglich Zuwanderung, sondern auch bezüglich einer Belebung des Parlamentarismus (das meine ich bei Dir wahrgenommen zu haben), sowie allgemeine Enttäuschungen bzgl. der aktuellen Regierung, aber auch dem Parteiensystem an sich zu heilen. Und da die AfD noch weit davon entfernt ist, demnächst in die Verlegenheit zu kommen, liefern zu müssen, funktioniert das durchaus in ihrem Sinne.
Nun projizieren eben verschiedene Menschen verschiedene Erwartungen auf die AfD (sowas wie "Union unter Kohl" bei den Bürgerlichen und "Renaissance des Kaiserreiches" bei den Nationalromantikern) und neigen dazu, die andere Seite auszublenden.
Zitat Viele Menschen schaffen einfach nicht, ungerchtfertigte Vorwürfe zu übergehen. So werden sie thematisiert.
Ja, und andere schaffen es nicht, berechtigte anzuerkennen.
Zitat Laute, gut organisierte Minderheiten, erscheinen oft nur wie der wesentliche Teil einer Bewegung.
Einer der beiden Bundesvorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, mehrere Fraktionsvorsitzende in Landtagen sind eine VERDAMMT gut organisierte Minderheit.
Zitat Wenn ich es anderes zu formulieren versuche, würde ich sagen: Der "Nazi Vorwurf" ist im deutschen, öffentlichen Diskurs eine mächtige Waffe. Darum kann man ihn nicht ignorieren, was eine Fixierung aus unterschiedlichsten Motiven fördert.... und natürlich gibt das Windschatten für Menschen, denen das Völkische wirklich am Herzen liegt.
In Bayern hat die AfD plakatiert "Strauß würde heute AfD wählen". Strauß wurde während seiner gesamten politischen Karriere immer wieder als Nazi bezeichnet, bis hin zu - heute würde man sagen - "Fake News" in der SZ über seine Biografie, die aus ihm einen Nazi-Führungsoffizier gemacht haben (was zur damaligen Zeit eine nicht minder mächtige Waffe war, weil es ihn eventuell vor Gericht hätte bringen können). Nun kann man nicht jedem AfD-Vertreter das politische Format eines Strauß abverlangen, aber von einer Partei, die ihr Handeln an Karl dem Großen und Bismarck orientiert wissen will, würde ein bisschen mehr Souveränität schon gut tun.
Zitat Weil du auf den Vorwurf Wegners gegen Merkel eingehst: Ich persönlich habe aufgehört Merkels Politik ihr persönlich zuzuordnen. Sie steht der Regierung voran, die Deutschland lange Zeit mehrheitlich wollte und diese Politik war in Fragen der Zuwanderung 2015ff, so meine ich zumindest, nicht frei vom Einfluß der deutschen Geschichte. Merkel ist für mich hier der Spiegel der deutschen Seele, welche mit ihrer Schuld durchaus ringt und nun erkennt, dass sie womöglich überzogen hat.
Der Vorwurf von Wegner lautet aber, dass Merkel und ihre Anhänger mit ihrer Schuld genauso wenig ringen wie die Nazi-Verharmloser. Und das ist natürlich rhetorisch ein starkes Stück, weil es geradezu zwangsläufig die "Schlimmste-Kanzlerin-seit-1871"-Assoziation auslöst.
Zitat Diese schreckliche Erfahrung der Deutschen Geschichte mit dem Akt des Unterscheidens, wirkt bis heute in ganz Europa in unseren gesellschaftlichen Ordnungen nach. Was auch ein bisschen die Verklärung der totalitären Linken erklären könnte, die nie (deklaratorisch) Unterscheiden, sondern Gewalt nur anwenden, um Unterschiede einzuebenen.
Aber natürlich unterscheiden die. Sie unterscheiden, und zwar rein deklaratorisch (Stichwort Identitätspolitik - da wird die Hufeisentheorie so offensichtlich, dass beide Extreme nicht mal ein eigenes Wort finden), zwischen Mächtigen (Weiße, Männer, Konzerne, Bullen, Heteros, katholische Kirche, Westen, Israel etc.) und Ohnmächtigen (setze jeweils das Gegenteil ein). Und es geht ihnen auch nur vordergründig darum, die Unterschiede einzuebnen. Die Linke ist seit dem Zusammenbruch des Sozialismus nicht mehr revolutionär, sondern sieht diese Machtverhältnisse als permanent (weil eben identitätsbedingt) an. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass ihre license to operate, im Gegensatz zu den Sozialisten, die auch in die Verlegenheit kamen, liefern zu müssen, nie ausläuft. Und die Verklärung erklärt sich meiner Ansicht nach dadurch, dass sie immer argumentieren können, auf der Seite der Schwachen zu stehen.
Hier findet sich auch das von R.A. zu Recht beschriebene Spiegelbild zur rechten Identitätspolitik. Die funktioniert nach dem gleichen Muster, nur dass die Mächtigen und die Ohnmächtigen vertauscht sind (nicht alle, bei den Konzernen ist man sich ja einig).
Zitat von Meister Petz im Beitrag #84 Na komm, jetzt tu nicht so, als hätte ich mir die Idee, dass die deutsche Asylpolitik aus einem politisch instrumentalisierten Schuldbewusstsein resultiert, aus den Fingern gesogen. Das ist mittlerweile Konsens bis weit ins bürgerliche Lager.
Auch da fischst Du, denke ich, im Trüben. Ich denke was Konsens ist, ist, dass das Schuldbewusstsein instrumentalisiert wird um die deutsche Asylpolitik zu rechtfertigen. Und das ist keine Umstellung von Worten. Diejenigen, die diese Politik verfolgen, handeln selber nicht aus Schuldbewusstsein. Sie setzen aber dieses bewusst ein, so sie nicht weiter wissen.
Zitat Und wenn Gauland hochoffiziell vom Bevölkerungsaustausch und Bystron von ethnokultureller Identität spricht, kannst Du kaum abstreiten, dass ihnen an der Homogenität gelegen ist.
Nun ist zwischen dem Wunsch nach einer homogenen Gesellschaft bis zur "Besudelung" ein gewaltiger Weg. Der Wunsch nach Homogenität dürfte wohl kaum als Rassismus durchgehen. Die Besuldelung dagegen schon.
Zitat Strategie ist es also nicht, Dummheit scheidet auch aus. Aber wenn ich behaupte, dass die da tatsächlich dran glauben, wirst du bissig und wirfst mir Linksextremismus und Claudiarothismus vor.
Es ist schon ein Unterschied ob man jemandem Rassismus unterstellt oder den Wunsch in einer homogenen Kultur leben zu wollen. Und nebenbei: Dummheit scheidet überhaupt nicht aus. Bis jetzt ist das allemal die beste Erklärung, die mir in den Sinn gekommen ist. Ich verstehe auch nicht so recht, wieso es einerseits im deutschen Mainstream so vollkommener Usus ist, alles was irgendwie rechts der SPD steht als dummm, krude und minderbemittelt darzustellen, aber bei solchen Aktionen grundsätzlich von tiefgehender Planung auszugehen. Ich gehe davon aus, dass eine Menge Politiker (und da schliesse ich Gauland ein), durchaus sehr dumme Momente haben. Diverse haben durch einen einzigen Satz ihre Karriere beendet.
Zitat Ich glaube übrigens genau deswegen, dass am angeblichen Schuldkult mittlerweile nicht mehr viel dran ist. Der "Kampf gegen Rechts" läuft zwar auf vollen Touren und irgendwo schwingt schon mit, dass "so etwas sich nicht wiederholen darf", aber bei Licht betrachtet ist der Bezug zum tatsächlichen Dritten Reich mittlerweile fast überflüssig, weil sich das Thema verselbständigt hat. Die Opfer sind neu (Muslime, Frauen, Schwule - die nie Bestandteil des originären Schuldkults waren) und viel besser, weil man auf der Extremlinken die Juden ja selber nicht leiden kann; die alten Nazis sind weitgehend weg, und nebenbei muss man ja auch noch den Klimawandel und den Kapitalismus und die Massentierhaltung bekämpfen - dadurch tritt das tatsächliche Gedenken an den Holocaust ziemlich in den Hintergrund.
Weil es immernoch als ultima ratio bereit liegt. Ich habe das tatsächlich in einigen Debatten zu meiner Studentenzeit noch erlebt (okay, ist lange her). Da ging es zunächst auch um solche Themen. Und es war sehr oft der Fall, dass man, wenn man eben nicht das Stöckchen-Spiel mitgespielt hat, man irgendwann bei Hitler landete. Diese "neuen" Themen mögen diskursbeherschend sein, sie sind aber scheusslich schlecht abgesichert. So kann man zwar mit Sprüchen von Homophobie oder Islamophobie bei den üblichen Verdächtigen immer billige Punkte machen, man landet aber regelmäßig auf der Schnauze wenn der Gegenüber einfach nicht mitmacht. Und genau dann braucht man die Keule.
Zitat Bester Beleg dafür ist auch, dass der selbe antirassistische, -imperalistische, -sexistische Zug auch in USA, UK und anderen westlichen Ländern rollt, ohne dass die einen Holocaust als Grund dafür haben. Der Zeitgeist geht in diese Richtung, und die Gegenbewegungen auch.
Und genau da geht es dann auch schief, wenn die Keule eben nicht da ist. Siehe Trump. Trump wäre in Deutschland nie erfolgreich gewesen, hätte man ihn nicht mit der xyz PC Keule erschlagen, läge am Ende immer Hitler bereit. Deswegen tut sich die AfD trotz dieser ja kaum schlechter denkbaren Regierung immernoch schwer.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #86Freiheit definiert sich nicht durch das subjektive Empfinden von Freiheit.
Wie denn sonst? Durch einen Freiheitsverantwortlichen vielleicht? Durch mich? Durch Dich? Ich finde es absurd jemanden eine Freiheit zu verordnen, die derjenige gar nicht will oder ihn als unfrei bezeichnet, weil er Freiheiten, auf die er keinerlei Wert legt, nicht wahrnehmen kann. Mein Gewissen hindert mich laut und nachhaltig daran morgen plündernd loszuziehen und ein Dutzend Menschen umzubringen (andere haben diese Freiheit). Bin ich unfrei, weil ich das subjektiv nicht als Einschränkung meiner Freiheit empfinde?
Zitat Insbesondere dann nicht, wenn man die eigene Freiheit nicht auch reziprok anderen zugesteht.
Wer gesteht diese denn nicht zu? Ist das eine Unterstellung oder verstehe ich nur den Text nicht?
Sehr interessante Debatte hier mit vielen lesenswerten Argumenten.
Als schlichtes Gemüt sehe ich das allerdings alles nitt so kompliziert, zumal weil man die Vogelschisstheorie schon lange kennt, in zumeist weniger fetzigen Formulierungen zwar, die indessen am Ende des Tages auf's Selbe hinauslaufen:
Das Objekt der erotischen Zuneigung darf nicht kontaminiert werden. Falls dennoch an einzelnen Stellen eine Kontaminierung schwer zu bestreiten ist, muss man diese entweder wegreden oder mindestens kleinreden . That's it.
Das erotische Objekt ist in diesem Falle das Deutschtum. Darunter kann man sich alles Mögliche vorstellen (standardmäßig sind u.a. "Goethe und Schiller" beliebt), aber auch das ist erotisch normal. Auch in der richtigen Erotik geht's ja nicht um Fleisch und Blut, vielmehr um das, was man sich im Einzelfall so drunter vorstellt, andernfalls könnte ja jedes beliebige Fleisch und Blut in die engere Wahl kommen. Das Nichtempirische zeigt sich auch in der berühmten "Enttäuschung", die nicht so selten sein soll.
Klar, offiziell spielen Gefühle in der Politik keine Rolle, "emotional" gilt als Beschimpfung und keiner will das sein. Wir sind ja alle sooooooo rational, gell. Ich jedenfalls nur, immer, klarer Fall.
Pustekuchen. So wie sich der kleine Moritz die Politik vorstellt, so isse tatsächlich.
Vogelschisse gibt's natürlich nicht nur in Deutschland. Zwischen der Dritten und der Vierten Republik gab's jenseits des Rheins bekanntlich den État français (Vichy), der indessen bei der Nummerierung außen vor bleiben muss . Auch so ein Kontaminierungsfall, der die Grandeur stört. Also gab's das irgendwie nicht, jedenfalls nicht so richtig. De Gaulle hat sich in der Nachkriegszeit dafür entschieden, "seine" Franzosen lieber nachträglich ehrenhalber zur Réistance einzuladen, egal, ob die was damit zu schaffen hatten oder nicht.
1940 hat er über "seine" Franzosen noch so gedacht:
Zitat von Charles de GaulleLes français sont des veaux. Ils sont bons pour le massacre. Ils n'ont que ce qu'ils méritent.
Vermutlich hat er auch weiter so gedacht, aber die Grandeur der Nation ging ihm über alles, wobei es in dieser Sicht auf das mehr oder weniger bescheuerte Volk da unten gar nicht ankommt. Auch dieses Auseinanderdenken kann man sich bei Gauland vorstellen, es gibt keine Erotik ohne künstliche Idealisierung.
Zitat von Llarian im Beitrag #105Wie denn sonst? Durch einen Freiheitsverantwortlichen vielleicht?
Du glaubst also, dass Freiheit sich anhand intersubjektiv überprüfbarer Kriterien nicht definieren lässt? Was sollte Freiheit dann sein? Etwas im Sinne eines totalitärer Freiheitsbegriffs?
Zitat von Llarian im Beitrag #105jemanden eine Freiheit zu verordnen
Es geht nicht darum etwas zu verordnen, sondern es geht darum einen Begriff zu definieren, den man dann in seiner Bedeutung verwendet. Wenn du Freiheit als ein subjektiv definiertes Empfinden verstehst, verstehen wir beide definitiv etwas anderes unter Freiheit und damit natürlich auch unter dem Begriff "Befreiung".
Zitat von Llarian im Beitrag #105Wer gesteht diese denn nicht zu? Ist das eine Unterstellung oder verstehe ich nur den Text nicht?
Wer für sich selbst die Entscheidung bezüglich einer Sache einfordert, muß notwendig, die gleiche Freiheit in der Entscheidung (nicht die Art bzw. Richtung der Entscheidung) jedem anderen auch zugestehen. Das ist für mich eine notwendige (nicht hinreichende) Bedingung für Freiheit, so wie ich sie verstehe. Ich habe das mit Reziprozität der Freiheit gemeint. Das ist bei vielen Leuten, die von Freiheit reden, aber nicht der Fall, weil sie diese in meinen Augen eben subjektiv definieren. Überspitzt formuliert: Jeder der das tut was ich will / was richtig ist, ist frei. Letzteres zum Beispiel ist für mich der Grüne Freiheitsbegriff, mit dem sie gerne hausieren gehen.
Natürlich kann man Freiheit auch anders definieren. Frei von materieller Not. Frei von Krankheit und Sorgen oder ähnliches, zum Beispiel. Ich bin sogar der Auffassung, dass für eine vernüftige gesellschaftliche Ordnung Freiheit in einem Regelwerk eingegrenzt bzw. gestaltet werden muß, auf das sich alle einnigen können. Reziprozität ist allerdings eine notwendig (nicht hinreichende) Bedingung, wenn die Ordnung eine freiheitliche sein soll. Das ist aber meines Erachtens etwas völlig anderes als reziproke Freiheit an sich, auf die sich (so verstehe ich persönlich es zumindest) das Wort Befreiung bezieht, weil diese reziproke Freiheit in meinen Augen die eigentliche (grundsätzliche und auch liberale) Freiheit ist.
Diese verschiedenen Definitionen von Freiheit gehen (unbestritten) oft (und manchmal auch gerne) durcheinander. Klare Begriffsdefinitionen helfen da.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von hubersn im Beitrag #50 Meine Argumentation war nicht, dass es ein Versehen des Designers war. Im Gegenteil, ich habe explizit geschrieben, dass ich von einer bewussten Provokation ausgehe.
Da sind wir uns sicher einig. Aber sind wir uns auch darüber einig, dass man nicht mit Nazisprech oder Symbolen provoziert? Was soll dann als nächste kommen? "Wählen macht frei!" oder "Wollt ihr den totalen Wahlkampf?" ?
Zunächst: Provokationen mit allem Möglichen ist politisches Geschäft, insbesondere bei den diversen Jungorganisationen aller Parteien. Das Plakat nebst Spruch (den ich in keinster Weise für Nazi-Sprech halte, und die Einschätzung von R.A. bezüglich der "hammerharten Hommage an die Nazi-Propagandakultur" kann ich nicht nachvollziehen) ist jedenfalls weder Nazisprech noch enthält es Nazi-Symbole.
Die Tatsache, dass tatsächlich normale Leute in "Deutschland braucht Dich" Nazisprech erkennen wollen, dafür fehlt mir jedes Verständnis. Und mit Verlaub, wenn Sie ernsthaft Ihre Beispiele mit "Deutschland braucht Dich" auf eine Stufe stellen wollen, dann ist diese Diskussion absolut sinnlos.
Zitat Ich hatte es gerade geschrieben, man muss den Holocaust nicht zum absoluten Verbrechen erklären, was aber nix daran ändert das man Verbrechen nicht nutzt um Werbung zu machen. Das ist eine Frage des Benehmens und des Anstands. Und auch wenn man die Shoa nur als eines von vielen großen Verbrechen der Menschheit begreift, so ist es immer noch etwas das keine Basis für Werbung oder Provokation sein sollte oder darf.
Wer hat jetzt den Holocaust genutzt um Werbung zu machen? Hier haben Sie mich definitiv verloren. Das Plakat können Sie ja kaum meinen, da keinerlei Bezug zum Holocaust erkennbar ist. Die Rede von Gauland? Welcher Teil? Ich kenne nur die Teile, die von den Medien aufgegriffen wurden.
Zitat
Zitat Ich habe mich in meinem nachschulischen Leben auch noch ein klein wenig mit Geschichte und insbesondere Werbung über die Jahrzehnte befasst und komme mit dieser Wissensbasis zum genannten Schluss. Wenn einem dieses Hintergrundwissen fehlt, ist man eventuell eher in Gefahr, vorschnelle Reflexe walten zu lassen und Einordnungen vorzunehmen, die "gefühlt" richtig und mainstreamig sind, aber bei genauerem Hinsehen eher unlogisch sind.
Was ist denn bei genauerem Hinsehen unlogisch?
In diesem Plakat dringend einen Nazi-Hintergrund erkennen zu wollen. Brandenburger Tor ist nicht Nazi. Die Bildsprache ist retro, aber nicht Nazi. Und wer aus "Deutschöand braucht Dich" einen Nazi-Bezug herausliest - der findet eben auch "Autobahn" total Nazi. Kann man so sehen, muss man aber nicht.
Zitat
Zitat Wenn man das Plakat einem x-beliebigen Ausländer zeigt, wird der vermutlich eher nicht die Nazi-Assoziation haben, sondern eher vielleicht an Retro-Werbung denken.
Das Dumme ist nur: Wir sind in Deutschland und dieses Plakat richtet sich nicht an irgendeinen x-beliebigen Ausländer.
Das scheint mir ja nun genau einer der oft bemühten Punkte der AfD zu sein: in Deutschland liegt der Fokus von der Erziehung über die Ausbildung bis zu den Medien sehr stark auf den 12 dunklen Jahren. Genau deshalb sehen viele in allen möglichen Dingen alle möglichen gewollten Nazi-Anspielungen.
Zitat von hubersn im Beitrag #108Die Tatsache, dass tatsächlich normale Leute in "Deutschland braucht Dich" Nazisprech erkennen wollen, dafür fehlt mir jedes Verständnis. Und mit Verlaub, wenn Sie ernsthaft Ihre Beispiele mit "Deutschland braucht Dich" auf eine Stufe stellen wollen, dann ist diese Diskussion absolut sinnlos. Gruß hubersn
Zustimmung. „America wants you“ ist das Vorbild, und das ist nunmal das exakte Gegenteil von Nazisprech. Es ging ja um die Rekrutierung junger GIs gegen die Nazis.
Wie sehr die Begriffe heute doch verschwimmen.
Herzliche Grüße Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #107Du glaubst also, dass Freiheit sich anhand intersubjektiv überprüfbarer Kriterien nicht definieren lässt?
Was auch immer "intersubjektiv" nun genau bedeuten mag (das ist mir zu soziologisch), ich glaube tatsächlich das sich nicht von außen definieren lässt, was jemand als Freiheit empfindet und noch weniger was er zu empfinden hat.
Zitat Was sollte Freiheit dann sein?
So handeln zu können wie ich möchte (mit der üblichen Einschränkung zu Lasten Dritter).
Zitat Etwas im Sinne eines totalitärer Freiheitsbegriffs?
Ich finde es wohl eher totalitär etwas von aussen zu definieren und jemandem von aussen zu sagen wann er frei ist und wann nicht.
Zitat Wenn du Freiheit als ein subjektiv definiertes Empfinden verstehst, verstehen wir beide definitiv etwas anderes unter Freiheit und damit natürlich auch unter dem Begriff "Befreiung".
Richtig. Das tun wir. Und deshalb finde ich auch den Begriff Befreiung für die Niederschlagung der Nazis widersinnig. Befreit wurden diejenigen, die sich als unfrei empfanden. Nicht die, die das System ganz toll fanden.
Zitat Wer für sich selbst die Entscheidung bezüglich einer Sache einfordert, muß notwendig, die gleiche Freiheit in der Entscheidung (nicht die Art bzw. Richtung der Entscheidung) jedem anderen auch zugestehen.
Richtig. Und wie wäre es damit anzufangen, anderen nicht vorzuschreiben wann sie frei sind und wann nicht. Denn diese Freiheit der Definition für Dich selber, nimmst Du Dir ja. Und ich bin relativ sicher (Du kannst mir gerne widersprechen), dass Du es Dir verbitten würdest, wenn jemand anders für Dich festlegt, wann Du frei bist und wann nicht.
Zitat Letzteres zum Beispiel ist für mich der Grüne Freiheitsbegriff, mit dem sie gerne hausieren gehen.
Und von dem ist man gerade mal ein Papierblatt entfernt, wenn man für andere versucht festzulegen, wann diese frei sind. Denn was Du tust ist der Versuch das ganze auf eine scheinbar objektive Ebene zu heben ("Objektive Definition von Freiheit"), die aber gleichzeitig nicht mehr als die Reflektion deines eigenen Wunsches nach partikulären Freiheiten ist. Das ist am Ende kein Unterschied.
Zitat Diese verschiedenen Definitionen von Freiheit gehen (unbestritten) oft (und manchmal auch gerne) durcheinander. Klare Begriffsdefinitionen helfen da.
Eine solche Definition bringt zwangsnotwendig den eigenen Bias mit ein. Und ist am Ende genauso subjektiv wie die Vorstellung, die jeder für sich persönlich rumschleppt.
Zitat von hubersn im Beitrag #108 Zunächst: Provokationen mit allem Möglichen ist politisches Geschäft, insbesondere bei den diversen Jungorganisationen aller Parteien.
Provokation ist oftmals in der Tat ein Teil von Werbung. Aber es gibt eben Grenzen. Wie beispielsweise Benetton vor einigen Jahren auch erfahren musste. Der verständliche Wunsch für den Werbeneden aufzufallen, ersetzt keinen Anstand.
Zitat Das Plakat nebst Spruch (den ich in keinster Weise für Nazi-Sprech halte, und die Einschätzung von R.A. bezüglich der "hammerharten Hommage an die Nazi-Propagandakultur" kann ich nicht nachvollziehen) ist jedenfalls weder Nazisprech noch enthält es Nazi-Symbole.
Die Kombination ist eindeutig. Sie ist ja auch gewollt, es ist ziemlich absurd darüber zu streiten: Wenn es keine Hommage wäre, dann wäre es ja eben gerade keine Provokation. Sowie man den Part der Provokation einräumt, ist der Drops gelutscht.
Zitat Die Tatsache, dass tatsächlich normale Leute in "Deutschland braucht Dich" Nazisprech erkennen wollen, dafür fehlt mir jedes Verständnis. Und mit Verlaub, wenn Sie ernsthaft Ihre Beispiele mit "Deutschland braucht Dich" auf eine Stufe stellen wollen, dann ist diese Diskussion absolut sinnlos.
Jetzt verkürzen Sie absichtlich. Der Spruch steht ja nicht alleine da, sondern in einem direkten Zusammenhang mit der Symbolsprache der Nazis. Für sich wäre er in der Tat harmlos. Aber er steht da ja sehr bewusst nicht alleine. Der Unterschied zu meinen Beispielen besteht einzig darin, dass ich bewusst solche gewählt habe, die bereits in ihrer Satzform eindeutig sind. Weil ich keine Lust habe Bilder zu malen. Das Prinzip ist jedoch absolut das selbe. Entweder spiele ich mit Nazi-Cliches oder eben nicht. Davon mal ab das der Streit ziemlich sinnlos ist: Ich sagte nur, ICH kriege das kalte Kotzen bei solchen Plakaten. Sie können das gerne anders sehen, aber ich fühle mich schlicht von dieser Form der Wahlwerbung angewidert. Wenn es Sie anspricht, dann habe ich da kein Problem mit.
Zitat Wer hat jetzt den Holocaust genutzt um Werbung zu machen? Hier haben Sie mich definitiv verloren. Das Plakat können Sie ja kaum meinen, da keinerlei Bezug zum Holocaust erkennbar ist.
Das dritte Reich, respektive die Nazis, sind von der Shoa nicht zu trennen, das Verbrechen der Shoa ist mit dem Verbrechen des dritten Reiches untrennbar verbunden. Und in diesem Kontext verbietet sich Werbung, auch und gerade Wahlwerbung.
Zitat In diesem Plakat dringend einen Nazi-Hintergrund erkennen zu wollen. Brandenburger Tor ist nicht Nazi. Die Bildsprache ist retro, aber nicht Nazi. Und wer aus "Deutschöand braucht Dich" einen Nazi-Bezug herausliest - der findet eben auch "Autobahn" total Nazi. Kann man so sehen, muss man aber nicht.
Dann ist das doch alles keine Provokation, oder doch? Wenn das alles nicht Nazi ist, wo sehen Sie denn die Provokation, die Sie selber ja implizit einräumen? Die Quadriga können Sie nicht meinen, den Text ja auch nicht, wo also sehen Sie die Provokation?
Zitat Das scheint mir ja nun genau einer der oft bemühten Punkte der AfD zu sein: in Deutschland liegt der Fokus von der Erziehung über die Ausbildung bis zu den Medien sehr stark auf den 12 dunklen Jahren.
In den Leserkommentaren z.B. in der Welt - nicht PI - lese ich von guten Besserungswünschen für den Polizeihund, der jemanden mit Hepatitis C und danach weitere Leute gebissen hat. Man hofft auf einen milden Krankheitsverlauf für ihn, den Hund. In anderen Fällen steht dort, dass man den Täter doch erschießen soll oder fragt, warum man ihn nicht einfach erschossen hat. Der letzte Täter solle lieber im Irak seine Strafe absitzen, weil eine Strafe in D zu human sei. Rachegedanken überall, also hat auch jemand schuld. Das, was Gauland sagte (jeder sollte sagen können, was er will, eine stabile Gesellschaft hält das aus) ist gegen das, was sich gerade entwickelt - nämlich (latenter) Hass auf bestimmte Menschen - ein Vogelschiss.
Zitat von Llarian im Beitrag #110 So handeln zu können wie ich möchte (mit der üblichen Einschränkung zu Lasten Dritter).
Die schlechte Nachricht: Auch der zweite Teil ist freiheitsdisponibel und keine Bedingung der Freiheit, vielmehr ein Teil einer ETWAIGEN Moral, die - freiheitlich, was sie nu mal ist - auch anders aussehen könnte, also hässlicher. Die Bedingungen der Freiheit sind naturalistisch und beweisen sich dadurch, dass man gegen sie UNMÖGLICH verstoßen kann. Zum Beispiel mal eis eigener Kraft fliegen wollen geht nicht in Erfüllung.
Auf die Last Dritter zu scheißen geht aber, sonst wären die Geschichtsbücher nicht voll davon, ist also kein Freiheits-Ausschluss-Kriterium.
Eigentlich isses m.E. lediglich die Fähigkeit, etwas sowohl zu tun als auch unterlassen zu können und diesbezüglich eine WAHL zu treffen. Diese Wahl wiederum ist die Quelle jeder Moral, die indessen ein Ergebnis der Freiheit ist, deswegen bekanntermaßen fragil und nicht die Freiheit selbst. Dass man auch ganz locker millionenfachen Massenmord wählen kann, ist allgemein bekannt.
Zitat von Llarian im Beitrag #110Was auch immer "intersubjektiv" nun genau bedeuten mag
Intersubjektive Überprüfbarkeit ist die Voraussetzung jeder (wissenschaftlichen) Erkenntnis. Ein Sachverhalt muß von zwei voneinander unabhängigen Beobachtern gleichermaßen nachvollziehbar sein.
Zitat von Llarian im Beitrag #110mit der üblichen Einschränkung zu Lasten Dritter
Wie Dennis schon sagte ist dieser Begriff streng genommen freiheitsdisponibel. Daher würde ich vorschlagen, den Freiheitsdisponibelen Teil "Willkürrecht des Stärkeren zu nennen" und die reziproke Variante eben Freiheit (im westlichen Verständnis) - Du formulierst es etwas sehr lax als "die übliche Einschränkung zu lasten Dritter". Aber spätestens da müßte dann auch schon mal die Frage erlaubt sein, wie das die Nazis mit dieser Einschränkung üblicher Weise hielten, wenn man nicht von "Befreiung" sprechen darf.
Zitat von Llarian im Beitrag #110Ich finde es wohl eher totalitär etwas von aussen zu definieren und jemandem von aussen zu sagen wann er frei ist und wann nicht.
Weil du Freiheit als subjektives Empfinden definierst. Das ist zwar nett von dir, bringt aber keine Erkenntnis über einen Zustand, wenn man mit einem solchen Begriff diskutiert. Wenn sich einer auf eine blaue Parkbank setzt und behauptet es sei eine grüne, ist das sein gutes Recht. Nur ist in einer Diskussion im folgenden die Attribuierung durch Farben sinnlos, um eine Information zu erhalten,.... weil willkürlich, weil subjektiv. Begriffliche Präzision hat mit totalitär nichts zu tun.
Zitat von Llarian im Beitrag #110Befreit wurden diejenigen, die sich als unfrei empfanden. Nicht die, die das System ganz toll fanden.
Da du Freiheit als etwas subjektives definierst kommst du zu diesem Schluß: Denen die das System ganz toll fanden wurde etwas (für sie positives) genommen, was sie möglicherweise als Freiheit empfanden. Nur wurde ihnen eben das Willkürrecht genommen, gleich wie sie das bezeichneten und es wurde ihnen stattdessen die Freiheit gegeben - auch wenn sie das womöglich doof fanden, weil sie lieber das Willkürrecht behalten hätten. Der Punkt ist, wenn man Willkür und Freiheit synonym verwendet, sind Diskussionen zum Erkenntnisgewinn ebenso ergiebig wie wenn die Farbbezeichnung von Parkbänken nach eigenem Gutdünken disponibel ist.
Zitat von Llarian im Beitrag #110Und von dem ist man gerade mal ein Papierblatt entfernt, wenn man für andere versucht festzulegen, wann diese frei sind.
Ich kann hier zwar nur vermuten, aber es erscheint mir, du hängst sehr an dem subjektiven Freiheitsbegriff. Was soll man denn bitteschön damit festlegen, wenn man begriffliche Klarheit schafft, um Dinge zu benennen? Gehen wir mal kurz davon aus, alle Menschen könnten sich objektiv auf die Bedeutung der Farbwörter einigen: Rot ist rot (so 650 nm Wellenlänge) , grün ist grün (so 500 nm Wellenlänge) , blau ist blau (so 460 nm Wellenlänge) , etc...
Jetzt setzt sich einer auf eine blaue Parkbank und sagt er säße auf einer grünen. Wenn ich nun sage: "Er sitzt auf einer blauen Parkbank", zwinge ich ihn weder auf einer blauen Parkbank zu sitzen, noch verbiete ich ihm auf einer grünen zu sitzen. Ich verbiete ihm nicht einmal auf einer blauen zu sitzen und zu sagen sie sei grün. Aber jeder kann erkennen, dass er wohl nicht die Prämisse der Farbbenennung teilt, auf die sich alle geeinigt haben. (Und wohl auch kein intersubjektiv überprüfbares Kriterium zu Farbenennung nutzt (die Wellenlänge), sonder ein subjektives.)
Zitat von Llarian im Beitrag #110dass Du es Dir verbitten würdest, wenn jemand anders für Dich festlegt, wann Du frei bist und wann nicht
Dazu kommt es sehr darauf an, was dieser Andere unter Freiheit versteht. Wenn diese Person selbst, nach subjektivem Empfinden, festlegen darf was Freiheit bedeutet, ist es sinnlos darüber zu debattieren ob ich frei bin oder nicht. Wenn wir einen eindeutigen, intersubjektiven Begriff der Freiheit haben, braucht es diese Person nicht, um meinen Zustand zu beschreiben, weil jeder Beobachter unabhängig feststellen kann, ob ich frei bin oder nicht.
Zitat von Llarian im Beitrag #110Denn was Du tust ist der Versuch das ganze auf eine scheinbar objektive Ebene zu heben
Ja was denn sonst? Willst du mit Menschen diskutieren, wo jeder die Bedeutung von Worten nach eigenem Gusto verwendet? Was soll das denn dann anderes werden, als "esoterische Laberrunden"?
Zitat von Llarian im Beitrag #110Eine solche Definition bringt zwangsnotwendig den eigenen Bias mit ein.
Eine Begriffsdefinition hat kein Bias, sondern nur die Folgerungen welche man mit ihr beschreibt haben möglicherweise eines. Nebenbei bemerkt: Subjektivität hat ein Bias, objektivität nicht. Daher versuche ich ja zu begründen, warum man sich von einem subjektiven Freiheitsbegriff lösen sollte.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Yago im Beitrag #112In den Leserkommentaren z.B. in der Welt - nicht PI - lese ich von guten Besserungswünschen für den Polizeihund, der jemanden mit Hepatitis C und danach weitere Leute gebissen hat. Man hofft auf einen milden Krankheitsverlauf für ihn, den Hund. In anderen Fällen steht dort, dass man den Täter doch erschießen soll oder fragt, warum man ihn nicht einfach erschossen hat.
Und dabei geht es nicht um Täter, die irgendwelche schweren Verbrechen begangen haben. Sondern um eine schlichte Randale von Besoffenen nach einem Fest. Der Vorfall wäre früher über die Lokalzeitung nicht hinausgekommen.
Wenn es einen objektiven Freiheitsbegriff gäbe - müsste man den nicht mit Gewalt durchsetzen?
Absolute, objektive Freiheit gibt es nicht, wird es nie geben und wird auch in westlichen Wertesystemen nicht gefordert. Kinder sind nicht frei, sondern voll und ganz dem moralischen Wertesystem der Eltern unterworfen. Und die Rechte der Eltern gehen da ziemlich weit. Man kann schon vom dem Recht sprechen, Kinder nach eigenen Vorstellungen zu programmieren.
Geistig behinderte Menschen sind ebenfalls oft nicht frei. Ich stelle das nur fest, ich bewerte es hier nicht.
So bald Religion ins Spiel kommt, wird es ganz übel. Aber auch kollektive Ideologie, wie der Sozialismus, verneinen große Teile der Freiheit. Zum Beispiel verneint der Sozialismus dem Individuum das Recht auf die eigene Leistungskraft und behauptet, die individuellen Fähigkeiten würden der Gemeinschaft gehören.
Ich sehe keine Möglichkeit, abschließend einen subjektiven oder einen objektiven Freiheitsbegriff als richtig zu kennzeichnen.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Yago im Beitrag #112In den Leserkommentaren z.B. in der Welt - nicht PI - lese ich von guten Besserungswünschen für den Polizeihund, der jemanden mit Hepatitis C und danach weitere Leute gebissen hat. Man hofft auf einen milden Krankheitsverlauf für ihn, den Hund. In anderen Fällen steht dort, dass man den Täter doch erschießen soll oder fragt, warum man ihn nicht einfach erschossen hat.
Und dabei geht es nicht um Täter, die irgendwelche schweren Verbrechen begangen haben. Sondern um eine schlichte Randale von Besoffenen nach einem Fest. Der Vorfall wäre früher über die Lokalzeitung nicht hinausgekommen.
Wenn ein Fest derart aus dem Ruder, läuft dass 100 Randalierer(!) sich ein Schlacht mit der Polizei liefern, ist mehr als nur für den Lokalteil der Zeitung.
Zitat von Minichamp im Beitrag #117Wenn ein Fest derart aus dem Ruder, läuft dass 100 Randalierer(!) sich ein Schlacht mit der Polizei liefern, ist mehr als nur für den Lokalteil der Zeitung.
Ein paar Dutzend Besoffene haben Flaschen etc. auf die Polizei geworfen. Die hat Verstärkung geholt und 100 Leute festgesetzt. Alles nicht schön, aber so etwas gab es früher regelmäßig - da haben wir immer um eine gewisse Uhrzeit eines der bekannten Bierzelte verlassen, weil die übliche Randale anstand. War immer interessant, weil deutsche Polizei und US-MP parallel ins Zelt gingen und hinterher ihre Gefangenen ausgetauscht haben.
Zitat von Minichamp im Beitrag #119Wo ich herkomme, ist die Aufregung schon groß, wenn ein einzelner Betrunkener anfängt mit Bierflaschen oder Gläsern zu werfen.
Diese Aufregung ist auch berechtigt - wenn er das dort tut, wo friedliches Benehmen üblich ist. Aber eine gewisse Randale war früher bei vielen Volksfesten üblich und wurde akzeptiert - wenn sie am üblichen Ort zur üblichen Zeit stattfand und nur Interessierte mitgemacht haben. Wie mir mal ein Bekannter aus Bad Hersfeld erzählt hat (70er Jahre): Am Donnerstag abend prügelt sich die Stadtjugend mit den Dörflern aus dem Umland. Am Freitag abend tun sich beide Gruppen zusammen und es geht gegen die Zigeuner (die dafür auch zuverlässig anreisten). Am Samstag abend dann alle drei Gruppen zusammen gegen die GIs (die erst dann Ausgang bekamen). Am Sonntag feierten dann alle Kontrahenten zusammen Frühschoppen (ohne die, die noch irgendwo im Gewahrsam saßen).
Heute geht es eigentlich generell friedlicher zu, und daher fallen die Ausnahmen besonders auf (und die Medienmeute bringt das auch viel größer als früher).
Zitat von Yago im Beitrag #112Der letzte Täter solle lieber im Irak seine Strafe absitzen, weil eine Strafe in D zu human sei. Rachegedanken überall, also hat auch jemand schuld.
Ich darf an einen Fall aus Österreich erinnern, wo der angeklagte Afghane überhaupt erst als Volljähriger angeklagt werden kann, weil es zufällig von ihm ein Handröntgen aus Pakistan gibt. Gegen eine MRT Untersuchung zur Altersfestellung hat er sich erfolgreich gewehrt. https://derstandard.at/2000074435600/Mor...r-ist-erwachsen
Zitat von Frank2000 im Beitrag #116Wenn es einen objektiven Freiheitsbegriff gäbe - müsste man den nicht mit Gewalt durchsetzen?
Ehrlich gesagt bin ich ein bisschen überrascht, wie wenig hier mitunter zwischen Sprache und realer Gestaltung getrennt zu werden scheint. Das erinnert mich fast schon ein bisschen an die von mir wenig geliebte Sprachpolizei, die glaubt, dass Dinge sind oder nicht sind, wenn man nur entsprechend darüber spricht oder nicht spricht.
Warum sollte man Freiheit mit Gewalt aufzwingen, nur weil es dafür einen objektiven Begriff gibt? Dieser Gedanke ist mir so fremd, dass ich ihn wirklich überhaupt nicht einordnen kann.
Ich habe das Gefühl (aber da mag ich mich täuschen), dass viele gerne versuchen Freiheit als etwas Positives zu verstehen und zu bewerten, das jedem Menschen zusteht. Genau das will ich nicht. Ich versuche mich mit anderen ins Einvernehmen zu setzen, was der Begriff Freiheit bedeutet. Was ihn zur Willkür abgrenzt. Wenn man darüber Einigkeit hat, kann man über Werte im Zusammenhang mit Freiheit diskutieren. Und vor allem: Man kann sie benennen, so dass sie jeder versteht, der die gleichen Begriffe nutzt.
Die Begriffsdefinition, welche mir zwecks Klarheit sinnvoll erscheint, ist folgende:
1) Reine Freiheit, im eigentlichen Wortsinn, kommt wohl am ehesten dem Recht des Stärksten nahe und ist korrekter Weise ein Synonym für Willkür.
2) Reziproke Freiheit ist eine Freiheit, welche inhärent für jeden die gleichen Rechte (und Pflichten) enthält. Sie beinhaltet damit, nebenbei bemerkt, auch ein gerüttelt Maß Gleichheit (in den Startbedingungen).
Die reziproke Freiheit ist dabei in meinen Augen der Kern des westlichen Gesellschaftsideals. Ob man dieses Ideal gut oder schlecht findet, ist damit erst einmal in keiner Weise gesagt.
Westliche Gesellschaften haben aber auch noch andere Werte, als alleine reziproke Freiheit. Zum Beispiel scheint es in vielen Gesellschaften Konsens zu sein, dass die Milderung materieller Not bis zu einem gewissen Grad sinnvoll und richtig ist. Solches ist aber keine allgemeine Erweiterung von Freiheit, sondern ein Eingriff in die Freiheit von manchen und eine Erweiterung von Freiheit für andere. Trotzdem wird das gerne als Freiheit oder wichtiger Teil von ihr bezeichnet. Ist es aber nicht. Es ist wichtiger Teil der modernen westlichen Gesellschaften, wie wir sie kennen, welche aber mitnichten alleine durch (reziproke) Freiheit charakterisiert sind, auch wenn alle gerne das, was sie positiv empfinden, darunter (subjektiv interpretierend) subsumieren.
Mit anderen Worten: Man braucht mehr als den Zustand der reziproken Freiheit für eine Gesellschaft nach westlichem Vorbild und selbst reziproke Freiheit braucht (Staats)Gewalt um sie zu gewährleisten, sonst wären wir irgendwann wieder beim Willkürrecht. Dass heißt: Wir sind hier mitten in einer Diskussion von Werten, wie man eine Gesellschaft organisiert und diese Diskussion kann man erst dann sinnvoll führen, wenn die Begriffe klar sind, die man dazu nutzt. Unergiebig werden Diskussionen dann (und das beobachten wir ständig in Debatten) wenn man die Begriffe Freiheit und Willkürrecht wild vermischt und gleich benennt.
Anders formuliert: Da die Vorstellung von (reziproker) Freiheit ein elementarer Bestandteil westlicher Kultur ist, sollte man diesen Begriff nicht mit subjektiven Vorstellungen überladen, sondern man sollte die subjektiven (moralischen) Vorstellungen formulieren, mit denen man die reziproke Freiheit einschränken möchte.
Und da sind wir wieder beim „Befreien“. Wenn man sich darauf einigen kann, dass reziproke Freiheit in Westdeutschland von den Alliierten nach 1945 "installiert" wurde, was mir recht offensichtlich erscheint, kann man sinnvoller Weise von einer Befreiung Deutschlands sprechen. Davon ist die Tatsache, dass das einige negativ, einige positiv und manche gar nicht werteten völlig unberührt.
Die Weizsäcker Rede kann man in diesem Sinne als eine Bejahung des westlichen Gesellschaftsmodells verstehen. Sie rückt die Herstellung der reziproken Freiheit in Deutschland in den Vordergrund und begreift sie als konstitutiv für das deutsche Selbstverständnis nach 1945. In meinen Augen eine sehr kraftvolle, positive Vision im Angesicht der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert.
Aber es steht natürlich jedem frei, das alles anders zu sehen.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Llarian im Beitrag #104Auch da fischst Du, denke ich, im Trüben. Ich denke was Konsens ist, ist, dass das Schuldbewusstsein instrumentalisiert wird um die deutsche Asylpolitik zu rechtfertigen. Und das ist keine Umstellung von Worten. Diejenigen, die diese Politik verfolgen, handeln selber nicht aus Schuldbewusstsein. Sie setzen aber dieses bewusst ein, so sie nicht weiter wissen.
Ich denke, man muss hier unterscheiden zwischen denen, die das Asylrecht in der Verfassung verankert haben - da denke ich schon, dass die Tatsache, dass ein paar Jahre zuvor Millionen von Exilanten auf der Suche nach Asyl vor rassischer oder politischer Verfolgung durch die Nazis waren, eine Rolle gespielt hat. Aber aktuell sehe ich die Keule nicht vorherrschend, meistens wird argumentiert mit Humanität und Weltoffenheit, und wenn ein Schuldgefühl instrumentalisiert wird, dann eher das vom reichen Deutschland, das die Verpflichtung hat, Menschen in Not zu helfen. Das ist auch viel besser geeignet, denn es weist im Gegensatz zur Nazikeule über die unmittelbare Flüchtlingseigenschaft hinaus auch auf materielle Not (die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge sind da mit inkludiert).
Zitat Nun ist zwischen dem Wunsch nach einer homogenen Gesellschaft bis zur "Besudelung" ein gewaltiger Weg. Der Wunsch nach Homogenität dürfte wohl kaum als Rassismus durchgehen. Die Besuldelung dagegen schon.
Zum Bevölkerungsaustausch ist der Weg genau so weit, und Gauland behauptet ihn. Aber ich habe ja schon vorher geschrieben, dass es wenig mit Rassismus und viel mit der Kultur zu tun hat. Und ist es wirklich so eine Unterstellung, dass es in der AfD ein Gefühl der Besudelung deutscher Kultur durch den Islam gibt?
Zitat Und nebenbei: Dummheit scheidet überhaupt nicht aus. Bis jetzt ist das allemal die beste Erklärung, die mir in den Sinn gekommen ist. Ich verstehe auch nicht so recht, wieso es einerseits im deutschen Mainstream so vollkommener Usus ist, alles was irgendwie rechts der SPD steht als dummm, krude und minderbemittelt darzustellen, aber bei solchen Aktionen grundsätzlich von tiefgehender Planung auszugehen. Ich gehe davon aus, dass eine Menge Politiker (und da schliesse ich Gauland ein), durchaus sehr dumme Momente haben. Diverse haben durch einen einzigen Satz ihre Karriere beendet.
Aber Gauland kommt doch nicht zum erstmal damit daher: In seiner Wehrmachtsrede heißt es: „Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen.“ Das ist inhaltlich das Gleiche, nur ohne Vogelschiss.
Zitat Weil es immernoch als ultima ratio bereit liegt. Ich habe das tatsächlich in einigen Debatten zu meiner Studentenzeit noch erlebt (okay, ist lange her). Da ging es zunächst auch um solche Themen. Und es war sehr oft der Fall, dass man, wenn man eben nicht das Stöckchen-Spiel mitgespielt hat, man irgendwann bei Hitler landete. Diese "neuen" Themen mögen diskursbeherschend sein, sie sind aber scheusslich schlecht abgesichert. So kann man zwar mit Sprüchen von Homophobie oder Islamophobie bei den üblichen Verdächtigen immer billige Punkte machen, man landet aber regelmäßig auf der Schnauze wenn der Gegenüber einfach nicht mitmacht. Und genau dann braucht man die Keule.
Aber das Bild zeichnet ja die AfD nicht - die AfD behauptet, dass die Keule permanent, präventiv und omnipräsent geschwungen wird, und das stimmt einfach nicht. Umgekehrt dagegen übt die Nazizeit - wahrscheinlich genau wegen des Tabus - eine unsägliche Faszination auf manche Afdler aus - wie der Mustopf auf dem Regal auf Kind, das nicht rankommt. Ist doch auch logisch für eine Anti-Establishment-Partei - das Tabu verbunden mit dem übertriebenen Empfinden von Schuldkult durch das Establishment macht es natürlich äußerst verlockend, das Tabu zu brechen, weil es die ultimative Abgrenzung ist. Dazu muss einer nicht mal die Nazis befürworten.
Zitat Und genau da geht es dann auch schief, wenn die Keule eben nicht da ist. Siehe Trump. Trump wäre in Deutschland nie erfolgreich gewesen, hätte man ihn nicht mit der xyz PC Keule erschlagen, läge am Ende immer Hitler bereit. Deswegen tut sich die AfD trotz dieser ja kaum schlechter denkbaren Regierung immernoch schwer.
Die Amis haben eine viel bessere, weil noch präsente Rassismuskeule. Allerdings ist der Anteil, bei denen sie zieht, unter 50%.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #103Du hast mich da übrigens auf eine interessante These gebracht. [...] Vielleicht ist sie tatsächlich [...] vorrangig eine Projektionsfläche.
Ich würde diese These unterschreiben und will nicht ausschließen, dass sie auf mich ebenfalls zutrifft. Sie ist die zwangsläufig Konsequenz, so meine ich, aus des Werwohlfs genialer These: "It's the despair stupid."
Zitat von Meister Petz im Beitrag #123Die Amis haben eine viel bessere, weil noch präsente Rassismuskeule. Allerdings ist der Anteil, bei denen sie zieht, unter 50%.
Dein Gedanke zu Straus (weiter oben) ist richtig. Da stimme ich dir zu. Trotzdem fand ich den Vergleich nicht vollkommen, 1:1 passend und das mag genau an dieser Feststellung von dir liegen. Zu Straus Zeiten hat die Nazikeule nicht so weitreichend gezogen wie heute (also bei so vielen). Diese Bemerkung widerspricht übrigens nicht deiner Aussage, dass die AfD den "Nazivorwurf der Anderen" in weiten Teilen selbst zur politischen Waffe kultiviert hat, um sich ein Feinbild zwecks Kohärenz zu basteln.
Mir wurde schon der Nazivorwurf vorgehalten, als ich gegen die Energiewende argumentierte. Von ansonsten durch und durch bürgerlichen und intelligenten Menschen.
Leider zeiht diese Keule noch und ist allgegenwertig.
Herzlich
n_s_n
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Letzteres ja, aber ersteres würde ich allgemeingültig nicht unterschreiben. Da hat Llarian schon recht: Hier wurde zu viel "Wolf" geschrien. Dagegen stehen die Absurditäten der aktuellen Politik, die wirklich für einen rationalen Menschen kaum fassbar sind. Und den Zielkonflikt mit der Realität kann die Keule nicht gewinnen. Meine These wäre: Es wird einen Backlash geben, der sowohl Merkel als auch die AfD hinwegfegt. Das eine bedingt das andere. Es wäre nicht das Schlechteste für dieses Land.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
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