Ein interessantes Phänomen, das mich im Prinzip schon seit den verbalen Ausfällen von Möllemann beschäftigt, die mir damals genauso unerklärlich waren wie die Entwicklung der AfD-Spitze in jüngerer Vergangenheit. Logik sucht man da vergebens. Ich kann mir das nur mit Profilierungssucht erklären: Hauptsache man steht im Rampenlicht, egal womit.
Man kann davon ausgehen, daß er auch diesen Eklat bewußt geplant und sorgsam formuliert hat. Und es hat ja auch alles prima funktioniert: Er hat riesige Schlagzeilen bekommen und die üblichen Empörten haben lautstark reagiert und ihn damit aufgewertet. Was er inhaltlich gesagt hat interessiert keinen mehr.
Verloren hat er nichts, weil er damit nur Leute abschreckt, die ihn ohnehin nie wählen würden. Gewonnen hat er bei den eher unpolitischen diffusen Wechselwählern, die den größten Teil des AfD-Wahlerfolgs ausmachen. Die kriegen meist nur Bruchteil von solchen Skandalen mit und bleiben mit ihrem Urteil an der Oberfläche. Und oberflächlich hat er die Nazis mit Exkrementen verglichen, man muß schon eine Ecke weiterdenken um den ganzen Spruch kritisch zu finden. Eine positive Hervorhebung der sonstigen deutschen Geschichte kommt auch bei vielen Wählern gut an. Und gewonnen hat er natürlich bei den AfD-internen Machtkämpfen. Wer bei der sehr aktiven und ziemlich rechtsnationalen Jungen Alternative den Saal mit solchen Sprüchen zum Kochen bringt, hat schon mal Punkte gemacht gegenüber der parteiinternen Konkurrenz.
Zitat Es geht uns gut, wir steigen auf: Lasst uns den Lucke entmachten. Wir sind Oppostionsführer und steigen auf: Lasst uns die Petry rausekeln.
Eben! Bisher ist die AfD hervorragend damit gefahren, ihre Gemäßigten abzuwürgen und stärker an den rechten Rand zu rücken. Daß das mehr mit steigendem Frust über Merkel zu tun hat als mit genuiner Begeisterung der Wähler für Rechtsradikalismus wird dabei ausgeblendet.
Und was man generell nie vergessen darf, auch wenn man z. B. Äußerungen aus der SPD oder dem Merkel-Umfeld hört: Gerade Spitzenpolitiker bewegen sich in jeweils ihrer Blase und bekommen Informationen und vor allem Feedback weitgehend aus einem eng begrenzten politischen Spektrum. Und speziell in der AfD-Führung mit ihrer Verachtung für die üblichen Medien dürfte die Verkapselung in der Parallelwelt weit fortgeschritten sein. Natürlich weiß ein Gauland noch, wie die normale politische Landschaft tickt - sonst könnte er seine Provokationen nicht so zielsicher formulieren. Aber viele Sachen, vor denen er zu CDU-Zeiten noch zurückgeschreckt wäre, dürften ihm inzwischen völlig normal vorkommen, es denken ja alle in seiner Umgebung so.
Zitat Die Aussage ist nicht "unglücklich" wie Herr Meuthen versucht zu relativieren, sie ist unglaublich dämlich.
Wenn man es genau nimmt, ist gar nicht die Aussage dämlich, sondern die Wortwahl. Eigentlich sollte doch inzwischen jeder gemerkt haben, daß die heutigen Top-Skandale in 90% aller Fälle mit mehrdeutigem und/oder abwertendem Vokabular zu tun haben ("Mahnmal der Schande", "shithole countries" etc. pp.) Entsprechend kann man allein durch eine geschickte Wortwahl solche Skandale komplett vermeiden, aber auch bei Bedarf gezielt provozieren.
Das Bild rechts vom Rednerpult zeigt, wie radikalisiert die JA ist. Jedes einzelne Bildelement kann man natürlich (in bester rechtsradikaler Ausredenmanier) als harmlos sehen wollen. Aber insgesamt ist das eine hammerharte Hommage an die Nazi-Propagandakultur - weit jenseits dessen, was sich selbst die konservativsten Unions-Gliederungen jemals getraut hätten.
Die folgende Twitter-Diskussion von diesem Luca ist ein schönes Beispiel für alles, was ich an Politikern und Politik so erbärmlich, lügnerisch und verachtenswert finde.
Die Aussage des Plakats lässt an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig - der AfD-Sympathisant redet sich damit raus, dass doch jedes Bildelement für sich völlig harmlos sei. Und die Gesamtaussage sei dann auch völlig harmlos bzw "patriotisch und aktiv". Ich muss kotzen.
Und das wird für mich kein Stück besser dadurch, dass die verachtenswerten Linken und Grünen diese manipulative Argumentationstechnik seit 20 Jahren mit massiver Unterstützung durch Presse und Kultur betreiben dürfen. Ja, die AfD sucht hier nur Waffengleichheit mit den Nationzerstörern von Die Linke und Die Grünen. Und nein, deswegen macht es solche Vorgehensweisen moralisch nicht richtig.
Ich bin konservativ. Und patriotisch. Bzw war patriotisch, bevor Merkel und Co mir jede Zuneigung zu diesem Land und dieser Kultur wegeäzt haben. Aber so etwas ist mit meiner Vorstellung von Moral und Ehre nicht vereinbar.
Da ich die sonstigen Parteien - die feige und lobiistische FDP eingeschlossen- aber sogar no h mehr für schädlich halte, bleibt mir eben nur Wahlenthaltung. Bzw ALFA wählen, was das gleiche ist.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Letztlich muss ich vor mir selbst und meinen petsönlichen ethischen Ansprüchen bestehen. Und ein solches Nazi-Plakat zu verlffentlichen und dann pfeifend so tun, als wär doch nix.... tut mir leid, so was ekelt mich an. Egal, wer's macht.
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Zitat von Frank2000 im Beitrag #6Und das wird für mich kein Stück besser dadurch, dass die verachtenswerten Linken und Grünen diese manipulative Argumentationstechnik seit 20 Jahren mit massiver Unterstützung durch Presse und Kultur betreiben dürfen.
Wobei die Unterstützung durch die Presse erst später kam, anfangs agierten auch die Grünen gegen die veröffentlichte Meinung.
Und es ist erstaunlich, wie stark die AfD die Strategien und Taktiken der frühen Grünen kopiert (und nach rechts gespiegelt) hat. Die Etablierung einer eigenen Subkultur mit eigener Realitätswahrnehmung, die gezielte De-Rationalisierung, die Provokation als PR-Mittel, der Einsatz von Fake-News, das inoffizielle Paktieren mit dem radikalen Rand, die inszenierte Gegenübersetzung von "Establishment" (also alle anderen Parteien) und eigener Outlaw-Rolle, der instrumentelle Umgang mit den parlamentarischen Regeln, usw. usf. - alles wie schon damals erfolgreich durchexerziert.
Es macht übrigens immer wieder mächtig Spaß, Grüne auf diese Parallelität hinzuweisen. Widerlegen können die das natürlich nie, aber sie ersticken fast an faktenfreier Empörung darüber, mit dem erzbösen Feind verglichen zu werden.
Letztlich wird es Gauland darum gehen, die Deutungshoheit der Linken zu brechen, auch was die Sicht auf den Nationalsozialismus betrifft. Und das ist, aus meiner Sicht, höchst überfällig.
Zitat von R.A. im Beitrag #3 Verloren hat er nichts, weil er damit nur Leute abschreckt, die ihn ohnehin nie wählen würden.
Sehe ich komplett anders.
Wenn ich mal von mir ausgehe: ich habe mir das Wahlprogramm der AfD durchgelesen. Ich finde dort sehr viele Positionen, mit denen ich übereinstimme. (Und die übrigens inhaltlich auch sehr nahe an dem sind, was auch die Union noch vor ganz wenigen Jahren vertreten hat). Nicht nur beim natürlich dominanten Flüchtlingsthema. Sondern auch bei vielen wirtschaftspolitischen Positionen oder zur Energiewende steht da (in meinen Augen) viel vernünftiges.
Dass ich die AfD bisher nicht gewählt habe, liegt nicht an diesem offiziellen Programm. Sondern liegt am Führungspersonal und dessen "Kultur". Mit "Kultur" meine ich etwas schwer fassbares. Wie man mit anderen umgeht. Auch Einstellungen z.B. zur christlichen Religion oder zur parlamentarischen Demokratie. Oder eben auch zum 3. Reich. Das von R.A. verlinkte Plakat ist ja z.B. nicht im engeren Sinn inhaltlich anstößig (hier z.B. der Text "Deutschland braucht Dich" in einem ganz harmlosen Zusammenhang: http://deutsch-caf.blogspot.com/2013/01/...aucht-dich.html). Sondern es ist die Bildsprache. Jeder erkennt doch auf den ersten Blick, dass das ein Bild im Nazi-Stil ist. Und keiner der halbwegs normal denkt würde so eine Bildsprache auf dem Parteitag einer "normalen" konservativen Partei einsetzen - es sei denn, er WILL als Nazi wahrgenommen werden.
Daher zumindest für mich gesprochen: Trotz grundsätzlicher Sympathie für viele AfD-Positionen ist die Partei für mich wegen genau solcher Aktionen nicht wählbar. Zumindest in meinem Falle (als zumindest potenziell für die AfD erreichbarer Wähler) hat Gauland also ganz sicher NICHT alles richtig gemacht.
Zitat von R.A. im Beitrag #3 Aber viele Sachen, vor denen er zu CDU-Zeiten noch zurückgeschreckt wäre, dürften ihm inzwischen völlig normal vorkommen, es denken ja alle in seiner Umgebung so.
Das könnte damit zu tun haben, dass er sich für einen Rachefeldzug gegen seine ehemaligen Politischen Freunde (TM) entschieden hat, denn diese Art Freundschaft hat es so an sich, dass als Störfaktor identifizierte Individuen gerne mal rüde aussortiert und beiseite geschoben werden. Es heißt zwar: if you can't stand the heat, get out of the kitchen, was aber einschließt, ersatzweise auch eine eigene Konkurrenzküche aufmachen zu können.
Die deutliche Geistesverwandtschaft mit dem Populismuskollegen Lafontaine, dem ein ähnliches Schicksal widerfuhr, wenngleich in einem höheren Stockwerk, fällt dabei auf. Die jeweiligen Rachefeldzüge waren bekanntlich durchaus erfolgreich, also: Warum nicht ab und an mal ne Schippe drauflegen, viel hilft viel.
Koalitionsverhandlungen Gauland/Lafontaine hätten jedenfalls den Vorteil, dass die Herren allemal schneller zu Potte kämen als das bei den gemäß PC zulässigen Kombinationen erkennbar wurde.
Das größte Potenzial für die AfD liegt doch darin, der CDU die konservativen Wähler abzuluchsen, die sich durch das Merkel-Personal nicht mehr vertreten sehen. Also die konservative Mitte, die zur Zeit außerhalb Bayerns keine Heimat mehr hat. Die schreckt man mit sowas aber eher ab, und die paar Rechtsradikalen, die man dafür als Neuwähler bekommt dürften nicht annähernd so zahlreich sein.
Ich bleibe dabei, diese Strategie - so es sich denn um eine handelt - ist ziemlich dämlich.
Zitat von Florian im Beitrag #10Dass ich die AfD bisher nicht gewählt habe, liegt nicht an diesem offiziellen Programm. Sondern liegt am Führungspersonal und dessen "Kultur".
Völlig nachvollziehbar - aber kein Widerspruch zu meiner These.
Die ich vielleicht besser formulieren sollte:
Zitat Verloren hat er nichts, weil er damit nur Leute abschreckt, die ihn ohnehin nicht mehr wählen würden.
Denn Leute wie Sie, lieber Florian, hat die AfD schon lange abgeschrieben. Die ursprüngliche Lucke-AfD (wie sie Frank2000 mitbegründet hat), die wollte solche gebildeten, rationalen Wähler ansprechen, die sich von der Union nicht mehr vertreten fühlen. Aber wahrscheinlich wäre die AfD mit dieser Zielgruppe nie über 5% gekommen. Das ist jetzt natürlich Spekulation und kann im nachhinein nicht falsifiziert oder verifiziert werden. Aber bisher scheint es mir, daß es nirgendwo in Europa eine Partei der Lucke-Art geschafft hat. Dagegen viele der Gauland-Art.
Durch Verzicht aus Seriosität und Kopie der grünen Strategien des Anti-Rationalismus, hat die AfD ganz andere, viel größere Wählerschichten angesprochen. Nicht nur ehemalige CDU-Wähler, sondern auch ehemalige SPD-Wähler und Nichtwähler. Und natürlich die NPD-/DVU-/Schill- usw.-Wähler, die ja immer mal für 5-10% gut waren. Und sie hat vor allem Aktivisten gewonnen, die mit viel Einsatz ihre Wahlkämpfe führen. Mit honorigen Konservativen kann man nicht so viel mobilisieren wie mit den Fanatikern in der "Jungen Alternative".
Zitat von R.A. im Beitrag #5Aber insgesamt ist das eine hammerharte Hommage an die Nazi-Propagandakultur - weit jenseits dessen, was sich selbst die konservativsten Unions-Gliederungen jemals getraut hätten.
Ich habe soeben etwa 15 Minuten damit verbracht, mir alle möglichen NS-Poster anzuschauen, und eine "hammerharte Hommage" kann ich in dem Plakat immer noch nicht erkennen. Auffällig ist ein gewisses Retrodesign, aber wo soll bitte die spezifische Relation zur NS-Propaganda bestehen?
Ebenso kann ich auch keine relevante Ähnlichkeit zwischen dem JA-Logo und dem der SA erkennen. Mit demselben Recht könnte ich auch das Logo der Bundesagentur entsprechend deuten.
Gaulands Rede hat sicher eine 1. abstrakt-inhaltliche Dimension und 2. eine konkret-politische.
R.A. hat völlig zu Recht auf die zweite Dimension hingewiesen. Jede Rede wird durch Art und Weise des Vortrags, die Örtlichkeit, Zeit, Publikum und diverse andere Rahmenbedingungen verändert. Ein alter Hase wie Gauland muss das wissen - und wenn nicht, muss man´s ihm halt erklären. Das von R.A. zur Kenntnis gebrachte Poster neben Gauland ist schlicht erschreckend. Ich hätte mich als Redner geweigert, eine Rede mit solchem Thema neben solchem Plakat zu halten. Wenn Gauland betonen möchte, dass die Nazi-Zeit nicht repräsentativ für die gesammte deutsche Kultur und Geschichte sind, dann kann man eine solche These nicht neben einem Plakat machen, die die Nazi-Bildsprache kopiert.
Zur abstrakt-inhaltlichen Dimension: ich bin ebenfalls ein Vertreter der Idee, dass die Nazi-Zeit als identitätsstiftendes Merkmal Deutschlands überbetont wird. Dabei geht es mir weder um Verdrängung noch Relativierung. Sondern, dass ich kein Anhänger der Blutschuld-Theorie bin und auch kein Anhänger der Singuläres Verbrechen-Theorie.
Blutschuld-Theorie: danach haben alle genetischen Nachkommen der Deutschen, die zwischen 33 und 45 einen deutschen Pass hatten, eine unabänderliche und alles dominierende Verpflichtung, sich selbst zu verachten, für alles zu entschuldigen, die Welt zu retten und jede Handlung mit den Worten zu beginnen "Ich, als Nazi-Nachfahre, ..." Dadurch gibt es dann auch Deutsche erster und zweiter Klasse: Deutsche erster Klasse sind alle Passdeutschen, die keine solche genetische Linie besitzen. Also vor allem natürlich eingebürgerte Migranten. Für die gilt dann die Blutschuld nicht. Erkennbar handelt es sich bei der Blutschuld-Theorie um Rassismus in Reinkultur. Die Befürworter dieser These begründen das damit, dass deutscher Rassismus eben nur mit Rassismus zu bekämpfen sei.
Singuläres Verbrechen-Theorie: danach sei das Nazi-Verbrechen so unvergleichbar böse zu allem anderen, was in der Menschheitsgeschichte passiert ist, dass 1. die deutsche Kultur, die deutsche Nation als Bestrafung zerstört werden muss und 2. als Konsequenzt daraus die Deutschen umerzogen werden müssen
Weder die Blutschuld-Theorie noch die Singuläres Verbrechen-Theorie überzeugen mich. Für ersteres bin ich zu wenig Rassist und für zweites zu gebildet und kenne zu viele andere Beispiele, die ebenfalls monströs sind und lediglich durch begrenztere Ressourcen im Umfang eingehegt wurden.
Auf der anderen Seite bin ich völlig bei Llarian, dass man die politische Intelligenz des Partei-Führungspersonals auch danach zu beurteilen hat, welche Themen gewählt und besetzt werden. Ich habe schon ein paar mal betont, dass ich auch kein Anhänger der Deutschland erwache-Theorie bin. Es gibt keine schweigende Mehrheit in Deutschland, die eigentlich konservative, patriotische Nationalisten sind und es lediglich noch nicht wissen. Wenn die AfD ihr Zielpublikum allein in diesem Segment sucht, dann ist der Deckel auf jeden Fall unter 20% der Wähler - und das ist schlicht zu wenig, um irgendwas zu bewirken. Die Kernschmelze, bzw der Kipppunkt liegt deutlich über 25%, die die AfD erreichen müsste. Wenn die AfD diese politische Realität nicht erkennen will, dann sind sie eben - dumm.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von R.A. im Beitrag #3Man kann davon ausgehen, daß er auch diesen Eklat bewußt geplant und sorgsam formuliert hat.
Ich finde, es reicht auch Dummheit zur Erklärung aus. Die Rede fand vor Parteianhängern statt. Waren Journalisten überhaupt eingeladen? Wie sehr mußte Gauland damit rechnen, daß strittige Redezitate ruchbar würden?
Zitat von Quentin Quencher im Beitrag #9Ich wollte mich zu Gauland und dem Fliegenschiss nicht äußern, aber der Text vom geschätzten Liarian hat mich dann doch zum Widerspruch angeregt:
'Fliegenschiss' hat Gauland nie gesagt, das haben nur die die Gaulands Aussage missverstehen wollten so verstanden.
'Fliegenschiss' hätte geheißen, dass die 12 Jahre drittes Reich vernachlässigbar wären, praktisch zu vergessen.
'Vogelschiss' ist assoziiert mit dem ekligen Fleck auf was auch immer. Ist er auf dem glänzenden Autolack gelandet kann der Lack noch so schön sein, der Vogelschiss wird die Blicke anziehen. Damit passt Gaulands Metapher exakt zu dem, was er im Hinblick auf die lange deutsche Geschichte ausdrücken wollte. Und da sehe ich kein tiefes Loch, es sei denn man deutet das Bild um. Der Kontext spricht aber gegen eine andere Interpretation.
Wer auch immer sich nun aufregt, ich behaupte, die meisten hätten sich ohne die mediale Vorlage nicht aufgeregt. Deshalb wäre ich durchaus neugierig, wer diese Aufregung los getreten hat.
Das Konterfei im Saal ist interessant, für mich die Assoziation mit dem dritten Reich nicht zu leugnen. Genau gesehen wundert es mich aber nicht, denn die von Merkel und Konsorten ausgelöste Spaltung der Gesellschaft wird die Gräben vertiefen, und die drücken sich wohl auf diese Art aus. Auf der anderen Seite des Grabens steht die Antifa.
Das Konterfei hat aber keinen Einfluss auf mein Wahlverhalten. Wer sich Gedanken um das Führungspersonal der AfD macht, sollte sich zur Abwechslung die Spitzenleute der FDP oder der Grünen anschauen. Danach sollte er geerdet sein. Der Blick darf natürlich auch zur SPD schweifen. Da sieht es nicht anders aus. Am Führungspersonal mache ich keine Wahlentscheidung fest. Ich werde AfD wählen bis in diesem Land wieder Vernunft eingekehrt ist. Der Effekt der AfD ist deutlich spürbar, wenn die etablierten Parteien kein Wahlprogramm mehr haben als das, die AfD zu verhindern.
Zitat von R.A. im Beitrag #3Man kann davon ausgehen, daß er auch diesen Eklat bewußt geplant und sorgsam formuliert hat.
Ich finde, es reicht auch Dummheit zur Erklärung aus. Die Rede fand vor Parteianhängern statt. Waren Journalisten überhaupt eingeladen? Wie sehr mußte Gauland damit rechnen, daß strittige Redezitate ruchbar würden?
Wer braucht für die Veröffentlichung einer Rede noch Journalisten, wenn er ein Smartphone besitzt?
Zitat von Frank2000 im Beitrag #15Gaulands Rede hat sicher eine 1. abstrakt-inhaltliche Dimension und 2. eine konkret-politische.
Völlig richtig, damit kann ich mir meine Antwort an Quentin sparen.
Zitat Zur abstrakt-inhaltlichen Dimension: ich bin ebenfalls ein Vertreter der Idee, dass die Nazi-Zeit als identitätsstiftendes Merkmal Deutschlands überbetont wird.
Völlig richtig. Und das kann man auch sagen - im richtigen Kontext. Z. B. wenn jemand konkret eine solche These aufstellt und man dieser widerspricht. Oder wenn man akademisch über deutsche Geschichte referiert. Aber eine Parteitagsrede ist etwas völlig anderes.
Zitat Wenn die AfD ihr Zielpublikum allein in diesem Segment sucht, dann ist der Deckel auf jeden Fall unter 20% der Wähler
Nicht alleine. Deswegen ja diese gewollt zweideutigen Formulierungen und das rituelle Zurückrudern nach jeder Skandal-Inszenierung. Die Hardcore-Rechten braucht die AfD, um aktives Personal zu bekommen und die muß ein Gauland hofieren, um gegen seine innerparteilichen Konkurrenten zu bestehen.
Aber den großen Wählererfolg (bis und über 20%) erreichen Parteien wie die AfD durch ganz andere Wählerschichten. Die sind nicht so empfindlich gegen rechte Symbolik wie deutsche Journalisten, die mögen auch gerne einen deutschen Schwerwpunkt - aber mit echten Nazis wollen sie auch nichts zu tun habe, deswegen gehören Camouflage und Spagat zu den Kerndisziplinen von Parteien wie der AfD.
Und deswegen agieren sie m. E. auch überhaupt nicht dumm, sondern im Gegenteil sehr überlegt und taktisch geschickt. Und folgen dabei genau den Refolgsrezepten, mit denen ihre Kollegen in anderen Ländern deutlich über 20% hinausgewachsen sind. Ob ihnen das auch in Deutschland gelingt bleibt abzuwarten. Aber wenn nicht, dann liegt das nicht an Gaulands taktischen Ausfällen.
Zitat von Martin im Beitrag #17Wer auch immer sich nun aufregt, ich behaupte, die meisten hätten sich ohne die mediale Vorlage nicht aufgeregt.
Wahrscheinlich. Die Aussagen sind ja nicht neu, die Standpunkte sowieso nicht, insofern haftet dieser Aufregung etwas konstruiertes und künstliches an. Ich empfinde weniger Gaulands Äußerungen (über die man natürlich streiten kann) als peinlich, sondern eher die Empörung darüber.
Man kann davon ausgehen, daß er auch diesen Eklat bewußt geplant und sorgsam formuliert hat. Und es hat ja auch alles prima funktioniert: Er hat riesige Schlagzeilen bekommen und die üblichen Empörten haben lautstark reagiert und ihn damit aufgewertet. Was er inhaltlich gesagt hat interessiert keinen mehr.
Die Vollidioten machen es ihm aber auch zu leicht.
Zitat von Quentin Quencher im Beitrag #20Ich empfinde weniger Gaulands Äußerungen (über die man natürlich streiten kann) als peinlich, sondern eher die Empörung darüber.
Mir scheint beides ähnlich peinlich zu sein. Das Wort Gaulands, um das sich alles dreht, ist rhetorisch tatsächlich ein völliger Fehlgriff, bei dem ich mir immer noch nicht sicher bin, wie gezielt Gauland ihn eingesetzt hat.
Und die hysterische öffentliche Debatte (inklusive "virtue signalling" etlicher Autoren aus dem eher konservativen Lager) ist v.a. aus einem Grund peinlich: Diejenigen, die sich jetzt am lautesten darüber echauffieren, daß Gauland in einer umangemessenen Weise über den Nationalsozialismus redet, sind ja zugleich diejenigen, die die Verantwortung dafür tragen, daß in den letzten Jahren hunderttausende Antisemiten (darunter etliche rabiate Antisemiten) ins Land gelassen wurden.
Aber egal, Hauptsache man redet über den Nationalsozialismus genau so, wie es sich gehört: NS-Verbrechen "einzigartig" und "unvergleichbar"; deutsche Opfer bitte nicht erwähnen, weil das ja eine "Relativierung" wäre; Kriegsende ist ohne jede Ambivalenz eine "Befreiung" usw. usf.
Zitat von Quentin Quencher im Beitrag #9 Letztlich wird es Gauland darum gehen, die Deutungshoheit der Linken zu brechen, auch was die Sicht auf den Nationalsozialismus betrifft. Und das ist, aus meiner Sicht, höchst überfällig.
Dafür muss man aber nicht so tief ins Klo greifen, lieber Quentin. Man kann die Linken durchaus auch mit Begriffen provozieren, die durchaus vermittelbar sind und nicht von einem guten Teil der Wähler als abstossend empfunden werden. Die Aussage "Die Deutsche Geschichte beschränkt sich nicht auf den Nationalsozialismus" ist für Linke vom Schlage Augstein Provokation genug. Die Aussage "Die deutsche Geschichte der letzten zwei Generationen ist ein weltweit einmaliger Efolg" genügt ebenso. Er könnte auch sagen, in Anbetracht eines Jahrtausends der Geschichte kann und darf die Nazi-Herrschaft nur eine Facette der deutschen Geschichte sein. All das hätte er sagen können und ich könnte noch eine Weile weitermachen. Hat er aber nicht. Er musste unbedingt von einem Vogelschiss sprechen.
Und auf einer solchen Basis kann man auch keine Debatte führen, egal wie überfällig die ist. Das ist ungefähr genauso als würde ich eine ebenso überfällige Debatte um die Einwanderung führen wollen, die ich erst einmal mit "Ausländer raus!" einleite. Vollkommen sinnlos. Ich glaube auch nicht, dass er wirklich provozieren wollte oder irgendetwas anstossend wollte. Ich glaube es war einfach nur dumm.
Zitat von R.A. im Beitrag #13Aber bisher scheint es mir, daß es nirgendwo in Europa eine Partei der Lucke-Art geschafft hat. Dagegen viele der Gauland-Art.
Eben ja gerade nicht. Die wirklich radikalen Partein stecken überall in gnadenlosen Minderheiten und sind von einer Regierung weiter entfernt als das neue Süddeutschland von einem durchdachten Artikel. Wer in Europa (und auch in der Welt nebenbei) Erfolf hat sind zwar oftmals als "rechtspopulistisch" gescholtene Parteien, aber keine rechtsradikalen. Der Front-National wurde erst erfolgreich nachdem LePen (die Tochter!) die verkappten Nazis rausgeschmissen hat. Die Bewegung um Kurz in Österreich ist rechts, nicht rechtsradikal. Und auch der heutige Gott-sei-bei-uns The-Donald ist theoretisch ein Rechter, aber ganz sicher niemand der Faschismus zu relativieren sucht.
Wenn die AfD wirklich gestalten und nicht nur pöbeln will, dann MUSS sie konservative (und auch liberale) Wähler abgreifen. Und das in großer Menge. Das Potential für rechtsradikale Positionen ist in Deutschland sehr, sehr eng. Und um mich auch zu erklären: Ich balle die Faust wieder. Und zwar WEIL ich die AfD gewählt habe. Aus meiner Warte habe ich damit im Nachhinein bei der letzten Wahl alles richtig gemacht: Wir haben endlich wieder eine Opposition, und sie macht ihre Sache gar nicht mal so schlecht (deutlich besser als ich auch nur irgendeine Opposition in den Merkel Jahren erlebt habe). Wir streiten wieder. Und es besteht die Hoffnung das die Bleijahre Merkel bald enden. Wenn solche Sprüche kommen, dann ballt sich die Faust wieder in der Tasche. Und das hat Gauland sicher nicht richtig gemacht. Wenn ich das Plakat der Jungen Alternative sehe, dann kriege ich - entschuldige meine Sprache - das kalte Kotzen. Ich fühle mich recht verzweifelt in der Merkel Republik. Aber weil Auswanderung eben doch einen sehr hohen Preis hat, setze ich meine Hoffnung darauf, dass irgendjemand das System Merkel stürzen möge. Deswegen wähle ich aber keine Rechtsextremisten. Es gibt Grenzen. Auch wenns dann für mich teurer wird.
Zitat von Llarian im Beitrag #24Wenn ich das Plakat der Jungen Alternative sehe, dann kriege ich - entschuldige meine Sprache - das kalte Kotzen.
Reden wir da vom selben Plakat? Ich habe nur ein Bild gesehen von "Gauland neben Plakat", das mit dem Brandenburger Tor und "Deutschland braucht Dich". Es ist zweifellos in einem Stil gehalten, der eher in den Dreißigern bis Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts erinnert, aber eine klare Nazi-Assoziation will sich da bei mir nicht einstellen. Besonders das Brandenburger Tor hat bei mir eher DDR-Mauer-Mauerfall-Assoziation als Nazi-Assoziation.
Die Hysterie darum erinnert mich ehrlich gesagt an "Autobahn". Nicht komplett absurd, aber schon sehr weit hergeholt. Das Plakat ist aus meiner Sicht sicherlich als Provokation gedacht, aber halt auf dem Niveau eines Che-Guevara-T-Shirts.
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