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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 82 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.265

22.05.2024 16:42
#76 RE: Grün würgt. Die evangelische Kirche Antworten

Zitat von Krischan im Beitrag #4
Habe diese Argumentation nie verstanden. Wo rütteln naturwissenschaftliche Erklärungen an Gott? ... Nur warum findet diese chemische Reaktion denn statt?

Zur Arterhaltung. Aber dieser zunächst einmal ziemlich basale Sachverhalt verzweigt sich im Lauf der Evolution schnell, weil hier eine ganze Reihe zum Teil höchst widersprüchliche Faktoren gegeneinander ausgespielt und unter einen Hut gebracht werden müssen. Das ist zum einen die auf Dauer ausgelegte Partnerbindung, bei bei Homo sapiens durch die extrem lange Entwicklungszeit und die Abhängigkeit im Familien- UND Gruppenverband besonders stark ausgeprägt ist. Zum anderen können wir nur in hierarisch geordneten Großgruppen existieren (dabei ist zu beachten; das sich das unter den Bedingungen der Altsteinzeit ausgeprägt hat und diese Anlage unverändert geblieben ist.) Und vermittelt bzw. erzeugt werden nicht nur "die Liebe" (die übrigens terminologisch ein Kuckucksei ist; man braucht sich nur anzusehen, was schon die alten Griechen, die das als erste Mal sortiert haben, für einen Strauß verschiedener Ansätze, von Eros, Agape, Philia, Storge, Philautia & Xenia unterschieden haben). Ein weiterer Punkt ist: daß die Konventionen + Strikturen einer Gesellschaft hier zum einen Grenzen setzen, zum anderen formen. Und natürlich wird das Verspüren, das Triggern von Dingen wie Zuneigung oder begehren ganz allein durch Hormone ausgelöst - nicht durch irgendwelche himmlischen Unterprogramme in der - externen - Matrix. Und es gab diese Dinge unter Garantie nicht, bevor nicht der biologische Apparat entstanden war, auf dem solche Epiphänomene laufen und ihrerseits sich auf das Verhalten (des Einzelnen, des Paars und der Gruppe) auswirken konnten: in einem Ameisenhaufen oder unter Einzellern entfällt das. Es ist sogar noch mehr: die Hypothese: das sei ab ovo höheren Orts auf Vorrat gebunkert, läuft auf eine teleologische Weltsicht hinaus, nach der die Entwicklung des Menschen unabdingbar war, angefangen nicht erst bei der Entstehung der Erde, sondern schon im Urknall, der die Rahmenbedingungen für die spätere Ausfaltung setzte, damit 13 Milliarden Jahre später sich Romeo und Julia einen Rosenkrieg liefern können. (Für die Llarians: das ist eine Metapher: ich übertreibe absichtlich, um zu zeigen, in welche Absurditäten das bei konsequenter Verfolgung triftet). Das ändert nichts daran, daß diese ultimate "Whig interpretation of (natural) history" - die also im Istzustand den intendierten Schlußpunkt nicht nur der Geschichte, sondern auch der Naturgeschichte ausmacht, von der Antike bis ins 19. Jahrhundert die Regel ist.

Nota bene: all die uralten Konzepte: "die Liebe ist eine Himmelsmacht," "der Herr im Himmel" stammen ausnahmslos aus Zeiten, in denen die Erbauer solcher Weltmodelle nichts von diesen tatsächlichen Beschränkungen wissen konnten, die Erde eine Scheibe war, psychische Störungen auf Dämonen zurückgingen und die überprüfbare Analyse der tatsächlichen Verhältnisse außen vor blieben mußte.

Und natürlich haben wir mit dem Aufkommen der exakten, messenden Naturwissenschaften einen immer geringeres Spielfeld für Götter, Schöpfer, Schutzengel, finstre Mächte, morphische Felder, oder was sonst nicht von dieser Welt ist: Schlicht gesagt: was sich in diesem Universums auswirken soll, muß zum einen Teil davon sein und zum anderen seinen Regeln + Begrenzungen unterliegen. Das gilt auch für den Fall, daß dies die Matrix ist: auch in ein laufendes Computerprogramm kann der User nur in dem Maß in den Ablauf eingreifen, wie solche Schnittstellen von vornherein ins Programm codiert worden sind. Und da sagen uns die milliardenfach bestätigten Ergebnisse: ist nicht: eine "von außen kommende" Instanz könnte gar nicht ins Geschehen, und zwar von Erdkern bis zum fernsten Quasar eingreifen; noch hätte sie Informationen über deren Zustände. Die Wissenschaft kann ziemlich kategorisch ausschließen, daß sich unsere Verhältnisse - etwa die Frage, ob Romeo sein Seelenheil riskiert, weil er sich nicht an seinen Pakt mit Julia gehalten hat und am Leben geblieben ist - irgendwo in der 43. Dimension auf ein informatives Trägermedium aufprägen, daß von Zeus, Pluto, dem Erzengel Gabriel oder den Parzen ausgelesen werden kann. Dazu müßte es zuallererst einmal Bestandteil unsrer Raumzeit sein, wie etwa die Interplanetare Teekanne von Bertrand Russell, die zwischen Mars + Jupiter kreist. (*) Weniger salopp: das setzt einen Deus Sive Natura im Sinne Spinozas voraus. Und der braucht Eingreifmöglichkeiten, die Lichtgeschwindigkeit und Thermodynamik etc. gehorchen und die der reine kombinatorische Zufall nicht zur Verfügung stellt. Das Bild von William Paley mit der im Wald gefundenen Taschenuhr, aus deren Existenz auf einen Uhrmacher geschlossen werden darf und das er im Analogieschluß verwendet hat, um einen Hacedor des estrellas, zumindest eine Schöpfungsinstanz für das Universum zu postulieren, geht nach hinten los. Weder bleibt dafür Platz, noch gibt es eine Notwendigkeit, dergleichen anzunehmen.

(*) Das ist natürlich auch jetzt "nichts Neues", sondern der zentrale Knackpunkt in der englischen Naturphilosophie irgendwo zwischen Hutton, Lyell, Spencer und Darwin, wie es etwa P. H. Gosse auf den Punkt gebracht hat: daß Gott zwar die Welt geschaffen hat, aber auf eine solche Weise, daß er selbst verborgen bleibt, aber durch Fossilien die Erdkundler zu der Ketzerei verführt, der Erdkloß sei älter als die 6000 Jahre, von denen die Schrift spricht. "Perduran esqueletos de gliptodonte en la cañada de Luján, pero no hubo jamás gliptodontes" (Borges, "La créacion y P. H. Gosse").

Im übrigen gibt es in der Mathematik seit Jahrhunderten den Streit - oder besser: die konträren Ansichten - ob mathematische Strukturen "vom Menschen erfunden" worden sind, oder ob sie von Anfang an im Gewebe von Raum, Zeit, Materie, ihren Interaktionen enthalten sind und erst durch Analyse entdeckt werden. Der letzte vehemente Vertreter von Richtung 2, also der letzte Bannerträger Platos, war G. H. Hardy.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

22.05.2024 17:46
#77 RE: Grün würgt. Die evangelische Kirche Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #53
Zitat von Llarian im Beitrag #50
das Feuer ein Element ist

Zitat
...so selbstsicher Aussagen darüber treffen kann was in 1000 Jahren alles erreicht und nicht erreicht werden kann...


Och: daß der Sozialismus nie + nimmer funktionieren kann, hat Ludwig von Mises ja vor mehr als 100 Jahren glasklar dargelegt und die gründe dafür benannt - und das ganz unabhängig von den dirigistischen und kollektivistischen Zügen, die der Sozialismus notwendigerweise entfalten muß, um überhaupt sein flächendeckendes Experiment starten zu können - weil ihm sonst die Versuchskaninchen davonlaufen. Selbst bei den bestgemeinten Absichten und größten Anstrengungen allerseits KANN er seine Ziele nicht erreichen, so wenig wie ein Physiker ein Perpetuum Mobile zweiter Ordnung konstruieren könnte..


Ulrich Elkmann und Frank2000 haben recht, werter Llarian.

Wenn man Kommunismus so ausgestaltet, dass er funktioniert, dann ist es kein Kommunismus mehr. Mises hat das in seinem Werk 'Socialism' dargestellt und die Dysfunktionaliität von Planwirtschaft wird auch in neutralen wirtschaftswissenschafltlichen Standardwerken herausgearbeitet.

Selbst die hier eher wenig geschätzte Frau Wagenknecht meinte neulich bei Schuler, dass ihr schon zu ihren kommunistischen Jugensündenzeiten bewusst war, dass der klassische Kommunismus so nicht funktionieren könne (sie scheint mit Kommunismus ohnehin schon lange nichts mehr am Hut zu haben).

Ich habe jetzt nicht die Zeit, mich in Mises Buch wieder einzulesen, aber ein auch nur halbwegs 'funktionierender Kommunismus' wäre am Ende des Tages nichts anderes als eine (schlechte) Variante des Kapitalismus.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.265

22.05.2024 19:49
#78 RE: Grün würgt. Die evangelische Kirche Antworten

Zitat von HR2 im Beitrag #7
Die Naturwissenschaften bestätigen ihn aus meiner Sicht eher als dass sie ihn widerlegen.

Nein. Bei den Wissenschaften (wir beziehen uns hier auf den harten, messenden, anturwissenschaftlichen Bereich, also STEM/MINT) gibt es keinerlei Rekurs auf irgendwelche transzendenten Setzungen. Deswegen wird da null-kommenichts "bestätigt"; so wenig, wie ein Pizzabäcker und ein Klempner entscheiden können, ob der Koran oder die Bhagavatgita den Weg zur ewigen Seligkeit korrekt beschreiben. (Andererseits hilft mir die praktisch-faktische Erfharung, dafür einzustehen, daß beiden in dieser Hinsicht nichts als höheren Blödsinn darstellen und mir von Geschichte + Lebenserfahrung sagen zu lassen, daß der erste harmlos ist, der zweite eine höchst konkrete Gefahr und eine totalitäre politische Ideologie in Reinkultur darstellt. Nur fällt das nicht unter den Schirm von STEM).

Der einzige Bereich der Naturphilosophie, der aus den Befunden der Physik eine höhere, sinngebende Wenndung ableitet, sind die verschiedenen Varianten des "Anthropischen Prinzips." Dabei ist strittig, inwieweit das deckungsgleich mit dem "intelligenten Design" ist, das eben eine planvoll handelnde Schöpfungsinstanz bewahren will 8allerdings ist das auch aus deren Binnensicht philosopisch eher wenig trostreich, denn hierbei beschränkt der Weltenschöpfer stets auf die Rolle der "prima causa", als Urzündung, die das immense Billardspiel abgestoßen hat & jetzt zusieht, wie die Karambolage sich enfaltet. Das anthropische Prinztip weist darauf hin, daß eine ganze Reihe der physikalischen Konstanten so fein justiert sind, daß sie die Entstehung von Leben - und in der Folge intellgentem Leben, überhaupt erst möglich macht: etwa der Gravitation, ohne die es nicht zur Entstehung von langelebigen Sternen gekommen wäre, in der erst die chemischen Elemente schwere als Deuterium + Helium erbürtet werden konnten, ohne die die Show nicht auf dem Spielplan steht, wenn die Schwerkraft beim Urknall nur wenige Prozent höher oder geringer aus der Calabi-Yau-Mannigfaltigkeit ausgefaltet worden wäre. Gleiches gilt für c, die Lichtgeschwindigkeit, an der sich der Energiegehalt der Materie bemißt. Dei Feinstrukturkonstante. Die Tatsache, daß sich Wasser bei Abkühlung unter 4°C ausdehnt... je nach Gusto finden sich zwischen 12 bis 20 solcher "Feineinstellungen."

Bei einigen ist das eine schlichte Tautologie: wir MÜSSEN auf einem Planeten heimisch sein, auf dem diese Flüssigkeit en masse vorkommt und dessen Gestirn langlebig und praktisch nicht veränderlich ist. Sonst wäre dem irdischen Leben niemals die Zeit für die Entwicklung nennenswerter Komplexität geblieben. Anders gesprochen: wir sind die Nachkommen von Vorfahren, die 100 Mal hintereinander sechs im Lotto gezogen haben. Ist der Pool an Zockern groß genug, ist es statistisch unausweichlich, daß jemand diese Rolle einnimmt. Es beweist aber nicht nicht, daß das so geplant oder er auserwählt wäre. Angesichts der nicht ganz bescheidenen Größe der Versuchsanordnung (von einigen Kosmologen geschätzter Durchmesser 100 Milliarden Lichtjahre, davon gute 50 mittlerweile sichtbar), ist das der gängige Standpunkt DER WISSENSCHAFT (und ja: DIE Wisssenschaft gibt es in diesem Fall definitiv: nämlich als die Nullhypothese unter den wenigen Dutzend forschend Gelesenen, die das ins Zentrum ihres Tuns stellen). Wobei es unter Kosmologen geradezu nötig ist, mit "alternativen Erklärungsmodellen" um die Ecke zu kommen, weil viele Aspekte nicht ansatzweise geklärt sind und der Ausbau der Datenbasis in den letzten 100 Jahren das ganze schon einige Male grundlegend umgekrempelt hat. Da shat aber konkret zur Folge, daß sich der größere Teil als irrig erwiesen hat: de-Sitter-Universum, Steady-State-Universum, kosmische Strings. Nebenbei erklärt diese Standardsicht auch recht schlagend das Fermi-Paradox.

in seiner verschärften Form läuft auf anthropische Prinzip aber auf eine ganz andere Konsequenz hinaus. Die besagt nämlich: daß das Universum zwingend auf Beobachter angewiesen ist - um überhaupt zu existieren. Es durch den Kollaps der Wellenfront wird es gefestigt und aus dem Reich der reinen Wahrscheinlichkeit enthoben. Deshalb muß ein Universum, das es geschafft hat, zu existieren, stets so beschaffen sein, daß es Beobachter hervorbringen kann. Entre nous: es gibt keinen Astrophysiker, der diese Hypothese als ernsthafte Arbeitsgrundlage gelten lassen würde. Das ist ein reines Wolkenkuckucksheim. Aber als paradoxe Grundannahme ist das so etwas wie das ultimative Zen-Paradox. (Mal davon ab, daß das natürlich eine Ansicht des Thomismus aufgreift bzw. variiert: danach existiert ja alles, was existiert, nur deshalb, weil GOttes Auge es in jedem Moment beobachtet: wenn nicht, würde es sich wie Alice im Spiegelland sofort auflösen, sobald der Rote Schachkönig nicht mehr von ihr träumt).

There once was a man who said "God
Must think it exceedingly odd
If he finds that this tree
Continues to be
When there's no one about in the Quad."

(Ronald Knox, 1913)

Dear Sir, Your astonishment's odd.
For I'm always about in the Quad.
And that's why the tree
Will continue to be
Since observed by
Yours faithfully, God.

(Antworter unbekannt)


Ein junger Mensch sprach einst: "Gott
Denkt bei sich bestimmt - sapperlot,
Warum der Strauch wohl nicht vergeht
Wenn davor keiner steht
Und niemand beäugt den Schamott?"

Mein Herr: SIE sind nicht ganz flott
Denn ich' steh hier stets vor dem Schamott
Und mein eignes Hinsehn
Läßt den Strauch dort bestehn.
Beste Grüße, hochachtungsvoll, Gott.



PS. Die Frage, welche Rolle Schrödingers Katze in einer solchen Versuchsanordnung zukäme, lasse ich mal in deren Katzenbox. Denkbar wäre, daß ihr die Rolle des Diabolus zukommt, wie sie der Sozianianismus versteht: nämlich als Beobachter, der explizit NICHT Teil des Systems ist - also nicht des Beobachtungsbereichs der allgegenwärtigen göttlichen Macht und damit einen externen unabhängigen Faktor ins Spiel bringt, der erst zur Undeterminiertheit des ganzen Systems führt. Ohne den als unabhängigem Beobachter gibt es nach dem Sozinianismus keine Freiheit.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Llarian Offline



Beiträge: 7.070

23.05.2024 19:29
#79 RE: Grün würgt. Die evangelische Kirche Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #77
Wenn man Kommunismus so ausgestaltet, dass er funktioniert, dann ist es kein Kommunismus mehr. Mises hat das in seinem Werk 'Socialism' dargestellt und die Dysfunktionaliität von Planwirtschaft wird auch in neutralen wirtschaftswissenschafltlichen Standardwerken herausgearbeitet.

Mises war Wirtschaftswissenschaftler. Kein Verhaltensforscher. Mises betrachtet den Menschen seiner Gegenwart und leitet daraus diverse Dinge ab und das ist auch in Ordnung. Und ich folge dem, was er sagt.

Aber das Ganze hat natürlich eine Prämisse und diese Prämisse ist der Mensch und sein Verhalten. Wir neigen dazu dieses Verhalten in Stein gemeisselt zu sehen, aber dem ist natürlich nicht so. Menschen ändern ihre Werte und Einstellungen, bzw. die zugrunde liegenden Gesellschaften ändern sich. Das, was wir heute denken, ist nicht das selbe wie das, was man beispielsweise vor 1000 oder 2000 Jahren gedacht hat. Wir neigen heute dazu den Wert eines Menschenlebens weit, weit höher anzusetzen, als man das früher getan hat. Auch den Wert unserer Mitmenschen schätzen wir anders ein. Noch extremer sind die Unterschiede zwischen heute existierenden Kulturen. Die einen betrachten alle Menschen als gleichberechtigt, andere sprechen wiederum ganzen Gruppen das Existenzrecht ab. All das ist eine Frage von Wertvorstellung und Erziehung.

Eine kommunistische Gesellschaft ist durchaus denkbar, wenn es Menschen gibt, die entsprechend denken. Jetzt ist es ganz sicher(!) nicht mein Ziel solche Menschen zu erziehen. "Die Kommunisten" scheitern seit über 100 Jahren daran. Aber die Menscheheit ist ebenso jahrhundertelang daran gescheitert Männer und Frauen gleich zu berechtigen. Und heute haben wir das geschafft. Vollkommen ohne jede Wertung.

Ich will es mal ganz kindisch naiv darstellen: Glauben wir, dass eine Gesellschaft, wie sie beispielsweise in Star Trek dargestellt wird, möglich ist? Und dabei geht es nicht einmal darum ob das erstrebenswert ist. Es geht um die Frage ob es möglich ist. Gibt es ein Ende der materiellen Bedürfnisse, bzw. gibt es Wertevorstellungen, bei denen das Wohlergehen der anderen so wichtig ist, dass es nur noch ein geringes Interesse gibt die eigene Position zu verbessern?

Zitat
Selbst die hier eher wenig geschätzte Frau Wagenknecht meinte neulich bei Schuler, dass ihr schon zu ihren kommunistischen Jugensündenzeiten bewusst war, dass der klassische Kommunismus so nicht funktionieren könne (sie scheint mit Kommunismus ohnehin schon lange nichts mehr am Hut zu haben).


Nun muss man dabei sagen, dass Frau Wagenknecht keine "idealistische Kommunistin" sondern eine Betonstalinistin gewesen ist, die kein Problem damit gehabt hätte Menschen zu besteheln, einzusperren und eventuell da noch einen drauf zu legen. Wenn Sie erkannt hat, wie falsch das ist, so ist das sicher erfreulich, aber das ist es dann auch.

Zitat
Ich habe jetzt nicht die Zeit, mich in Mises Buch wieder einzulesen, aber ein auch nur halbwegs 'funktionierender Kommunismus' wäre am Ende des Tages nichts anderes als eine (schlechte) Variante des Kapitalismus.


Aus kapitalistischer Sicht war die Gesellschaft Deutschland der 60er Jahre alles andere als kapitalistisch. Aber sie hat hervorragend funktioniert und das hat vor allem viel mit gesellschaftlichem Frieden und Kohäsion zu tun.
Ich glaube (oder vermute wenigstens), dass so ziemlich alle Gesellschaftsformen gut funktionieren, die auf freiwilliger Zusammenarbeit aufgebaut sind. Der Kapitalismus profitiert davon mehr als der erzwungene Kommunismus, eben weil letzterer nicht freiwillig ist. Einen freiwilligen Kommunismus (oder Varianten davon) hat es aber bis heute im Großen nicht gegeben. Ob und wie gut er funktioniert wissen wir nicht. Vielleicht funktioniert er schlecht, vielleicht aber auch sehr gut. Aber so lange Menschen nicht so sind, werden wir das nicht erfahren (insofern hat meine ganze Erläuterung etwas vom Elfenbeinturm). Ich verwahre mich nur gegen Ewigkeitsaussagen wie "das wird nie funktionieren". Davon habe ich Zeit meines Lebens einfach vielzuviele gehört. Und oftmals zu Unrecht. Im Positiven wie auch explizit im negativen. Wenn ich jemandem vor 30 Jahren erzählt hätte, dass sich die amerikanische Jugend zu einem Fünftel für nicht ihrem Geschlecht zugehörig fühlt und es eine Milliarden-Industrie geben wird, die mit Hormonen und Amputationen von gesunden Körperteilen Jugendliche entstellt, hätte mir das KEINER geglaubt. Keiner. Und nicht wenige hätten gesagt: Nie und nimmer. Oder wenn ich erzählt hätte, dass die normale Bevölkerung daneben steht und nichts tut. Nie und nimmer. Ich hätte mir vor fünf Jahren nicht vorstellen können wie leicht die deutsche Gesellschaft den Faschismus wieder aufnehmen würde. Nie und nimmer. Und am Ende komme ich zu dem Ergebnis: Nie und nimmer ist manchmal früher als man denkt.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

24.05.2024 04:46
#80 RE: Grün würgt. Die evangelische Kirche Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #79
Ich will es mal ganz kindisch naiv darstellen: Glauben wir, dass eine Gesellschaft, wie sie beispielsweise in Star Trek dargestellt wird, möglich ist? Und dabei geht es nicht einmal darum ob das erstrebenswert ist. Es geht um die Frage ob es möglich ist. Gibt es ein Ende der materiellen Bedürfnisse, bzw. gibt es Wertevorstellungen, bei denen das Wohlergehen der anderen so wichtig ist, dass es nur noch ein geringes Interesse gibt die eigene Position zu verbessern?

Die Star Trek Wirtschaft ist Schwachsinn. Drehbuchautoren haben darüber geflucht, dass kein Geld ein Tabu in Rodenberrys Zukunft war. Das führte dann zu den absurdesten Tauschgeschäften, da es keine intergalaktische Währung geben durfte und man daher gezwungen war, wieder Tauschhandel betreiben zu müssen ('Tausche Dilithiumkristall gegen 3 Plasmakonverter').

Zitat
Nun muss man dabei sagen, dass Frau Wagenknecht keine "idealistische Kommunistin" sondern eine Betonstalinistin gewesen ist, die kein Problem damit gehabt hätte Menschen zu besteheln, einzusperren und eventuell da noch einen drauf zu legen. Wenn Sie erkannt hat, wie falsch das ist, so ist das sicher erfreulich, aber das ist es dann auch.


Das war in den Neunzigern und da war wohl auch 'eine gehörige Portion Trotz' dabei. Sarah Wagenknecht erklärt, warum sie nicht mehr links ist (so ab 56:30)

Zitat
Aus kapitalistischer Sicht war die Gesellschaft Deutschland der 60er Jahre alles andere als kapitalistisch.


Ernsthaft?
Die Produktionsmittel waren demnach also in den 60ern verstaatlicht, die Preise waren staatlich vorgegeben und es wurde nach staatlich vorgegeben Plänen produziert? Dann hätte es kein Wirtschaftswunder gegeben sondern eine Wirtschaftskatastrophe. Aus 'kapitalistischer Sicht' war (und ist) die BRD ein kapitalistisches Land. Oder ist ein imaginärer 'alternativer Kapitalismus' gemeint, der sich von dem in allen volkswirtschaftlichen Werken beschriebenen Kapitalismus fundamental unterscheidet?

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.265

24.05.2024 12:47
#81 RE: Grün würgt. Die evangelische Kirche Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #80
Die Star Trek Wirtschaft ist Schwachsinn.

Was uns dann in Epoche III, DS9, auch prompt die Ferengi und ihre "99 Erwerbsregeln" (rules of acquisition) eingebracht hat - obwohl es sich hier natürlich um eine groteske Karikatur der Marktwirtschaft handelt. Trotzdem setzt ja schon das Florieren einer interstellaren Einkaufmeile wie Deep Space Nine eine funktionierende Geldwirtschaft voraus - auch wenn die wegen des Roddenberryschen Tabus nie klar + deutlich als solche benannt wurde. Der Name der Ferengi selbst ist ja schon ein Rückgriff auf irdische Geschichte: Faranqi/Ferengi sind in den arabischen Chroniken die Kreuzfahrer, die Franken. (Bei den Romulanern gab es ja einen ähnlichen Griff in die historische Mottenkiste, nur daß dieses Imperium Romanum 2.0 im Trek-Universum nie wirklich Kontur gewonnen hat (was an den erheblichen Budgetbeschränkungen der Originalserie geschuldet gewesen sein dürfte; diese Lücke haben dann die Klingonen gefüllt). Überhaupt haben Rick Berman & Michael Piller, die nach dem Tod Roddenberrys die Franchise übernommen haben, ja die 3 Tabus, die am Anfang gesetzt worden waren, um olle irdische Quisquilien aus der konturlosen Zukunftswelt fortzuhalten, im Lauf der Staffeln von DS9 geschleift: kein Geld, keine Politik und keine Religion (bei den Bajoranern hat eindeutig das jüdische Volk Modell gestanden; bei den Episoden, die sich auf sie fokussieren, geht es nur um die dortigen politischen Strippenziehereien; die Cardassianer stehen die die Deutschen, und das Vorhaben der Sternenföderation, die gestaltwandelnden Gründer mit Hilfe einer biologischen Waffe zu vernichten, bei der klar AIDS Pate gestanden hat, wird in den letzten beiden Staffeln eindeutig mit einem Genozid gleichgesetzt.)

Überhaupt hatte Roddenberry seinen Erzählkosmos mit seinen Verboten in die gleiche Lage gebracht, in der sich auch die sowjetische Научная фантастика sah, nachdem "die Zukunft" nach dem Start von Sputnik (im Russischen unnummeriert) literarisch nicht mehr untersagt war: dort mußte ja in der sozialistischen Welt ein egalitäres Utopia herrschen, ohne jedes Potenzial für interne Widersprüche und Gegensätze, aus denen sich eine erzählerische Dynamik gewinnen ließ, ohne mit den Vorgaben der Zensur zu kollidieren. Also wurden solche Themen "nach außen verlagert" - auf ferne Welten, auf denen man sich noch am Feudalismus abarbeiten konnte oder in Reisen in die Vergangenheit.

Davon ab, sind ökonomische Aspekte im Bereich der Phantastik sowieso ein blinder Fleck, zum einen, weil der Fokus auf ganz anderen Dingen liegt, zum zweiten, weil die Autoren davon in aller Regel keinen Schimmer haben und zum dritten, weil sich hier sowieso keine Preisschilder aufkleben und Betriebskosten überschlagen lassen. In aller Regel scheint das nur als (pseudo)-historisches Reenactment auf, etwa wenn die ausgebeuteten Malocher auf dem Mond oder den Asteroiden die amerikanische Revolution neu auflegen; ein Szenario, das von "Birth of a New Republic" (Miles Breuer & Jack Williamson, 1931) über Heinleins The Moon is a Harsh Mistress (1966), John M. Fords Growing Up Weightless (1933), Ian McDonalds Luna-Bände bis hin zum implizierten Hintergrund von Emily St. John Mandels Sea of Tranquility (2022) mittlerweile auf ein recht feststehendes Klischee geworden ist, bei dem die Frage, wie daraus eine prosperierende Wirtschaft entstehen kann, völlig außen vor bleibt.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Johanes Offline




Beiträge: 2.571

24.05.2024 18:08
#82 RE: Grün würgt. Die evangelische Kirche Antworten

@Frankenstein
Mietpreisbremse und Dönerpreiskontollen. Wie Linke und Grüne uns arm machen.
Erneuerbare Energien sind wie Müll - und andere Erkenntnisse der Döner-Ökonomie

Das Thema, bei dem Sie sich auf von Mises beziehen, meines Erachtens noch mal gut und unterhaltsam aufbereitet. Jedoch unter einer mehr neoclassischen Sicht. Ich weiß, es gibt "Austrian Schoolers", die da schon empfindlich reagieren.



@Ulrich Elkmann
Man hat meines Wissens bis zum Ende an der Aussage festgehalten, dass es auf der Erde keine Währung mehr gibt. Relativiert wurde das für Kolonien später und eben direkt umgangen durch die Ferengie.
In Star Trek wäscht und schält jemand die Kartoffeln für das Essen, weil er sich damit selbst verwirklicht und den Rest der Menschheit hilft. Erinnert einen fast ein wenig an Spinoza. Dafür gibt es aber z. B. Transporterrationen.
Im Grunde könnte dann jemand, der sowieso nicht verreisen will, seine Rationen gegen irgendwas für ihn nützliches eintauschen, womit wir wieder eine Art Währung hätten.

Was ich hier noch betonen möchte: Es wird in der Serie Star Trek selbst an verschiedenen Stelle thematisiert, dass die Föderation wohl auch deshalb so ist, weil es fast unbegrenzt Energie gibt und jeder alles replizieren kann.

Wie lange wird uns das Denken wohl noch erlaubt bleiben?

HR2 Offline



Beiträge: 1.008

25.05.2024 03:09
#83 RE: Grün würgt. Die evangelische Kirche Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #78
Zitat von HR2 im Beitrag #7
Die Naturwissenschaften bestätigen ihn aus meiner Sicht eher als dass sie ihn widerlegen.

Nein.




Doch! Sie sind Teil einer göttlichen Ordnung.

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