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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 131 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.257

10.10.2008 05:28
#101 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von M.Schneider
Selbstverständlich ist das die primäre Aufgabe von Banken. Zum Einfamilienhäusle bauen brauchen wir sie im staatlichen Interesse nicht.


Nun, dann könnte man auch sagen, die primäre Aufgabe eines Unternehmens sei es, Arbeitsplätze bereitzustellen (scheint in der Politik ja Konsens zu sein).
Eine Bank ist in erster Linie ein Unternehmen, welches Gewinn machen _muss_, um überhaupt eine Existenzberechtigung zu haben (wer steckt sein Geld in eine Firma, die keinen Gewinn macht?).
Deshalb interessiert sich eine Bank auch in erster Linie dafür, ob die vergebenen Kredite wieder zurückbezahlt werden, und mit welcher Wahrscheinlichkeit das in einem Pool von Kreditnehmern der Fall ist.

Ich denke das sollte man immer im Hinterkopf haben, wenn man Unternehmenspolitik bewertet.

...abgesehen davon: Wenn es nicht eine beträchtliche Anzahl von Leuten gäbe, bei denen der Versuch des Selbständigmachens gründlich in die Hose gegangen wäre, wären vermutlich auch die Anforderungen an Kreditnehmer nicht so hoch; es gibt ja für alles einen Grund.
Vielleicht hat das auch etwas gutes: Nämlich, dass Menschen sich nicht unüberlegt in das Abenteuer "eigenes Geschäft" stürzen, wenn sie nicht massiv mit ihren Ersparnissen drin hängen; ich wage nämlich ernsthaft zu bezweifeln, dass die meisten Leute wissen, was da auf sie zu kommt.

Grüße,
F.Alfonzo

M.Schneider Offline



Beiträge: 672

10.10.2008 08:14
#102 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Lieber Alfonzo

Eine Bank ist in erster Linie ein Unternehmen, welches Gewinn machen _muss_,

Das ist eine Binsenweisheit, sie gilt für jedes Unternehmen und deshalb habe ich das natürlich nicht extra erwähnt.
Umgekehrt ist es aber so, kümmert sich eine Bank nicht um die Wirtschaft kann sie keine Gewinne machen. Alle maßgeblichen Gewinne einer Bank kommen direkt über die Wirtschaft oder indirekt, über die Börsengeschäfte.

Wenn es nicht eine beträchtliche Anzahl von Leuten gäbe, bei denen der Versuch des Selbständigmachens gründlich in die Hose gegangen wäre, wären vermutlich auch die Anforderungen an Kreditnehmer nicht so hoch; es gibt ja für alles einen Grund.

Nein, das ist ein Trugschluss.
Ich sagte ja schon, Sie werden keine Bank in Deutschland finden, die Ihnen, wenn Sie sich selbstständig machen wollen einen Kredit gibt, es sei denn, Sie können diesen Kredit zu wenigstens 120% absichern.
Also, logischerweise haben Banken auch keine Gelder verloren, weil sie Kredite an Leute gegeben haben, die sich selbstständig machten und dabei gescheitert sind.
Die meisten Kredite wurden nicht gegeben und die wenigen anderen waren abgesichert und haben daher nicht zu Verlusten geführt.

Herzlich
M. Schneider

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

22.10.2008 14:50
#103 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von M.Schneider
Und da ist es ganz offensichtlich so, die Banken mit denen ich zu tun habe, derzeit immerhin die größten Schweizer Banken, haben ein solches Liquiditätsproblem.
Sie verzögern derzeit mit immer neuen Tricks und Ausreden die Freigabe von Finanzierungsgeldern im Milliarden Bereich.

Ich weiß auch von Insidern in den Banken, dass Weisungen vorliegen, Kredite möglichst nicht zu geben.


Hierzu ein White Paper der Minneapolis Fed:
http://www.minneapolisfed.org/research/WP/WP666.pdf
Zitat von Minneapolis Fed
The financial press and policymakers have made four claims about the nature of the crisis.
1. Bank lending to nonfinancial corporations and individuals has declined sharply.
2. Interbank lending is essentially nonexistent...

Here we examine these claims using data from the Federal Reserve Board. At least based on data up until October 8, 2008, we argue that all four claims are false.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

22.10.2008 16:06
#104 RE: Finanzkrise Antworten

In Antwort auf:
Steinbrück finde ich dagegen gut. Er ist ein kluger Mensch und ich habe immer den Eindruck, dass er kompetent ist.

Da muß ich aber sehr widersprechen.

Steinbrück ist doch (zusammen mit Huber) der Hauptverantwortliche für die Misere im staatlichen Bankwesen.

Er ist stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender (hinter Glos) bei der KfW - und gleichzeitig für die Aufsicht und Regulierung dieser Bank zuständig.
Er ist auch verantwortlich für die BaFin, die die restliche Kreditwirtschaft kontrollieren soll - und auf ganzer Linie versagt hat.

Er hat die Kreditkrise erst verpennt (bzw. für ein reines US-Problem gehalten) - und dann die überstürzte Hysterie mit dem Milliardenpaket losgetreten.

Um dann noch einen Ackermann zu beschimpfen, der in Kontrast zu Steinbrück gut gearbeitet hat und wahre Worte über das Finanzpaket fand.

Steinbrücks Rücktritt wäre weit angebrachter als selbst der von Huber.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

22.10.2008 16:38
#105 Bitte um Aufklärung Antworten

Zitat von Gorgasal
Hierzu ein White Paper der Minneapolis Fed:
http://www.minneapolisfed.org/research/WP/WP666.pdf
Zitat von Minneapolis Fed
The financial press and policymakers have made four claims about the nature of the crisis.
1. Bank lending to nonfinancial corporations and individuals has declined sharply.
2. Interbank lending is essentially nonexistent...
Here we examine these claims using data from the Federal Reserve Board. At least based on data up until October 8, 2008, we argue that all four claims are false.



Das ist ja sehr interessant. Allerdings werde ich nicht recht schlau daraus.

Achtzig Prozent der Finanzierung von Unternehmen, so heißt es, läuft nicht über die Banken, sondern über die Ausgabe von Wertpapieren usw. Gut - aber hier geht es doch, wenn ich das richtig verstehe, um kurzfristige Liquidität. Oder verstehe ich das falsch?

Die Kurven sehen beeindruckend aus. Nur beantworten die Autoren die Frage nicht, warum dann die Experten, die die Administration und den Kongreß beraten haben, den Bail-out für unbedingt erforderlich hielten.

Anders gesagt, lieber Gorgosal: Als ich das gelesen habe, dachte ich: Aha, die Probleme liegen also nicht da, wo es allgemein vermutet wird, sondern ...

Aber da kam nix. Warum ist die Situation so dramatisch, wenn der Kreditverkehr zwischen den Banken und von den Banken zu den Unternehmen eigentlich normal läuft?

Oder ist es so, daß das Versprechen des Bail-out eben schon gewirkt hat?

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

22.10.2008 21:51
#106 RE: Bitte um Aufklärung Antworten

Werter Zettel,

ich gebe zuerst offen zu, dass ich selbst noch nicht mehr als den Abstract gelesen habe - bin momentan etwas verstresst.

Und der Economist ist auch wenig begeistert von der Analyse:
http://www.economist.com/blogs/freeexcha...10/analysis.cfm

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

23.10.2008 10:18
#107 RE: Bitte um Aufklärung Antworten

Zitat von Zettel
Aber da kam nix. Warum ist die Situation so dramatisch, wenn der Kreditverkehr zwischen den Banken und von den Banken zu den Unternehmen eigentlich normal läuft?


Hm, lieber Zettel, mir ging's genauso.

Interessant finde ich dieses Zitat bei den Samizdaten:
In Antwort auf:
The only other thing I would add is that I am in the advertising industry and most of the ads for sub-prime loans had dried up before the recent bail-out bill. As soon as that went through the volume for these ads went up 10 times. Whatever the government did to "fix" the problem ain't working because all they did was just give everyone who didn't make money the first time around another shot at the craps table.
(http://www.samizdata.net/blog/archives/2..._quote_412.html)

Vielleicht sollte man's hier (http://mises.org/story/3128) mal versuchen, hab's aber noch nicht selber lesen können!

Herzlich, Thomas

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

24.10.2008 11:37
#108 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Albrecht Ritschl in der FAZ:
http://www.faz.net/s/RubB8DFB31915A443D9...?rss_wirtschaft

Zitat von Albrecht Ritschl
Wenn jetzt alle nach mehr Staat rufen, sollte man doch auch daran erinnern, dass bis auf die Hypo Real Estate bislang alle jene Banken, die ernsthaft in Schwierigkeiten sind und Hilfe brauchen, Staatsbanken sind oder waren.


Zitat von Albrecht Ritschl
Zu den jüngsten Äußerungen Sarkozys könnte man anmerken: Wann hat ein französischer Präsident nicht gewollt, dass die Industrie verstaatlicht und mit Schutzmauern umgeben wird? Das ist jahrhundertealte französische Tradition.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.10.2008 17:00
#109 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von Gorgasal
Albrecht Ritschl in der FAZ:
http://www.faz.net/s/RubB8DFB31915A443D9...?rss_wirtschaft
Zitat von Albrecht Ritschl
Zu den jüngsten Äußerungen Sarkozys könnte man anmerken: Wann hat ein französischer Präsident nicht gewollt, dass die Industrie verstaatlicht und mit Schutzmauern umgeben wird? Das ist jahrhundertealte französische Tradition.



Das Seltsame, lieber Gorgosal, ist, daß Sarkozy als so etwas wie ein Marktliberaler angetreten ist. Er wurde im Wahlkampf gegen Ségolène Royal gern deshalb als "Amerikaner" beschimpft.

Seine Partei, die UMP, ist die Nachfolgepartei des gaullistischen RPR, aber auch großer Teile der liberalen UDF. Sarkozy war immer ordnungspolitisch ein Konservativer, aber wirtschaftspolitisch ein Liberaler.

Ob er sich gegen den traditionellen französischen Etatismus würde durchsetzen können, war freilich immer fraglich. Er ist jetzt dabei, sich anzupassen.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

24.10.2008 23:02
#110 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von Zettel
Das Seltsame, lieber Gorgosal, ist, daß Sarkozy als so etwas wie ein Marktliberaler angetreten ist. Er wurde im Wahlkampf gegen Ségolène Royal gern deshalb als "Amerikaner" beschimpft.

Seine Partei, die UMP, ist die Nachfolgepartei des gaullistischen RPR, aber auch großer Teile der liberalen UDF. Sarkozy war immer ordnungspolitisch ein Konservativer, aber wirtschaftspolitisch ein Liberaler.

Ob er sich gegen den traditionellen französischen Etatismus würde durchsetzen können, war freilich immer fraglich. Er ist jetzt dabei, sich anzupassen.

Ich war persönlich auch von Sarkozy enttäuscht. Er hängt jetzt sein Mäntelchen nach dem Wind. Das wird mich lehren, Politikern zu glauben.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.10.2008 00:08
#111 Sarkozy und Bayrou Antworten

Zitat von Gorgasal
Ich war persönlich auch von Sarkozy enttäuscht. Er hängt jetzt sein Mäntelchen nach dem Wind. Das wird mich lehren, Politikern zu glauben.

Ich weiß nicht, lieber Gorgasal, ob Sie schon ZR gelesen haben, als ich versucht habe, die Leser über den französischen Wahlkampf auf dem Laufenden zu halten und meine Meinung dazu zu sagen. Sie finden das in der Serie "Gedanken zu Frankreich" in den Folgen 5 bis 15.

Ich habe, wie man dort nachlesen kann, Sarkozy immer sehr kritisch gesehen; anders als viele aus der liberalen Blogosphäre. Mein Favorit war Bayrou. Anders als Sarkozy eine gestandene Persönlichkeit - Historiker (er hat ein sehr schönes Buch über Henri IV geschrieben, der aus seiner Heimatgegend stammte) und Bauer, Katholik und Liberaler.

Aber in der politischen Mitte ist nun mal in Frankreich kein Platz, und deshalb habe ich damals zwar den Sieg Bayrous gewünscht, aber den Sarkozys vorhergesagt. Sein anfänglicher Elan hat mich beeindruckt (ich war zur Passation des Pouvoirs, seiner Amtseinführung, in Paris, und habe einen kleinen Eindruck von seiner, sagen wir hektischen Tatkraft bekommen). Aber dieser große Junge, dieser Narziß hat meines Erachtens so wenig die charakterlichen Voraussetzungen für das höchste Amt wie jetzt Obama.

Herzlich, Zettel

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.257

26.10.2008 05:10
#112 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten
@M.Schneider:

Entschuldigen Sie, das ist doch Unsinn:

Natürlich geben Banken immer noch Kredite. Was Sie mit den 120% meinen, kann ich nicht genau nachvollziehen... stecken da die erwarteten, abdiskontierten Arbeitseinkommen eines Kreditnehmers schon drin?... Sie sind der Banker...
...ich weiss nicht genau, was Sie hier fordern: Soll jeder Mensch mit einer Geschäftsidee ohne irgendwelche Sicherheiten einen Kredit bekommen? Ist sowas sinnvoll? Ich glaube nicht.

F.Alfonzo
Libero Offline



Beiträge: 393

26.10.2008 09:00
#113 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Eigenartig, ich habe verstanden, was M. Schneider meint und recht hat er! Wer in Deutschland sich selbständig machen will, sollte das nicht über eine Bank finanzieren. Bei den Sicherheiten, die Banken fordern, ist der Kreditnehmer seine eigene Bank. Aber er will nicht seine eigene Bank sein, er will einen Kredit.

M.Schneider Offline



Beiträge: 672

28.10.2008 11:52
#114 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Lieber F.Alfonzo

Entschuldigen Sie, das ist doch Unsinn:

Natürlich geben Banken immer noch Kredite. Was Sie mit den 120% meinen, kann ich nicht genau nachvollziehen... stecken da die erwarteten, abdiskontierten Arbeitseinkommen eines Kreditnehmers schon drin?


Ich vermute mal, dass Sie sich noch nicht selbstständig gemacht haben und demzufolge auch noch nie einen größeren Kredit für diese ihre Firma abgerufen haben.

Das mit den 120% ist ganz einfach. Ein typisches Beispiel:
Sie wollen einen größeren Kredit, sagen wir der Einfachheit halber 1 Million € haben.
Als Sicherheit stellen Sie eine Immobilie im Wert von 1 Million Euro.
Dabei ist es egal ob die Immobilie durch einen unabhängigen Sachverständigen geschätzt wurde oder die Bank es selber getan hat.
Fakt ist aber, die Bank wird Ihnen diesen Kredit von einer Million nicht geben, sie wird Ihnen auf diese Sicherheit maximal 80% als Kredit geben.

Sie bekommen also maximal 800.000 € oder aber Sie müssen um auf Ihre eine Million zu kommen noch eine weitere Sicherheit, zum Beispiel eine zweite Immobilie bieten, die dann auch noch mal mit 200.000 belastet wird.
Die Folge davon ist, Sie haben letztendlich Sicherheit für 1,2 Millionen gegeben, um einen Kredit von 1 Millionen zu bekommen.


...ich weiss nicht genau, was Sie hier fordern: Soll jeder Mensch mit einer Geschäftsidee ohne irgendwelche Sicherheiten einen Kredit bekommen? Ist sowas sinnvoll? Ich glaube nicht.

Ich hab ja nicht von jedem Menschen und jeder Geschäftsidee gesprochen, wenn einer Geschäftsidee jedoch nach Überprüfung marktgängig ist, dann ja.

Wo liegt das Problem?
Jeder Selbstständige und dazu gehören natürlich auch Banken, muss um zu verdienen ein Risiko in Kauf nehmen. Will er wenig verdienen, reicht ein kleines Risiko, will er viel verdienen muss er ein größeres Risiko akzeptieren.

Bei einer Firmengründung beziehungsweise bei Selbstständigen stehlen Banken sich aber gern aus dieser marktwirtschaftlichen Verantwortung, sie wollen zwar verdienen, wollen aber das gesamte Risiko dem Selbstständigen überlassen in dem dieser 120% Sicherheiten stellen muss.
Damit kann in aller Regel eine Geschäftsidee nicht realisiert werden.
Es ist staatspolitisch aber von Interesse, dass gute Geschäftsideen realisiert werden.

Nehmen Sie nur ein altes historisches Beispiel für eine gute Geschäftsidee, Christoph Kolumbus.

Er hatte nichts außer seiner Idee, Indien auf dem Seeweg Richtung Westen erreichen zu können und sein seemännisches Können.
Zur Umsetzung benötigte er drei Schiffe mit Mannschaft und Ausrüstung, sprich einen großen Kredit.

Jede heutige deutsche Bank würde Kolumbus als armen Irren mit einem Tritt vor die Tür setzen. Und damit wäre die Chance vertan gewesen.

Nicht so die damalige spanische Königin, die daran glaubte, dass seine Geschäftsidee sehr lukrativ sein würde und ihm die Schiffe nebst Ausrüstung finanzierte.
Diese Entscheidung war für die spanische Krone damals ein absolutes Supergeschäft.

Herzlich
M. Schneider

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

28.10.2008 12:36
#115 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Columbus hatte sich ja zuerst in Portugal beworben und dort wusste man, dass Columbus den Erddurchmesser voellig unzureichend kalkuliert hat. Seine Annahme waren aus Sicht der Portugiesen schlicht falsch - waere ihm Amerika nicht in die Quere gekommen, waere er wohl verhungert. Spanien hatte damals keine so entwickelte Seefahrtsakademie (oder Isabelle eine Schwaeche fuer Italiener) und so bekam er sein 'Risikokapital' eben dort.

M.Schneider Offline



Beiträge: 672

29.10.2008 12:16
#116 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Liebe Dagny

Stimmt, aber nur der Erfolg zählt und der stellte sich trotz (oder gerade wegen) der falschen Berechnung des Erddurchmessers ein.
Das ist ja das Wesen des Pioniergeistes, auch ohne genaues Wissen um die Fakten loszugehen.

Herzlich
M.Schneider

Omni Offline



Beiträge: 255

29.10.2008 12:40
#117 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

ich dachte immer die Spanier waren, als sie endlich alle Juden und Mauren zwangsgetauft, umgebracht oder vertrieben hatten, so euphorisch dass sie wie der Don bei der Hochzeit seiner ältesten Tochter Columbus einfach nen Gefallen getan haben.

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

29.10.2008 14:28
#118 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten
Zitat von M.Schneider
der Erfolg zählt und der stellte sich trotz (oder gerade wegen) der falschen Berechnung des Erddurchmessers ein.


Lieber M. Schneider,

am Ende häte er's mit den korrekten Informationen nie gewagt! Ich glaube auch, daß oft eine gewisse Unkenntnis oder Unterschätzung der Risiken wirklich hilfreich sein können. Um so tödlicher ist natürlich die "Kultur" der Risikoeinschätzungsausschüsse und des Vorsichtsprinzips für eine Gesellschaft, die auf nichts so wie Innovation angewiesen ist.
Immer, wenn ich höre, daß etwa Drachenflieger oder Freeclimber höhere Krankenkassenbeiträge zahlen sollen, frage ich mich, ob den Rednern eigentlich klar ist, wie sehr eine Gesellschaft diese Naturen braucht! Das sind doch die Menschen, die sich ohne zu überlegen ins Wasser stürzen, wenn ein Kind ertrinkt und nicht erst einen Sicherheitsausschuß gründen, der die Risiken einer eventuellen Rettung ermittelt!

Herzlich, Thomas
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2008 14:43
#119 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von Dagny
Columbus hatte sich ja zuerst in Portugal beworben und dort wusste man, dass Columbus den Erddurchmesser voellig unzureichend kalkuliert hat.

Das wußte ich gar nicht, liebe Dagny. Hatten sie vielleicht Zugang zu den Meßergebnissen von Eratosthenes, des Direktors der Bibliothek von Alexandria (3. vorchristl. Jahrhundert)?

Er hat den Erdumfang auf eine geniale Weise bestimmt: Er wußte, daß am Tag der Sommersonnenwende die Sonne in der Stadt Syene (weil diese auf dem Wendekreis des Krebses liegt) mittags senkrecht steht. Er maß in Alexandria mittels des Schattens in einem tiefen Brunnen den Sonnenwinkel am selben Tag zur selben Zeit. Er wußte, daß Alexandrien ziemlich genau nördlich von Syene liegt und daß die Entfernung 5000 Stadien betrug. Der Rest war simple Trigonometrie.

Wenn man voraussetzt daß er mit ägyptischen Stadien rechnete, dann entsprach sein Ergebnis eines Erdumfangs von 252.000 Stadien 39.690 km!

Herzlich, Zettel

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

29.10.2008 14:49
#120 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten
Zitat von Zettel
Hatten sie vielleicht Zugang zu den Meßergebnissen von Eratosthenes, des Direktors der Bibliothek von Alexandria (3. vorchristl. Jahrhundert)?


Lieber Zettel,

wenn ich mich recht erinnere wußten die Portugiesen "empirisch" aufgrund Ihrer Entdeckungsfahrten nach Afrika, daß die Erde viel größer sein mußte als die Kartographen damals dachten. Man hielt dieses Wissen als Alleinstellungsmerkmal geheim.

Herzlich, Thomas
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2008 15:00
#121 Risikobereitschaft Antworten

Zitat von Thomas Pauli
Ich glaube auch, daß oft eine gewisse Unkenntnis oder Unterschätzung der Risiken wirklich hilfreich sein können. Um so tödlicher ist natürlich die "Kultur" der Risikoeinschätzungsausschüsse und des Vorsichtsprinzips für eine Gesellschaft, die auf nichts so wie Innovation angewiesen ist.

Wenn man jemanden im Ausland erzählt, lieber Thomas, daß wir in Deutschland ein leibhaftiges Bundesinstitut für Risikobewertung haben, das auf der verlinkten Seite zB "Ausgewählte Fragen und Antworten zu Ostereiern" stehen hat, dann mag derjenige das für einen Witz halten. Aber es ist Realität, geschaffen natürlich durch Rotgrün.

Ich sehe das wie du - zur Dynamik einer erfolgreichen Gesellschaft gehört Risikobereitschaft.

Übrigens nicht nur die physische, für die du Beispiele nennst. Auch die großen Denker waren auf ihre Weise risikobereit; bereit nämlich, Ideen zu verfolgen, die ihren Zeitgenossen abwegig erschienen.

Die Gesellschaft, die die Linke anstrebt, von den Kommunisten über die SPD bis zu den Grünen, ist eine möglichst risikofreie, also eine träge, konservative und langfristig erfolglose Gesellschaft.

Nichts hat den real existierenden Sozialismus so gekennzeichnet wie das Fehlen von Innovationen.

Herzlich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

29.10.2008 15:00
#122 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Die Portugiesen waren schon sehr weit an Afrika entlanggekommen, z.B. 1488/89 Bartolomeu Dias bis zum Kap der Guten Hoffnung. Ein paar schöne Absätze finden sich am Ende folgender Seite:
http://en.wikipedia.org/wiki/Henry_the_Navigator

Das wurde wie von Thomas Pauli angemerkt als Staatsgeheimnis behandelt. Daher konnte man Kolumbus' Berechnungen damit vergleichen, wie weit die eigenen Leute schon gekommen waren. Es war klar, dass er sich furchtbar verrechnet hatte.

Um zum Thema der Diskussion zurückzufinden: jemandem, der in seinen Business Plan solch haarsträubende Fehler eingebaut hat, wird auch der risikobereiteste amerikanische Venture Capitalist kein Geld geben, so etwas kann man in der Tat nur mit öffentlichen Mitteln finanzieren

Omni Offline



Beiträge: 255

29.10.2008 15:15
#123 RE: Risikobereitschaft Antworten

Das Risiko eines Drachenfliegers abzustürzen und sich alle Knochen zu brechen ist eine Sache. Das Risiko, anderen Menschen (eventuell bleibende) Schäden zuzufügen ist für mich was anderes. In dem Zusammenhang versteh ich nicht, was an einem Institut für Risikobewertung jetzt lächerlich sein soll. Die letzten paar Post gehen nach meinem Empfinden in die Richtung
"Ja, Innovation ist doch toll. Wenn dabei mal ein paar Leute draufgehen, weil wir vor lauter Innovation es nicht erwarten konnten Produkt X auf dem Markt einzuführen und vorher nicht getestet haben welche Auswirkung sein Konsum auf die Bevölkerungsgruppe Y hatte (oder weil wir diese Ergebnisse kurzerhand geheim gehalten haben, um die Markteinführung nicht zu gefährden), ist doch nicht so schlimm. Hauptsache Fortschritt!"

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2008 15:25
#124 Runde Erde, Berg des Nordens Antworten
Zitat von Thomas Pauli
wenn ich mich recht erinnere wußten die Portugiesen "empirisch" aufgrund Ihrer Entdeckungsfahrten nach Afrika, daß die Erde viel größer sein mußte als die Kartographen damals dachten.

Seltsam eigentlich, denn das Ergebnis von Eratosthenes war in der Antike Gemeingut der Gebildeten, jedenfalls der Wissenschaft.

Das wäre mal wieder ein Beispiel für die vielen wissenschaftlichen Leistungen der Antike, die (trotz der Araber, die das Schlimmste verhüteten) verlorengingen und in der Renaissance erneuert werden mußten.

Daß die Erde eine Kugel ist, wußte in der Antike jeder, der nicht ganz ungebildet war. Aber dann ging's bergab. Arno Schmidt beschreibt in seiner schönen, aber etwas schwierigen Erzählung "Kosmas, oder vom Berge des Nordens" einen christlichen spätantiken Gelehrten dieses Namens, der lehrte, daß die Erde eine Scheibe mit einem riesigen Berg in ihrem Norden ist. Wenn es dunkel wird, dann verschwindet die Sonne hinter diesem Berg.

Herzlich, Zettel
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.10.2008 15:41
#125 RE: Risikobereitschaft Antworten

Zitat von Omni
Das Risiko eines Drachenfliegers abzustürzen und sich alle Knochen zu brechen ist eine Sache. Das Risiko, anderen Menschen (eventuell bleibende) Schäden zuzufügen ist für mich was anderes. In dem Zusammenhang versteh ich nicht, was an einem Institut für Risikobewertung jetzt lächerlich sein soll.

Ostereier, lieber Omni, werden seit ich weiß nicht wann gefärbt und gegessen. Daß ein leibhaftiges staatliches Institut sich jetzt des damit verbundenen Risikos annimmt, finde ich lustig.

Aber ich weiß: Anders als über Geschmack kann man über Humor nicht streiten. Wenn meine Frau über einen Witz fürchterlich lachen muß, kann ich meist noch nicht mal drüber lächeln, und umgekehrt. Wir halten uns beide für humorvoll, sind uns aber einig, daß wir einen sehr verschiedenen Humor haben. Vielleicht, lieber Omni, haben Sie ja den meiner Frau.
Zitat von Omni
Die letzten paar Post gehen nach meinem Empfinden in die Richtung
"Ja, Innovation ist doch toll. Wenn dabei mal ein paar Leute draufgehen, weil wir vor lauter Innovation es nicht erwarten konnten Produkt X auf dem Markt einzuführen und vorher nicht getestet haben welche Auswirkung sein Konsum auf die Bevölkerungsgruppe Y hatte (oder weil wir diese Ergebnisse kurzerhand geheim gehalten haben, um die Markteinführung nicht zu gefährden), ist doch nicht so schlimm. Hauptsache Fortschritt!"

Naja, so würde ich es nicht formulieren.

Natürlich sollten Schädigungen vermieden werden, von wem auch immer an wem auch immer verübt. Aus meiner Sicht ist es eine Frage einer vernünftigen Balance.

Wie Thomas Pauli habe ich den Eindruck, daß unsere Gesellschaft sich in Richtung auf eine Überbetonung von Werten wie Schutz, Sicherung, Risikovermeidung entwickelt. Der Preis dafür ist, daß wir mit einem immer engmaschigeren Netz von Verboten und Vorschriften überzogen werden und daß sich eine Mentalität des Sich-Absicherns breitmacht, wie sie schon immer für Beamte charakteristisch gewesen ist.

Nichts gegen Gesundheitsvorsorge, gegen Sicherung gegen Molesten aller Art. Aber zur Lebensqualität gehört ja nicht nur, möglichst alt zu werden, sondern auch ein freies, erlebnis- und genußreiches Leben zu führen. Aus meiner Sicht jedenfalls, aber vielleicht kann man darüber auch nicht streiten.

Herzlich, Zettel

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