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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 131 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.09.2008 04:18
Finanzkrise und Populismus Antworten
"Und die Mutter blickte stumm / auf dem ganzen Tisch herum" steht unter der Zeichnung, die ich als Vignette für diesen Artikel ausgesucht habe.

Warum benehmen sich Abgeordnete des Repräsentantenhauses wie die Zappelphilippe? Nicht, jedenfalls nicht überwiegend, weil sie konservative Neoliberale wären, die einen Bail-out als "Staatssozialismus" ablehnen. Sondern aus Populismus. Genauer gesagt: Weil sie um ihre Wiederwahl fürchten. Argumentiere ich jedenfalls hier im Anschluß an einen Beitrag der BBC.



Und als sarkastische Ergänzung dieses "Zitat des Tages".


F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.257

30.09.2008 06:41
#2 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten
@ Zettel:

Das bringt mich wieder zurück zum leidigen Thema 'Journalismus in Deutschland'.

Ohne jetzt genauer darauf einzugehen und sinnloserweise auf den Journalisten rumzuhacken:
Es scheint ein wenig die Abstraktionsfähigkeit zu fehlen.
Ich vermute, die meisten Deutschen denken: "Republikaner = Union und Demokraten = SPD", und das Ganze in einem parlamentarischen System, das mit dem deutschen identisch ist.
Zumindest habe ich diesen Eindruck, wenn ich in den deutschen Medien etwas über amerikanische Politik (allgemein) höre.

Dabei ist es doch offensichtlich, dass man hier Äpfel mit Birnen vergleicht: Würden die Parlamentarier der beiden deutschen Volksparteien (unterstellt: keine große Koalition) so abstimmen, wie es in den USA regelmäßig der Fall ist, dann wäre die deutsche Regierung am Ende.
Fraktionszwang interessiert m.E. nur die wenigsten Abgeordneten in den USA.

Auch die rechts-links, oder: sozialistisch-bürgerlich europäische Denkweise ist nicht auf die USA anwendbar. In den USA gibt es keine Sozialisten in einem Parlament, das wäre undenkbar. Es gibt nur Bürgerliche, deren Ansichten sich mehr oder weniger marginal und i.d.R. unabhängig von der Parteizugehörigkeit unterscheiden.
Oder, um den Kampfbegriff zu bringen: Neoliberale und uneingeschränkt liberale. Und in beiden Parteien zahlreiche Individuen, die weder das eine noch das andere sind, sondern nur Interessengruppen vertreten.

Es gibt einfach zu große Unterschiede: Sei es die Wahlkampffinanzierung, das Wahlsystem selbst, das parlamentarische System, usw.

Nur um mal ein Beispiel zu bringen: McCain und Bush unterscheiden sich vermutlich vesentlich stärker, als sich in Deutschland die meisten Unionisten von den Sozialdemokraten unterscheiden. Und dieses Spektrum gibt es noch extremer in beiden Parteien.

Wenn ich etwas über amerikanische Politik wissen will (was i.d.R. nicht der Fall ist, die heimischen Politiker sind anstrengend genug), lese ich amerikanische Zeitungen, alles andere wäre Zeitverschwendung.

Noch 2 Anmerkungen:

- "Es wird unübersehbar werden, daß wir vor der Gefahr einer Welt- Wirtschaftskrise stehen."
Nö,das sehe ich eher gelassen. Was wir hier haben ist das Ergebnis einer völlig überschuldeten Nation. Das trifft die Einwohner dieser Nation natürlich besonders stark. Abgesehen davon wird wohl noch die ein odere andere nicht-US-Bank ihren Lebensgeist aushauchen. Eine Wirtschaftskrise wird es erst dann, wenn 'produzierende' Unternehmen massiv getroffen werden. Das ist im Moment nicht die Perspektive (Nebenbei: Private Equity manager weltweit sehen goldenen Zeiten entgegen. Dann wenn die Banken keine Kredite mehr rausrücken, gibt's nicht mehr viele Alternativen. Ist auch nicht unbedingt schlecht, aber für Deutschland sehe ich da aus naheliegenden Gründen eher schwarz). Im Moment wird eigentlich nur massiv Geld und Vermögen verschoben (interessant auch: Nachdem Nomura das europäische und asiatische Lehman Business aufgekauft hat: Es gibt nicht wenige Leute, die der Meinung sind, dass die US-Bankenkrise die grauenhafte und schon seit Ewigkeiten schleppende Krise der japanischen Finanzinstitute beenden wird. Die können jetzt schön billig einkaufen gehen.)

- Konjunktur: Es wird schon wieder von der "Verhinderung einer Rezession" gesprochen. Als ob es in der Geschichte der Menschheit schon mal gelungen wäre, eine Rezession zu verhindern (wer mir den Gegenbeweis liefert, bekommt als Geschenk ein VWL-Buch, in dem beschrieben ist, warum sich Rezessionen nicht verhindern lassen; das brauch ich dann ja nicht mehr :-)
Im Ernst: Eine Rezession ist letztendlich das selbe wie das Platzen einer Spekulationsblase. Korrektur von Zukunftserwartungen. Wer glaubt, so etwas verhindern zu können unterstellt, dass die meisten Menschen Idioten sind.
...und: Das wird die volkswirtschaftliche Auswirkung des durch die Finanzkrise stärkeren Abschwungs in den USA in Deutschland werden. Wenn die amerikanische Konjunktur bergab geht, hat man natürlich auch in einem Netto-Exportland einige Probleme.

F.Alfonzo
Martin Offline



Beiträge: 4.129

30.09.2008 08:44
#3 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Lieber Zettel,

wäre Ihnen da etwa eine deutsche Parteiendemokratie lieber, in der die Abgeordneten anonym und ohne Kontakt zum Wähler abstimmen?

'Krause gegen Krupp' ist m.E. das falsche Analogon für die amerikanischen Verhältnisse. Mainstreet vs. Wallstreet dürfte auch im Kalkül passieren, die Konsequenzen tragen zu müssen. Foxnews und USA Today haben mit Sicherheit ausreichend über die Konsequenzen informiert. Man kann auch annehmen, dass die Amerikaner einen radikalen Schnitt haben wollen, koste es was es wolle. Vielleicht gibt es auch die Einsicht, dass auch ein Rettungspaket den Umbruch nicht verhindern kann, sondern höchstens verzögern.

Die Postulierung mangelnder Einsicht der Bevölkerung in das große Ganze ist ein Anflug elitären Denkens, das in Deutschland eher verbreitet sein dürfte als in den USA. Ich denke, in den USA steht das Geschäftsmodell 'New York' oder Wallstreet auf dem Prüfstrand.

Gruß, Martin

C. Offline




Beiträge: 2.639

30.09.2008 10:28
#4 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten
Zitat von Zettel
Wird, mit anderen Worten, der Populismus siegen oder die Vernunft?


Ist es vernünftig, wenn ich, selbst hochverschuldet, mir Geld leihe, um einem Heroinsüchtigen seinen täglichen Schuss bester Qualität ermöglichen? Natürlich ist es vernünftig, da ich damit vermeide, dass er mich überfällt und ausraubt (Bekämpfung der Beschaffungskriminalität), mache die Dealer arbeitslos (Bekämpfung der organisierten Kriminalität)und zudem tue ich ein gutes Werk, weil ich seine Lebenserwartung und Lebensqualität erhöhe. Gut, ich kann mir es nicht leisten, so zu handeln (wer leiht mir schon Geld?), aber dafür gibt es ja den Staat(auch hochverschuldet). Allerdings scheint dieses hehre Vorhaben im Parlament nicht mehrheitsfähig zu sein. Wird die kostenfreie Abgabe von Heroin tatsächlich aus rein populistischen Motiven verweigert oder gibt es nicht auch vernünftigen Argumente gegen diesen vernüftigen Vorschlag, wie es auch vernünftige Argumente gegen Schröders Rettungsplan für Philip Holzmann gab?

Ist es so unvernünftig an die Selbstheilungskraft des Kapitalismus zu glauben, der Opfer von unvernünftigen Handeln wurde. Auch wenn ich mich in den intimen Geheimnissen des gehobenenen Investmentbankings nicht auskenne, glaube ich doch zu erahnen, dass der besitz von faulen Krediten nicht das Resultat vernünftigen Handelns ist, zumindest nicht viel vernünftiger als die Überweisung der staatseignen KfW and ein Pleiteinstitut.

Es sei also die Frage erlaubt, ob nicht auch Vernunft eine Rolle dabei gespielt hat dieses Rettungspaket abzulehnen, dessen Entstehung ja der Unvernunft von Experten zu verdanken ist.

Das Rettungspaket stellt diesen Experten das Armutszeugnis aus, nicht selbst in der Lage zu sein, das von ihnen angerichtete Fiasko aus eigener Kraft zu beseitigen. Von einem Würstchenbudenbesitzer wird mehr Kompetenz in finanziellen Angelegenheiten gefordert als von einem Investmentbanker, was natürlich so schlecht nicht ist, denn der Imbissbetreiber muss selbst für seine Verluste aufkommen, auf eine Bank kann er sich in einer Notsituation nur insoweit verlassen, dass sie ihm endgültig den Todesstoß versetzt.
F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.257

30.09.2008 10:35
#5 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von Martin
Ich denke, in den USA steht das Geschäftsmodell 'New York' oder Wallstreet auf dem Prüfstrand.


Wenn Sie damit das Investmentbankingmodell meinen: Der Prüfstand wurde inzwischen verschrottet (die SEC hat am Do oder Fr die Aufsicht über die großen 5 zu den Akten gelegt, nachdem die Hälfte der großen 5 entweder Pleite ist oder aufgekauft wurde...)

Aber man muss es auch mal so sehen: Es wurde immer bemängelt, dass Investmentbanken nicht stark genug beaufsichtigt würden... aber warum sollten sie? Offensichtlich dreht die Welt sich auch so weiter, auch ohne Bear Stearns bailout; das ist Marktwirtschaft: Wer Mist baut, darf auch gerne Pleite gehen. Herzlich willkommen in der Realität, Wall St.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

30.09.2008 11:08
#6 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten
Zettel, ich bin in dieser Frage sehr deutlich anderer Meinung:

Der 'Rettungsplan' loest die Krise nicht, er verschiebt sie nur ein wenig und danach kommt sie schlimmer.

Wenn ein Luftbalon blatzt, werden Sie diesen nicht retten koennen, indem Sie wie ein Verrueckter weiter Luft hinein pumpen - nichts anderes passiert, wenn 700 Milliarden mal eben mit einer Praesidentenunterschrift erschaffen und in die Wall Street gelehrt werden.

(Nachtrag: Sogesehen haben die Demokraten in meinen Augen richtig gehandelt. Auch wenn aus falschen Motiven heraus. Die Skandaloese Berichterstattung in den Medien beschreiben Sie natuerlich korrekt)
R.A. Offline



Beiträge: 8.171

30.09.2008 11:18
#7 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Was die Wähler nicht verstehen (weil es auch die Journalisten falsch darstellen): Die Bankenkrise ist Folge falscher Politik.

Es war staatliche Vorgabe, ärmere Bevölkerungsschichten mit Billigkrediten die Möglichkeit zu geben, in große Häuser zu ziehen und sich mehr Konsum zu leisten, als sie eigentlich zahlen können.

Ein gigantisches Sozial- und Konjunkturprogramm, daß da seit vielen Jahren läuft - unter diversen Präsidenten und politischen Mehrheiten.

Und dieses Programm wurde auf Pump finanziert - jetzt kommt die 700-Milliarden-Rechnung.

Der ehrliche Abgeordnete steht jetzt zu dieser Rechnung. Einfach weil es richtig ist, daß der Staat die von ihm angerichtete Misere auch bezahlt.

Der populistische Abgeordnete versucht die Misere in den Privatsektor zu verschieben - ohne Rücksicht auf die Folgen.

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.257

30.09.2008 11:32
#8 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

@ R.A., und auch Dagny:

Jetzte haben wir aber schon wieder eine Situation, ind der mit dem $700Mrd. bailout gerechnet wurde, und auf einmal: Nix is....
Es wäre besser gewesen, glaich von Anfang an zu sagen 'nen bailout gibt's nicht' als dieses rumgewurstel....

Llarian Offline



Beiträge: 7.117

30.09.2008 11:42
#9 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

In Antwort auf:
Es war staatliche Vorgabe, ärmere Bevölkerungsschichten mit Billigkrediten die Möglichkeit zu geben, in große Häuser zu ziehen und sich mehr Konsum zu leisten, als sie eigentlich zahlen können.

Wie kann der Staat vorgeben, dass Banken schlechte Kredite vergeben ? Das ist doch wohl deren Problem. Wenn es wie in Deutschland semi-staatliche Banken wären, aber das ist doch wohl nicht der Fall.

Ich für meinen Teil finde es skandalös, dass der Staat (sprich: die Bevölkerung) diesen Murks bezahlen soll. Denn, wie Zettel ja korrekt anmerkt, wo ist der Staat, wenn der Einzelne Pleite geht ? Womöglich aus staatlichen Gründen ? Wenn ich 700 Milliarden Dollar nehme und damit statt irgendwelche Großbanken zu stützen, private Pleitiers rette, würde vermutlich der wirtschaftliche Push-Effekt nicht geringer ausfallen.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

30.09.2008 12:55
#10 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von Llarian
In Antwort auf:
Es war staatliche Vorgabe, ärmere Bevölkerungsschichten mit Billigkrediten die Möglichkeit zu geben, in große Häuser zu ziehen und sich mehr Konsum zu leisten, als sie eigentlich zahlen können.

Wie kann der Staat vorgeben, dass Banken schlechte Kredite vergeben ? Das ist doch wohl deren Problem. Wenn es wie in Deutschland semi-staatliche Banken wären, aber das ist doch wohl nicht der Fall.

Ich für meinen Teil finde es skandalös, dass der Staat (sprich: die Bevölkerung) diesen Murks bezahlen soll. Denn, wie Zettel ja korrekt anmerkt, wo ist der Staat, wenn der Einzelne Pleite geht ? Womöglich aus staatlichen Gründen ? Wenn ich 700 Milliarden Dollar nehme und damit statt irgendwelche Großbanken zu stützen, private Pleitiers rette, würde vermutlich der wirtschaftliche Push-Effekt nicht geringer ausfallen.


Bin vorlauter SPON-Watch nicht dazu gekommen, das beim A-Team auszufuehren, aber anscheinend haben die beiden halbstaatlichen Hypothekenfinanzierer in den USA (Fanny Mae ...) die politische Order gehabt, einen Teil der kredite an 'sozial schwache' zu vergeben. Ohne entsprechende Bonitaetsprufung bzw. eben Sub-Prime. Gueteklasse B statt A.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

30.09.2008 14:29
#11 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

In Antwort auf:
aber anscheinend haben die beiden halbstaatlichen Hypothekenfinanzierer in den USA (Fanny Mae ...) die politische Order gehabt, einen Teil der kredite an 'sozial schwache' zu vergeben.


ja, hatten sie:

<em>In July, the Department of Housing and Urban Development proposed that by the year 2001, 50 percent of Fannie Mae's and Freddie Mac's portfolio be made up of loans to low and moderate-income borrowers. Last year, 44 percent of the loans Fannie Mae purchased were from these groups.</em> (http://query.nytimes.com/gst/fullpage.ht...n=&pagewanted=2 )

Dazu kommt noch, dass in den USA aufgrund des sogenannten Glass-Steagull Act Investmentbanken von "normalen" Geschäftsbanken getrennt sein mussten. Jedenfalls bis zur Aufhebung dieser Regulierung in den 90ern. Wie aber will eine Investbank investieren, wenn der Aktienmarkt bereits gesättigt ist? Kredite vergeben? Das können im wesentlichen nur Geschäftsbanken. Also mussten sie Kredite aufkaufen.

Sicher sind das nicht die einzigen Ursachen der Krise. Blindes Vertrauen in Finanzmathematik und Modellen, die den Anschein von Wissenschaftlichkeit erheben, gehört auch dazu (Wann platzt eigentlich die Klimablase?).

Für die reale Wirtschaft gäbe es in der Tat ein großes Problem, wenn sie sich keine Kredite mehr bei zu ängtstlichen Banken besorgen können. Aber in in einem soclhen Falle könnte - das ist meine Einschätzung - die Zentralbank auch Unternehmenskredite (statt Staatsanleihen) als Pfand akzeptieren. Gegen dieses erhalten die Banken dann das Geld, das sie an die Unternehmen weiterleiten könnten. Wäre jedenfalls sauberer als das was jetzt vorgeschlagen wird.

Abgesehen davon glaube ich, dass das was moralisch falsch ist, ökonomisch nicht richtig sein kann. Erst recht dann nicht, wenn man die politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen mit einbezieht. Die Umsetzung des Paulson-Plans wäre eine Bankrotterklärung des Kapitalismus. Das kann mittel- bis langfristig nicht gut sein.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

30.09.2008 15:28
#12 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von Llarian
In Antwort auf:
Es war staatliche Vorgabe, ärmere Bevölkerungsschichten mit Billigkrediten die Möglichkeit zu geben, in große Häuser zu ziehen und sich mehr Konsum zu leisten, als sie eigentlich zahlen können.

Wie kann der Staat vorgeben, dass Banken schlechte Kredite vergeben ? Das ist doch wohl deren Problem. Wenn es wie in Deutschland semi-staatliche Banken wären, aber das ist doch wohl nicht der Fall.

Das war der Community Reinvestmant Act von 1977, mit diversen Ergänzungen 1989, 1995 und 2005: http://en.wikipedia.org/wiki/Community_Reinvestment_Act

Zitat von Wikipedia
In early 1993 President Bill Clinton ordered new regulations for the CRA which would increase access to mortgage credit for inner city and distressed rural communities. The new rules went into effect on January 31, 1995 and featured: requiring strictly numerical assessments to get a satisfactory CRA rating; using federal home-loan data broken down by neighborhood, income group, and race; encouraging community groups to complain when banks were not loaning enough to specified neighborhood, income group, and race; allowing community groups that marketed loans to targeted groups to collect a fee from the banks.

Auf gut Deutsch: Antragsteller mit schlechteren Bonitäten sollten mehr Zugang zu Krediten bekommen.

Hinzu kam noch, dass Freddie Mac und Fannie Mae als Government Sponsored Entities (GSEs) - offiziell privatisiert, aber mit inoffizieller Rückendeckung des Bundes - den Auftrag hatten, möglichst vielen Amerikanern den Traum vom eigenen Haus zu ermöglichen. Das führte natürlich ebenso zu Kreditvergabe an schlechtere Bonitäten.

Der Status als GSE umgekehrt erzeugte obendrein auf dem Markt den Eindruck, der Staat würde hinter FM und FM stehen und sie im Zweifelsfall unterstützen, wie es jetzt auch der Fall ist. Dadurch konnten sich FM und FM auf dem Kapitalmarkt zu deutlich niedrigeren Zinsen mit Kapital versorgen als andere Hypothekenbanken, die dadurch schlechtere Karten im Wettbewerb hatten - ein klassischer crowding out-Effekt.

Genau das wurde auch im bereits zitierten NYT-Artikel angesprochen,
http://query.nytimes.com/gst/fullpage.ht...n=&pagewanted=1

Und - oh Wunder - die bösen herzlosen Neoliberalen vom American Enterprise Institute haben schon 1999 darauf hingewiesen, wo das enden könnte:
Zitat von New York Times
''From the perspective of many people, including me, this is another thrift industry growing up around us,'' said Peter Wallison a resident fellow at the American Enterprise Institute. ''If they fail, the government will have to step up and bail them out the way it stepped up and bailed out the thrift industry.''

Die thrift industry, die hier angesprochen wird, war eine größere Welle von Bankenpleiten in den Achtzigern (?), bei denen analog zu jetzt auch wieder der Staat einsprang.

Damit meine ich nicht, dass der CRA und die GSEs der einzige Grund für die Krise sind. Es gab auch andere. Aber diese Probleme waren sicherlich mit für die aktuelle Katastrophe verantwortlich.

Und was mich besonders irritiert (mir lag schon ein anderes Wort auf der Tastatur) ist, dass die üblichen Verdächtigen das aktuelle Problem wieder auf den "ungezügelten Kapitalismus" und die "Deregulation" in den USA zurückführen, statt die unrühmliche Rolle zu sehen, die der amerikanische Staat bei der Vorbereitung genau dieser Katastrophe gespielt hat.

M.Schneider Offline



Beiträge: 672

30.09.2008 15:45
#13 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten


Liebe Leser

Zitat von Dagny
Zettel, ich bin in dieser Frage sehr deutlich anderer Meinung:
Der 'Rettungsplan' loest die Krise nicht, er verschiebt sie nur ein wenig und danach kommt sie schlimmer.


Ich bin als Liberaler zwar ein absoluter Gegner der Einmischung von Staaten in die Wirtschaft, aber in diesem Fall muss man zähneknirschend sagen, es muss zu diesem 700 Milliarden Hilfsprogramm kommen, will man nicht eine globale Katastrophe heraufbeschwören.

Dazu muss man sich die Verzahnungen und Abhängigkeiten klarmachen.

Die Banken haben sich verspekuliert und Sie haben massenweise Geld verloren. Dieses Geld fehlt den Banken physisch. Dies gilt nicht nur für amerikanische Banken, sondern für Banken weltweit.

Dies war neben der Dummheit von Bankern ganz sicher auch politisch verursacht, ganz offensichtlich waren die Zinsen für den normalen Bürger in Amerika viel zu gering und damit lebte das Land über seine Verhältnisse.

Die Folge der nun physisch fehlenden Gelder ist, Banken geben keine Kredite mehr an die Wirtschaft. Damit fehlt der Wirtschaft der Sprit für den Motor.

Das führt dazu, dass der Wirtschaftsmotor immer mehr in Stocken kommt, beziehungsweise wird er in vielen Branchen regelrecht stehen bleiben, zuerst in den USA dann aber wird es aller Handelspartner treffen.

Die Folge davon ist massenweise Sterben von kleinen, mittelständischen Betrieben und infolgedessen ein radikaler Abbau von Arbeitsplätzen.

Dies führt zu einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosenzahlen mit allen damit verbundenen Problemen und letztendlich auch Kosten für den Staat.

Die einzelnen Bürger des Landes erkennen die Gefahr für sich, ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen zu verlieren und es wird ihre Konsumtaschen geradezu verschweißen.

Das gleiche gilt für die Wirtschaft, keine Kredite bedeutet keine Ausgaben keine Investitionen und erst recht keine Neueinstellungen von Personen.

Dieser zusammenbrechende Konsum wiederum ist Gift für die Weltwirtschaft, weil es damit auch alle Exportnationen treffen wird, in gleicher Weise wie die USA nun schon, lediglich mit einem Nachlauf von vielleicht einem Dreivierteljahr.

Die mangelnde Liquidität der Banken ist schon heute in Europa und der Schweiz zu spüren.
Es ist fast nicht mehr möglich einen Kredit zu bekommen, nicht mal wenn man Bankbürgschaften dafür vorlegt.
Ich bin in einem Metier tätig, wo ich das sehr gut beobachten kann. Es ist so schlimm, dass die Banken nicht nur keine Kredite rausgeben, sie blockieren auch Fremdgelder, um sich damit wieder selber zu sanieren. Dabei wird sogar in Kauf genommen gegen geltende Gesetze zu verstoßen.

Es treten nun eine ganze Menge sekundärer aber sehr schädlicher Effekte auf.

Keine Bank traut mehr einer anderen Bank, die Folge davon ist, der unter normalen Umständen gut funktionierende Geld- Beleihungsweg von Bank zu Bank funktioniert nicht mehr. Jede Bank befürchtet ihr Geld nicht zurück zu bekommen, wenn sie einer anderen Bank welches leiht.

Das verschärft die Bankensituationen drastisch, weil diese keine Möglichkeiten haben sich kurzfristige Liquiditätsengpässe vom Hals zu schaffen, wie das in normalen Zeiten Regel ist.

Ein weiterer schlimmer Punkt ist, Bürger und Kapitaleigner verlieren immer mehr Vertrauen in das Bankenwesen und ziehen ihre Gelder ab. Das verschärft die ganze Misere dramatisch und zieht selbst solche Banken in den Abgrund, die ansonsten überleben würden.

Dazu kommen die Auswirkungen auf die Börsen. Der Börsenindex ist allenfalls zu 20% geprägt von Fakten, zu 80% bis 90% wird er geprägt durch Glauben Hoffen und Gerüchte.

Geht der Glaube und die Hoffnung auf eine Stabilität der Finanzmärkte in den Keller, weil auch das Hilfsprogramm abgesagt wird, werden die Börsenkurse dramatisch einsinken.

Nein, man kann das Problem drehen und wenden wie man will, wird das internationale Finanzsystem nicht gestürzt und eben ganz maßgeblich von der amerikanischen Fed mit diesem Hilfsprogramm, dann sind die Auswirkungen katastrophal und sie werden eben genau jene treffen, die an der Misere überhaupt keine Schuld haben, die Wirtschaft und den normalen Bürger. Und das eben nicht nur in den USA, die der Verursacher war.

Es ist daher eine völlige Fehlenüberlegungen zu glauben, das Hilfsprogramm würde ausschließlich Bankern die völlig dumm und verantwortungslos gehandelt haben zugutekommen und der normale Bürger zahlt die Zeche würde aber ansonsten allein gelassen.

Letztendlich zahlt hier eben auch eine verfehlte Politik die Rechnung. Das gilt nicht nur für die USA sondern auch für Europa. Die Ursachen solcher Spekulationsblasen sind grundsätzlich politikgemacht.

Wie sagt es ein im Europäischen Parlament als Berater beschäftigter liberaler französischer Ökonom:
Spekulationsblasen auf der Grundlage zu niedriger Zinsen und der damit zusammenhängenden Bevorzugung spekulativer Kapitalanlagen in „Zukunftstechnologien“ gegenüber kurzfristig rentablen Anlagen in der Konsumgüterindustrie haben die klassische Rolle der Inflation übernommen.

Er stützt sich dabei auf die Konjunkturtheorie von Friedrich August von Hayek.
Wie andere nicht vom Markt, sondern durch Signale der Politik ausgelöste Spekulationsblasen im Bereich Telekommunikation und Internet (Dotcom-Blase) werde auch die US-Immobilienkreditblase bald durch eine neue Spekulationsblase abgelöst werden: höchstwahrscheinlich von einer Blase im Themenfeld „Klimaschutz – erneuerbare Energien“ (Öko-Industrie-Komplex).

Die politischen Weichen für beide Blasen sind längst gestellt. US-Finanzminister Henry Paulson, ist auch als glühender Verfechter des CO2-Emissionshandels bekannt. So könnte es sogar passieren, dass es statt zur Aufwertung der Belange der Realwirtschaft gegenüber dem Finanzsektor zu einer noch stärkeren Konzentration auf virtuelle Werte kommt. Eigenartigerweise gilt der Emissionshandel noch immer als solideres Geschäft als die Immobilienwirtschaft. Andererseits zeichnet es sich in Europa schon jetzt ab, dass die ebenso ehrgeizige wie selbstmörderische „Klimapolitik“ der Rezession zum Opfer fallen wird. Die Blase um Wind- und Solarwerte könnte noch schneller platzen, als von den dort engagierten Shortsellern erhofft.

Es stimmt zwar irgendwo, die Zeche zahlen alle, aber letztendlich ist der Preis nicht zu hoch, wenn damit ein Wirtschaftskollaps verhindert wird.

Nein ich sehe wirklich überhaupt keine Alternative, dieses Programm muss viel weniger physisch Geld bringen, als vielmehr das Vertrauen der Wirtschaft und der Menschen in das Finanzsystem zurückbringen, das Misstrauen der Banken untereinander beheben und die Börsen wieder mit Vertrauen ausstatten.
Diese drei Punkte gilt es zu erreichen.
Gelingt dies nicht dann sind die 700 Milliarden um die es jetzt geht nur Portokasse, gegen die finanziellen Schäden die daraus weltweit resultieren würden.

Und gerade deutsche Politiker würden dann sehr schnell an ihrer überheblichen, realitätsfremden Sozi- Häme gegenüber den USA ersticken, zumal sie schon jetzt ein ausgesprochen jämmerliches Bild mit den Problemen der deutschen Banken, insbesondere staatlicher Banken abgeben.

Herzlich
M. Schneider

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.09.2008 16:12
#14 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Danke, lieber M. Schneider, für diese ausgezeichnete Zusammenfassung und Analyse!

Ich kann ja gut die beiden Argumenten verstehen, a) würde ein Eingriff des Staats nur die Selbstheilungskräfte des Systems behindern und b) dürfe Fehlverhalten nicht belohnt werden, zumal der Kleine Mann für sein Fehlverhalten stets nur bestraft wird.

Aber es sind Argumente vom Typus "Geschieht meinen Eltern recht, wenn ich mir die Hände erfriere, warum kaufen sie mir keine Handschuhe".

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.09.2008 16:27
#15 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von F.Alfonzo
Ich vermute, die meisten Deutschen denken: "Republikaner = Union und Demokraten = SPD", und das Ganze in einem parlamentarischen System, das mit dem deutschen identisch ist.

Viele scheinen auch zu denken "Republikaner = Rechtsextreme (Neocons, christliche Fundamentalisten usw.)". Im übrigen stimme ich Ihnen in dem zu, was Sie über den Unterschied zwischen den USA und Europa schreiben.
Zitat von F.Alfonzo
Eine Wirtschaftskrise wird es erst dann, wenn 'produzierende' Unternehmen massiv getroffen werden. Das ist im Moment nicht die Perspektive.

Mögen Sie Recht behalten, lieber F. Alfonzo! Nach dem, was ich so lese, scheint mir eher die pessimistische Sicht von M. Schneider zuzutreffen: Das Geld wird überall immer knapper. Die USA- Wirtschaft steuert auf das zu, was man im Amerikanischen "to grind to a halt" nennt - ich habe das mit "knirschend zum Stehen kommen" übersetzt.

Aber ich will gern zugeben, lieber F. Alfonzo, daß ich viel zu wenig von Ökonomie verstehe, um da ein eigenes Urteil zu haben. Ich versuche das eine oder andere zu lesen, und dann neige ich dem zu, was mir schlüssig und kompetent argumentiert erscheint.
Zitat von F.Alfonzo
Konjunktur: Es wird schon wieder von der "Verhinderung einer Rezession" gesprochen. Als ob es in der Geschichte der Menschheit schon mal gelungen wäre, eine Rezession zu verhindern (wer mir den Gegenbeweis liefert, bekommt als Geschenk ein VWL-Buch, in dem beschrieben ist, warum sich Rezessionen nicht verhindern lassen; das brauch ich dann ja nicht mehr :-)
.
Gibt es nicht Rezessionen sehr unterschiedlichen Kalibers? Auch die Weltwirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre war natürlich eine Rezession - aber was für eine!

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.09.2008 16:51
#16 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von Martin
wäre Ihnen da etwa eine deutsche Parteiendemokratie lieber, in der die Abgeordneten anonym und ohne Kontakt zum Wähler abstimmen?

Nein, lieber Martin. Ich plädiere ja seit langem für das Mehrheitswahlrecht und damit für das amerikanische System. Nur hat jedes Wahlrecht seine Nachteile, und hier sieht man die des Mehrheitswahlrechts. An meiner Meinung dazu ändert das nichts.
Zitat von Martin
'Krause gegen Krupp' ist m.E. das falsche Analogon für die amerikanischen Verhältnisse. Mainstreet vs. Wallstreet dürfte auch im Kalkül passieren, die Konsequenzen tragen zu müssen. Foxnews und USA Today haben mit Sicherheit ausreichend über die Konsequenzen informiert. Man kann auch annehmen, dass die Amerikaner einen radikalen Schnitt haben wollen, koste es was es wolle.

Es gab schon vor der jetzigen Finanzkrise eine große ökonomische Unsicherheit in den USA vor allem in den alten Industrien und im verarbeitenden Gewerbe; Stichwort Outsourcing. Jetzt sehen viele Amerikaner pessimistisch in die Zukunft; daher ja auch die niedrige Popularität von Bush, dem das attribuiert wird.

Diese Leute, die an der Main Street wohnen, interessiert nur eins: Ihren Job zu behalten, ihre Hypothekenzinsen bezahlen zu können, ihre Krankenvesicherung nicht zu verlieren.

Im Augenblick denken viele offenbar, daß das mit der Finanzkrise nichts zu tun hat. Sie wollen lieber selbst von einem Milliardensegen profitieren, statt zuzusehen, wie der an die Wall Street geht. Aber die Wahrheit ist ja - siehe den Beitrag von M. Schneider -, daß ein Zusammenbruch des Finanzmarkts auch die Jobs der Leute an der Main Street gefährden würde.
Zitat von Martin
Vielleicht gibt es auch die Einsicht, dass auch ein Rettungspaket den Umbruch nicht verhindern kann, sondern höchstens verzögern.

Das ist natürlich die Gretchenfrage. Ich kann da die Wahrscheinlichkeiten überhaupt nicht beurteilen. Aber vielleicht ist ja die biologische Analogie gar nicht so unpassend: Wenn jemandem, aufgrund welcher Grunderkrankung auch immer, ein Kreislaufkollaps droht, dann muß man erst mal um jeden Preis den Kreislauf stabilisieren. Damit hat man die Grunderkrankung nicht therapiert. Aber ohne das braucht man sie gar nicht mehr zu therapieren.
Zitat von Martin
Die Postulierung mangelnder Einsicht der Bevölkerung in das große Ganze ist ein Anflug elitären Denkens, das in Deutschland eher verbreitet sein dürfte als in den USA.

Auf diesen Einwand, lieber Martin, habe ich gewartet; ich habe ihn mir ja beim Schreiben selbst gemacht.

Aus meiner Sicht ist beides falsch: Zu meinen, daß "das Volk" grundsätzlich zu kurz denkt und auf die Leitung durch seine Elite angewiesen ist. Aber auch umgekehrt zu meinen, daß "dem Volk" grundsätzlich die besseren Einsichten zuwachsen und "die Eliten" sich in der Regel irren.

Ich neige dazu, das im Einzelfall zu beurteilen. Was die EU-Bürokratie angeht, das Rauchververbot und vieles von dieser Art, scheint mir "das Volk" richtiger zu liegen als "die Eliten". Was die jetzige Lage in den USA angeht, habe ich den Eindruck, daß "das Volk" - aus den genannten Befürchtungen für die eigene Zukunft heraus - dazu neigt, einem nun einmal ökonomisch erforderlichen Bail-out nicht zuzustimmen.

Auch in den USA ist ja die irrationale Auffassung weit verbreitet, es ginge den Krauses besser, wenn es den Krupps schlechter geht. Wenn auch ungleich weniger als im Alten Europa.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.09.2008 17:07
#17 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von C.
Wird die kostenfreie Abgabe von Heroin tatsächlich aus rein populistischen Motiven verweigert oder gibt es nicht auch vernünftigen Argumente gegen diesen vernüftigen Vorschlag, wie es auch vernünftige Argumente gegen Schröders Rettungsplan für Philip Holzmann gab?

Dazu habe ich, dear C., in meiner Antwort an Martin eben schon einiges geschrieben.

Ich kann das natürlich nicht aus eigener Kenntnis beurteilen - wer von uns kann das? -, aber offenbar ist die große Mehrheit der Experten davon überzeugt, daß ohne Bail-out dieses "to grind to a halt" droht. Und wenn das so ist, dann geht es eben nicht um die kostenfreie Abgabe von Heroin, sondern um das Spritzen von Cortison.
Zitat von C.
Auch wenn ich mich in den intimen Geheimnissen des gehobenenen Investmentbankings nicht auskenne, glaube ich doch zu erahnen, dass der besitz von faulen Krediten nicht das Resultat vernünftigen Handelns ist, zumindest nicht viel vernünftiger als die Überweisung der staatseignen KfW and ein Pleiteinstitut.

Das Erfolgsgeheimnis des Kapitalismus ist es laut Adam Smith bekanntlich, daß das egoistische Handeln Einzelner am Ende doch zum bestmöglichen Ergebnis für alle führt.

Im Idealfall, der oft auch der Regelfall ist. Aber wie überall, wo in einem dynamischen System sich lokale Wechselwirkungen in einem bestimmten Verhalten des Systems als Ganzem niederschlagen, bedarf es der richtigen Rahmenbedingungen (constraints). Soweit ich das durchschaue, hat die jetzige Krise weder mit dem Kapitalismus als solchem etwas zu tun, noch gar mit solchen psychologischen Sachverhalten wie "Gier" oder "Maßlosigkeit", sondern damit, daß die Rahmenbedingungen nicht optimal waren.

Das muß jetzt repariert werden. Aber therapieren kann man einen Patienten erst dann, wenn man ihn nicht zuvor hat kollabieren lassen.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




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30.09.2008 17:20
#18 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von R.A.
Es war staatliche Vorgabe, ärmere Bevölkerungsschichten mit Billigkrediten die Möglichkeit zu geben, in große Häuser zu ziehen und sich mehr Konsum zu leisten, als sie eigentlich zahlen können.
Ein gigantisches Sozial- und Konjunkturprogramm, daß da seit vielen Jahren läuft - unter diversen Präsidenten und politischen Mehrheiten.

Ja, das ist ein Aspekt, der in der deutschen öffentlichen Diskussion kaum eine Rolle spielt. Dieses System geht ja auf Roosevelts "New Deal" zurück.

Vermutlich war das nicht der einzige Faktor; aber doch ein wichtiger. Auch das gehört, soweit ich das beurteilen kann, zu dem Optimierungsproblem, das ich gerade in der Antwort an C. skizziert habe: Die staatliche Regulierung so zu gestalten, daß die Kräfte des Markts frei wirken können, ohne daß das System aber instabil wird.

Dynamische Systeme tendieren zur Instabilität. Irgendwann gibt es eine Situation, in der Rückkopplungen das System immer mehr in Richtung auf eine "Ecke" führen, wenn nicht zum Absturz.

Es wäre absurd, deshalb an die Stelle des freien Spiels der Kräfte staatliche Planung zu setzen. Aber dieses freie Spiel kann auch nur innerhalb von Rahmenbedingungen gut funktionieren, die der Staat bzw. die die Staaten setzen müssen.

So stelle sich das mir jedenfalls im Augenblick dar, lieber R.A. Wobei ich mich in solchen Diskussionen immer etwas unwohl fühle. Im Grunde kann da nur mitreden, wer Ökonomie studiert hat.

Herzlich, Zettel

C. Offline




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30.09.2008 17:21
#19 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von Zettel
Was die EU-Bürokratie angeht, das Rauchververbot und vieles von dieser Art, scheint mir "das Volk" richtiger zu liegen als "die Eliten". Was die jetzige Lage in den USA angeht, habe ich den Eindruck, daß "das Volk" - aus den genannten Befürchtungen für die eigene Zukunft heraus - dazu neigt, einem nun einmal ökonomisch erforderlichen Bail-out nicht zuzustimmen.


Vielleicht weil die Krise es eine Folge elitären Handelns ist?. Woher soll denn das Vertrauen in die Elite noch kommen? Sicherlich ist die kreislaufstützende Maßnahme notwendig, allerdings sollte sich der Staat deutlich machen, das er sich an denen schadlos hält, die bisher profitiert hatten. Vielleicht fällt dann für die Elite ein kleiner Lerneffekt ab.
Der Vergleich zu den Krupps hinkt deshalb, weil die Krupps das Risiko persönlich trugen.

Zettel Offline




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30.09.2008 17:30
#20 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von dirk
Die Umsetzung des Paulson-Plans wäre eine Bankrotterklärung des Kapitalismus. Das kann mittel- bis langfristig nicht gut sein.

Könnte aber, lieber Dirk, seine Nicht-Umsetzung nicht der Bankrott sein - zwar nicht des Kapitalismus, aber der Zusammenbruch des US-Finanzmarkts, damit dieses knirschende Zum-Stehen-Kommen der ganzen Wirtschaft?

Um nochmal den Vergleich mit einem Organismus zu bemühen: Jeder biologische Organismus hat Selbstheilungskräfte. Wenn die nicht reichen, dann stirbt er halt. Der Natur ist das egal. Aber wer (warum auch immer - vielleicht, weil es sich um ihn selbst handelt ) daran interessiert ist, daß dieser Organismus weiterlebt, der wird dann eben einen Eingriff von Außen wollen; eine Spritze, eine Operation, was immer.

Ansonsten, lieber Dirk: Auch Ihnen Dank für Erhellendes! Ich versuche das zu verstehen, was die ökonomisch Versierten hier im Forum schreiben; mehr als ein paar allgemeine Überlegungen kann ich nicht beitragen.

Herzlich, Zettel

dirk Offline



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30.09.2008 17:37
#21 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

In Antwort auf:
So stelle sich das mir jedenfalls im Augenblick dar, lieber R.A. Wobei ich mich in solchen Diskussionen immer etwas unwohl fühle. Im Grunde kann da nur mitreden, wer Ökonomie studiert hat.


Da kann ich Sie beruhigen, lieber Zettel. Mitreden kann jeder, der einen gesunden Menschenverstand hat. Der wohl größte Ertrag aus meinem VWL Studium ist das Selbstvertrauen bei ökonomischen Fragestellungen mitreden zu können. Die Gedankengänge an sich sind aber allesamt auch für Laien verständlich und schlüssig. Und für solche, die es gewohnt sind "formal" zu denken sogar trivial.

Zettel Offline




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30.09.2008 17:58
#22 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von C.
Zitat von Zettel
Was die EU-Bürokratie angeht, das Rauchververbot und vieles von dieser Art, scheint mir "das Volk" richtiger zu liegen als "die Eliten". Was die jetzige Lage in den USA angeht, habe ich den Eindruck, daß "das Volk" - aus den genannten Befürchtungen für die eigene Zukunft heraus - dazu neigt, einem nun einmal ökonomisch erforderlichen Bail-out nicht zuzustimmen.

Vielleicht weil die Krise es eine Folge elitären Handelns ist?. Woher soll denn das Vertrauen in die Elite noch kommen?

Ich denke weniger in diesen Kategorien "Volk" - "Eliten", dear C. Deshalb die Anführungszeichen. Ich kann auch nicht sehen, daß es eine "politische Klasse" gibt, die einheitliche, gemeinsame Interessen verfolgen würde.

EU-Bürokratie, Klimabürokratie usw. - diejenigen, die das betreiben, sind ja nicht "die Eliten", sondern bestimmte Linke, überwiegend mit sozialwissenschaftlichem Studium, überwiegend in kleinen oder mittleren Positionen beim Staat beschäftigt.

Und "das Volk", daß sich gegen deren sozialistische, etatistische Ideen wehrt - dazu gehört der Betreiber einer Imbißbude ebenso wie der CEO eines Großunternehmens.

Ähnlich jetzt in den USA. Wer die jetzige Situation zu verantworten hat, bleibt zu klären. In mehreren Beiträgen dieses Threads wurde darauf hingewiesen, daß staatliche Sozialpoolitik, die diese "state-sponsored" Banken zur Vergabe von Kredite an Einkommensschwache verpflichtete, ein gerütteltes Maß an Mitschuld trägt. Das System der Investmentbanken scheint eine weitere Schwachstelle zu sein, und so fort.

Mit Eliten vs Volk hat das alles wenig zu tun. Nur konkret, allein bezogen auf die jetzige Ablehnung des Bail-out durch das Repräsentantenhaus, scheint es mir so zu sein, daß "das Volk" (dh viele Wähler, die den Abgeordneten Emails schicken) die Notwendigkeit des Bail-out noch nicht erkannt hat.
Zitat von C.
Der Vergleich zu den Krupps hinkt deshalb, weil die Krupps das Risiko persönlich trugen.

Da hatte ich, dear C., auf eine Formel der kommunistischen Propaganda angespielt, die auf den Propagandafilm der DDR "Krupp und Krause" zurückgeht. Ebenso wie mit "Wir da unten - ihr da oben". Das war der Titel eines Buchs von Bernt Engelmann und Günter Wallraff von 1973, wie ich ihn in Erinnerung gehabt hatte. Richtig heißt er "Ihr da oben - wir da unten".

Herzlich, Zettel

dirk Offline



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30.09.2008 18:01
#23 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten


In Antwort auf:
Könnte aber, lieber Dirk, seine Nicht-Umsetzung nicht der Bankrott sein - zwar nicht des Kapitalismus, aber der Zusammenbruch des US-Finanzmarkts, damit dieses knirschende Zum-Stehen-Kommen der ganzen Wirtschaft?


Da bin ich mir nicht so sicher. Dass Investmentbanken Pleite gehen, sollte uns nicht weiter aufregen. Besorgniserregend ist alleinme die Gefahr, dass die reale Wirtschaft keine Kredite mehr erhält. Wenn dies tatsächlich der Fall sein sollte oder sich dieses andeutet, dann muss in der Tat gehandelt werden. Wenn es tatsächlich so sein sollte, dass die reale Wirtschaft keine Kredite mehr bekommt, dann muss in der Tat gehandelt werden. Ich bin allerdings nicht davon überzeugt, dass dies wirklich der Fall ist.

Einige Banken müssen jede Menge Bargeld haben (irgendwo muss es ja geblieben sein) und haben enstprechenden Druck dieses Geld anzulegen (Bargeld bringt keine Zinsen). Anderen Banken die wenig Geld haben, wollen sie es nur nicht leihen, weil sie das Risiko für zu groß halten. Hoffen wir, dass es sich bei den betuchten Banken um Geschäftsbanken handelt und nicht um Investmentbanken. Letzeren fehlt nämlich der Kanal um die Gelder Mittelständler mit Krediten zu versorgen. (Hier zeigt sich der Vorteil von großen Univesalbanken.)

Das Hauptargument für eine "Kreditklemme" heisst "Deleveraging". Ihm nach würden die Banken, ihre Eigenkapitalquote erhöhen, also pro Euro Eigenkapital weniger Kredite/ Investitionen vergeben um so ihr (Liquiditäts-)Risiko zu senken. Die Frage ist ob die das nicht, als Lehre aus der Krise, so oder so machen würden. Ob sie nun "faule Kredite" haben oder nicht. Wenn ja, dann wird das Hilfspaket nicht helfen.

Und wenn ja, dann zeigt sich auch wie dämlich das Shortsellingverbot war/ist. Denn dann müssten, um bei gleichbleibendem Kreditvolumen die Eigenkapitalquote zu erhöhen, die Banken ihr Eigenkapital erhöhen. Das ist am einfachsten, wenn die Preise, d.h. die Aktienkurse, niedrig sind. Es müsste also niedrigere Kurse (und mehr Warren Buffets) geben.

Ich gebe zu, dass dies jetzt andere Argumente sind als Sie oben kritisieren. Wenn aber die Wirkung und die Notwendigkeit zweifelhaft sind, würde ich alles andere tun als eine derartige Bankroterklärung des Systems abgeben.

Zettel Offline




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30.09.2008 18:07
#24 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Zitat von dirk
In Antwort auf:
So stelle sich das mir jedenfalls im Augenblick dar, lieber R.A. Wobei ich mich in solchen Diskussionen immer etwas unwohl fühle. Im Grunde kann da nur mitreden, wer Ökonomie studiert hat.

Da kann ich Sie beruhigen, lieber Zettel. Mitreden kann jeder, der einen gesunden Menschenverstand hat. Der wohl größte Ertrag aus meinem VWL Studium ist das Selbstvertrauen bei ökonomischen Fragestellungen mitreden zu können. Die Gedankengänge an sich sind aber allesamt auch für Laien verständlich und schlüssig. Und für solche, die es gewohnt sind "formal" zu denken sogar trivial.

Ich weiß nicht, lieber Dirk.

Schauen Sie, das, was ich in diesem Thread über Randbedingungen, Instabilität usw. geschrieben habe - das ist so allgemein formuliert, wie ich es eigentlich überhaupt nicht mag. Nur kann ich es nicht konkreter formulieren, weil mir dazu die Kenntnisse fehlen.

Nachvollziehen kann ich das schon, was Sie und andere Kundige hier im Thread geschrieben haben, was ich anderswo lese, zB in dem hier schon mehrfach verlinkten Artikel der NYT. Aber urteilen kann ich nicht, erst recht keine eigenen Überlegungen beisteuern.

Deshalb habe ich mich ja auch bisher darum gedrückt, zu diesem Thema einen größeren Artikel in ZR zu schreiben.

Der jetzige ging ja auch nicht um Ökonomie, sondern um das Verhalten von Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Allerdings habe ich schon geahnt, daß das der Anstoß dazu sein würde, hier im Forum endlich dieses Thema Nr 1 zu diskutieren.

Herzlich, Zettel

MonuMental Offline



Beiträge: 34

30.09.2008 18:08
#25 RE: Finanzkrise und Populismus Antworten

Also, ich habe mir die fast 4-stündige Debatte im House gestern zum großen Teil angehört. Ich muss sagen, es war die temperamentvollste und energiegeladenste Debatte seit langem. Natürlich spielt Populismus eie große Rolle. Ein Abgeordneter hat das so beschrieben, dass sie jetzt alle Angst um ihre Jobs haben, aber er für das Paket stimmen wird, weil er seiner Familie in die Augen schauen möchte und das Gefühl haben möchte,das richtige, wenn auch unpopuläre getan zu haben. Aber das Interessante war gerade, dass beide Parteien gespalten waren. Mit allem, was da in letzter Zeit so schief gelaufen ist, beim Geld scheint der Spaß dann doch aufzuhören.
Die Entscheidung wurde von Anfang an reduziert auf: alles wird den Bach runtergehen, oder wir geben Henry Paulson 700 Milliarden, mit denen er hantieren kann, wie er es für richtig hält, belangt werden für sein Verhalten darf er auf keine Fall, und wahrscheinlich wird sich die Summe bis auf eine Billiarde oder mehr stiegern. Das fanden dann die Republikaner und die Demokraten nicht so toll. Die Republikaner gründeten eine eigene Arbeitsgruppe unter Anleitung von Herrn Boehner und versuchten, einen Alternativplan zu schaffen, was sie auch taten. Dem wird aber momentan nicht genug Bedeutung beigemessen, denn es muss ja alles sehr schnell gehen. Es ist schon interessant, wie plötzlich diese Kriese auf uns alle einbrach. Eine Woche bevor der Kongress in Urlaub geht, muss das schnell noch gehandhabt werden. Und jetzt sind viele überrascht, wenn bei so einer Summe Geld der Kongress sich doch mehr Zeit nimmt, und das nicht auf die schnelle durchhuschen will. Ich habe eher das Gefühl, dass da einige endlich aufgewacht sind.

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