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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 133 Antworten
und wurde 12.869 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.02.2010 09:41
#76 RE: Woher das große Interesse? Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel
Warum aber mußte sie - und da hat man eben diese Selbststilisierung, dieses Ich-bin-euer-Vorbild - öffentlich erklären, daß sie zur Fastenzeit nie Alkohol trinke?


Wenn ich mich recht entsinne, dann erklärte sie in einem Interview letztes Jahr, dass sie in der seinerzeit aktuellen Fastenzeit auf Alkohol verzichtete. Das heißt ja nicht, dass sie in der Fastenzeit nie Alkohol trinkt. Vielleicht fastet sie dieses Jahr auf andere Weise? (Wobei ich zugegebenermaßen keine Ahnung über protestantische Praktiken habe.)



Interview mit "Spiegel- Online"

Zitat von Spiegel-Online
Achim-Achilles.de: Frau Käßmann, viele Leser von Achim-Achilles.de mühen sich gerade durch die Fastenzeit. Machen Sie ihnen doch einmal Mut: Warum lohnt es sich durchzuhalten?
Käßmann: Fasten bringt eine Chance für einen neuen Blick auf das Leben und unsere Welt mit sich. Es geht um eine Konzentration auf das, was wirklich wichtig ist im Leben. Jesus selbst ging zum Fasten in die Wüste, um Klarheit über seinen Auftrag, sein Verhältnis zu Gott zu gewinnen. Meine Erfahrung ist, dass für uns auch heute Fasten dazu ein Weg sein kann.
Achim-Achilles.de: Was meinen Sie konkret?
Käßmann: Existentielle Fragen, die wir im Alltag oft verdrängen, können durch Fastenzeiten Raum erhalten. Wie will ich leben? Was macht Sinn? Was bedeutet Gott für mich? Nur Mut, versuchen Sie es! Die Erfahrung wird Sie bereichern.
Achim-Achilles.de: Worauf verzichten Sie gerade?
Käßmann: Ich verzichte auf Alkohol.
Achim-Achilles.de: Fällt Ihnen das schwer?
Käßmann: Ja, ich merke auf einmal, wie sehr ein Glas Wein am Abend zur Gewohnheit werden kann. Aber ich will das Fasten auch nicht zum Gesetz machen. Die alten Mönche hatten da wunderbare Ausnahmen, etwa den Sonntag und Zeiten "auf Reisen".


Herzlich, Zettel

Herr Offline




Beiträge: 406

25.02.2010 10:02
#77 RE: Woher das große Interesse? Antworten

Zitat von Zettel
Wenn so jemand schuldig wird, dann löst das, so scheint es mir, starke affektive Reaktionen aus, und zwar entgegengesetzte: Für die einen ist es nur eine weitere Prüfung, ein weiteres Stück auf dem Leidensweg. Für die anderen ist es so etwas wie eine Demaskierung.

Das ist es für mich.



Ich habe es ja in meiner ersten Reaktion in diesem Thread angedeutet, dass mir ein Gefühl der Häme auch nicht ganz fern war. Inzwischen bin ich ziemlich weit davon weg. Ich sperre mich gegen diese Zuordnungen. Für mich ist es weder Prüfung noch Demaskierung.

Hat Käßmann sich "zu einer Ikone stilisiert"? Sie hat sich bewusst in den Blickpunkt öffentlicher Wahrnehmung gerückt. Sie hat sich als moralische Instanz gegeben. Sie wollte authentisch sein und vorbildlich. Das alles sind Elemente pastoraler Profession. – Sie hat am Ende gezeigt, wie man Verantwortung übernimmt, wenn man an seinen eigenen Ansprüchen scheitert.

Ich kann mir vorstellen, dass das bei ihren Kritikern Unwillen auslöst, weil es ihr gelungen ist, auch aus ihrem Versagen noch moralisches Kapital zu schlagen. – Aber was hätte sie denn tun sollen?

In dem verlinkten Artikel klingt Kritik an der einsamen, autonomen Entscheidung zum Rücktritt an. Warum? Ich fand die Stellungnahme des Rates, die sie zum Verbleiben im Amt aufgefordert hatte für nicht hilfreich, und es war stark, dass sie sich davon nicht hat irritieren lassen.

Herzliche Grüße!
Herr

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

25.02.2010 10:05
#78 RE: Woher das große Interesse? Antworten

Zitat von Zettel
Interview mit "Spiegel- Online"


Danke schön, dann hatte ich ja recht mit meiner Erinnerung. Das Interview ist vom 20.03.2009, also letztes Jahr, und der Interviewer fragt, worauf sie "gerade" verzichtet - das kann also für 2009 relevant gewesen sein, oder ein allgemeiner Vorsatz für jede Fastenzeit (den sie dann wohl dieses Jahr nicht besonders gut durchgehalten hat), das geht aus dem Interview nicht hervor.

--
La sabiduría se reduce a no olvidar jamás, ni la nada que es el hombre, ni la belleza que nace a veces en sus manos. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

25.02.2010 10:13
#79 RE: Woher das große Interesse? Antworten

Zitat von Zettel
Aber mir scheint, daß das nicht die ganze Erklärung ist. Frau Käßmann hat - das klingt auch in dem Artikel von Reinhard Bingener an - versucht, sich zu einer Ikone zu stilisieren. Die in sich ruhende, die selbstbewußte Frau, die gegen eine Männerwelt aufsteht. Die Pazifistin, die den Krieg verdammt. Die Leidende, die durch ihr Leid nur gestärkt wird. Die Ehrliche. Die Unbeugsame. Diejenige, die uns allen vorlebt, wie wir eigentlich zu leben hätten.

Ganz genau! Es ist, heruntergebrochen auf den Kern der Sache, Betrug.

Zitat von Zettel
Das hat, so scheint es mir ein - man könnte fast sagen archetypisches - Schema aktiviert, in dem auch Frauen wie Evita Peron und Rosa Luxemburg ihren Platz haben: Jeanne d'Arc.

Ja, auch das sehe ich deutlich. Es handelt sich doch praktisch um den 'Missbrauch der "Waffen der Frau" zu politischen Zwecken'. Den Missbrauch der Beißhemmung, die sich bei (normalen) Männern in solchen Fällen reflexhaft aufbaut und die sie im Prinzip kaum ablegen können. Man kann aber nicht den moralischen Vorschlaghammer benutzen und gleichzeitig das Kindchenschema in Anspruch nehmen. Fast könnte man da auf die katholische Kirche neidisch werden (Ich sage es gleich, ich habe keine Zeit und nicht genügend konkrete Kenntnisse für ausführliche Diskussionen, ich rede einfach so..)

Zitat von Zettel
Wenn so jemand schuldig wird, dann löst das, so scheint es mir, starke affektive Reaktionen aus, und zwar entgegengesetzte: Für die einen ist es nur eine weitere Prüfung, ein weiteres Stück auf dem Leidensweg. Für die anderen ist es so etwas wie eine Demaskierung.

Ich bin kaum in der Lage zu erkennen, wie man es anders als eine Demaskierung empfinden kann. Wenn man von jemand bildlich gesprochen über Jahre hinweg in die "böse Ecke" gestellt wird, der auch noch sagt "schaut her, wie unfehlbar, schön, und mit mir im Reinen ich bin" - zu was sonst soll das den führen? Wenn man nicht gerade masochistisch veranlagt oder bereits abhängig ist?

Schönen Tag noch, Ungelt

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

25.02.2010 10:39
#80 RE: Woher das große Interesse? Antworten

Zitat von Herr
Ich habe es ja in meiner ersten Reaktion in diesem Thread angedeutet, dass mir ein Gefühl der Häme auch nicht ganz fern war. Inzwischen bin ich ziemlich weit davon weg.

Die Verspottung Käßmanns geschah durchaus zu recht und teilweise in sehr witziger Form. Heute hockt sie in den Trümmern ihrer gescheiterten Karriere und damit ist das Spötterfest nun ebenfalls zu Ende.

Zitat von Herr
Ich kann mir vorstellen, dass das bei ihren Kritikern Unwillen auslöst, weil es ihr gelungen ist, auch aus ihrem Versagen noch moralisches Kapital zu schlagen. – Aber was hätte sie denn tun sollen?

Zitat von Käßmann
Aber mir geht es neben dem Amt auch um Respekt und Achtung vor mir selbst und um meine Gradlinigkeit, die mir viel bedeutet.

Auf diese Selbstbeweihräucherung hätte sie verzichten können. Das Stichwort "Gradlinigkeit" hätte sie ihre Bewunderer schon selbst finden lassen sollen.

Zitat von Herr
In dem verlinkten Artikel klingt Kritik an der einsamen, autonomen Entscheidung zum Rücktritt an. Warum? Ich fand die Stellungnahme des Rates, die sie zum Verbleiben im Amt aufgefordert hatte für nicht hilfreich, und es war stark, dass sie sich davon nicht hat irritieren lassen.

Der Rat hat sich klug verhalten. Hätte sie sich nicht zurückgezogen, dann hätte sich der Rat mit ihr ohnehin solidarisieren müssen, und dann um so besser, je früher. Für den Fall des Rückzuges aber verschaffte ihr der Rat mit seiner Stellungnahme einen erstklassigen Abgang.

Herzliche Grüße,
Kallias

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

25.02.2010 10:46
#81 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Zitat von Gansguoter
Wenn ich es recht sehe, verliert bei Protestantens ein Bischof mit seinem Rücktritt nicht nur die Verwaltungs- und Leistungsfunktion in der jeweiligen Landeskirche, sondern auch seine geistlichen Funktionen, da es ja die entsprechende Weihe nicht gibt.


Meines Wissens hat ein protestantischer Bischof überhaupt keine geistliche Funktion über seinen normalen Priesterstatus hinaus.
D.h. mit dem Rücktritt verliert er die Leitungsfunktion wie sein katholischer Kollege, ansonsten aber nichts, da er weiteres auch nie bekommen hat.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

25.02.2010 10:50
#82 RE: Woher das große Interesse? Antworten

Zitat von Kallias
Der Rat hat sich klug verhalten.


Taktisch geschickt vielleicht - aber moralisch war es m. E. falsch.

Zitat
Hätte sie sich nicht zurückgezogen, dann hätte sich der Rat mit ihr ohnehin solidarisieren müssen ...


Das sehe ich eben nicht.
Sondern im Gegenteil ist es für mich klar, daß man ein solches Amt nach so einem Vorfall nicht mehr ausüben kann. Und das muß der Rat als Leitungsorgan der Kirche auch deutlich so sagen.

Das "wir respektieren ihre Entscheidung" heißt ja nichts anderes, daß für den Rat eine weitere Amtsführung völlig akzeptabel gewesen wäre.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

25.02.2010 11:12
#83 RE: Woher das große Interesse? Antworten

Zitat von Zettel
Warum aber mußte sie - und da hat man eben diese Selbststilisierung, dieses Ich-bin-euer-Vorbild - öffentlich erklären, daß sie zur Fastenzeit nie Alkohol trinke?


Richtig.
Erst der Kontrast zu ihren öffentlichen Moralpredigten macht den Vorgang so krass.

Dazu passen neben der Alkoholfahrt selber noch weitere Details, die öffentlich gar nicht thematisiert werden.

So hat sie ja der Polizei gegenüber erklärt, sie hätte nur ein Glas Wein getrunken - was nun offensichtlich gelogen war.

Ich finde es auch völlig unangemessen, Bescheidenheit und die Bewahrung der Schöpfung zu predigen - und dann einen Luxuswagen der Oberklasse mit hohem Spritverbrauch zu fahren.

Eine interessante Diskussion findet sich hier: http://www.evangelisch.de/themen/religio...ehlen-sehr13119
Den Eingangsbeitrag finde ich recht schlimm - aber schon der erste Kommentar korrigiert das sehr gut.


Aber jetzt wäre ja noch die Nachfolge zu klären, da hat ein Blogger einen schönen Vorschlag:
http://www.politplatschquatsch.com/2010/...uftrainers.html
Da ist leider viel Wahres dran, und das spricht nicht für einen guten Zustand der evangelischen Amtskirche.


Und wo Käßmann zu sehr in die Öffentlichkeit gegangen ist, so fehlt das vielleicht bei anderen.
Gestern abend haben in der Familie über den Fall gesprochen. Wir sind keine eifrigen Gemeindemitglieder, aber doch ab und zu präsent, lesen regelmäßig das Gemeindeblatt, die Tochter wurde letztes Jahr konfirmiert, der Sohn wird es demnächst.
Aber keiner von uns wußte, wer in unserer Landeskirche eigentlich derzeit Bischof ist. Nie gehört, nie gesehen - auch nicht die richtige Lösung.

Herr Offline




Beiträge: 406

25.02.2010 11:12
#84 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Zitat von R.A.
Meines Wissens hat ein protestantischer Bischof überhaupt keine geistliche Funktion über seinen normalen Priesterstatus hinaus.
D.h. mit dem Rücktritt verliert er die Leitungsfunktion wie sein katholischer Kollege, ansonsten aber nichts, da er weiteres auch nie bekommen hat.



Ein evangelischer Bischof ist Pfarrer/Pastor in einem kirchenleitenden Amt, das ihm übertragen wird.

Das Bischofsamt ist in den evangelischen Kirchen erst in den 20-er Jahren des 20. Jahrhunderts wieder eingeführt worden, was damals auch nicht unumstritten war. Das zeigt sich auch darin, dass der leitende Geistliche in manchen Landeskirchen nicht Bischof, sondern Präses (Rheinland) oder Kirchenpräsident (Anhalt, Hessen-Nassau) heißt.

califax Offline




Beiträge: 1.502

25.02.2010 12:33
#85 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Zitat von Calimero

Zitat von R.A.

Und natürlich ausgerechnet bei ihr mit den dicken Sprüchen zu fasten, Maßhalten, gegen die böse Gier ...
Links reden, rechts leben - die übliche Heuchelei.


Na immerhin leistet man sich bei der EKD anscheinend keinen Chauffeur. Is ja auch sowas wie Maßhalten.




Und wenn jetzt noch rauskäme, daß der komatös besoffen auf der Rückbank lag?
Das würde den Unterhaltungswert der Geschichte doch enorm steigern, oder?

--
Der Weg zur Hölle beginnt mit dem Monopol auf Moral.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

25.02.2010 14:14
#86 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Zitat
Meines Wissens hat ein protestantischer Bischof überhaupt keine geistliche Funktion über seinen normalen Priesterstatus hinaus.



Und nicht einmal einen "Priesterstatus" hat ein evangelischer Geistlicher, und er feiert auch kein Messopfer.

Herr Offline




Beiträge: 406

25.02.2010 15:00
#87 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Zitat von Gansguoter
Und nicht einmal einen "Priesterstatus" hat ein evangelischer Geistlicher, und er feiert auch kein Messopfer.


Doch doch, er hat den Priesterstatus, den alle Getauften haben
Wie sagt Luther so schön:

Zitat von Luther
Denn was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, daß es schon zum Priester, Bischof und Papst geweihet sei, obwohl es nicht einem jeglichen ziemt, solch Amt auszuüben. (An den christlichen Adel deutscher Nation ...)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

25.02.2010 15:41
#88 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Zitat von califax
Und wenn jetzt noch rauskäme, daß der komatös besoffen auf der Rückbank lag?


Nach EKD-Angaben hätte er einen freien Tag gehabt ...

Ansonsten sind manche Reaktionen schon absurd.
http://www.spiegel.de/panorama/gesellsch...,680230,00.html

Die Kritik an Käßmann ist also böser Sexismus.
Es erschreckt mich immer mehr, was in Norddeutschland an Kirchenvertretern möglich ist.


Entlarvend auch die Online-Umfrage bei SpOn:

Zitat
Margot Käßmann tritt von ihren Spitzenämtern zurück, weil sie ihre Autorität nach der Fahrt unter Alkoholeinfluss für beschädigt hält. Ein richtiger Schritt?

* Ja. Sie tut, was sie für richtig hält und bleibt dadurch authentisch.
* Nein. Diese Erfahrung von Fehlbarkeit lässt sie doch umso menschlicher erscheinen - gerade ein Grund, zu bleiben.
* Ich weiß es nicht.


Irgendeine Käßmann-kritische Meinung ist beim Spiegel nicht denkbar.

Kaa Offline




Beiträge: 658

25.02.2010 15:52
#89 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Ganz normale Leute eines evangelischen Kirchenchors haben auch gemeint, jeder kann mal einen Fehler machen. Wenn allerdings ihre führerscheinfähigen Kinder mit 1,irgendwas Promille Auto fahren würden, würde die Urteilsfähigkeit zum Glück noch funktionieren. Da wird dann klar, daß sowas mehr als ein Fehler ist. Althaus hat einen Fehler gemacht. Die Leute sehen scheints eher die Konsequenz als daß sie das zu Grunde liegende Verhalten beurteilen.


Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.02.2010 17:42
#90 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Zitat von Kaa
Da wird dann klar, daß sowas mehr als ein Fehler ist. Althaus hat einen Fehler gemacht. Die Leute sehen scheints eher die Konsequenz als daß sie das zu Grunde liegende Verhalten beurteilen.


Da weist du, glaube ich, auf einen wichtigen Punkt hin.

Die Entscheidung und das Verhalten von Käßmann hätten ebenso dazu führen können, daß sie einen Menschen tötet (das Risiko eines Verkehrsunfalls ist im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit ungefähr, wenn ich das richtig behalten habe, vierzigmal so hoch wie im nüchternen Zustand). Sie hat, das schrieb ich schon, schlicht Glück gehabt. Aber seltsamerweise wird in den meisten Kommentaren (die ich gelesen habe), das Thema "Schuld" so ausgeklammert, wie es auch für Käßmann selbst augenscheinlich kein Thema ist. Sie war ja nicht schuld am Tod oder der Verletzung eines Menschen; so scheint sie zu denken, so denken offenbar die meisten Kommentatoren.

Das Strafrecht begünstigt natürlich dieses Denken; und es geht ja vermutlich auch nicht anders. Ich habe bei den Debatten zu Käßmann öfter an den Lokführer gedacht, der ein Signal übersieht und dadurch einen Unfall verursacht. Er wird wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.

Herzlich, Zettel

Philipp Offline



Beiträge: 78

25.02.2010 20:11
#91 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Die Debatte rund um Käßmanns Alko-Fahrt hat mich an eine ähnliche Unverantwortlichkeit eines österreichischen Geistlichen erinnert: Dompfarrer Anton Faber hatte im Juni letzten Jahres in alkoholisiertem Zustand einen Autounfall verursacht; Verletzte gab es keine. Im Gegensatz zu Käßmann flüchtete sich Faber jedoch nicht in allzu weltliches Rechtfertigungsvokabular. Seine Worte waren: "Ich habe gesündigt."; es sei eine "Sünde der Maßlosigkeit" gewesen. Und welche moralischen Konsequenzen zieht Faber aus seinem sündenhaften Verhalten: Er wird als Testimonial für eine Kein-Alkohol-am-Steuer-Kampagne des österreichischen Infrastrukturministeriums auftreten. Quellen: http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/...ol-steuer.story ; http://www.oe24.at/oesterreich/chronik/w...uer-0585617.ece

Es geht also auch anders.

Palmström, etwas schon an Jahren,

wird an einer Straßenbeuge

und von einem Kraftfahrzeuge

überfahren.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

25.02.2010 22:20
#92 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Zitat von Zettel

Das Strafrecht begünstigt natürlich dieses Denken; und es geht ja vermutlich auch nicht anders. Ich habe bei den Debatten zu Käßmann öfter an den Lokführer gedacht, der ein Signal übersieht und dadurch einen Unfall verursacht. Er wird wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.
Herzlich, Zettel



Jein. Es ist in der Tat nichts passiert. Es ist im Falle Kaessmann ein opferloses Verbrechen. Gut, der Grat ist ggf. schmal aber es ist niemand zu schaden gekommen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

27.02.2010 10:00
#93 Kleiner Nachtrag zu dieser Diskussion Antworten

Es ehrt die Diskutanten dieses Threads, daß niemand - wenn ich nichts überlesen habe - auf den Gedanken gekommen ist, Frau Käßmann hätte zurücktreten müssen, weil sie eine Frau ist.

Das ist freilich außerhalb dieses Forums allen Ernstes behauptet worden; u.a. von Alice Schwarzer, deren Fähigkeit, alles in dieser Welt als Zeichen für die Benachteiligung von Frauen zu sehen, schon etwas Paranoides hat. ("Es ist nicht verwegen zu behaupten: Ein Mann in der Lage wäre nicht zurückgetreten! Man hätte die Geschichte vermutlich auch gar nicht als so skandalös empfunden").

Darauf nun hat, etwas verspätet, gestern Nachmittag Markus Becker geantwortet, ebenfalls in "Spiegel-Online". Er weist auf das hin, was außerhalb der Scheuklappen-Welt von Feministinnen auf der Hand liegt:

Zitat von Markus Becker
Bisher weitgehend unwidersprochen steht die Behauptung im Raum, eine derartige Trunkenheitsfahrt wäre einem Mann nachgesehen worden. Woher diese Meinung kommt, bleibt rätselhaft. Stellen wir uns vor, ein erzkonservativer Kirchenmann wäre betrunken über eine rote Ampel gefahren. Sagen wir, ein Bischof Walter Mixa wäre den Polizeibeamten aus dem Auto entgegengetorkelt. Man darf mit einiger Sicherheit annehmen, dass er öffentlich in der Luft zerfetzt worden wäre - unbesehen seines Geschlechts.


Man darf dieses kleine Gedankenexperiment ergänzen: Er wäre nicht nur als Mann öffentlich verurteilt worden, sondern auch als Konservativer und als Katholik.

Frau Käßmann hingegen ist in der öffentlichen Diskussion überwiegend nachgerade unglaublich nachsichtig behandelt worden. Daraus eine Benachteiligung zu machen, weil sie eine Frau ist - das ist ein beeindruckendes Beispiel für die seltsame, die eben schon ans Paranoide grenzende Weltsicht von Alice Schwarzer und ihren GefolgsleutInnen.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

27.02.2010 10:34
#94 RE: Kleiner Nachtrag zu dieser Diskussion Antworten

Zitat von Zettel
Es ehrt die Diskutanten dieses Threads, daß niemand - wenn ich nichts überlesen habe - auf den Gedanken gekommen ist, Frau Käßmann hätte zurücktreten müssen, weil sie eine Frau ist.



Im Gegenteil, mir kam es manchmal so vor, dass genau diese Tatsache sie fast gerettet hätte. Nicht wenige Kommentatoren befürchteten, es wäre ein Rückschritt für die Frauen in der Kirche, wenn sie weg ist. Daraus kann man auch interpretieren: Sie ist für den Fortschritt in der evangelischen Kirche - der vorrangig aus den Disziplinen Gender Mainstreaming (Bibel in gerechter Sprache), aber auch Linkspazifismus und Kapitalismuskritik - unersetzlich.

Gruß Petz

automat Offline



Beiträge: 158

27.02.2010 17:37
#95 RE: Kleiner Nachtrag zu dieser Diskussion Antworten

Zitat
„Ich kann gut verstehen, wenn Frau Käßmann erst einmal genug hat von der Öffentlichkeit, nach der medialen Schlammschlacht um ihre Person“, so die Grünen-Politikerin (Agnes Krumwiede, kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag). „Das kostet viel Energie, die für wichtigere Dinge eingesetzt werden könnte.“

Zum Beispiel für ein Engagement in der Politik. Wenn Ruhe eingekehrt sei, so Krumwiede weiter, könne sie sich die sympathische Bischöfin durchaus bei den Grünen vorstellen.

Damit steht Krumwiede nicht allein. Auch Günther Beckstein (66, CSU), Ex-Ministerpräsident von Bayern und Vizepräses der Synode der Evangelischen Kirche, sagte im Südwestfunk, er wünsche Käßmann eine zweite Chance und wieder „eine herausgehobene Position“.

Käßmann sei „eine herausragende Persönlichkeit, die irgendwo auch wieder besondere Verantwortung kriegt und verdient“. Wie viele andere Prominente betonte auch Beckstein, die Bischöfin hätte wegen ihres Fehlverhaltens seiner Ansicht nach nicht ihr Amt aufgeben müssen.




http://www.bild.de/BILD/politik/2010/02/...itik-holen.html




So, so, wenn eine allein die Tatsachen wiedergebende, sich vor jeglichen Forderungen und Implikationen drückende Berichterstattung einen der ihren trifft, ist es also eine "Schlammschlacht um ihre Person". Wenn die Thesen eines Westerwelle, über die man durchaus streiten kann, in praktisch keinem Artikel auch nur annähernd korrekt wiedergegeben und zu einem einzigen propagandistischen Dauerfeuer genutzt werden, dann ist das "kritische Berichterstattung".

Schlag nach bei Orwell.

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

27.02.2010 17:47
#96 RE: Kleiner Nachtrag zu dieser Diskussion Antworten

Zitat
Wenn die Thesen eines Westerwelle, über die man durchaus streiten kann, in praktisch keinem Artikel auch nur annähernd korrekt wiedergegeben und zu einem einzigen propagandistischen Dauerfeuer genutzt werden...



Ja, das ist eine wirkliche Schande, die ich nicht für möglich gehalten hätte! Man könnte meinen, daß das Textverständnis in den deutschen Redaktionen auf Null gesunken ist. Es ist nicht zu fassen!

Herzlich, Thomas

Herr Offline




Beiträge: 406

28.02.2010 17:10
#97 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Zitat
Margot Käßmann hat sich nach ihrem Rücktritt als Bischöfin erstmals an die Christen der hannoverschen Landeskirche gewandt und sich für deren Unterstützung bedankt.
In einem «Wort an die Gemeinden» der Kirchenleitung, das am Sonntag auf allen 1.500 Kanzeln verlesen wurde, schreibt sie: «Ich danke allen Menschen in den Gemeinden unserer Landeskirche, die mich so wunderbar getragen und gestützt und für mich gebetet haben.» Es tue ihr leid, dass sie mit ihrem Rücktritt viele enttäusche. (http://www.jesus.de/index.php?id=885&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=163607, vgl. Originaltext der Kanzelabkündigung: http://www.evlka.de/content.php?contentTypeID=4&id=12449)*



Inzwischen tun ihr nur noch die Folgen des Rücktritts leid. Was der Grund dafür war, darüber kein Wort mehr.

*Leider kann ich diesen Link, der eckige Klammern enthält nicht ordentlich einfügen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

28.02.2010 17:32
#98 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Zitat von Herr
Inzwischen tun ihr nur noch die Folgen des Rücktritts leid. Was der Grund dafür war, darüber kein Wort mehr.


Ich habe, lieber Herr, die Titelgeschichte des "Spiegel" gelesen, die morgen erscheint. Die Seligsprechung von Frau Käßmann ist, so scheint es mir danach, so gut wie sicher; die Heiligsprechung nur noch eine Frage der Zeit.

Ach so, sie ist evangelisch. Na und? Nobody is perfect.

Herzlich, Zettel

Herr Offline




Beiträge: 406

28.02.2010 18:17
#99 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Zitat von Zettel
Ach so, sie ist evangelisch. Na und? Nobody is perfect.
Herzlich, Zettel



Genau, nach der evangelischen Lehre wird ja der Sünder selig, nicht der Gerechte.
Wie schon Luther sagte: "Pecca fortiter!" (Immer wieder gern aus dem Zusammenhang gerissen).

Herzlichen Gruß!
Herr

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.255

28.02.2010 18:51
#100 RE: Zitat des Tages: Die Bischöfin erschrickt Antworten

Zitat von Herr
Genau, nach der evangelischen Lehre wird ja der Sünder selig, nicht der Gerechte.


Und da das Leben der Lutherischen keine Wohnung der Gerechtigkeit ist, warten sie auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, in die (hoffentlich) die Gerechtigkeit Einzug halten wird.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann warten sie noch heute.


Uwe Richard

--

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