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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 121 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3 | 4 | 5
Nonkonformist ( gelöscht )
Beiträge:

02.02.2011 08:15
#51 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Lieber Herr Zettel,
vielleicht meint Uwe Richard das hier:
"+++ EU-Politiker Schulz vermisst Freude über Entwicklung ++

[16.08 Uhr] Der SPD-Europapolitiker Martin Schulz vermisst positive Reaktionen auf die jüngsten Entwicklungen in Ägypten. "Ich wundere mich, dass die politische Klasse in Europa nicht in der Lage ist, sich über die Freiheitsbewegung einfach zu freuen", sagte der Fraktionschef der Sozialisten im Europaparlament der WAZ-Gruppe. "Überall hört man von großer Sorge, nirgendwo von großer Freude", fügte er hinzu."
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,...42809-5,00.html
Mit freundlichem Gruß!

C. Offline




Beiträge: 2.639

02.02.2011 09:53
#52 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Zitat von Nonkonformist
Lieber Herr Zettel,
vielleicht meint Uwe Richard das hier:
"+++ EU-Politiker Schulz vermisst Freude über Entwicklung ++



Herr Schulz kann sich an den freudestrahlenden Gesichter der Genossen von der NDP nicht sattsehen.

http://www.iceagenow.com/

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.254

02.02.2011 10:56
#53 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Uwe Richard

Zitat von meyer
Eine solche Demokratie setzt voraus, dass die Mehrheit der Menschen auch Demokraten sind. Das ist in Ägypten leider nicht der Fall, wie die Zahlen aus der PEW-Studie eindrucksvoll und deprimierend klar zeigen: http://pewglobal.org/2010/12/02/muslims-...-and-hezbollah/

Da sind zum Beispiel 82 % der Meinung, dass die angemessene Strafe für Ehebruch die Steinigung ist. 86 % befürworten die Todesstrafe für Apostasie. Mit solchen Geisteshaltungen lässt sich keine Demokratie aufbauen.


Was ist daran denn undemokratisch? Dass die Menschen nicht Ihrer Meinung sind?


Aus meiner Sicht, lieber Uwe Richard, lassen solche Zahlen darauf schließen, daß die Betreffenden die Scharia befürworten. Diese ist aber mit einem demokratischen Rechtsstaat nun einmal nicht zu vereinbaren.




Demokratie ist eine Herrschaftsform (Staatsform) mit einer Verfassung, die allgemeine persönliche und politische Rechte garantiert, mit fairen Wahlen und unabhängigen Gerichten, und hängt nicht von der Meinung der Mitglieder einer Gesellschaft über die Todesstrafe ab.

Waren die USA vor 1865 nicht demokratisch, weil es noch die Sklaverei gab? War die Schweiz, um ein aktuelleres Beispiel zu geben, vor 1971 nicht demokratisch, weil Frauen bis dahin vom allgemeinen Wahlrecht ausgeschlossen waren?
 
 

Mit freundlichem Gruß

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„Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.02.2011 11:07
#54 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Zitat von Uwe Richard

Zitat von Zettel

Zitat von Uwe Richard

Zitat von meyer
Da sind zum Beispiel 82 % der Meinung, dass die angemessene Strafe für Ehebruch die Steinigung ist. 86 % befürworten die Todesstrafe für Apostasie. Mit solchen Geisteshaltungen lässt sich keine Demokratie aufbauen.


Was ist daran denn undemokratisch? Dass die Menschen nicht Ihrer Meinung sind?


Aus meiner Sicht, lieber Uwe Richard, lassen solche Zahlen darauf schließen, daß die Betreffenden die Scharia befürworten. Diese ist aber mit einem demokratischen Rechtsstaat nun einmal nicht zu vereinbaren.



Demokratie ist eine Herrschaftsform (Staatsform) mit einer Verfassung, die allgemeine persönliche und politische Rechte garantiert, mit fairen Wahlen und unabhängigen Gerichten, und hängt nicht von der Meinung der Mitglieder einer Gesellschaft über die Todesstrafe ab.



Das stimmt. Aber es wurde ja nach der Todesstrafe für Ehebruch und für das Abfallen vom Islam gefragt. Also nach der Gültigkeit der Scharia in ihrer extremsten Anwendung. Wer diese bejaht, kann nicht zugleich Demokrat sein.

Herzlich, Zettel

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.254

02.02.2011 11:22
#55 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Uwe Richard
Demokratie ist eine Herrschaftsform (Staatsform) mit einer Verfassung, die allgemeine persönliche und politische Rechte garantiert, mit fairen Wahlen und unabhängigen Gerichten, und hängt nicht von der Meinung der Mitglieder einer Gesellschaft über die Todesstrafe ab.


Das stimmt. Aber es wurde ja nach der Todesstrafe für Ehebruch und für das Abfallen vom Islam gefragt. Also nach der Gültigkeit der Scharia in ihrer extremsten Anwendung. Wer diese bejaht, kann nicht zugleich Demokrat sein.


Wer dem ägyptischen Volk das Recht abspricht (»Die sind noch nicht reif und bedürfen deshalb einer Diktatur«), sich selbst politisch zu organisieren, was auch auf eine Demokratie, wenn auch nicht in unserem westlichen Sinne (fehlende Gewaltenteilung in der Bunten Republik, zum Beispiel), hinauslaufen kann, kann selbst nur ein lupenreiner Demokrat sein.

Wir wissen doch noch gar nicht, wie es es in Ägypten weitergeht; aber dass dort eine Art Faschismus von Nöten ist, weil die Bevölkerung unfähig ist, das wissen wir selbstverständlich schon. Am besten schicken wir die Bundeswehr hin, um denen mal zu zeigen, was eine wehrhafte Demokratie ist.
 
 

Mit freundlichem Gruß

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„Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann

Stefanie Offline



Beiträge: 606

02.02.2011 12:23
#56 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Lieber Zettel,

"Das stimmt. Aber es wurde ja nach der Todesstrafe für Ehebruch und für das Abfallen vom Islam gefragt. Also nach der Gültigkeit der Scharia in ihrer extremsten Anwendung. Wer diese bejaht, kann nicht zugleich Demokrat sein."

Diese Diskussionen habe ich schon an vielen Stellen mitgelesen und erstaunt davor gesessen, bis ich begriff , dass in Internetforen in Deutschland der Begriff Demokratie nicht so verwendet wird, wie er hier allgemein besetzt ist und verwendet wird, sondern es wurde die Begrifflichkeit von Regimen wie z.b. auch der DDR übernommen. Deshalb gewöhnte ich mir an, von rechtsstaatlicher Demokratie im westlichen Sinne zusprechen, zumindest von rechtsstaatlicher Demokratie. Denn es ist in er Tat von der Definition so, dass eine Demokratie dann zu bejahen ist, wenn die politisch Verantwortlichen in freien Wahlen in ihre Positionen gekommen sind - dass freie Wahlen dann eben häufig von den Regimen, die sich darauf berufen, doch demokratisch zu sein, nicht gewährleistet sind, steht wieder auf einem anderen Blatt. Es ist aber unerheblich bei der engen Definition von Demokratie - also nicht, wie der Begriff hier gemeinhin besetzt ist und verwendet wird - , ob die Gewähr von Menschenrechten wie sie im Westen anerkannt sind, vorhanden ist oder nicht. Es reicht das Wahlen stattfinden.

Das erstaunt sehr auf den ersten Blick, mir ging es nicht anders als Ihnen, dass ich nicht verstand, was soll hier ausgedrückt werde, und ich fragte mich, bevor ich diese Verwendung der Begrifflichkeit peilte, wie kann man z.B. sagen, im Iran - vor den letzten Wahlen - herrschen demokratische Verhältnisse und der Westen müsse das akzeptieren.

Was die Gedanken dahinter sind, dass es also Menschen gibt wie wir hier im Westen, die selbstverständlich unter Geltung der Menschenrechte in Demokratien leben dürfen und dass es andere Völker gibt, bei denen angenommen wird, die brauchen keine Menschenrechte wie Meinungsfreiheit, Handlungsfreiheit, Religionsfreiheit,um davon zu sprechen, diese leben in Demokratien, ist mir bis heute nicht begreiflich.

Inwieweit sich der Westen einsetzen soll, um auch die Geltung von Menschenrechten in anderen Ländern zu garantieren, ist selbstverständlich zu diskutieren. Mir fehlt aber das Verständnis dafür, dass es sozusagen zwei Klassen von Menschen gibt: wir hier, bei denen zur Demokratie nach dem Selbstverständnis die Gewähr von Menschenrechten gehört und eben andere, bei denen man hinnehmen soll, dass in deren Demokratien eben nicht die hier definierten Menschenrechte Gültigkeit haben.

Jetzt i.S. Ägypten ist mir sehr bewusst geworden, dass die Fraktion, die sagte, der Westen dürfen sich nicht anmaßen Menschenrechte überall durchzusetzen, da jeder ein anderes Verständnis davon habe - also wir hier, bei denen Meinungsfreiheit etc. zu den essentiellen Menschenrechten eines jeden gehört und die anderen, bei das eben nicht dazu gehören muss, die ohne das auskommen wollen - insbesondere von den USA absolut verlangen, dass der Westen dafür sorgen solle zumindest sehr unterstützen soll, dass Mubarak sein Amt verlässt. Eben diese Einmischung der so bezeichneten Neocons unter Bush, die scharf verurteilt wurde deshalb, wird aber nun hierbei verlangt. Es ist sogar aktuell so, dem Westen wird vorgeworfen, sich nicht hinreichend einzumischen, nicht hart genug einzuschreiten, nachdem vorher immer jede Einmischung unter Imperialismus verurteilt wurde.

Vielleicht bin ich einfach nur ein bißchen doof, aber die Logik erschließt sich mir schlichtweg nicht. Aber ich muss ja auch nicht alles verstehen.

Nonkonformist ( gelöscht )
Beiträge:

02.02.2011 12:39
#57 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Liebe Stefanie,
Zitat:
"Aber ich muss ja auch nicht alles verstehen."
Es genügt doch schon, wenn Sie die Wahlen 1933 und 1949 in Deutschland verstanden haben. Alles Weitere ergibt sich dann schon.
Mit bestem Gruß!

Stefanie Offline



Beiträge: 606

02.02.2011 12:39
#58 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Zitat von Popeye

Zitat
Binnen sechs Monaten solle sich konkret etwas bewegen.



Mit Verlaub, Frau Kanzlerin, wo waren diese starken Worte, als sich die Palästinenser während 10 Monate Siedlungsstopps nicht bewegten? Wo sind diese starken Worte, wenn die Fatah Terroristen feiert und in Kindersendungen gegen Juden hetzt? Wo sind diese starken Worte, wenn im Westjordanland israelische Waren vernichtet werden und der Verkauf von Land an Juden mit dem Tode bedroht wird?




Selbstverständlich ist es rein populistisch, den Siedlungsbau in der Vordergrund zu rücken. Ich gehe auch davon aus, hinter den Kulissen sah das anders aus, dass man Dinge vereinbarte und sich darauf einigte, dass Merkel noch mal pro Forma auf den Siedlungsbau drauf hauen darf/soll, um zum einen in Richtung Araber "Neutralität" signalisieren zu können und zum anderen hier daheim auch die Bedürfnisse bedient, denn sie sprach sehr explizit vom jüdischen Staat - kann nicht erinnern, dass sie das vorher macht und meine, sie sprach immer nur von Israel und nicht dem jüdischen Staat. Denn mit diesem betonten Bekenntnis stellt sich gegen all diejenigen, die sagen, ein jüdischer Staat sei per Definition rassistisch und daher abzulehnen. Ferner bezog sie damit auch klar eine Gegenposition gegen die, welche für die Ein-Staaten-Lösung plädieren - werden ja immer mehr - , sprich gegen die, welche Israel insgesamt ablehnen und sagen, es müsse einen Staat für alle geben, weil man sonst die Rechte der Palästinenser nicht hinreichend berücksichtige.

Ich kann mich hierbei aber auch irren, indem mir schlichtweg entgangen ist, dass Merker schon früher vom jüdischen Staat sprach und mir das hier jetzt nur so vorkam, als betone sie das sehr.

lukas Offline



Beiträge: 261

02.02.2011 13:20
#59 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Zitat von Zettel
Das stimmt. Aber es wurde ja nach der Todesstrafe für Ehebruch und für das Abfallen vom Islam gefragt. Also nach der Gültigkeit der Scharia in ihrer extremsten Anwendung. Wer diese bejaht, kann nicht zugleich Demokrat sein.

Herzlich, Zettel



Da ist es doch seltsam, dass in der selben Umfrage 70% der ägyptischen Moslems angeben, besorgt wegen des weltweiten islamischen Extremismus zu sein, und immerhin 61% besorgt über den islamischen Extremismus in Ägypten sind. 60% meinen, eine Demokratie sei unter allen Umständen jeder anderen Regierungsform vorzuziehen. Nur 31% sehen in Ägypten einen Konflikt zwischen Fundamentalisten und Modernisierern. Das passt für mich nicht zusammen.

Ich weiss ehrlich nicht, was man aus diesen Daten für Schlüsse ziehen kann, außer vielleicht, dass es schier unmöglich ist, in einem Land ohne Meinungsfreiheit die öffentliche Meinung durch persönliche Befragungen abzuschätzen.

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.254

02.02.2011 14:03
#60 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Liebe Stefanie,
ich beziehe mich auf Ihren Beitrag vom 2. Februar, 12:23

Eine Demokratie macht noch keinen Sommer, genau so wie ein Rechtsstaat noch keine Freiheit im Sinne der allgemeinen Menschenrechte bringt (Siehe Zettels Beitrag zum saudischen Rechtsstaat).

Momentan gehen in Ägypten auch tausende Mubarak-Anhänger auf die Straße, ohne dass es zu blutigen Zusammenstößen mit deren Gegnern gekommen wäre (ich hoffe, es bleibt so), was mir zeigt, dass die Menschen in Ägypten wohl nicht so totalitär denken, wie es oft dargestellt wird.
 
 

Mit freundlichem Gruß

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Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.254

02.02.2011 14:08
#61 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Zitat von lukas
Da ist es doch seltsam, dass in der selben Umfrage 70% der ägyptischen Moslems angeben, besorgt wegen des weltweiten islamischen Extremismus zu sein, und immerhin 61% besorgt über den islamischen Extremismus in Ägypten sind. 60% meinen, eine Demokratie sei unter allen Umständen jeder anderen Regierungsform vorzuziehen. Nur 31% sehen in Ägypten einen Konflikt zwischen Fundamentalisten und Modernisierern. Das passt für mich nicht zusammen.

Ich weiss ehrlich nicht, was man aus diesen Daten für Schlüsse ziehen kann, außer vielleicht, dass es schier unmöglich ist, in einem Land ohne Meinungsfreiheit die öffentliche Meinung durch persönliche Befragungen abzuschätzen.

Das sehe ich genau so. Die angesprochen 85% ohne-wenn-und-aber-Scharia-Anhänger (Wer wurde überhaupt nach welchen Kriterien befragt?) halte ich für ein Gerücht.
 
 

Mit freundlichem Gruß

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C. Offline




Beiträge: 2.639

02.02.2011 14:12
#62 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Zitat von Uwe Richard
Momentan gehen in Ägypten auch tausende Mubarak-Anhänger auf die Straße, ohne dass es zu blutigen Zusammenstößen mit deren Gegnern gekommen wäre (ich hoffe, es bleibt so), was mir zeigt, dass die Menschen in Ägypten wohl nicht so totalitär denken, wie es oft dargestellt wird.



So schnell kann es gehen.


http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,743133,00.html



+++ Verletzte werden aus der Menge getragen +++


[13.57] Immer mehr Menschen werden bei den Auseinandersetzungen verwundet: SPIEGEL-ONLINE-Reporter Matthias Gebauer berichtet von Dutzenden Verletzten auf dem Tahrir-Platz. Menschen mit Platzwunden am Kopf würden aus der Menge getragen.

+++ Heftige Auseinandersetzung am Tahrir-Platz +++

[13.55] Etwa hundert Mubarak-Anhänger versuchen, auf den Tahrir-Platz zu kommen. Die Regierungskritiker wehren sie ab, es gibt heftige Auseinandersetzungen, es fliegen Steine, berichtet SPIEGEL-ONLINE-Reporter Matthias Gebauer. Das Militär greift bislang nicht ein

http://www.iceagenow.com/

Stefanie Offline



Beiträge: 606

02.02.2011 15:11
#63 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

jetzt wird es heftig. Pro Mubarak Protesters haben nach AL E Panzer gekapert und geschossen. Hoffentlich gibt das kein Blutbad.

Wer sind diese Pro Mubarak Leute? Sind das Leute, die das Regime über den September hinaus wollen oder die Demonstranten, die auch forderten, Mubarak soll weg, aber sich damit zufrieden gaben, dass dieser erst im September abdankt, weil sie sagen, vor den Neuwahlen sollte eine stabile Verfassung her - zweifelhaft natürlich, ob es dann so geschehe. Ich höre gar nichts mehr von dieser Gruppe. Kann mir aber auch nicht vorstellen, dass die nun Waffen gegen ihre eigenen Mitdemonstranten richten und plötzlich Gewalt gegen die eigenen Leute anwenden. Das passt nicht. Jetzt ist nur noch die Rede von denen, die ihn sofort außer Amtes und Landes sehen möchten und diesen "Pro Mubarak" Leuten. Die Gruppe, die ihn weg haben will, aber mit der Ankündigung von gestern, dass im Sep.einverstanden waren, scheint nicht mehr zu existieren.

Wie sind diese Pro Mubarak Leute überhaupt mit Kamelen und Pferden in die Stadt gekommen. Da sind doch überall Straßensperren.

Nachtrag: es wird ganz übel. Die Leute kommen nicht mehr vom Platz. Die Eingänge sind versperrt. Auf AL E berichtete das eine Frau mit panischer Stimme, weil sie nicht rauskommt. Das ist jetzt richtig besorgniserregend. Hoffentlich passiert da nichts schlimmes.

Nachtrag: CNN dementiert das "gun- fire". Merkwürdig, denn die Dame war richtig aufgelöst und hatte - wenn es so war verständlicherweise - Panik in der Stimme. CNN spricht aktuell nur von Steinewerfern. Schlimm genug.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.02.2011 16:20
#64 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Zitat von lukas
Ich weiss ehrlich nicht, was man aus diesen Daten für Schlüsse ziehen kann, außer vielleicht, dass es schier unmöglich ist, in einem Land ohne Meinungsfreiheit die öffentliche Meinung durch persönliche Befragungen abzuschätzen.


Das ist auch meine Meinung, lieber Lukas. Ich habe mir diese Daten nicht angesehen. Mein kleiner Austausch mit Uwe Herzog kreiste ja nur um die Frage, warum man mit Leuten, die so antworten, keine Demokratie aufbauen kann.

Das kann man nicht, weil Leute, die so antworten, Anhänger der Scharia in ihrer extremsten Anwendung sind und somit nicht zugleich Demokraten sein können.

Das ist eine Frage des logischen Zusammenhangs. Ob die Zahlen, die genannt wurden, empirisch zuverlässig sind, ist eine ganz andere Frage.

(Beliebtes Beispiel aus der Logik zu dem Unterschied: Die Aussage "Ein Einhorn hat fünf Beine". Diese Aussage ist falsch, unabhängig davon, ob es überhaupt Einhörner gib).

Herzlich, Zettel

C. Offline




Beiträge: 2.639

02.02.2011 18:10
#65 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Warum muss Deutschland einen peinlichen Clown zum Außenminister haben?


Zitat
[16.55] Außenminister Guido Westerwelle hat mit dem ägyptischen Oppositionspolitiker Mohamed ElBaradei telefoniert, hat das Auswärtige Amt mitgeteilt. Westerwelle verurteile die zunehmende Gewalt in Ägypten. Nach dem Telefonat erklärte er: "Ich fordere die Sicherheitsbehörden in Ägypten auf, keine Gewalt gegen Demonstranten anzuwenden. Jede weitere Eskalation der Situation muss unbedingt vermieden, Schlägertrupps muss unverzüglich Einhalt geboten werden."



Warum hat Herr Westerwelle nicht den amtierenden Außenminister, den neuen Innenminister oder den amtierenden Verteidigungsminister angerufen, das wäre meines Erachtens erfolgreicher als mit einem angeblichen Oppositionspolitiker herumzutelefonieren. Aber Westerwelle handelt sowieso nur für die Galerie. Hoffentlich gibt es ein schönes Foto vom Telefonat.

Wenn Herr Westerwelle Wert darauf legt, dass Schlägertrupps unbedingt Einhalt zu gebieten sei, dann hätte er auch in Deutschland ein reiches Betätigungsfeld.

http://www.iceagenow.com/

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

02.02.2011 18:59
#66 RE: Haiti Antworten

@Geissler:


Zitat

Das wäre auch sachlich falsch. Die Sklaverei wurde nämlich vom bösen Westen abgeschafft. Die muslimische Welt ist gerade dabei, diese Niederlage zu überwinden und die alten, Allah-gewollten Zustände wiederherzustellen.



Gutmensch: "Aber der Westen hatte doch früher auch die Sklaverei. Der Westen sollte Reue zeigen, Buse tun und keine Selbstbeweiräucherung betreiben!"

Vernünftige Antwort: "Aber der Westen hat die Sklaverei von sich aus gegen innere Wiederstände abgeschafft, in der islamischen Welt musste sie vom Westen beendet werden und Selbstbeweihräucherung betreibt man in der arabischen Welt, wo man sich ungerechtfertigt aus religöser Eitelkeit heraus für etwas besseres als den dekadenten Westen hält, der seine Frauen in kurzen Kleidern auf die Straße lässt und der ständig Selbstkritik betreibt, dabei einen Wohlstand erschafft, den man sich in den meisten arabischen Ländern nicht selber schaffen, sondern nur durch Petrodollars kaufen kann."

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

03.02.2011 09:28
#67 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Ein ganz interessantes Interview mit einem Exiliraner - jetzt director of Iranian Studies at Stanford University - über die Parallelen zwischen Ägypten und dem Iran 1979:

Zitat von Abbas Milani
But most people had never read any of Khomeini’s writings because they were banned. The Shah, instead of making them mandatory reading, banned them. In the 1960s and 70s Khomeini had already talked about almost everything he did. Even in 1944 he talked about how evil democracy and modernity are, how evil the rule of law is. He talked about the establishment of Velayat-e faqih, the rule of Islamic jurists. These books could have been an absolutely clear indication of where his regime would go, but they were banned. Even those who were willing, like me, to actually read this stuff, we dismissed it because we were under the Age of Enlightenment illusion that religion is the opiate of the masses and that there is an inverse correlation between reason and science on the one hand and religion on the other. We believed that Iran was too advanced for these ideas.



Via: http://neoneocon.com/2011/02/02/lessons-for-egypt-from-iran/

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

Konsul Offline



Beiträge: 31

13.02.2011 21:05
#68 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Guten Abend, liebe Zettelianer,

mein Beitrag bezieht sich auf die Kamelreiter vom "Blutigen Mittwoch"; der dazugehörige Strang ist leider geschlossen: Aufruhr in Arabien (6): Das Geheimnis der Kamelreiter

Gibt es zu diesen Kamel- und Pferdereitern eigentlich handfeste Neuigkeiten bzgl. ihrer Motivation und ihrer Herkunft?

In der FAS wird heute nämlich in einem Artikel zur aktuellen Lage in Kairo en passant berichtet, dass diese Reiter ein Massaker angerichtet haben sollen:

"An einer Ampel hängen noch Satteltaschen und Steigbügel der Pferde, deren Reiter im Sold des Regimes am 'blutigen Mittwoch' mit Macheten und Pistolen auf dem Platz mit mutmaßlich zweihundert Toten ein Massaker angerichtet hatten."

http://www.faz.net/s/Rub87AD10DD0AE246EF...n~Scontent.html

Über ein Massaker mit 200 Toten wäre doch vorher schon ausführlich berichtet worden! Es kann ja durchaus sein, dass das Treiben dieser Reiter vor dem Tahrir-Platz nicht live von den Fernsehkameras festgehalten worden ist. Aber danach hätte es doch eine ausführliche Berichterstattung dazu gegeben!?

Darüber hinaus sind auch nicht alle Menschen, die in diesen Wochen in Ägypten umgekommen sind, Demonstranten gewesen: Elf Kopten ermordet (http://www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=2127) In so einem Chaos werden leider oftmals auch alte Rechnungen beglichen und die mangelnde Funktionsfähigkeit der Staatsorgane ausgenutzt.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.02.2011 22:16
#69 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Zitat von Konsul
mein Beitrag bezieht sich auf die Kamelreiter vom "Blutigen Mittwoch"; der dazugehörige Strang ist leider geschlossen: Aufruhr in Arabien (6): Das Geheimnis der Kamelreiter

Gibt es zu diesen Kamel- und Pferdereitern eigentlich handfeste Neuigkeiten bzgl. ihrer Motivation und ihrer Herkunft?

In der FAS wird heute nämlich in einem Artikel zur aktuellen Lage in Kairo en passant berichtet, dass diese Reiter ein Massaker angerichtet haben sollen:

"An einer Ampel hängen noch Satteltaschen und Steigbügel der Pferde, deren Reiter im Sold des Regimes am 'blutigen Mittwoch' mit Macheten und Pistolen auf dem Platz mit mutmaßlich zweihundert Toten ein Massaker angerichtet hatten."

http://www.faz.net/s/Rub87AD10DD0AE246EF...n~Scontent.html


Davon habe ich bisher nichts gelesen, lieber Konsul. Ich werde mal schauen, ob ich in der internationalen Presse etwas finde.

Was ich wiedergegeben hatte - daß es frustrierte Fremdenführer waren, die sich durch die Demonstrationen und den damit ausbleibenden Tourismus in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sahen - war das, was (wie geschrieben) ein Kairoer Gewährsmann Jim Clansy von CNN am Telefon sagte.

Kann natürlich sein, daß das nicht stimmte. Mir kam und kommt es plausibel vor, denn auf den Videos (jedenfalls denen, die ich bei Al Jazeera und CNN gesehen habe) versuchten die Reiter nicht, in die Menge hineinzureiten, sondern diese bildete eine Gasse, durch die diese Kavalkade hindurchritt.

Ich habe auch beim wiederholten Anschauen der Videos nicht gesehen, daß auf Demonstranten mit Peitschen und Stöcken eingeschlagen wurde, sondern die Reiter trieben damit (soweit ich es erkennen konnte) ihre Tiere an. Es wäre auch ein wenig ungewöhnlich, wenn Geheimpolizisten auf geschmückten Tieren ritten.

Aber das sind natürlich alles nur Plausibilitätsüberlegungen. Vielleicht finden ja auch andere in der internationalen Presse etwas. Ich werde mich jedenfalls umsehen.

Danke für den Hinweis. Und willkommen im kleinen Zimmer!

Herzlich, Zettel

PS: "Zettelianer"? Ich weiß nicht so recht. Hört sich irgendwie nach Freudianer an, oder noch schlimmer Hegelianer.

Mir gefällt "Zimmerleute"; auch weil darin mitschwingt, daß hier handwerklich-solide diskutiert wird.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.02.2011 03:59
#70 Lieber Marriex ... :) Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Konsul
"An einer Ampel hängen noch Satteltaschen und Steigbügel der Pferde, deren Reiter im Sold des Regimes am 'blutigen Mittwoch' mit Macheten und Pistolen auf dem Platz mit mutmaßlich zweihundert Toten ein Massaker angerichtet hatten."

http://www.faz.net/s/Rub87AD10DD0AE246EF...n~Scontent.html


Davon habe ich bisher nichts gelesen, lieber Konsul. Ich werde mal schauen, ob ich in der internationalen Presse etwas finde.



Hier ist zunächst einmal ein Video, das ziemlich deutlich das zeigt, was ich in dem Artikel beschrieben habe: Die Reiter schlagen nicht auf die Demonstranten ein, sondern sie fuchteln mit ihren Stöcken und schlagen auf die Tiere ein. Es gibt eine Szene, in der einer der Reiter vom Pferd gerissen wird, einer (derselbe?) wird verprügelt. Das Video ist übrigens von RT; das ist Russia Today. Gegen Ende ist ein Dromedar zu sehen, das geschmückt ist.
Hier ist ein möglicherweise aufschlußreichs Video, aber nur, wenn man Arabisch kann (lieber Marriex ... ). Es zeigt Männer, die diskutieren, und im Hintergrund Pferde; eines davon scheint geschmückt zu sein. Das könnten die Fremdenführer sein. Aber vielleicht zeigt die Szene auch etwas ganz anderes. Der Titel ist jedenfalls "One of the camel riders that was in Tahrir".

Und hier ist ein Video von dem britischen Nachrichtensender Sky News, in dem nicht etwa von attackierenden Kamelreitern die Rede ist, sondern: "Horse and camel riders were attacked and bloodied men carried away from Tahrir Square by their friends"; Hervorhebung von mir.

Das Video ist bei den Reiter-Szenen identisch mit dem von RT, aber der Kommentar ist interessant:

Zitat
Horses crashed to the ground ... riders kicked and beaten ... as the camel riders were treated, the crowd surged around ...


Kein Wort davon, daß die Reiter geprügelt, gar mit Pistolen geschossen oder Menschen absichtlich umgeritten hätten. Auch von "Macheten" ist weder etwas in einem der Videos zu sehen, noch kommen sie in dem Kommentar des Reporters von Sky News vor.

Seltsame Geheimpolizisten, die sich verprügeln lassen, aber selbst nicht prügeln.



Also, lieber Konsul: Bis auf Weiteres bleibe ich bei dem, was ich in dem Artikel geschrieben habe. Die Story von den prügelnden, mit Macheten hauenden und nun gar mit Pistolen auf Menschen schießenden Geheimpolizisten scheint mir frei erfunden zu sein.

(Daß mit Pistolen in die Luft geschossen wurde, will ich übrigens nicht ausschließen. Jeder Karl-May-Leser weiß, daß das zu einer arabischen Fantasia dazugehört, und genau so wirkte das Ganze auf mich).

Herzlich, Zettel

Konsul Offline



Beiträge: 31

15.02.2011 00:48
#71 Re: Lieber Marriex ... :) Antworten

Vielen Dank, Zettel. Ich bin hinsichtlich der Plausibilität ganz deiner Meinung.

Da ich dem Korrespondenten Rainer Hermann (http://www.faz.net/s/RubD87FF48828064DAA...n~Scontent.html) keine absichtliche Falschinformation unterstellen mag, hat dieser wohl seine Quellen nicht ausreichend verifiziert bzw. Informationen vertauscht oder falsch übersetzt.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

05.03.2011 23:05
#72 RE: Salon-Islamisten Antworten

@Stefanie:

Zitat


Danke für das Kompliment. Aber ich bin mir nicht sicher, ob der Begriff Salon-Islamist hier passt, denn die Salon-Kommunisten hatten/haben ihre Vorstellungen von der Umsetzung des Kommunismus, wollten/wollen also etwas, was sie unter Kommunismus subsumierten/en, zumindest nicht ausdrücklich ablehnten/en, während es sich hier doch mehrheitlich - die verkappten Islamisten gibt es natürlich auch - eher darum handelt, dass Islamismus an sich explizit abgelehnt wird und verkannt wird, wenn sich um diesen handelt und/oder wie auch hier aktuell Gefahr durch Islamisten - hier die MB - verkannt und dadurch relativiert bis negiert wird.



Sie beschreiben etwas anderes, nämlich die Strategie der "anti-imperialistischen" Linken und der ihnen nahestehenden, ich bezog mich aber auf etwas anderes, was der strategische anti-imperialistischen Linken allerdings wie schon damals der Salonkommunismus in die Hände gespielt hat.

Johanes Offline




Beiträge: 2.606

16.04.2016 15:09
#73 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Hallo,

ich nutze mal diese alten, aber noch offnen Thread um das Thema noch mal aufzugreifen.
Inzwischen sind 5 Jahre ins Land gegangen und die Bilanz der "Arabellion" sieht, soweit meine begrenzte Sicht und aus "westlicher Perspektive" bewertet, denkbar schlecht aus (1). In Ägypten ist es nicht zu einer säkularen, freiheitlichen Republik gekommen. Ein neues Parlament wurde nicht gewählt, vielmehr wollte Präsident Mursi sich große Machtbefugnisse sichern und am Ende der Entwicklung hat wieder das Militär die Macht in Ägypten übernommen.
In den übrigen Ländern des "arabischen Frühlings" sieht es nicht wesentlich besser aus. Entweder ist es zu einem Erstarken des Islamismus in einem seiner vielen Spielarten gekommen oder die Länder wurde destabilisert bis hin zu Bürgerkriegen. Die Muslimbrüder konnten ihren Einfluss zunächst in Ägypten, dann auch in der Türkei (2) stärken.

Im Jahre 2011 hatte ich, wie viele andere Autoren, noch die Hoffnung, dass die freiheitlichen Kräfte vielleicht dominieren würden. Durch das Internet wären sie besser organisiert, das Beispiel des Westens wäre zu verlockend, zudem die hohe Arbeitslosigkeit unter Akademikern in dieser Region. Allerdings hatte ich schon damals meine Sorgen über diese Entwicklungen.
Aus der Sicht des Jahres 2016 ist diese Hoffnung natürlich vergeblich gewesen, doch auch solche Aussagen wie die, die Moslim-Brüder seien eigentlich nur so etwas wie die CDU des islamischen Raumes, hört man heute nicht mehr.

Die Frage, die man sich nun wohl stellen sollte, lautet "Wieso hat es nicht geklappt?". Vielleicht war die Vorstellung, dass aus einem Aufruhr irgendwo in der Welt automatisch solche Zustände wie im Westen hervorgingen doch etwas naiv. Zumal Demonstranten sich zwar treffen, um gemeinsam gegen etwas zu sein, aber nur selten gemeinsame Ziele verfolgen, zudem, in diesem Thread (und vielen anderen) wurden schon einige Argumente genannt, dieses gemeinsame Ziel nicht zwangsläufig in einer freien Gesellschaft mit republikanischen Bürgerrechten bestehen müsste.
Die ehemaligen Neocons, die unter Bush noch der Meinung waren, man könnte die Demokratie in den Nahen Osten "exportieren" und die einigen (vor allen Dingen linken) Skeptikern wahlweise Rassismus oder Relativismus vorwarfen, haben meinem Eindruck nach tendenziell eher resigniert. Stattdessen hat sich unter den Linken zunächst Euphorie verbreitet, später ist das Thema einfach langweilig geworden.
Jenseits davon habe ich nur sehr wenige Analysen gesehen, die sich etwas intensiver mit den zurückliegenden Ereignissen auseinandersetzen.
Zumindest für Ägypten wurde einmal davon geschrieben, dass die Muslimbruderschaft der armen Bevölkerung in den ländlichen Regionen des Landes durch ihr Netzwerk hilft. Dabei kommen nicht unbedingt große Gelder zum Einsatz, die von irgendwoher kommen, sondern das Netzwerk der Bruderschafft hilft, die Hilfe zur Selbsthilfe zu organisieren. Wobei natürlich Gelder aus "externen" Quellen auch sehr nützlich sein werden. Leider weiß ich nicht mehr, wo ich das gelesen habe.
Die Lage ist dann wohl ähnlich wie in der Türkei, wo die ländlichen Gegenden eher offen für islamistische Bewegungen sind, während die Städter sich mehr dem westlichen Lebensstill nähern und den natürlich auch gern politisch abgesichert wissen wollen.

Darüber hinaus ist mir vor relativ kurzer Zeit die "Rentierstaatentheorie" begegnet. Demnach lassen sich zwei Typen von ökonomischen Systemen unterscheiden: Einmal Staaten, die ihre Einnahmen vor allen Dingen aus Steuern und sonstigen Abgaben beziehen. Diese sind natürlich auf Kooperation mit der eigenen Bevölkerung angewiesen und müssen die Rahmenbedingungen für Wohlstand schaffen. Daneben gibt es laut dieser Theorie noch die "Rentierstaaten". Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Einnahmen in erster Linie aus externen Quellen wie Tourismus, Zoll für internationalen Verkehr oder Export von Erdöl beziehen. Diese Staaten sind naturgemäß weniger auf die eigene Bevölkerung zur Machtsicherung angewiesen und die Politiker müssen auch nicht unbedingt in bessere Rahmenbedingungen investieren.
Dies führt dann zu Auswirkungen wie Klientalismus (Politiker versprechen ihren Bürgern konkrete Vorteile dafür, von ihnen unterstützt, beispielsweise gewählt zu werden), Unterdrückung von Opposition und letztendlich größere Abhängigkeit von diesen externen Renten.
Nun frage ich mich, ob man wirklich alle Staaten der "Arabellion" im Sinne dieser Theorie als "Rentierstaaten" einordnen kann.

Was denken die Zimmerleute heute darüber?

Herzlichst,

Johanes.



Da ja Links hauptsächlich als Quellenangaben verwendet werden sollen, werde ich sie entsprechend anbringen:
(1) http://blog.zeit.de/teilchen/2016/01/13/...fruhling-wurde/
(2) "Die Türkei wird von einem Anhänger der Muslimbruderschaft regiert, Präsident Erdoğan."
Aus einem Interview mit Israels Verteidigungsminister Mosche Jaalon, veröffentlicht am 9. Februar 2016 auf "Zeit Online"
http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-...komplettansicht

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

16.04.2016 17:37
#74 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Lieber Johannes,

ich denke eine Demokratisierung, in welchem Land auch immer, unabhängig von der Religion, kulturellen Aspekten und zivilisatorischem Fortschritt, kann nur gelingen, wenn eine Marktwirtschaft existiert die bei nicht allzu hohen Hürden den Zugang für jeden Bewohner ermöglicht. Eine Marktwirtschaft kann auch in einer Diktatur existieren, aber eine Demokratie kommt nicht ohne sie aus.
Und weil in Ägypten und anderen Ländern Nordafrikas vor, während und nach diesem "Frühling" dieser Zugang zu den Märkten nicht geschaffen wurde und auch nicht dafür gekämpft wurde, scheiterte der Versuch einer Demokratisierung.

Viele Grüße, Erling Plaethe

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

18.04.2016 15:42
#75 RE: Aufruhr in Arabien (4): Die aktuelle Lage in Ägypten Antworten

Zitat von Johanes im Beitrag #73
In den übrigen Ländern des "arabischen Frühlings" sieht es nicht wesentlich besser aus.

Ich weiß nicht, ob man so pauschalieren kann.
So weit ich das mitbekommen habe, hat sich in der Tat in den meisten Staaten, insbesondere in Ägypten, unterm Strich nicht viel geändert.
Negativ ist es in Syrien und Libyen gelaufen, weil da der "Frühling" in einen Bürgerkrieg umgekippt ist.
Leicht positiv würde ich Marokko und Jordanien einstufen, in Tunesien ist die Lage wohl deutlich besser als vor dem "Frühling". Auch wenn natürlich in jedem dieser Staaten noch genug Baustellen bleiben.

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