Zitat Thierse ist in der DDR sozialisiert worden. Was man der Kanzlerin zu Unrecht vorwirft, hat er durch sein Verhalten bewiesen: Er hat immer noch die Mentalität eines DDR-Bürgers.
Zitat von lois jane Nicht jedoch darüber, ob Verbrechen gerechtfertigt sind, weil es ja gegen Hitler geht. Es gibt nur ein Recht, eine Moral und eine Ethik für alle!
Zitat von ZettelIch kann das, liebe Lois Jane, und werde es tun, wenn ich etwas mehr Zeit habe als im Augenblick. Ob meine Meinung ihrer Vorstellung von Vernunft entspricht, ist natürlich eine andere Frage.
Zitat von LlarianWürde ein Kant sagen. Ist aber doch ein wenig inkompatibel mit der Realität, denn schon moralische Vorstellungen unterscheiden sich bereits oftmals grundlegend von einer zur anderen Strassenseite. Wenn es eine verbindliche Moral für alle gäbe, dann würden wir in der Realität kaum Kriege führen, keine Verbrechen beobachten und uns überhaupt sehr wenig streiten.
Und selbst wenn wir eine für alle gültige Ethik postulieren, dann ist schon die Definition dieser Ethik ausserordentlich schwierig, wenn die ethische Entscheidung nur zwischen verschiedenen Verbrechen die Wahl lässt. So ist das Töten einer Geisel mit Sicherheit ein Verbrechen gegen diese Geisel, dagegen aber die Geisel nicht zu töten und dafür den Tod von 100 anderen Unschuldigen zuzulassen ist genauso ein Verbrechen. Und darüber kann man nicht nur diskutieren, man muss es sogar, denn solche Situationen treten nun einmal auf.
Das kann ich nicht nachvollziehen. Warum sollte der Grundsatz, daß eine Ethik für alle, ohne Ansehen der Person, gelten soll, Kriege oder bloßen Streit verhindern?
Kriege sind eine Fortsetzung der politischen Auseinandersetzung über Interessen zwischen mehreren Staaten (oder innerstaatlichen Gruppen) mit militärischen Mitteln. (Der Beurteilung dieser Mittel enthalte ich mich hier.)
Aber unterschiedliche Interessen wird es immer geben, auch wenn alle Menschen eine gemeinsame Ethik teilen.
Aber noch nicht einmal das habe ich gesagt: selbst wenn es 6 Milliarden divergierende Ethiken gäbe (also für jeden eine), dann kann dennoch jeder einzelne seine Ethik für allgemeinverbindlich halten, sollte das sogar. Und ich bin sicher, die meisten tun das auch.
Meine Anforderung ging nicht dahin, daß alle die gleiche Ethik vertreten sollen, sondern daß jeder in seiner Ethik konsistent sein soll.
Sicher machen dann auch die meisten hier und da eine Ausnahme, aber eben logisch-vernünftig rechtfertigbar ist das nicht. Und das sie es tun, macht es nicht besser.
Es ist nicht besser zu sagen, bei Hitler gelten die sonst gültigen Kriegsverbrechen nicht mehr als zu sagen, die Steuergesetze gelten für alle aber nicht für mich.
(PS. Nicht nur ein Kant, sondern jeder Philosoph, der stringent denkt. Und da ist Kant ja einer der Zuspätgekommenen, der An-Grauem-Star-Leidende unter den Blinden.)
Zitat von ZettelDie Linksextremen außerhalb der Partei "Die Linke", lieber Stefanolix, waren in dem Artikel zu wenig berücksichtigt worden. Ich habe jetzt, also ich ohnehin "genehmigt" in "nicht verboten" ändern wollte (da hatte Lois Jane mich zu Recht kritisiert), eine Passage zu ihnen eingefügt.
Den Artikel in "Spiegel-Online" finde ich auch indiskutabel; die für diese Leute typische Mischung aus Information und Agitation.
Rudolf Augstein dreht sich wahrscheinlich im Grabe um … Im Eifer, die richtige Agitation abzuliefern, haben sie die Fakten nicht richtig geprüft und Wesentliches weggelassen. Arm dran ist derjenige, der sich auf SPON als Informationsmedium verlässt.
Womit sie sich als die getreuen Erben ihres Meisters erweisen. Der Spiegel ist nicht erst seit gestern ein Maschinerie für Verleumdung und Agitation. Augstein hat es vorgemacht.
Zitat von stefanolixIch will Wolfgang Thierse nicht pauschal verteidigen und ich will auch sein Verhalten bei der Blockade nicht aus der Ferne interpretieren. Aber es stimmt (historisch gesehen) nicht, dass Thierse in der DDR aus Kreisen kam, in denen man voraussetzte, dass der politische Feind ohne Rücksicht auf das Recht bekämpft werden muss. ...
Ich stimme Ihnen, Stefanolix, in diesem und den übrigen Postings zu Thierse zu.
Sein skandalöses Verhalten in diesem Punkt auf seine DDR-Sozialistion zu schieben (insbesondere wenn man gleiches für Frau Merkel natürlich ablehnt) ist weit zu kurz gegriffen.
Das sich hier zeigende "linksfaschistische" Denken ist doch kein Überbleibsel aus der DDR, sondern war schon vor 1989 im Westen auch gegeben. Aus der ehemaligen DDR erhält es natürlich Nahrung, wie so viele im Westen schon vorhandene problematische Haltungen.
Der Thierse, der 1989/90 auf der Bildfläche erschien, hätte solche Blockaden wohl nicht gemacht, aber er hat ja seit 1990 "dazugelernt" in Sachen politischer Kultur.
das greift zu kurz. Es sind sattsam bekannte alte Feindbilder und Stimmungen, die da nachhaltig wirken, insbesondere unter Stress gesetzt. Ähnlich diagnostizieren es die Medien im Fall der schwarzen Witwe, ob es Zettel passt oder nicht.
Zitat von danielphoffmanndas greift zu kurz. Es sind sattsam bekannte alte Feindbilder und Stimmungen, die da nachhaltig wirken, insbesondere unter Stress gesetzt. Ähnlich diagnostizieren es die Medien im Fall der schwarzen Witwe, ob es Zettel passt oder nicht.
Seit wann sind denn ausgerechnet die Medien zur Diagnose qualifiziert?
Ich finde den Umgang mit Frau Merkel schon etwas seltsam, auf der eine Seite die eiskalte schwarze Witwe, die alternativlos ihre Entscheidungen durchprügelt, auf der anderen Seite die entscheidungsschwache Zaudererin, die alles aussitzt. Die Wahrheit liegt wohl dazwischen und somit müssten wir eine Superkanzlerin haben, haben wir aber nicht.
Und ob das der Ostsozialisation geschuldet ist weiß ich nicht, glaube ich auch nicht. (Allerdings sollte es nachdenklich stimmen, dass es Oskar Lafontaine ist, der die treibende Kraft hinter der Betonung der FDJ-Vergangenheit von Angela Merkel ist.)
Bei Herrn Thierse glaube ich es auch nicht.
Es ist ihm eine Herzensangelegenheit "gegen Nazis" zu sein und er kann sich sicher sein, dass er diese Einstellung mit mindestens 98,5 % aller Deutschen teilt. Ich halte eine Schädigung durch das ihn umgebende linksgrüne Biotop Kreuzberg-Friedrichshain-Prenzlauer Berg-Pankow für wahrscheinlicher. Hinzu kommt, dass sich die obsessive Beschäftigung mit tatsächlichem und vermeintlichen Rechtsextremismus, ihn blind für andere totalitäre Ideologien macht und er sich die Thesenbildung zum "Extremismus der Mitte" zu eigen gemacht hat.
Zitat von stefanolixEtwas OT: Ich befasse mich momentan (allerdings wirklich nebenberuflich!) mit dem Begriff des Extremismus und mit den Einwänden linker Wissenschaftler gegen diesen Begriff. Es scheint mir da eine Art Zitierkartell zu geben und es werden zum Teil sehr leicht durchschaubare Argumente vorgebracht. Wenn sich andere Bewohner dieses Diskussionsforums schon mit diesem Thema befasst haben und eventuell Links oder Hintergrundinformationen zur Verfügung stehen, wäre ich für eine private Nachricht an stefanolix(at)gmx(dot)net dankbar. Mir geht es z.B. um die Rolle der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung befasst sich ja in regelmäßigen Abständen mit dem Rechtsextremismus und die Einleitungen dieser Studien werden von Ausgabe zu Ausgabe verworrener. Sie wollen den Begriff Rechtsextremismus zwar beibehalten, aber sie winden sich um den Begriff Extremismus herum. Sie zitieren aus linken Studien, die deutlich erkennen lassen, dass der Linksextremismus verschleiert werden soll. Solche linken Studien sind zum Beispiel bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung angesiedelt.
Auch wen an der Oberfläche gestritten wird, wächst die Volksfront getragen von ihren Stiftungen immer mehr zusammen. Der "Kampf gegen Rechts" ist ein Mittel zur Mobilisierung, Bündnisschaffung und Politisierung zu anderen Themen. Hier mehr Licht hineinzubringen ist eine ehrenwerte Aufgabe.
Zitat Es handelte sich um Kriegsverbrechen. Ob Kriegsverbrechen gerechtfertigt waren, um die Nazis niederzuringen; ob sie vor allem im Februar 1945 noch gerechtfertigt waren, als das Ende des "Dritten Reichs" schon absehbar war, kann man diskutieren. Aus meiner Sicht war jedenfalls die Bombardierung Dresdens zu diesem späten Zeitpunkt des Kriegs nicht ethisch zu rechtfertigen.
Nein, darüber kann man nicht diskutierenv ... zumindest nicht vernünftig!
Ich kann das, liebe Lois Jane, und werde es tun, wenn ich etwas mehr Zeit habe als im Augenblick. Ob meine Meinung ihrer Vorstellung von Vernunft entspricht, ist natürlich eine andere Frage.
Hier jetzt, liebe lois jane, meine Position:
Ich habe geschrieben "kann man diskutieren", weil ich zu dieser ethisch schwierigen Frage keine abgeschlossene Meinung habe. Es ist ein Beispiel für einen ethischen Konflikt, für den ich andere Beispiele schon diskutiert habe:
Man kann dasselbe am Beispiel der Flächenbombardements diskutieren, oder am Beispiel der Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima. In beiden Fällen wurde damit argumentiert, daß durch die Kriegsverbrechen (auch die Abwürfe der Atombomben waren das ohne Zweifel, denn sie zielten auf die Tötung von Zivilisten) der Krieg gewonnen werden konnte, jedenfalls verkürzt wurde; was wiederum Menschenleben gerettet hat.
Hätte Hitler den Krieg gewonnen, dann hätte er seine Absicht einer "Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa" wirklich vollständig in die Tat umgesetzt. Dann wären im Osten ganze Völker versklavt, wäre ganz Europa von den Nazis beherrscht worden. Man kann - siehe das Trolley-Problem - argumentieren, daß es Kriegsverbrechen ethisch rechtfertigte, dies zu verhindern. So, wie Schäuble 2006 argumentiert hat, daß es gerechtfertigt sein kann, Menschen zu töten, um andere Menschen zu retten.
Was die Flächenbombardements angeht, neige ich seit der Lektüre von "Brand" zu der Meinung, daß sie nicht nur Kriegsverbrechen waren, sondern auch ethisch nicht zu rechtfertigen. Jedenfalls stellt sich das im Rückblick so dar, denn eine kriegsentscheidende Wirkung hatten sie nicht. Die Deutschen wurden durch sie nicht demoralisiert.
Für die britische Militärführung (die für die Bombardements verantwortlich war; nicht Churchill, wie es die Anti-Churchill-Propaganda behauptet) mag sich das damals anders dargestellt haben. Man sieht daran, welche Probleme eine konsequentialistische Ethik mit sich bringt.
Zitat von ZettelHier jetzt, liebe lois jane, meine Position:
Ich habe geschrieben "kann man diskutieren", weil ich zu dieser ethisch schwierigen Frage keine abgeschlossene Meinung habe. Es ist ein Beispiel für einen ethischen Konflikt, für den ich andere Beispiele schon diskutiert habe:
Man kann dasselbe am Beispiel der Flächenbombardements diskutieren, oder am Beispiel der Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima. In beiden Fällen wurde damit argumentiert, daß durch die Kriegsverbrechen (auch die Abwürfe der Atombomben waren das ohne Zweifel, denn sie zielten auf die Tötung von Zivilisten) der Krieg gewonnen werden konnte, jedenfalls verkürzt wurde; was wiederum Menschenleben gerettet hat.
Hätte Hitler den Krieg gewonnen, dann hätte er seine Absicht einer "Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa" wirklich vollständig in die Tat umgesetzt. Dann wären im Osten ganze Völker versklavt, wäre ganz Europa von den Nazis beherrscht worden. Man kann - siehe das Trolley-Problem - argumentieren, daß es Kriegsverbrechen ethisch rechtfertigte, dies zu verhindern. So, wie Schäuble 2006 argumentiert hat, daß es gerechtfertigt sein kann, Menschen zu töten, um andere Menschen zu retten.
Was die Flächenbombardements angeht, neige ich seit der Lektüre von "Brand" zu der Meinung, daß sie nicht nur Kriegsverbrechen waren, sondern auch ethisch nicht zu rechtfertigen. Jedenfalls stellt sich das im Rückblick so dar, denn eine kriegsentscheidende Wirkung hatten sie nicht. Die Deutschen wurden durch sie nicht demoralisiert.
Für die britische Militärführung (die für die Bombardements verantwortlich war; nicht Churchill, wie es die Anti-Churchill-Propaganda behauptet) mag sich das damals anders dargestellt haben. Man sieht daran, welche Probleme eine konsequentialistische Ethik mit sich bringt.
Darüber, daß es erstrebenswert war (auch aus deutscher Sicht), das Nazireich niederzuwerfen, brauchen wir nicht diskutieren.
Das Problem ist nicht das Ziel, sondern die Mittel. Heiligt der Zweck die Mittel ist letztlich die Frage, die sich hier stellt.
Dieser Meinung kann man meinetwegen sein (wenn es auch letztlich amoralisch und unmenschlich ist), aber dann braucht man nicht mehr über Kriegsverbrechen sprechen. Dann geht es nur darum, ob eine kriegsführende Partei "die Guten" oder "die Bösen" sind (was dann aber auf den Friedenszustand beschränkt wäre, denn im Krieg wäre ja alles erlaubt) bzw. die "Weniger Schlechten" und die "Ganz Schlechten" oder einfach ganz amoralisch "die Unsrigen" oder die "die Eurigen".
Das Argument, durch Greueltaten (mit diesem Begriff hat man schon die amoralische Position verlassen) den Krieg zu gewinnen, kann ich nicht zustimmen, denn es ist eben nicht so, daß NUR SO ein Sieg möglich wäre. Und deshalb müssen wir auch nich das "Wenn Hitler gewonnen hätte" an die Wand malen! (Und der Zweck der Bombardierungen, die Demoralisierung, wurde ja auch in Deutschland in keinster Weise erreicht.) Außerdem kann man 1. vorher nie wissen, ob etwas entscheidend ist, weshalb es dann auch nicht rechtfertigend wirken kann, 2. ist es nur wieder die alte Unmenschenleier vom Zweck, der die Mittel heiligt.
Das Argument, daß so Menschenleben gerettet worden seien, ist zynisch, denn entweder werden hier Menschenleben je nach Seitenzugehörigkeit für unterschiedlich wertvoll gehalten (also de facto "lebensunswertes Leben" behauptet) oder es werden einfach Menschen utilitaristisch zu Nummern degradiert, die man gegeneinander aufrechnen kann - es wäre dann okay X Menschen zu ermorden, um X+1 Menschenleben zu retten.
(Der Flugzeugabschuß-Fall Schäubles - welch Zeiten, daß ich den hier verteidigen kann - gehört hier übrigens nicht hinein, denn dabei wäre es ja darum gegangen, daß Flugzeug zu stoppen und den Tod der Passagiere als Nebenfolge in Kauf zu nehmen. So wie es auch im Krieg "Kollateralschäden" geben kann - etwa wenn eine militärische Einrichtung bombardiert wird. Aber darüber reden wir nicht, sondern um die gezielte Bombardierung der Zivilbevölkerung zum Zweck ihrer Demoralisierung.)
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Kurz gefaßt nochmal: man muß die Rechtfertigung oder Nichtrechtfertigung so diskutieren, daß man von der Tatsache, daß der Gegner Hitler hieß, absieht.
PS. Die britische Taktik des demoralisierenden Flächenbombardements hat übrigens historisch auch nichts mit Hitler zu tun, sondern wurde von der britischen Luftwaffe schon in den 1920er Jahren für den Fall eines erneuten Kriegs ausgearbeitet. Hätte Stresemann 1928 Belgien angegriffen, hätte man es genauso getan.
Zitat von lois janeWarum sollte der Grundsatz, daß eine Ethik für alle, ohne Ansehen der Person, gelten soll, Kriege oder bloßen Streit verhindern?
Ich sprach bewusst von Moral. Weil jeder von uns, egal wer, eine Vorstellung davon hat, was richtig ist und was falsch. Selbst Charles Manson hat eine Vorstellung davon, nur ist diese kaum mit dem Rest der Menschheit kompatibel. Viele, wenn nicht die Mehrheit, unserer Konflikte entstammen unterschiedlichen Definitionen davon was richtig ist und was falsch, schon die Religionskonflikte sind ein typisches Beispiel dafür. Gäbe es eine alle verbindende Moral, so wäre ein deutliches Konfliktthema von uns genommen und in der Folge gäbe es erheblich weniger Verbrechen und Kriege. Natürlich werden Kriege AUCH (!) aus Interessen (wirtschaftliche beispielsweise) geführt, aber die kriegerische Auseinandersetzung ist in aller Regel nicht produktiv um das Ergebnis zu erreichen.
Zitat Meine Anforderung ging nicht dahin, daß alle die gleiche Ethik vertreten sollen, sondern daß jeder in seiner Ethik konsistent sein soll.
Wenn Sie es nochmal nachlesen, haben Sie postuliert, es gäbe nur eine Ethik für alle. Das geht damit nicht unter einen Hut.
Unabhängig davon war das nicht mein Punkt. Die Frage war ja, ob eine für alle verbindliche Ethik existieren kann, ohne das Verbrechen im Sinne genau dieser Ethik notwendig werden. Das Töten eines Einzelnen bleibt ein Verbrechen, egal ob dabei hundert Menschen gerettet werden. Das Opfern von hundert Menschen für jenen Einzelnen ist aber genauso ein Verbrechen. An genau solchen Beispielen haben sich ja nun schon Generationen von Philosophen die Zähne ausgebissen. Und Juristen noch viel mehr. Mit ziemlich traurigem Ergebnis. Ich glaube nicht, dass man solche Dilemmata universell beantworten kann, ich kann damit leben, dass es Kriegsverbrechen gibt, deren Unterlassung noch viel mehr Elend nach sich gezogen hätten. Was nichts daran ändert, dass es Verbrechen sind. Ich halte es einfach für vermessen zu sagen, es gäbe auf alles eine richtige Antwort.
Zitat von lois janeWarum sollte der Grundsatz, daß eine Ethik für alle, ohne Ansehen der Person, gelten soll, Kriege oder bloßen Streit verhindern?
Ich sprach bewusst von Moral. Weil jeder von uns, egal wer, eine Vorstellung davon hat, was richtig ist und was falsch. Selbst Charles Manson hat eine Vorstellung davon, nur ist diese kaum mit dem Rest der Menschheit kompatibel.
Die terminologische Unterscheidung von Ethik und Moral bleibt doch völlig folgenlos.
Ja, jeder hat eine Vorstellung über richtig und falsch. Die kann entweder konsistent für alle Lebenslagen und gegenüber allen gleichermaßen gelten (was ich anmahnte) oder nicht (womit sie in meinen Augen wertlos ist). Ich nehme erstmal an, daß auch Manson seine (perversen) ethischen Prinzipien auf alle gleichermaßen anwandte - das hat jenen Opfern, die er sich aussuchte, aber nicht geholfen. Aber meinen Sie, Manson hätte etwa Sharon Tate als Ausnahmefall genommen, bei der Mord erlaubt sei, im Gegensatz zum Normalfall, wo es verboten sei? Nein, er hat es sich prinzipiell bei allen erlaubt.
Und wie mit Sharon Tate so steht es auch mit Hitler und seinem Regime.
Zitat von LlarianViele, wenn nicht die Mehrheit, unserer Konflikte entstammen unterschiedlichen Definitionen davon was richtig ist und was falsch, schon die Religionskonflikte sind ein typisches Beispiel dafür.
Das halte ich nur halt für sachlich falsch. Die allermeisten Konflikte (privater, politischer und insbesondere militärischer Art) drehen sich um Interessen, nicht darum, was richtig oder falsch ist. Das gilt auch für Konflikte zwischen Religion - auch diese haben Interessen -, wobei es sich dabei ohnehin um ein aufgebauschtes Randphänomen handelt. (ASsman läßt hier zu sehr grüßen!)
Ob das kriegerische Mittel produktiv ist, spielt dabei übrigens keine Rolle, wenn man danach fragt, aus welchen Ursachen ein solcher entsteht. Bedenken Sie Eskalationsszenarien. Und Menschen tun ohnehin Dinge, die nicht produktiv sind.
Zitat Gäbe es eine alle verbindende Moral, so wäre ein deutliches Konfliktthema von uns genommen
Ja, aber es gäbe immer noch die weit überwiegende Zahl von Interessenskonflikten, die dann natürlich unter dem Dach dieser gemeinsamen Moral besser zu lösen wäre. Aber nur - und das ist das hüpfende Komma - wenn sich auch alle KONSISTENT daran halten. Was nützt beispielsweise die Allgemeinmoral - und das Verbot von Mord kommt des jawohl näher als sonst etwas (bisher zumindest, so einige Geister sägen ja vehement daran, dies umzukehren) - wenn sich jemand dann im konkreten Fall doch davon dispensiert.
Sie mögen einwenden, daß derjenige dann gar nicht richtig, ernsthaft diese Moral teilt. Nun, genau das ist mein Punkt! Entweder ganz oder gar nicht!
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Zitat von Llarian
Zitat von lois jane Meine Anforderung ging nicht dahin, daß alle die gleiche Ethik vertreten sollen, sondern daß jeder in seiner Ethik konsistent sein soll.
Wenn Sie es nochmal nachlesen, haben Sie postuliert, es gäbe nur eine Ethik für alle. Das geht damit nicht unter einen Hut.
Also noch mal ganz an den Anfang zurückgelesen, habe ich geschrieben:
"Nicht jedoch darüber, ob Verbrechen gerechtfertigt sind, weil es ja gegen Hitler geht. Es gibt nur ein Recht, eine Moral und eine Ethik für alle!"
Im Kontext erscheint auch das mir eindeutig: "gegen Hitler" steht hier parallel mit für alle, in diesem Fall also für alle Kriegsgegner.
Gut das mag man mißverstehen, aber im nächsten Posting habe ich präzisiert:
"Warum sollte der Grundsatz, daß eine Ethik für alle, ohne Ansehen der Person, gelten soll, Kriege oder bloßen Streit verhindern?"
Hier heißt es "daß eine Ethik für alle ... gelten soll" - es geht also nicht um jene, die eine ethische Vorstellung haben, sondern um jene, für die sie gilt, und zwar sowohl für die Subjekte (die Täter) wie die Objekte von Handlungen.
Z.B. Wenn ich eine ethische Maxime habe, dann bin ich erstens davon überzeugt, daß alle Menschen sie halten sollen, andererseits daß sie sie gegenüber allen Menschen halten sollen. Mein Nachbar mag andere ethische Maximen haben, die ich zu respektieren oder tolerieren habe, aber der Nachbar wird die gleichen Gedanken haben, daß alle Menschen seine ethische Maxime halten sollen, andererseits daß sie sie gegenüber allen Menschen halten sollen.
Vielleicht hat im letzten Posting der Einschub "ohne Ansehen der Person", der die Sache eigentlich noch klarer gemacht, Sie verleitet, den Ausdruck "eine Ethik für alle" isoliert zu nehmen. Aber weiter unten schreibe ich dann - was Sie ja auch teilweise zitieren:
"Aber unterschiedliche Interessen wird es immer geben, auch wenn alle Menschen eine gemeinsame Ethik teilen. "Aber noch nicht einmal das habe ich gesagt: selbst wenn es 6 Milliarden divergierende Ethiken gäbe (also für jeden eine), dann kann dennoch jeder einzelne seine Ethik für allgemeinverbindlich halten, sollte das sogar. Und ich bin sicher, die meisten tun das auch. "Meine Anforderung ging nicht dahin, daß alle die gleiche Ethik vertreten sollen, sondern daß jeder in seiner Ethik konsistent sein soll."
Ich bitte Sie dies nun zu akzeptieren, daß ich eben nicht von einer Ethik oder Moral weltweit gesprochen habe sondern davon, daß eine noch so individuelle Ethik oder Moral konsistent zu sein hat oder nicht das Papier wert ist, auf dem sie steht.
Die ist ein Forderung an die Vernunft des Menschen und kann deshalb - ich komme zu ihrem Ausgangspunkt zurück - nicht so abgebügelt werden:
Zitat Ist aber doch ein wenig inkompatibel mit der Realität, denn schon moralische Vorstellungen unterscheiden sich bereits oftmals grundlegend von einer zur anderen Strassenseite. Wenn es eine verbindliche Moral für alle gäbe, dann würden wir in der Realität kaum Kriege führen, keine Verbrechen beobachten und uns überhaupt sehr wenig streiten.
Einer ethischen oder logischen Forderung kann nicht vorwerfen, "inkompatibel mit der Realität" zu sein. Ethik und Moral sind immer in Konflikt mit der Realität, denn gäbe es etwa keinen Diebstahl auf der Welt, müßte sich niemand Gedanken darüber machen, ob Stehlen nun erlaubt sei.
Der Verweis auf die "Realität" ist nichts weiter als ein nicht sehr durchdachte Abschaffung aller Moral und Ethik. Und selbst dann stimmt meine Aussage, denn auch dies ist eine konsistente ethische Maxime: alles ist erlaubt! Dann ist es auch grundsätzlich im Krieg erlaubt, Zivilisten zwecks der Demoralisierung in Schutt und Asche zu bomben. (Nur halt nicht nur gegen Hitler!) Wieso auch nicht, ein Verbot widerspräche doch der "Realität".
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So nun kommen wir zu "Ihrem Punkt":
Zitat von LlarianUnabhängig davon war das nicht mein Punkt. Die Frage war ja, ob eine für alle verbindliche Ethik existieren kann, ohne das Verbrechen im Sinne genau dieser Ethik notwendig werden.
Natürlich kann sie das!
[quote="Llarian"]Das Töten eines Einzelnen bleibt ein Verbrechen, egal ob dabei hundert Menschen gerettet werden. Das Opfern von hundert Menschen für jenen Einzelnen ist aber genauso ein Verbrechen.
Dem stimme ich ja ausdrücklich zu. Nur wo bitte liegt das Problem?
Mord ist einen Menschen vorsätzlich zu töten obwohl kein Fall von Notwehr vorliegt (und zu solcher würde ich auch die beiden Ausnahmesituationen rechnen: 1. die Hinrichtung des Schuldigen innerhalb eines Gerichtsverfahren, 2. die Tötung des Feindes innerhalb der durch das Kriegsrecht begrenzten Kriegssituation.
Wie gesagt Notwehr: wenn der zu Tötende, die Bedrohung für zu Rettenden ist, dann ist das kein Mord! Kann der zu Tötende aber nichts für die Bedrohung (sondern es soll nur eines seiner Organe "geerntet" werden) dann gibt es keine ethische Rechtfertigung für die Tötung, ergo Mord!
Zitat von LlarianAn genau solchen Beispielen haben sich ja nun schon Generationen von Philosophen die Zähne ausgebissen. Und Juristen noch viel mehr. Mit ziemlich traurigem Ergebnis.
Das spricht eher für die Traurigkeit dieser "Philosophen" oder Juristen
Zitat von Llariandass es Kriegsverbrechen gibt, deren Unterlassung noch viel mehr Elend nach sich gezogen hätten.
Ja welche denn bitteschön? Kein Stück Elend ist durch die Bombardierung von Dresden verhindert worden. Wenn Sie damit leben können, dann haben sie schon Kriegsrecht und Moral zum Fenster herausgeworfen, damit aber auch ihrem "Elends"-Argument der Boden entzogen ist.
"Was nichts daran ändert, dass es Verbrechen sind" ist damit nur ein bedeutungsloses Lippenbekenntnis!
Und wieder ist es das NPD-Blog, das den Vogel abgeschossen hat. Nachdem nun schon in mehreren Artikeln für die Blockade von Nazidemonstrationen getrommelt wurde (mein Kommentar mit dem Tenor "Grundrechte sind für alle da", wurde nicht veröffentlicht), erschien jetzt ein Artikel Von Astrid Rothe-Beinlich, Vizepräsidentin im Landtag Thüringen und Mitglied im Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen und Sven-Christian Kindler, MdB Bündnis 90/Die Grünen, Haushaltsberichterstatter für das Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus, der das Rechtsverständnis der Blockierer entlarvend darstellt. http://npd-blog.info/2011/02/17/naziaufm...swo-blockieren/
Als gelungenes Beispiel wird Köln 2008 genannt:
Zitat Auch in Köln gelang es 2008 Dank einer engagierten Zivilgesellschaft und vielen AntifaschistInnen, den groß angekündigte „Anti-Islamisierungskongress“ der rechtsradikalen Gruppen „pro Köln“ und „pro NRW“ zu verhindern. Angefangen von Wirten, die die „Nazis imNadelstreifen“ nicht bedienen wollten, über TaxifahrerInnen und Busunternehmen, die sie nicht chauffierten bis zu Kündigung von unter falschen Angaben angemieteten Räumen. Zudem gab es eine riesen Gegendemonstration von mehr als Zehntausend GegendemonstrantInnen und eben auch: Friedliche Blockaden. Letztlich erreichten nur rund 50 Anhänger der „Pro-Bewegung“ den Platz. Die Blockade war fester Bestandteil der Aktionen gegen den „Anti-Islamierungskongress“ und erfolgreich.
Hier einige Beispiele für "friedlich":
Zitat Im Stadtzentrum jedenfalls sind sie nicht willkommen. Immer wieder ist zu sehen, wie Rechtsradikale vor den Blockaden kapitulieren und das Weite suchen, wenn ihnen Antifaschisten "Haut ab!" und "Nazis raus!" entgegenbrüllen. Wer dennoch versucht durchzukommen, muss mit handfestem Einsatz linksautonomer Protestierer rechnen. Die "Keine Gewalt"-Rufe der friedlichen Demonstranten verhallen mehrfach ungehört.
Als sich vor dem "Haus des Kölner Karneval" Anhänger der "Pro"-Bewegung blicken lassen, droht die Lage kurzzeitig zu eskalieren. Dutzende Polizisten müssen die Bedrohten schützen, die sich an die Schaufensterscheiben drücken. Flaschen und Fäuste fliegen, erst in mehreren Anläufen bahnen die Einsatzkräfte einen Weg durch die Menschen, Angreifer bekommen Reizgas und Schlagstöcke zu spüren.
Hundert Meter weiter an der Augustinerstraße setzen plötzlich zwei Kahlgeschorene zum Sprint durch die Blockierer an. Das aussichtlose Unterfangen endet nach wenigen Metern in einer wüsten Schlägerei mit Linksautonomen. Mit blutigen Augenbrauen ergreifen die Skinheads die Flucht.
Die Polizei berichtet am Mittag, linksradikale Demonstranten hätten versucht, Einsatzkräften die Pistolen zu entreißen. Die Beamten setzen sich mit Schlagstöcken zur Wehr. Immer wieder werfen zum Teil vermummte Protestierer Steine und Flaschen auf Polizisten. Am Morgen wird ein Polizist von einem Knallkörper am Kopf verletzt. Augenzeugen erzählen, Autonome hätten einen Mannschaftswagen angegriffen, nachdem sich Rechtsradikale in das Auto geflüchtet hätten. Am Nachmittag ist zu hören, dass Linksradikale in der Südstadt Mülltonnen anzünden.
In Köln wurden nicht nur Grundrechte mit Füßen getreten, sondern auch eine argumentative Auseinandersetzung mit den Positionen der Pro-Bewegungen verhindert, welche Meinungen werden nun die Bürger vertreten, die die Veranstaltungen besuchen wollten, um sich zu informieren, deren Ängste die Pro-Organisationen angesprochen haben, die sich Angriffen und Formulierungen von der Sorte "braune Soße, die in die Toilette gehört" eines Schramma ausgesetzt sahen? Desweiteren wurde teilweise das Gewaltmonopol des Staates unterlaufen und massiv Gewalt angewendet. Wie kann man das als positives Beispiel nennen?
Und auch bei diesem Artikel wird wieder die Extremismusdebatte bemüht, der angebliche "Extremismus der Mitte" immer wieder heraufbeschworen und tatsächlich solche Sätze formuliert:
Zitat Zudem ist die Gleichsetzungslogik von Rechts- und Linksextremismus inhaltlich nicht haltbar. Dass die Ablehnung von Menschenrechten und demokratischen Überzeugungen keine linken Grundideen sind...
Diesen Satz in einem Artikel zu lesen, der gerade dazu aufruft, Grundrechte zu verwehren, löst bei mir nur ungläubiges Kopfschütteln aus!
Es fühlt sich oft so an, als schlage man sich auf die Seite der Menschen, deren Gesinnung mir zuwider ist, wenn man für ihre Rechte argumentiert, aber wenn ich nicht will, das auch mir Grundrechte und Freiheiten verwehrt werden, muss ich mich auch diese Leute einsetzen. (Ich weiß, hört sich platt an, aber besser kann ich den Spagat nicht beschreiben)
Zitat von PopeyeUnd wieder ist es das NPD-Blog, das den Vogel abgeschossen hat. Nachdem nun schon in mehreren Artikeln für die Blockade von Nazidemonstrationen getrommelt wurde (mein Kommentar mit dem Tenor "Grundrechte sind für alle da", wurde nicht veröffentlicht), erschien jetzt ein Artikel Von Astrid Rothe-Beinlich, Vizepräsidentin im Landtag Thüringen und Mitglied im Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen und Sven-Christian Kindler, MdB Bündnis 90/Die Grünen, Haushaltsberichterstatter für das Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus, der das Rechtsverständnis der Blockierer entlarvend darstellt. http://npd-blog.info/2011/02/17/naziaufm...swo-blockieren/
Es fühlt sich oft so an, als schlage man sich auf die Seite der Menschen, deren Gesinnung mir zuwider ist, wenn man für ihre Rechte argumentiert, aber wenn ich nicht will, das auch mir Grundrechte und Freiheiten verwehrt werden, muss ich mich auch diese Leute einsetzen. (Ich weiß, hört sich platt an, aber besser kann ich den Spagat nicht beschreiben)
In diesem Artikel ist wieder so ein unsäglich dummes Argumentationsmuster enthalten: »die wissenschaftlich nicht haltbare und gefährliche „Extremismustheorie“«. Extremismus ist kein wissenschaftlich definierter Begriff und muss überhaupt nicht wissenschaftlich erklärt werden. Extremismus ist ursprünglich ein politisch-pragmatischer Begriff der Verfassungsschützer. Der Begriff kann natürlich wissenschaftlich untersucht, aber nicht aus der Welt geschafft werden …
Gleichzeitig verwenden die Autoren an mindestens zwei Stellen im Text den Begriff Rechtsextremismus. Ein Autor ist sogar Haushaltsberichterstatter für das Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus. Sollte er diesen Posten nicht sofort verlassen, wenn Extremismus seiner Meinung nach wissenschaftlich gar nicht erklärbar ist?
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PS: Und übrigens gibt es allenfalls eine Diskussion über den Begriff Extremismus, aber er ist deshalb nicht aus der Welt. Die Friedrich-Ebert-Stiftung verwendet den Begriff z.B. ganz selbstverständlich.
Zitat Gleichzeitig verwenden die Autoren an mindestens zwei Stellen im Text den Begriff Rechtsextremismus. Ein Autor ist sogar Haushaltsberichterstatter für das Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus. Sollte er diesen Posten nicht sofort verlassen, wenn Extremismus seiner Meinung nach wissenschaftlich gar nicht erklärbar ist?
Und kann mal jemand meinem Innenminister ein bisschen Nachhilfe in Sachen Grundrechte geben?
Zitat Sachsens-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD) unterstützt die Proteste gegen den Aufmarsch von Neonazis in Dresden. „Man darf nicht von anderen Zivilcourage verlangen, wenn man selbst nicht mit gutem Beispiel vorangeht”, sagte Hövelmann. Er nahm am Vormittag im Haus der Gewerkschaften an einer öffentlichen Vorstandssitzung teil. „Ich bin froh, dass es solche Initiativen gegen die Nazis gibt. Die Rechten erhalten durch die Gerichte viele Freiheiten, da gilt es, dagegenzuhalten."(Fettung von mir)
Zitat von Holger Hövelmann (SPD)Die Rechten erhalten durch die Gerichte viele Freiheiten, da gilt es, dagegenzuhalten.
Wenn er das tatsächlich so gesagt hat, ist er ein Verfassungsfeind im Ministeramt und der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, Herr Böhmer (CDU), muß ihn unverzüglich aus seinem Amt entlassen. Hm. Bei dem Gedanken muß ich jetzt ein wenig schmunzeln, so unvorstellbar ist es mittlerweile, daß solche Äußerungen Konsequenzen haben könnten.
Eine analoge Formulierung wie "Ausländer erhalten durch die Gerichte viele Freiheiten, da gilt es, dagegenzuhalten" aus dem Munde eines andersgefärbten Parteipolitikers erhielte zu Recht einen Ehrenplatz im Verfassungsschutzbericht.
Ach ja, Herrn Hövelmanns mehr als nur etwas seltsames Verständnis seines Amtseides ("Verfassung und Gesetz zu wahren") ist schon bei anderen Anlässen zutage getreten und ist gegenwärtig auch Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen. Vielleicht hat er bei der Eidesleistung aber auch nur an eine andere Verfassung gedacht?
____________________________________________________ "I want my republic back!"
Zitat von BildLage in Dresden eskaliert - Straßenschlachten bei Neonazi-Aufzug Polizei setzt Wasserwerfer ein +++ Rauchschwaden über der Stadt +++ Demonstranten durchbrechen Absperrungen
Danach folgt eine Fotografie, die fliehende Uniformierte zeigt. Darunter: NEONAZIS MARSCHIEREN IN DRESDEN Polizisten flüchten einem explodierenden Feuerwerkskörper
Dresden- Bei Europas größten Neonazi-Aufmarsch in Dresden ist es zu massiven Ausschreitungen gekommen. Inzwischen ist die Lage eskaliert. Linksgerichtete Demonstranten warfen Steine, Flachen und Feuerwerkskörper auf Beamte und errichteten brennende Straßenblockaden. Die Polizei ging mit Wasserwerfen, Schlagstöcken und Reizgas gegen die gewalttätigen Demonstranten vor. Mindestens ein Dutzend Autos wurde beschädigt, in einem Bürogebäude gingen Scheiben zu Bruch.
So sehr ich es begrüße, dass die Bild die Neonazis endlich als das ansieht, was sie sind: nationalistisch gesinnte Linksgerichtete, so sehr ist die Falschinformation, dass die Neonazis die Gewalt ausgeübt haben sollen, zu verurteilen.
Wenn man nämlich in anderen Blättern gegenliest, erfährt man, dass die Gewalt mitnichten von den Neonazis ausging, sonden von deren (v)erbitterten Feinden: Den gewalttätigen Antideutschen (Kommunisten) und anderen linksextremistischen Staatsfeinden, denen schon FJS bescheinigte, »in den Methoden ein Nazi« zu sein.
Was ist von solch einer „Lügerei“ zu halten?
Mit freundlichem Gruß
-- „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann
Der Satz "NEONAZIS MARSCHIEREN IN DRESDEN" stehen unter jedem Foto, daran würde ich keine Lügerei festmachen. Der Liveticker in der Bild dokumentiert übrigens, das die Gewalt zuerst von Linken ausging, allerdings kann ich mir den Eindruck nicht erwehren, das darin die Texte über rechte Gewalt einen anderen Ton haben als die über linke Gewalt.
Ach ja, ein Schmankerl habe ich noch gefunden:
Zitat Linke-Parteichef Klaus Ernst hat sich für ein grundsätzliches Verbot von Neonazi-Aufmärschen ausgesprochen. Es sei „ein unerträglicher Zustand, dass Rechtsstaatsfeinde den Rechtsstaat nutzen, um gegen Demokraten vorzugehen”, sagte Ernst.
Was hier in Dresden heute los ist, das will man eigentlich niemandem erzählen. Ich musste ja heute arbeiten und wollte auf dem Heimweg am Hauptbahnhof umsteigen. Ich habe wirklich die Arbeit der Polizei bewundert, die den Bahnhof verteidigt und wenigstens den Bahnverkehr aufrechterhält und die Gruppen voneinander fernhält. Man glaubt nicht, was sich die Polizisten anhören müssen (Gewalt habe ich persönlich am Bahnhof nicht beobachtet), aber einige hundert Meter weiter brannten Barrikaden und die Polizei hatte Wasserwerfer im Einsatz.
Wenn man da ein paar Minuten zum Warten gezwungen ist, den Leuten beider Lager in die Augen schaut und sich die Parolen anhört, zweifelt man kurzzeitig am Grundprinzip der Demokratie. Ein Mensch, eine Stimme — und die dürfen alle wählen? Das ist der beste Anschauungsunterricht dafür, dass man Extremismus auf beiden Seiten bekämpfen muss. Aber ich habe auch beobachtet, dass sich viele »Demonstranten« eher wie harte (sogenannte) Fußballfans verhalten haben, inklusive der rituellen Haßgesänge. Hätte man beiden Seiten Fan-Schals umgebunden, wäre kaum ein Unterschied erkennbar gewesen. Unreif und dumm …
Ich habe das Gebiet dann zu Fuß verlassen und mir einen ruhigen Weg gesucht. Ich bin dann erst man mehrere Kilometer allein durch fast menschenleere Straßen gelaufen, um wieder Luft und einen klaren Kopf zu bekommen. Das kann man alles gar nicht rational erklären. Die Leute könnten doch alle einen friedlichen Samstag verbringen, stattdessen fahren sie teilweise hunderte Kilometer, um sich gegenseitig Hassgesänge darzubringen (oder eben Barrikaden anzuzünden und die Polizei anzugreifen). Der Anteil an politischer Überzeugung bei den herumziehenden »Hooligans« schien mir eher gering, sie führten auch kaum politische Symbole mit. In die Nähe der wirklich gewaltsamen Auseinandersetzungen habe ich mich natürlich nicht begeben.
Es ist ja eh interessant: Neonazis demonstrieren nie. Die "marschieren auf". Diese Redewendung ist mittlerweile so fix wie z.B. der "lupenreine Hattrick".
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von RaysonEs ist ja eh interessant: Neonazis demonstrieren nie. Die "marschieren auf". Diese Redewendung ist mittlerweile so fix wie z.B. der "lupenreine Hattrick".
Allmählich kristallisiert sich heraus: Die Linksextremen haben heute so schlimm wie noch nie seit der Wiedervereinigung in Dresden gewütet. Aber auch die Rechtsextremen haben große Schäden angerichtet.
Das Wort »Aufmarschieren« kann man im heutigen Fall gelten lassen. Ich stand heute kurze Zeit im Hauptbahnhof zwischen beiden Lagern. Wenn hunderte Neonazis von einem Bahnsteig in die große Bahnhofshalle ziehen und dort ihre Hooligan-Sprüche brüllen, das hat schon etwas von einem Aufmarsch.
Zitat von RaysonEs ist ja eh interessant: Neonazis demonstrieren nie. Die "marschieren auf". Diese Redewendung ist mittlerweile so fix wie z.B. der "lupenreine Hattrick".
Du hast sicher Recht, solche Redewendungen setzen sich fest. Flaubert hat sie ja mal für sein zeitgenössisches Frankreich im Dictionnaire des idées reçues gesammelt.
Heute: Kinderarmut ist immer erschreckend, die soziale Kluft wachsend, Forscher haben immer etwas herausgefunden, Sportler fragt man immer "Wie fühlt man sich?" und "Woran lag's?" usw. Und die Verteidiger laufen im Strafraum herum wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen; war das der wortgewaltige Werner Hantzsch, der das mal erfunden hat?
Andererseits gibt es schon diese Aufmärsche. Ich habe vor Jahren einen miterlebt; da wurde im Gleischschritt marschiert. Das wurde dann später meines Wissens verboten; aber so etwas wie eine Phalanx habe ich auch kürzlich noch gesehen. Es ist jedenfalls etwas anderes als Demos, in denen die Leute (die friedlichen) einfach mitlatschen.
Bei diesen Nazi-Aufmärschen soll nicht nur demonstriert, sondern es soll Stärke gezeigt und auch Angst verbreitet werden. Auch da knüpft man an die Tradition der SA an.
Mag sein, daß das jetzt weniger so ist und vielleicht nie überall so war. Aber ich habe es gesehen, und es war schon sehr bedenklich.
Zitat So ist es, dear C. Ingo Schulze mag naiv sein. Daß Wolfgang Thierse, der immerhein einmal zweiter Mann in Staat gewesen ist, mit seinem rechtswidrigen Verhalten davonkam, ist skandalös.
Lieber Zettel, hier muss ich Sie korrigieren. Laut dem BVerfg-Urteil vom 10.01.1995 sind Sitzblockaden nicht per se ein Straftatsbestand und jemand, der sich hinsetzt und sich wegtragen läßt, erfüllt nicht den Tatbestand der Nötigung. http://www.123recht.net/article.asp?a=1643&ccheck=1html
Sieht man sich nun Thierses Verhalten genauer an, so stellt man fest, dass er sich zwar in den Weg gesetzt hat, das Verfahren wegen ihn jedoch wegen geringer Schuld eingestellt worden ist, da er und seine Mitstreiter nach gut fünfzehn Minuten freiwillig den Platz geräumt haben. http://www.tagesschau.de/inland/thierse122.html
Wenn ich das richtig interpretiere, dann ist das zwar nicht die feine englische Art, aber ob es rechtswidrig ist, das ist fraglich. Ich tippe mal, wir bewegen uns hier ungefähr auf dem Niveau einer Ordnungswidrigkeit, da er ja höchstens dem Platzverweis nicht nachgekommen ist.
Zitat von stefanolixInformationen aus den Online-Angeboten der seriösen Dresdner Zeitungen und dem Polizeibericht:
Ergänzend vielleicht mal die inoffizielle Sicht der Polizei bei copzone und eine kommentierte Videosammlung im Blaulicht-Blog.
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Zitat So ist es, dear C. Ingo Schulze mag naiv sein. Daß Wolfgang Thierse, der immerhein einmal zweiter Mann in Staat gewesen ist, mit seinem rechtswidrigen Verhalten davonkam, ist skandalös.
Lieber Zettel, hier muss ich Sie korrigieren. Laut dem BVerfg-Urteil vom 10.01.1995 sind Sitzblockaden nicht per se ein Straftatsbestand und jemand, der sich hinsetzt und sich wegtragen läßt, erfüllt nicht den Tatbestand der Nötigung. http://www.123recht.net/article.asp?a=1643&ccheck=1html
Sieht man sich nun Thierses Verhalten genauer an, so stellt man fest, dass er sich zwar in den Weg gesetzt hat, das Verfahren wegen ihn jedoch wegen geringer Schuld eingestellt worden ist, da er und seine Mitstreiter nach gut fünfzehn Minuten freiwillig den Platz geräumt haben. http://www.tagesschau.de/inland/thierse122.html
Wenn ich das richtig interpretiere, dann ist das zwar nicht die feine englische Art, aber ob es rechtswidrig ist, das ist fraglich. Ich tippe mal, wir bewegen uns hier ungefähr auf dem Niveau einer Ordnungswidrigkeit, da er ja höchstens dem Platzverweis nicht nachgekommen ist.
Lieber Hias, selbst Thierses Parteifreund, der Berliner Innensenator und Jurist Körting, hat Thierses Verhalten als eine rechtswidrige Handlung gewertet:
Wenn man durch Blockade das Demonstrationsrecht Anderer einzuschränken versucht, dann ist das strafbar. Ich habe das für den Artikel noch einmal recherchiert und dort verlinkt.
Hier die juristische Auskunft, die ich verlinkt habe:
Zitat In der Tat existiert ein Straftatbestand, der es verbietet, sog. nichtverbotene Versammlungen zu stören. Gem. § 21 VersammlG ist es u. a. untersagt, nichtverbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern bzw. u. a. ihre Durchführung zu vereiteln. Der vorgesehene Strafrahmen reicht hier bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Schließlich wäre auch noch je nach Konstellation und Ausführung grundsätzlich an eine strafbare Nötigung gem. § 240 StGB zu denken. Hier gilt der gleiche Strafrahmen wie bei § 21 VersammlG.
Des Weiteren handelt es sich sowohl bei § 21 VersammlG als auch bei § 240 StGB um sog. Offizialdelikte, die vom Amts wegen verfolgt werden, so dass ein Strafantrag nicht nötig wäre. Vielmehr sind die Strafverfolgungsbehörden bei Kenntnis zum Einschreiten nach dem sog. Legalitätsprinzip verpflichtet, § 152 StPO. Es würde daher bei entsprechender Kenntnisnahme zu einer Strafverfolgung durch die Ermittlungsbehörden kommen.
Das Urteil von 1995, das Sie zitieren, wird immer wieder zitiert, erlaubt aber nicht generell solche Blockaden. Ich habe das einmal recherchiert, habe aber die Details nicht mehr in Erinnerung und leider im Augenblick keine Zeit, es jetzt noch einmal zu recherchieren.
Es handelt sich, wenn ich es noch richtig weiß, um das sogenannte Mutlangen-Urteil, das sich auf diesen konkreten Fall einer Sitzblockade bezog, um US-Militärfahrzeuge zu behindern.
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