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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 111 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

23.05.2011 18:35
#26 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat
"Mord" ist eine Tötung aus niedrigen Beweggründen. So wenig wir über den Ablauf der Operation im Detail wissen, so viel können wir wohl doch sagen, dass die Einsatzkräfte nicht wussten, mit wie viel Gegenwehr sie rechnen mussten, möglicherweise deswegen härter zugeschlagen haben als unbedingt erforderlich; es wird wenigstens gesagt, es sei der Auftrag gewesen, Bin Laden ggf. auch lebend zu bringen. Welche Normen "vielfach" verletzt seien, verrät Ch. nicht. Weiterhin kann man Bin Laden durchaus als Kombattanten betrachten, was die Rechtsverletzung erst recht hinfällig macht.



"Aus niederen Beweggründen"? Sie meinen alles außer Notwehr? Es ist schwer bei dem Mischmasch aus Nationalem und Internationalem Recht mitzukommen. Tatsächlich verstößt es in jedem Fall gegen Internationales Recht mit einem Hubschrauber und bewaffneten Soldaten darin in ein fremdes Land zu fliegen und einen Staatsbürger eines anderen Landes umzubringen. Gleich übrigens, mit welchen Absichten man eigentlich gekommen ist.

Zitat
Ch. unterstellt hier in verleumderischer Absicht, die USA oder der Westen seien keine Gesellschaft, die auch nur einen "gewissen Respekt" gegenüber dem Gesetz habe. Weiterhin sollte klar sein, dass in einem "failed state" wie Pakistan es kaum möglich wäre, ein Auslieferungsgesuch an dieselben Behörden zu stellen, die mehr oder weniger offensichtlich den Terroristen gedeckt haben.



Er "unterstellt" es nicht. Er stellt fest, dass Gesellschaften mit diesem "Gewissen Respekt" bestimmt Dinge tun die die USA nicht getan haben. Wie das zu bewerten ist, dass erläutert er erst später. Ob Pakistan ein "failed State" ist, das ist übrigens eine interessante Frage die man übrigens mit "Nein" beantworten muss, wenn man daraus nicht eine Kategorie macht die nur hilfreich ist, wenn man aus politischen Gründen irgendwo Hubschrauber und Soldaten hinschicken will.

Zitat
Die vielfache Schuld von Bin Laden steht außer Frage, seine Verantwortung für 9/11 ebenso.



Ersteres Ja, letzteres stellt Chomsky in Frage weil die Beweise, die dazu vorgelegt werden sollten bis heute fehlen.

Zitat
Von dem wenn sonst, lieber Chomsky? Vom Mossad? Der CIA? Dem fliegenden Spaghettimonster?



Keine Ahnung. Nur weil Chomsky sagt er wisse nicht dass es Bin Ladin war bedeutet das nicht dass er weiß, wer es war.

Zitat
Und erst recht ein Zeugnis unerträglicher geistiger Verirrung und Verwirrung, ein Zeugnis des Verlusts jedweder Maßstabe ist die Behauptung, Bush stünde in irgendeiner Weise auf einer Stufe mit Göring und den anderen Haupttätern des Dritten Reiches, die für den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust und so weiter verantwortlich sind. Es ist schlicht unerträglicher Schwachsinn.



Man muss hier genauer lesen denn Chomsky bezieht sich auf das Faktum dass Bush einen Krieg begonnen hat. Das ist unstrittig.

vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

23.05.2011 18:37
#27 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat
Nein, wenn Ch. Bush mit führenden Politikern des Dritten Reiches gleichsetzt, geht die Logik gegen Null. Wenn Ch. den Inhalt von "Mord" nicht kennt, ebenfalls.



Der Inhalt von "Mord", den würde ich gerne kennen. Und zwar in einer interlational gängigen, weltweit geteilten Definition bitte. Tatsächlich ist "Mord" eine juristische Kategorie, die die meisten aus ihrem deutsch-juristischen Laienwissen runterbeten.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

23.05.2011 19:00
#28 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Meines Wissens unterscheiden Rechtsordnungen in der Regel zwischen einer Tötung aus Versehen o.ä. und einer ungesetzlichen Tötung aus böser Absicht.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

23.05.2011 19:05
#29 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat
Tatsächlich verstößt es in jedem Fall gegen Internationales Recht mit einem Hubschrauber und bewaffneten Soldaten darin in ein fremdes Land zu fliegen und einen Staatsbürger eines anderen Landes umzubringen.



SO einfach ist es wohl nicht, wenn Sie auch in Betracht ziehen, dass Bin Laden der Anführer der gegnerischen Kriegspartei war, dass Pakistan bzw. Organe des pakistanischen Staatsapparats diesem wissentlich und willentlich Unterschlupf gewährt haben oder aber dies nach Lage der Dinge anzunehmen war, und dass eine Festnahme auf dem internationalen Rechtsweg völlig ausgeschlossen war.

Das uncodifizierte internationale Recht hat leider für viele Fälle keine saubere Lösung.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.05.2011 19:13
#30 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat von Gansguoter
Was daran zweifelhaft sein soll, wenn Bin Laden selbst 2004 und 2006 die Urheberschaft für sich reklamiert und 2006 außerdem ein Video verbreiten lässt, das ihn zusammen mit Ramsi Binalshibb und zwei der Luftpiraten von 9/11 zeigt, erschließt sich mir nicht.

Dazu bringt Christopher Hitchens eine Liste von Belegen für die Täterschaft Bin Ladens, mit Links zu den entsprechenden Recherchen.

Hitchens fragt, ob Chomsky das alles nicht weiß. Vielleicht weiß er es ja. Aber es geht ihm um's Prinzip. Wer nicht rechtskräftig verurteilt ist, der ist unschuldig.

Jemand hat in diesem Thread schon darauf hingewiesen, daß Hitler nie rechtskräftig wegen des Holocaust verurteilt wurde.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.05.2011 19:21
#31 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat von vielleichteinlinker
Nö, auch Chomsky schreibt politisch, er vertritt Meinung und versucht sie unter so viele Leute wir möglich zu bringen und damit den Diskurs und die Herrschaft zu beeinflussen. Nur Chomsky nehmen Sie das so Übel dass Sie von "Stuß" reden, bei Friedman ist es "Analyse" und bei Krauthammer ... Sie ahnen es.

Ich sehe bei Chomsky eben das nicht - politische Analysen.

Eine politische Analyse untersucht die Machtverhältnisse, die Ziele und die Taktik der Agierenden; ihre Chancen, diese Ziele mit dieser Taktik durchzusetzen. Das finden Sie in jedem Artikel von Friedman und in den meisten von Krauthammer.

Was ich von Chomsky kenne (mag sein, daß ich zu wenig kenne), hat nicht diesen analytischen Charakter. Er will nicht analyieren, sondern moralisch verurteilen. Er fragt nicht nach politischen Kräften, deren Zielen und Chancen, sondern er beschreibt einen Kampf zwischen Gut und Böse; wobei das Böse durch den Kapitalismus, die GOP, Präsident Bush usw. repräsentiert wird.

Falls ich mich irre - könnten Sie vielleicht den einen oder anderen Text von Chomsky verlinken, der eine Analyse enthält und nicht eine Denunziation oder Anklage?

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.05.2011 19:47
#32 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Lieber 08005,

Zitat von 08005
Sie haben recht, über die zugrundeliegenden Einzelauffassungen kann man viel diskutieren. Aber warum ist die Meinungsäußerung Chomskys so verantwortungslos, so beispielhaft für das Versagen der Intellektuellen? Weil sein Ergebnis nicht das Ihre ist? Weil man doch nicht diskutieren kann, denn das (gegenteilige) Ergebnis ist so eindeutig?

Nein. Ich meine Verantwortungslosigkeit im Wortsinn: Es wird keinen Rücksicht auf den Gesichtspunkt der Verantwortung genommen.

Präsident Obama hat die Verantwortung unter anderem für die Sicherheit der USA. Es wäre verantwortungslos, wenn er diese aufs Spiel setzte, um Ai Weiwei zu befreien.

Präsident Bush hatte ebenso die Verantwortung für die Sicherheit der USA und für deren Interessen im Nahen Osten, als er sich für die Invasion des Irak entschied. Er hat diese Entscheidung verantwortlich unter Einbeziehung der relevanten Gesichtspunkte getroffen; dabei spielte entgegen aller Legendenbildung die Gefahr, daß Terroristen von Saddam mit Nuklearwaffen beliefert werden könnten, die zentrale Rolle.

Wenn Chomsky diese verantwortliche Entscheidung des Präsidenten eines demokratischen Rechtsstaats explizit mit den Verbrechen gleichsetzt, für die Kriegsverbrecher hingerichtet wurden, dann zeigt das Verantwortungslosigkeit. So kann nur jemand denken, der selbst keine Verantwortung trägt und der deshalb völlig blind ist dafür, daß es zwischen den beiden Fällen keine Gemeinsamkeit gibt.

Zitat von 08005
Aber - so kommt es mir vor - es geht Ihnen in Ihrem Beitrag ja darum, was man in der öffentlichen Diskussion sagen kann und was nicht.

Oh nein. Danke, daß Sie mir die Gelegenheit geben, das klarzustellen: Selbstverständlich "kann" man das in einer öffentlichen Diskussion sagen, was Hochhuth und Chomsky sagen. Dummnheit zu äußern ist ja nicht verboten; ich wäre der Letzte, der vorschreiben wollte, was wer öffentlich sagen darf.

Nur - wenn es dumm und verantwortungslos ist, dann sage ich das eben auch. Übrigens versuche ich mir den Aufschrei in der "linksliberalen" Öffentlichkeit vorzustellen, wenn ein prominenter Intellektueller Präsident Obama mit den in Nürnberg Gehängten gleichgesetzt hätte.

Zitat von 08005
Warum ist die Äußerung Chomskys - aus Ihrer Sicht - nicht lediglich falsch, sondern geradezu ein Aufreger?

Naja, weil es eine Meckerecke ist, die ich geschrieben habe. Ich weiß nicht, wie lange Sie ZR schon lesen - die Meckereckien sind die Abteilung Polemik. Anders als z.B, Broder schreibe ich nicht ständig polemisch; aber von Zeit zu Zeit tue ich es. Und dann steht darüber: "Zettels Meckerecke".

Zitat von 08005
Anders als Sie bin ich nicht der Meinung, daß Politik ausschließlich Macht und Interessenausgleich ist. Wenn Recht und Moral (ja, sogar die) nicht dazugehörten, wär's schad drum (hatten Sie nicht in der Affäre Guttenberg ähnliches vertreten?).

Was Guttenberg angeht: Nein. Das habe ich schon einmal in einer früheren Diskussion beantwortet: Es ging mir nicht um Moral, sondern a) um das Ansehen der Wissenschaft, das durch das vorbildliche Verhalten der Uni Bayreuth zum Glück schießlich doch nicht gelitten hat, und b) darum, daß ein Mann mit dem Charakter, den Guttenberg im Lauf der Affäre hat sichtbar werden lassen, in verantwortlicher Position (gar als Kanzler!) eine Gefahr für Deutschland wäre.

Was die allgemeine Frage von Moral und Politik angeht: Ich habe ja nicht geschrieben und glaube das auch nicht, daß Moral in der Politik gar keine Rolle spielen sollte.

Es ist in diesem Forum immer einmal wieder über Gesinnungs- und Verantwortungsethik diskutiert worden. Gesinnungsethiker sind in der Politik fehl am Platz; sie haben (nimmt man die religiös motivierten politischen Führer früherer Jahrhunderte hinzu) fast nur Schlimmes angerichtet. Aber am Ende seines Vortrags weist Max Weber darauf hin, daß auch derjenige, der aus Verwantwortungsethik handelt, letztlich auf die Frage der Gesinnung stößt.

Ich bin, lieber Numerierter, kein Machiavellist; so wenig, wie Max Weber es war. Zur Verantwortung gehört es, daß man sich klarmacht, wofür man eigentlich die Verantwortung trägt.

Ich habe das gelegentlich a bisserl aufzudröseln versucht. Wenn Sie im Forum nach dem Begriff "Verantwortungshorizont" suchen, sollten Sie dazu Näheres finden.

Herzlich, Zettel

vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

23.05.2011 21:33
#33 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat

SO einfach ist es wohl nicht, wenn Sie auch in Betracht ziehen, dass Bin Laden der Anführer der gegnerischen Kriegspartei war, dass Pakistan bzw. Organe des pakistanischen Staatsapparats diesem wissentlich und willentlich Unterschlupf gewährt haben oder aber dies nach Lage der Dinge anzunehmen war, und dass eine Festnahme auf dem internationalen Rechtsweg völlig ausgeschlossen war



Doch, so einfach ist es. Pakistan ist ein souveräner Staat und wurde und wird von den USA niemals als etwas anderes angesehen oder behandelt. Ausgenommen die bin Ladin-Sache. Damit ist es ein Rechtsbruch.

vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

23.05.2011 21:35
#34 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat
Eine politische Analyse untersucht die Machtverhältnisse, die Ziele und die Taktik der Agierenden



Eine politische Analyse kann so viel mehr und viel anderes. Etwa das, was Chomsky macht. Die Selbstdarstellung und Rechtfertigungsnarrative der Beteiligten zu untersuchen.

vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

23.05.2011 21:38
#35 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat
Wenn Chomsky diese verantwortliche Entscheidung des Präsidenten eines demokratischen Rechtsstaats explizit mit den Verbrechen gleichsetzt, für die Kriegsverbrecher hingerichtet wurden, dann zeigt das Verantwortungslosigkeit. So kann nur jemand denken, der selbst keine Verantwortung trägt und der deshalb völlig blind ist dafür, daß es zwischen den beiden Fällen keine Gemeinsamkeit gibt.



Sie sollten Chomsky genauer lesen. Er sagt nur, dass Bush sich der Verbrechens des Angriffskrieges schuldig gemacht hat. Ob das stimmt oder nicht, das ist eine kleinteilige Debatte die Juristen lange führen können.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.05.2011 21:49
#36 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat von vielleichteinlinker

Zitat

SO einfach ist es wohl nicht, wenn Sie auch in Betracht ziehen, dass Bin Laden der Anführer der gegnerischen Kriegspartei war, dass Pakistan bzw. Organe des pakistanischen Staatsapparats diesem wissentlich und willentlich Unterschlupf gewährt haben oder aber dies nach Lage der Dinge anzunehmen war, und dass eine Festnahme auf dem internationalen Rechtsweg völlig ausgeschlossen war



Doch, so einfach ist es. Pakistan ist ein souveräner Staat und wurde und wird von den USA niemals als etwas anderes angesehen oder behandelt. Ausgenommen die bin Ladin-Sache. Damit ist es ein Rechtsbruch.


Welche Gesetze wurden denn da gebrochen, lieber vielleichteinlinker? Wollen Sie sich die Mühe machen, das herauszufinden?

Ich vermute nein. Denn es interessiert doch kaum jemanden. Die Truppen der USA operieren seit Jahren in Pakistan, mit dem vollen Einverständnis der dortigen Regierung, mit deren Militär und Geheimdienst sie zusammenarbeiten. Wenn jetzt Pakistan in diesem Fall einen Gesetzesbruch sieht, dann soll es entsprechende diplomatische Demarchen unternehmen oder von mir aus nach den Tätern fahnden.

Das ist die Sache Pakistans, falls es denn einen Gesetzesbruch sieht. Aber was hat es uns zu interessieren? Es ist doch nachgerade absurd, daß unsere Medien dieser Frage einen solchen Raum eingeräumt haben, statt zu analysieren, welche Folgen diese Aktion politisch hat - für den Kampf gegen den Terror, für die Stabilität in der Region, für das pakistanisch-amerikanische Verhältnis, für die innenpolitische Lage in Pakistan, für die Wiederwahlchancen Obamas usw.

Das ist es ja exakt, was ich in dem Artikel kritisiere: Daß in unseren (weitgehend rotgrün dominierten) Medien nicht die politischen Fragen im Vordergrund stehen, sondern a) juristische (von denen die meisten Journalisten nicht mehr verstehen als Sie und ich) und b) moralische ("durfte man Osama töten?").

Das sind doch nicht die zentralen Fragen politischen Handelns!

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.05.2011 22:08
#37 Angriffskrieg Antworten

Zitat von vielleichteinlinker

Zitat
Wenn Chomsky diese verantwortliche Entscheidung des Präsidenten eines demokratischen Rechtsstaats explizit mit den Verbrechen gleichsetzt, für die Kriegsverbrecher hingerichtet wurden, dann zeigt das Verantwortungslosigkeit. So kann nur jemand denken, der selbst keine Verantwortung trägt und der deshalb völlig blind ist dafür, daß es zwischen den beiden Fällen keine Gemeinsamkeit gibt.



Sie sollten Chomsky genauer lesen. Er sagt nur, dass Bush sich der Verbrechens des Angriffskrieges schuldig gemacht hat. Ob das stimmt oder nicht, das ist eine kleinteilige Debatte die Juristen lange führen können.


Er stellt Bush explizt auf dieselbe Stufe wie Nazi-Kriegsverbrecher, die in Nürnberg gehängt wurden:

Zitat
We might ask ourselves how we would be reacting if Iraqi commandos landed at George W. Bush’s compound, assassinated him, and dumped his body in the Atlantic. Uncontroversially, his crimes vastly exceed bin Laden’s, and he is not a “suspect” but uncontroversially the “decider” who gave the orders to commit the “supreme international crime differing only from other war crimes in that it contains within itself the accumulated evil of the whole” (quoting the Nuremberg Tribunal) for which Nazi criminals were hanged: the hundreds of thousands of deaths, millions of refugees, destruction of much of the country, the bitter sectarian conflict that has now spread to the rest of the region.

There’s more to say about [Cuban airline bomber Orlando] Bosch, who just died peacefully in Florida, including reference to the “Bush doctrine” that societies that harbor terrorists are as guilty as the terrorists themselves and should be treated accordingly. No one seemed to notice that Bush was calling for invasion and destruction of the U.S. and murder of its criminal president.

Übrigens ist "Verbrechen des Angriffskriegs" eine Erfindung von Nürnberg; eine absurde. Nie in der menschlichen Geschichte ist ein Angriffskrieg als ein Verbrechen betrachtet worden; nie nach Nürnberg sind diejenigen, die Angriffskriege geführt haben, dafür vor Gericht gekommen (Beispiel: Nordkoreas Überfall auf Südkorea, Norvietnams Invasion Spdvietnams, der russische Überall auf Ungarn 1956, der gemeinsame Überfalls des Warschauer Pakts auf die CSSR 1968, die Angriffskriege arabischer Staaten gegen Israel).

Und aktuell wird ein Angriffskrieg der Nato gegen Libyen geführt, der längst über die Durchsetzung eines Flugverbots hinausgehen. Wo sind da diejenigen, die "Kriegsverbrecher!" rufen?

Es ist sehr einfach, lieber vielleichteinlinker: Es werden auch nach den Nürnberger Prozessen Kriege begonnen wie eh und je; inzwischen meist als asymmetrische Kriege. Die einzige Auswirkung von Nürnberg ist, daß diejenigen, die gegen einen Staat Propaganda machen wollen (meist die USA; aktuell seltsamerweise nicht Frankreich), mit dem Argument des "Angriffskriegs" operieren können.

Herzlich, Zettel

vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

23.05.2011 22:15
#38 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat
Das ist es ja exakt, was ich in dem Artikel kritisiere: Daß in unseren (weitgehend rotgrün dominierten) Medien nicht die politischen Fragen im Vordergrund stehen, sondern a) juristische (von denen die meisten Journalisten nicht mehr verstehen als Sie und ich) und b) moralische ("durfte man Osama töten?").



Ich mag Verschwörungstheorien nicht und zwar so sehr nicht, dass ich mit Leuten dort, wo sie welchen anhängen, ungern rede. Da mache ich auch für Sie keine Ausnahme.

Zitat

Ich vermute nein. Denn es interessiert doch kaum jemanden. Die Truppen der USA operieren seit Jahren in Pakistan, mit dem vollen Einveständnis der dortigen Regierung, mit deren Militär und Geheimdienst sie zusammenarbeiten. Wenn jetzt Pakistand in diesem Fall einen Gesetzesbruch sieht, dann soll es entsprechende diplotische Demarchen unternehmen oder von mir aus nach den Tätern fahnden.

Das ist die Sache Pakistans, falls es denn einen Gesetzesbruch sieht.



Wie gesagt, wenn Sie "Recht" nur dort sehen wo "Strafe" auf dem Fuß folgen kann dann ja, haben Sie das richtig erkannt.

Ansonsten. Auch die Frage nach der Rechtmäßigkeit ist eine politische, auch die nach der Moral ist eine. Natürlich. Das isr so banal dass es schwer fällt Ihnen das zu erklären. Natürlich bezieht der amerikanische Präsident seine Macht aus Legitimität und diese aus verschiedenen Quellen. Eine davon ist "Moral" eine andere "Recht". Es erschreckt mich, wie wenig Demokratieverständnis in Ihrem Argument ist. Politik ist schlicht die Ausübung von Macht. Wettbewerb um Macht, Legitimation von Macht - all das sind die Kerne der Demokratie und Sie ignorieren das.

Vielleicht wird es Ihnen klar wenn Sie sich vor Augen führen, was Sie selbst sagen. Wie oft betonen Sie dass Bush etwa ein "demokratisch gewählter Präsident ist", dass es ein Unterschied ist ob ein "westlicher Rechtsstaat" oder irgendeine Bananenrepublik etwas tun? Der Unterschied, den Sie immer wieder ansprechen ist der der Legitimation politischer Entscheidungen. Und die bezieht ein Bush oder eine Merkel nicht aus dem Erfolg ihrer Machtpolitik.

vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

23.05.2011 22:33
#39 RE: Angriffskrieg Antworten

Zitat
Nie in der menschlichen Geschichte ist ein Angriffskrieg als ein Verbrechen betrachtet worden



Huch. So sicher? Ich wäre es nicht.

Zitat
Er stellt Bush explizt auf dieselbe Stufe wie Nazi-Kriegsverbrecher, die in Nürnberg gehängt wurden:



Das ist etwas anderes als

Zitat
den Verbrechen gleichsetzt, für die Kriegsverbrecher hingerichtet wurden

.

Was er tut: Er stellt fest, dass Bush ein Verbrechen begangen hat für dass einige der Verurteilten der Nürnberger Prozesse hingerichtet wurden.

Malte ( gelöscht )
Beiträge:

23.05.2011 23:38
#40 RE: Zettels Meckerecke: Hochhuth, Chomsky, Politik Antworten

Zitat von Zettel
Was ich von Chomsky kenne (mag sein, daß ich zu wenig kenne), hat nicht diesen analytischen Charakter. Er will nicht analysieren, sondern moralisch verurteilen. Er fragt nicht nach politischen Kräften, deren Zielen und Chancen, sondern er beschreibt einen Kampf zwischen Gut und Böse; wobei das Böse durch den Kapitalismus, die GOP, Präsident Bush usw. repräsentiert wird.

Durch wen/was wird das Gute repräsentiert? Osama bin Laden? Genitalverstümmelung? Ehrenmord?
Hat Chomsky, dieser allwissende brillante Denker, sich je dazu geäußert?

Zitat von Zettel
In dem Artikel geht es ja um Intellektuelle; um solche wie Hochhuth und Chomsky. Wenn jemand, der die Politik so sieht wie sie - als einen Kampf des Guten gegen das Böse - politische Macht gewinnt, dann wird es brandgefährlich.

Kampf des Guten gegen das Böse?
Nostalgie. Das war doch die gute alte Zeit, als die Linken sich noch Mühe gegeben haben eine Frontlinie zu imaginieren, an der das Gute und Böse klar zu trennen war. Die Klischees hatten zwar nur wenig Bezug zur Realität, aber es gab wenigstens welche. Da gab es den ausgezehrten Malocher und das feiste fette Kapitalistenschwein, die in Ketten gelegten Negersklaven und den weissistoid arrogantistischen Kolonialoffizier. Das war schön, das war was fürs Gemüt.
Geschichte.
Die bekannten Unternehmer hat jeder vor seinem geistigen Auge. Die sind körperlich ganz gut proportioniert; einige sportlich aktiv. Fett sind die Titulararmen.
Wer wäre heute als Ekel zu karikieren? Wer das Gute, das Böse?
Selbst die neokommunistische ZEIT (leider den Link nicht bei der Hand) hat neulich zugegeben, dass die afrikanischen Schwarzen sich sofort selbst in Ketten legen würden, kämen sie damit nur irgendwie ins Land der rassistiod negrophoben Sklavenhalter.
Wer ist gut? Wer ist böse?

Broder macht sich ganz gern mal lustig über das Wüten der Antifa ohne Fa. Ähnlich scheint mir die Konstellation bei Chomsky und Genossen. Die führen Klassenkämpfe ohne Klassen. Das Böse (Bush, Israel, bla bla) kennen die ganz genau. Das analysieren sie brillant und prangern schonungslos an.
Aber was ist das Gute?
Auf diese Frage hatten die Linken früher wenige Antworten, heute gar keine mehr. So lustlos wie die ihre Stanzen („egalitäre Gesellschaft“, „soziale Gerechtigkeit“) vortragen ist klar, dass die das selbst nicht glauben.

So werden die Alibiaktionen immer absurder. In Ermangelung von bösen Unterdrückerklassen oder Kapitalistenschweinen kreieren die immer neue Verbrecher: Männer (alles Kinderschänder und Vergewaltiger), Deutsche (alles Faschisten), US-Imperialisten, Zionisten, S21, Atome, Rechte …

Die fantasierten Verbrechen werden immer absurder. Wenn Ackermann schon keine Sklaven hält, dann ist wenigstens die Verweigerung von Komplimenten „Gewalt gegen Frauen“. Wenn schon Ausländern in Deutschland kein Haar gekrümmt wird, dann ist eben die geplante Ausweisung ausländischer Verbrecher die Vorstufe zum Holocaust. Und die Aggressivität des US-Imperialismus besteht heute darin, dass die nicht jeden Latino reinlassen.

Auch der im antizionistischen Gewand daherkommende Antisemitismus geht vermutlich darauf zurück. Wenigstens noch ein Fleckchen Erde, wo man das Sujet des bösen westlichen Aggressors und der armen ausgebeuteten People of Colour erahnen kann. Kein Wunder, dass die sich daran klammern wie an einen rettenden Strohhalm.
Hat Chomsky sich je geäußert zum Schwarzen September, zum Massaker von Hama, zum brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in Ägypten, Libyen, Syrien ..?
Osama bin Laden erschießen ist böse. Klar, dass Chomsky das mutig anprangert.
In die Menge unbewaffneter Zivilisten schießen oder Giftgas gegen Missbeliebige scheinen gute Taten zu sein. Weshalb sonst hören wir von Chomsky keinen mutigen Protest?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.05.2011 00:03
#41 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat von vielleichteinlinker

Zitat
Das ist es ja exakt, was ich in dem Artikel kritisiere: Daß in unseren (weitgehend rotgrün dominierten) Medien nicht die politischen Fragen im Vordergrund stehen, sondern a) juristische (von denen die meisten Journalisten nicht mehr verstehen als Sie und ich) und b) moralische ("durfte man Osama töten?").

Ich mag Verschwörungstheorien nicht und zwar so sehr nicht, dass ich mit Leuten dort, wo sie welchen anhängen, ungern rede. Da mache ich auch für Sie keine Ausnahme.


Ich mag sie auch nicht, habe sie allerdings in einer Serie zu erklären versucht. Wo habe ich denn nach Ihrer Meinung eine Verschwörungstheorie vertreten?

Zitat
Ansonsten. Auch die Frage nach der Rechtmäßigkeit ist eine politische, auch die nach der Moral ist eine. Natürlich.

Aber ja doch. Nur sind die primären Kategorien des Politischen nun einmal das Erlangen und Erhalten von Macht und der Ausgleich der Interessen. Recht und Moral sind Instrumente politischen Handelns, aber sie begründen dieses nicht und haben es nie begründet.

Eine Moralisierung der Poltik führt unweigerlich in die Heuchelei.

Natürlich haben Politiker und Staatsmänner immer über ihre wahren Motive gelogen; aber heute wird die Lüge nachgerade erzwungen.

Jeder weiß beispielsweise, daß Frankreich nicht deshalb in Libyen interveniert, weil Sarkozy und Juppert die armen libyschen Zivilisten so am Herzen liegen, sondern weil Frankreich die Mittelmeerunion absichern und ausbauen möchte. Aber die Humanität muß herhalten, die Moral. Die Machtpolitik, die natürlich stattfindet wie eh und je, muß hinter einer Nebelwand moralischer und rechtlicher Rechtfertigungen versteckt werden.

Bush war weit ehrlicher. Er hat meines Wissens nie als Motiv für die Intervention im Irak angegeben, daß man das Volk vom Tyrannen befreien wollte; sondern zuerst ging es um die MWDs, also eine Bedrohung der USA, und dann um die Demokratisierung des Nahen Ostens. Die Bush nicht aus Humanitätsduselei wollte, sondern als Voraussetzung für einen stabilen Frieden, der wiederum im Interesse der USA liegt.



Kennen Sie, lieber vielleichteinlinker, ein einziges Beispiel aus der Geschichte, sagen wir, der letzten hundert Jahre, wo wichtige außenpolitische Entscheidungen wie die über Krieg und Frieden von moralischen Motiven geleitet wurden statt von einer Abwägung der eigenen Interessen? Sehen Sie sich die Geschichte der Nicht-Intervention in Darfur an; dann wissen Sie, wie Staaten reagieren bzw. nicht reagieren, wenn sie keine eigenen Interessen tangiert sehen.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.05.2011 00:04
#42 RE: Angriffskrieg Antworten

Zitat von vielleichteinlinker

Zitat
Nie in der menschlichen Geschichte ist ein Angriffskrieg als ein Verbrechen betrachtet worden

Huch. So sicher? Ich wäre es nicht.


An welche Beispiele denken Sie?

vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

24.05.2011 00:28
#43 RE: Angriffskrieg Antworten

Zitat von Zettel
An welche Beispiele denken Sie?



An den Völkerbund und die Charta der UN die den Krieg ächten.

vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

24.05.2011 00:35
#44 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat
Kennen Sie, lieber vielleichteinlinker, ein einziges Beispiel aus der Geschichte, sagen wir, der letzten hundert Jahre, wo wichtige außenpolitische Entscheidungen wie die über Krieg und Frieden von moralischen Motiven geleitet wurden statt von einer Abwägung der eigenen Interessen? Sehen Sie sich die Geschichte der Nicht-Intervention in Darfur an; dann wissen Sie, wie Staaten reagieren bzw. nicht reagieren, wenn sie keine eigenen Interessen tangiert sehen.



Es ist natürlich schwierig eine "wichtige" Entscheidung zu finden. Wahrscheinlich wäre jedes Beispiel unwichtig. Aber das ist nebensächlich. Das Hauptproblem ist, dass Machtpolitik ein Numsummenspiel ist, sich Macht also - egal wie der Krieg ausgehen mag - immer verändern wird durch den Krieg. Demnach verändern sich Machtkonstellationen durch jeden Krieg und damit ist die Grundlage geschaffen, dass jeder Krieg "in Wahrheit" Machtpolitik ist. Hinzu kommt, dass die Geschichte immer auch die Vor- und Nachgeschichte ist. Vielleicht waren es ja moralische Gründe die England dazu veranlasst haben die Neutralität Belgiens zu garantieren. Heute addieren wir zu dieser Entscheidung hunderte von anderen Faktoren hinzu und kommen zum Ergebnis: Ja, das war Machtpolitik.

Der Fokus auf den Kategorien "Macht, Interessen, Einfluss" ist eine einfache, gängige und beliebte wie tragbare Erklärungsmethode für die internationalen Beziehungen. Diese Erklärung ist auch nicht falsch. Sie greift nur zu kurz. Und wenn Sie sagen,

Zitat
Nur sind die primären Kategorien des Politischen nun einmal das Erlangen und Erhalten von Macht und der Ausgleich der Interessen. Recht und Moral sind Instrumente politischen Handelns, aber sie begründen dieses nicht und haben es nie begründet.

dann haben Sie genau diesen Fokus. Alles ist Machtpolitik, Recht und Moral sind nur schöne Verpackungen für die Wirklichkeit dahinter. Das greift zu kurz. Das ist mein Argument.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.05.2011 01:03
#45 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat von vielleichteinlinker
Vielleicht waren es ja moralische Gründe die England dazu veranlasst haben die Neutralität Belgiens zu garantieren. Heute addieren wir zu dieser Entscheidung hunderte von anderen Faktoren hinzu und kommen zum Ergebnis: Ja, das war Machtpolitik.

Ich glaube, ich habe dazu schon irgendwann einmal Churchill zitiert, aus Band 1 seiner Geschicht des Zweiten Weltkriegs "The gathering storm". Da erläutert er die Grundzüge der britischen Europapolitik seit der Zeit von Louis Seize: Auf dem Kontinent muß es eine Kräftegleichgewicht geben; keine Macht darf dominiern. Holland/Belgien sind der "Festlandsdegen" der Briten.

Da war keine Spur von Moral im Spiel; übrigens auch nicht beim Chamberlains Appeasement-Politik. Sie war ein Versuch, Hitlers Dominanz über Europa zu verhindern - nur basierte dieser auf einer Fehleinschätzung Hitlers; es war ein untauglicher Versuch mit einem untauglichen Partner. Churchill schildert, wie entsetzt Chamberlain war, als sich zeigt, daß Hitler keinen Augenblick daran dachte, sich an das Münchner Abkommen zu halten.

Zitat
Alles ist Machtpolitik, Recht und Moral sind nur schöne Verpackungen für die Wirklichkeit dahinter. Das greift zu kurz. Das ist mein Argument.

"Das greift zu kurz" ist kein Argument, sondern eine Behauptung.

Das kann man immer sagen: "Das ist doch alles in Wahrheit viel komplexer"; "So einfach können Sie es sich nicht machen"; "Ich würde das nicht so einseitig sehen". Ehrlich gesagt, ich bin in wissenschaftlichen Diskussionen meist sehr ärgerlich geworden, wenn jemand so "argumentiert" hat, und dann kam nichts Konkretes.

Nochmal: Ich sage ja nicht, daß Moral und Recht in der Politik keine Rolle spielen.

Als Rechtfertigung, als Camouflage für Machtpolitik haben sie immer eine Rolle gespielt. Mal mehr, mal weniger. In der italienischen Renaissance herrschte eine brutale Ehrlichkeit, die Machiavelli ins Literarische übertragen hat. Zu anderen Zeiten wurde mal religiös argumentiert, mal mit hohen Gütern wie Vaterland und Gerechtigkeit.



Gewiß haben auch moralische Erwägungen die Verantwortlichen manchmal von brutalen und kriminellen Entscheidungen abgehalten.

Allmählich kam es zum Beispiel aus der Mode, die politische Auseinandersetzung mittels Meuchelns des Konkurrenten zu führen; Hitler und Stalin haben das freilich wiederbelebt.

Die Ablehnung der Sklaverei spielte - neben machtpolitischen und wirtschaftlichen Interessen - vermutlich eine Rolle im Sezessionskrieg. Man könnte die (weitgehend gescheiterten) Versuche zur Humanisierung des Kriegs nennen, wie sie in der Haager Landkriegsordnung und in den Genfer Konventionen ihren Niederschlag fanden.

Aber viel mehr fällt mir auf Anhieb gar nicht ein. (Sie sehen, lieber vielleichteinlinker, jetzt habe ich versucht, die Arbeit zu machen, die ich eigentlich Ihnen zugedacht hatte ).

Herzlich, Zettel

vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

24.05.2011 01:21
#46 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat
"Das greift zu kurz" ist kein Argument, sondern eine Behauptung.

Das kann man immer sagen: "Das ist doch alles in Wahrheit viel komplexer"; "So einfach können Sie es sich nicht machen"; "Ich würde das nicht so einseitig sehen". Ehrlich gesagt, ich bin in wissenschaftlichen Diskussionen meist sehr ärgerlich geworden, wenn jemand so "argumentiert" hat, und dann kam nichts Konkretes.



Dabei dachte ich, Konkretes schon geliefert zu haben. Womit "das greift zu kurz" ein Argument wird. Es steht stellvertretend für die Ausführungen oben zu Legitimität und deren Bedeutung in Demokratien.

Zitat
Ich glaube, ich habe dazu schon irgendwann einmal Churchill zitiert, aus Band 1 seiner Geschicht des Zweiten Weltkriegs "The gathering storm". Da erläutert er die Grundzüge der britischen Europapolitik seit der Zeit von Louis Seize: Auf dem Kontinent muß es eine Kräftegleichgewicht geben; keine Macht darf dominiern. Holland/Belgien sind der "Festlandsdegen" der Briten.



Englands Politik in Europa - die inzwischen Sprichwörtliche "Balance of Power" - ist wie die internationalen Beziehungen vor 1914 ein Musterbeispiel dafür das Machpolitik als Erklärungsmuster im Nachhinein immer passt. Belgiens Neutralität als Gegenmachtbildung zu Deutschland? Passt. Nichteinmischung als Wahrung des Gleichgewichts? Hätte auch gepasst. Da das Gleichgewicht etwa 1900 zusammengebrochen ist, war Englands Politik zwar gescheitert, die "Balance" als Triebfeder für alles kann aber noch immer hier und dort interpretiert werden.

Zitat
Gewiß haben auch moralische Erwägungen die Verantwortlichen manchmal von brutalen und kriminellen Entscheidungen abgehalten.



Womit Sie zugeben dass es eben "komplexer" ist. Wenn Macht die Triebfeder ist, wie kann es dann nicht-Machtpolitik aus "moralischen" Gründen geben? Warum führen Demokratien keine Kriege gegeneinander. Aus Machtpolitischer Sicht wäre das oft genug möglich. Das schönste Beispiel: Faschoda. Die Britischen Truppen hätten den ärmlichen französischen Haufen zu Brei schießen können. Taten sie nicht. Demokratien tuen so etwas offensichtlich einander nicht an und da sie das nur untereinander nicht tun kann "Macht" als Erklärung für dieses Verhalten nicht ausreichen. Es gibt noch andere Faktoren. Nach außen gerichtete wie "Prestige", nach innen gerichtete wie eben "Recht" und "Moral". Da greift die reine Erklärung "Machtpolitik" zu kurz.

Zitat
(Sie sehen, lieber vielleichteinlinker, jetzt habe ich versucht, die Arbeit zu machen, die ich eigentlich Ihnen zugedacht hatte



So ist das manchmal. Hätte ich es Ihnen gesagt, Sie hätten es vergessen. Wenn ich Sie aber dazu bringe, selbst darauf zu kommen...

(Es gibt dazu ein Sprichwort, es fällt mir gerade partout nicht ein. Irgendwas mit "Gibt mir Brot und ich habe Essen für einen Tag, gib mir eine Bäckerei und ich habe Essen für immer" - nur ganz anders.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.05.2011 01:44
#47 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat von vielleichteinlinker
Wenn ich Sie aber dazu bringe, selbst darauf zu kommen...

So kann man's auch sehen. Ein neuer Meister sokratischer Mäeutik.

So, und nun Gute Nacht!

Herzlich, Zettel

vonhaeften Offline



Beiträge: 48

24.05.2011 08:55
#48 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat von Zettel
"Das greift zu kurz" ist kein Argument, sondern eine Behauptung.

Das kann man immer sagen: "Das ist doch alles in Wahrheit viel komplexer"; "So einfach können Sie es sich nicht machen"; "Ich würde das nicht so einseitig sehen". Ehrlich gesagt, ich bin in wissenschaftlichen Diskussionen meist sehr ärgerlich geworden, wenn jemand so "argumentiert" hat, und dann kam nichts Konkretes.


stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

24.05.2011 09:24
#49 RE: Verstehe kein Wort Antworten

Zitat von vielleichteinlinker
Womit Sie zugeben dass es eben "komplexer" ist. Wenn Macht die Triebfeder ist, wie kann es dann nicht-Machtpolitik aus "moralischen" Gründen geben? Warum führen Demokratien keine Kriege gegeneinander. Aus Machtpolitischer Sicht wäre das oft genug möglich. Das schönste Beispiel: Faschoda. Die Britischen Truppen hätten den ärmlichen französischen Haufen zu Brei schießen können. Taten sie nicht. Demokratien tuen so etwas offensichtlich einander nicht an und da sie das nur untereinander nicht tun kann "Macht" als Erklärung für dieses Verhalten nicht ausreichen. Es gibt noch andere Faktoren. Nach außen gerichtete wie "Prestige", nach innen gerichtete wie eben "Recht" und "Moral". Da greift die reine Erklärung "Machtpolitik" zu kurz.



Ich weiß, dass man weit zurückliegende Handlungen nicht rückwirkend bewerten sollte, aber trotzdem eine Bemerkung: Da standen sich Berufsoffiziere gegenüber, denen klar war, dass sich die Situation auch einmal umkehren könnte. Gegenüber den kolonialisierten Völkern hat man nicht die gleiche Ehre und Zurückhaltung gezeigt.

Zitat von vielleichteinlinker
(Es gibt dazu ein Sprichwort, es fällt mir gerade partout nicht ein. Irgendwas mit "Gibt mir Brot und ich habe Essen für einen Tag, gib mir eine Bäckerei und ich habe Essen für immer" - nur ganz anders.



Gib einem Hungernden einen Fisch, und er wird einmal satt. Lehre ihn das Fischen, und er wird nie wieder hungern.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.05.2011 10:24
#50 Zum eweigen Frieden Antworten

Zitat von stefanolix

Zitat von vielleichteinlinker
Warum führen Demokratien keine Kriege gegeneinander.


Darauf hat Kant in seiner - unbedingt lesenswerten, immer noch brandaktuellen - Schrift "Zum ewigen Frieden" die meines Erachtens richtige Antwort gegeben: Weil in Demokratien (Kant sprach von Staaten mit einer republikanischen Verfassung) das Volk entscheidet; und weil es das Volk ist, das unter den Lasten eines Krieges leidet und das deshalb keinen will.

Allerdings war Kant nicht so naiv, zu meinen, daß mit der Errichtung von Republiken schon der ewige Friede ausbrechen werde. Entscheidend ist aus seiner Sicht die Herstellung von Verhältnissen, in denen es für Staaten kein Interesse mehr daran gibt, Krieg zu führen. Und das sind Verhältnisse, in denen sie sich zu Föderationen zusammengeschlossen haben.

Wie hellsichtig! Zwischen den Staaten der EU wird es keine Kriege mehr geben; nicht, weil die Moralisten gewonnen haben, sondern weil Strukturen entstanden sind, die einen solchen Krieg unmöglich machen.

Nicht der Moralist, der den Krieg verurteilt, bringt uns dem Frieden näher; Pazifismus hat meist Kriege nur wahrscheimlicher gemacht. Sondern Realpolitik, die nicht auf das Gute im Menschen setzt, sondern auf ihren Egoismus.

Herzlich, Zettel

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