Der Zufall wollte es, daß ich in kurzem zeitlichem Abstand Meldungen über den Vorschlag Rolf Hochhuths und über den Artikel von Noam Chomsky gelesen habe; zwei Meldungen, mit denen ich mich in dieser Meckerecke befasse.
Diese Aktualität hat mich veranlaßt, etwas allgemeiner ein Thema anzugehen, das mich schon lange beschäftigt: Wie kommt es, daß Intellektuelle, die in ihrem Bereich - in der Forschung, als Schriftsteller; dergleichen - doch oft Ausgezeichnetes leisten, über Politisches einen solchen Stuß zum Besten geben, wie Hochhuth und Chomsyk das gerade (wieder einmal) getan haben?
vielleichteinlinker
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23.05.2011 00:16
#2 RE: Zettels Meckerecke: Hochhuth, Chomsky, Politik
Auf Chomsky lass' ich nichts kommen. Den mag ich zu sehr. Deswegen kann vieles, dass unter dem Strich steht, unausgegoren, verworren und nicht zuendegedacht sein. Aber das bin ich Chomsky schuldig...
Zitat von ZettelEr denkt nicht in den genannten Kategorien des Politischen, dem Erringen und Erhalten von Macht und dem Ausgleich zwischen Interessen. An die Stelle der Macht möchte er die Moral setzen; an die Stelle des Ausgleichs von Interessen die Verbesserung der Welt. Unfähig, das Politische mit dessen eigenen Kategorien zu erfassen, will er ihm seine eigenen Kategorien überstülpen.
Zum Glück bleiben sie meist ohne großen Einfluß, diese in der Politik moralisierenden Intellektuellen. Zum Glück beschränkt sich ihr bescheidener Einfluß meist auf andere Intellektuelle.
Wenn sie allerdings in die Lage geraten, ernst zu machen mit ihren Phantasien von einer moralischen Politik, von Politik als Verbesserung der Welt, dann wird es gefährlich. Dann zeigt sich die Verantwortungslosigkeit, mit der Intellektuelle in einer politischen Wirklichkeit agieren, deren Wesen und deren Regeln sie nicht akzeptieren. Die Geschichte des Kommunismus liefert die beklemmende Illustration.
Damit begeben Sie auf die selbe Ebene. Sie politisieren und wünschen sich eine andere Welt herbei. In der Politiker Politik machen und Intellektuelle sich raushalten.
Dass Chomsky das tut, dass ist nicht unbedingt gegeben. Er macht am Anfang ein richtigen Argument wenn er sagt, es sein eine Eigenart dass in
Zitat von N.C.societies that profess some respect for law, suspects are apprehended and brought to fair trial.
Wir haben eine solche Gesellschaft und haben sie gleichzeitig nicht. An manchen Stellen - DSK - ist es OK, an anderen - OBL - nicht. Diesen Gegensatz möchte er wihl erklärt wissen und keiner liefert eine Erklärung. Sie auch nicht, bei Ihnen ändern sich einfach die Regeln, wenn etwas unter "Politik" fällt. Wenn das Recht aber hinter die Politik zurückfällt, dann ist der Ismus-Barbarei Tür und Tor geöffnet.
Abgesehen davon übersehen Sie dass selbst in Ihrem Politik-System Chomsky sich völlig normal verhält. Er macht eben Politik. Er setzt sich und seine Position ein um für seine Vorstellung von einer besseren Welt zu sprechen. So wie Sie das tun. Dass die beiden Vorstellungen unterschiedlich sind, dass ist der einzige Grund, warum Sie sich daran stören, dass Chomsky das tut.
Fünf Cent noch zu "Politik ist...". Wenn Sie das System mal weiterdenken, existiert dann "Kommunikation" in der Politik. Das frage ich deswegen, weil bei Ihren STRATFOR-Friedmann-Artikeln - dem letzten besonders - eine Betrachtungsweise der Politik zutage tritt in der so etwas nicht existiert.
Ach ja: Chomsky ist zudem ein begabterer Linguist als Sie und ich und wir zusammen. Hehehe.
Ist es nicht etwas ungerecht, jeden Anflug von moralischen Kategorien in der Politik mit der Kommunismus-Keule zu erschlagen? Wer sagt, dass jede Vorstellung, dass Politik die Welt besser machen soll, im Totalitarismus enden muss? Ist es nicht eher die Vorstellung, bei Politik gehe es halt um Macht und Interessenausgleich, mit der man sich aus westlicher Perspektive bequem zurückziehen kann und damit darauf verzichtet, dass zweifellos vorhandene Leid auf der Welt zu lindern (oder es doch zu versuchen). Chomsky plädiert für ein neues Denken von Politik. Wo liegt das Problem? Sind Intellektuelle nicht genau dafür da, Denkanstöße jenseits des aus pragmatischer Perspektive notwendig Erscheinenden zu geben?
Zur Gleichsetzung von Bin Laden und Bush: Beide wollten eine Ideologie verbreiten und haben dafür zivile Opfer in Kauf genommen. Chomsky will halt, dass man es von dieser Seite betrachtet und provoziert damit. Folgen muss man ihm deswegen nicht, nachdenken sollte man schon...
Ich hoffe, das war jetzt nicht zu unzusammenhängend.
Zitat von vielleichteinlinkerDamit begeben Sie auf die selbe Ebene. Sie politisieren und wünschen sich eine andere Welt herbei. In der Politiker Politik machen und Intellektuelle sich raushalten.
Ich war gespannt, wer als erster dieses Meta-Argument bringen würde. Gratuliere!
vielleichteinlinker
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23.05.2011 00:49
#5 RE: Zettels Meckerecke: Hochhuth, Chomsky, Politik
Zitat von jordroek Wer sagt, dass jede Vorstellung, dass Politik die Welt besser machen soll, im Totalitarismus enden muss?
Ich jedenfalls sage das nicht, lieber jordroek.
In dem Artikel geht es ja um Intellektuelle; um solche wie Hochhuth und Chomsky. Wenn jemand, der die Politik so sieht wie sie - als einen Kampf des Guten gegen das Böse - politische Macht gewinnt, dann wird es brandgefährlich. Das illustriert der Kommunismus, der von dem Intellektuellen Marx geplant und von Intellektuellen wie Lenin, Trotzki und Mao auf den Weg gebracht wurde. Alle vier übrigens Leute, die nie einen ordentlichen Beruf außerhalb der Politik ausübten; die nie das normale tätige Leben kennengelernt haben.
Es hat in der Geschichte aber manchmal auch den erfolgreichen Versuch gegeben, ein bestehendes politisches System durch ein besseres zu ersetzen. Das herausragende Beispiel ist die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika.
An der Ausarbeitung der Unabhängigkeitserklärung und der Verfassung waren sehr intelligente Männer beteiligt; aber es waren überwiegend keine Intellektuellen. Thomas Jefferson war zwar ein hochgebildeter Mann, von Beruf aber Farmer, Rechtsanwalt und Diplomat; ein Erfinder wie Konrad Adenauer. James Madison und Alexander Hamilton waren ebenfalls Juristen; Hamilton außerdem Offizier. Alles Männer, die im bürgerlichen Leben ihren Mann gestanden hatten, bevor sie in die Politik gingen; die an die Politik mit Augenmaß und Vernunft herangingen, nicht moralisierend oder als Weltverbesserer.
Die Founding Fathers wollten nicht den neuen Menschen schaffen, sondern ein politisches System, in dem der alte Mensch mit allen seinen Untugenden gedeihlich mit anderen zusammenleben kann. Sie waren Praktiker, nicht Moralisten und Weltverbesserer.
Was ich noch nie ganz verstanden habe ist, dass die "Intellektuellen" zwar einerseits für sich einen moralischen Absolutheitsanspruch geltend machen, andererseits aber einen solchen ablehnen. Vor allem wenn es um den Westen und das, was ihn ausmacht nämlich die Universalität der Menschenrechte geht.
Ist nicht von Milton Friedman die Aussage überliefert, die Intellektuellen sehnen sich nach einer Welt, in der ihnen die Gesellschaft die Bedeutung zumist, die sie sich selber nach x Jahren Literaturstudiums beimessen, die aber die Marktwirtschaft eben doch dem ungebildeten, aber erfolgreichen zuspricht?
Werter Zettel, auch wenn ich zum Thema wenig beitragen kann (mit Chomsky mußte ich mich nur einmal in Bezug auf den Spracherwerb auseinandersetzen und fand ihn in jeder Hinsicht grauenhaft), an einer Stelle muß ich doch widersprechen:
Zitat von Zettel[...] so, wie einst der tollkühne Pilot Otto Skorzeny mit seinem Fieseler Storch in Hitlers Auftrag den Benito Mussolini aus dem Campo Imperatore befreite.
An diesem Satz ist so ziemlich alles falsch. Ich hatte einmal die Gelegenheit, einem Fachvortrag zur Operation Eiche beizuwohnen, da stellt sich dann vieles schnell richtig dar. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit daher:
1. Otto Skorzeny war kein Pilot sondern Kommandeur eines SS-Sonderverbandes, der laut Eigensicht so etwas wie Kommandooperationen durchführen wollte. 2. Der (eine) Fieseler Storch, mit dem Mussolini ausgeflogen wurde, kam von den Fallschirmjägern. 3. Ebenso stellten die Fallschirmjäger den Großteil der beteiligten Truppen, planten (und leiteten) den Einsatz und stellten die Verbringung zum Einsatzort per Lastensegler. 4. Die beteiligten SS-Leute unter dem Kommando von Skorzeny hatten offenbar hauptsächlich so wichtige Aufgaben wie das Filmen der Aktion zu Propagandazwecken. 5. Das Bild von Skorzeny als Held beruhte hauptsächlich auf ebendiesen propagandistischen Erwägungen. Militärisch war der Mann (soweit ich dem Referent besagten Vortrags glauben kann) wohl eher eine Niete.
Zitat von dirkWas ich noch nie ganz verstanden habe ist, dass die "Intellektuellen" zwar einerseits für sich einen moralischen Absolutheitsanspruch geltend machen, andererseits aber einen solchen ablehnen. Vor allem wenn es um den Westen und das, was ihn ausmacht nämlich die Universalität der Menschenrechte geht.
Das habe ich mich auch oft gefragt, lieber Dirk. Ich denke, es ist tatsächlich ein zentraler Punkt.
Wieso können Intellektuelle, die hierzulande heftig für Freiheit und Menschenrechte kämpfen, die jeder noch so geringe mögliche Eingriff in Menschenrechte (sagen wir, die Fesslung von jemandem, der sich gewaltsam gegen seine Abschiebung wehrt) auf die Palme bringt, zugleich der Scharia dort, wo sie gilt, gleichgültig-wohlwollend gegenüberstehen?
Ich glaube, es liegt daran, daß diese kulturellen Relativisten zwar eine freiheitlich-rechtsstaatliche Überzeugung haben, aber darüber hinaus noch eine Grundüberzeugung, sozusagen ihre Meta-Überzeugung: Daß diese freiheitlich-rechtsstaatliche Überzeugung nur eine unter vielen ist, die alle gleichberechtigt sind. Wenn Moslems der Scharia folgen, ist das für diese kulturellen Relativisten genauso berechtigt, wie daß sie selbst sich an freiheitlichen Werten orientieren.
Sie stecken damit natürlich in einer logischen Falle. Denn diese Meta-Überzeugung erhebt ja ihrerseits universellen Anspruch; niemand außer den kulturellen Relativisten hat sie. Sie sind vom Regen in die Traufe geraten.
Es ist in diesem Zusmamenhang nützlich, sich Lessings Ringparabel klarzumachen; ich habe sie hier interpretiert: Sie stellt die Aufklärung keineswegs neben den Islam und andere Religionen; sondern sie stellt sie (in der Allegorie des weisen Richters) über sie. Und sie impliziert keineswegs, daß "alle ihre eigene Wahrheit haben, die gleich viel wert ist", wie es gern gedeutet wird.
Im Gegenteil: Der Richter fordert die Brüder ausdrücklich auf, herauszufinden, wer von ihnen denn den echten Ring hat (Es "glaube jeder sicher seinen Ring den echten". Es "strebe von euch jeder um die Wette, die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag zu legen!").
Also gerade keine resignative Toleranz, wie ich das in der Serie Realität in acht Päckchen, genannt habe, auf die ich zu diesem Thema gern hinweisen möchte; hier besonders die Folgen 5 bis 9.
Zitat von energistDas Bild von Skorzeny als Held beruhte hauptsächlich auf ebendiesen propagandistischen Erwägungen. Militärisch war der Mann (soweit ich dem Referent besagten Vortrags glauben kann) wohl eher eine Niete.
Danke für die Korrektur! Ich hatte mich mit der Sache nie beschäftigt. Sie muß damals in der Tat vom Goebbels-Ministerium ausgeschlachtet worden sein, denn meine Großmutter erzählte gern die Geschichte vom tollkühnen Piloten Skorzeny.
Ich werde den Text so ändern, daß deutlich wird, daß es in dieser Form eine Legende ist, mit Dank an Sie.
danke dass Sie mir noch mal die Ringparabel in Erinnerung rufen und mich sie aus einer Perspektive betrachten lassen, wie ich sie damals, zu Schulzeiten, nicht sah.
Zitat Sie stecken damit natürlich in einer logischen Falle. Denn diese Meta-Überzeugung erhebt ja ihrerseits universellen Anspruch; niemand außer den kulturellen Relativisten hat sie. Sie sind vom Regen in die Traufe geraten.
Exakt. Aber nicht nur das. Der Westen ist ja gerade die gelebte Metaüberzeugung. Im Westen und nur im Westen kann jeder machen, was er will, kann jede Kultur gelebt werden (mit der Grenze bei der Freiheit des anderen als im Wesentlichen einzige Einschränkung). Alle anderen sonst so verteidigten "Kulturen" (oftmals sind es ja nur andere Tyrannen, die die Kultur gerade vernichte, wie etwa Taliban, die Sowjets, Mao, die Mullahs im Iran...) stehen dagegen im Widerspruch zu dieser Überzeugung und reklamieren einen Wahrheitsanspruch für bestimmte Lebensweisen.
Es gibt gute Argumente für einen Relativismus; aber nicht auf kultureller Ebene sondern auf der der Individuuen. Wenn es keine absolute Wahrheit gibt, darf man einen Menschen nicht unterdrücken und Kulturen, die das tun, sind der westlischen moralisch unterlegen. Logisch konsequent müsste der Relativist und Gegner aller Wahrheitsanmaßungen daher den Westen als überlegen ansehen. Ich frag mich, warum er das im Allgemeinen nicht tut. Ich versteh es einfach nicht.
Ich glaube eher es sind andere Gründe. Eine Art Selbsthass. Oder der stolz, sich mit der anderen Kultur beschäftigt zu haben, etwas über sie zu wissen, was natürlich umso bedeutender ist, je wertvoller die Kultur ist. Niemand wird sagen: "Ja, ich habe Jahre meines Lebens den Islam studiert, war aber alles unnütz. It sucks. " und hier und dort findet man dann ja auch liebenswerte Details.
Das von ihnen angesprochene Missverständnis beim Toleranzverständnis, bringt Mr. Garrison in der Serie South Park sehr gut auf den Punkt.
Zitat Tolerant, but not stupid! Look, just because you have to tolerate something doesn't mean you have to approve of it! If you had to like it, it'd be called the Museum of Acceptance! [the audience looks on] "Tolerate" means you're just putting up with it! You tolerate a crying child sitting next to you on the airplane or, or you tolerate a bad cold. It can still piss you off! Jesus Tapdancing Christ! (Mr. Garrison)
Ich glaube hier liegt auch der tiefere Grund für diese Diskrepanz. Es ist die Folge einer kognitiven Dissonanz. Würde man die Überlegenheitg des Westens anerkennen, heisst das ja, dass man entweder das Unheil in anderen Regionen der Welt ohnmächtig hinnehmen müsste oder Krieg führen. Beides will der Intellektuelle aus durchaus lobenswerten Gründen nicht, also lügt er sich die Welt schön.
Nur so viel, daß Sie die Intervention der US-Regierung in Pakistan prima finden und deshalb Chomsky als Spinner ansehen - Seitenschubser an die Leserschaft: "gell gell?".
Der Reihe nach:
Die Beteiligung von Bin Laden (BL) an den Anschägen vom 11.9. ist in der Tat zweifelhaft. Ich weiß nicht, wieviel Sie sich damit beschäftigt haben (ich auch nicht besonders viel), aber eines sollte klar sein: Ein überzeugender Nachweis kann nicht im Wege der intensiven (Selbst-)Suggestion geführt werden. Ein Verdächtiger kann nicht zum Überführten werden allein dadurch, daß Politiker und Medien langsam dazu übergehen, Hypothesen einfach als Tatsachen zu behandeln (die Kulmulation ist das Spiegel-Titelbild vor ein paar Wochen mit dem schwebenden BL über den Trümmern des World Trade Centers). Wahrheit entsteht nicht dadurch, daß man einfach lang genug sagt, etwas wäre Wahrheit. Die Zweifel an der Tatbeteiligung in diesem Fall ändern allerdings nichts daran, daß seine Beteiligung an verschiedenen anderen Terrorakten als gesichert angesehen werden kann. Terrorist und Mörder ist er in jedem Fall.
Was George W. Bush (GWB) betrifft, so hat er den Irakkrieg begonnen, der in der Weltgemeinschaft nach rechtlichen Maßstäben (auf politische muß man gar nicht zurückgreifen) für unzulässig gehalten wird, der demnach also ein Völkerrechtsbruch ist, illegal. Dadurch hat Bush Tote im Unfang von mindestens hundertausend willentlich herbeigeführt und weiteres Unglück über noch viel mehr Menschen gebracht. Man mag die andere Position vertreten, daß der Irakkrieg doch legal war - warum nicht? - aber man sollte nicht so unseriös sein, diese überwiegend (übrigens auch von einem deutschen obersten Gerichtshof des Bundes) vertretene Position als Spinnerei darzustellen.
Aber diese Äußerungen zu den Personen BL und GWB tun ja auch nichts zur Sache. Sie sind nur Kolorit. Die eigentliche Frage, die auch Chomsky gestellt hat, ist genauso berechtigt, wenn eindeutig die Schuld BL feststeht und die weiße Weste von GWB ebenso: Darf ein Terrorist gezielt getötet werden als Ersatz für die Durchführung eines rechtsförmigen Gerichtsverfahrens?
"Chomskys Verrücktheiten. In der Tat."
Warum sollte ein Wissenschaftler/Künstler/Intellektueller/wie auch immer nicht auch seine Meinung zu Gott und der Welt (=außerhalb seiner Kernkompetenz) kundtun? Sie tun das doch auch dauernd. Der Einwand ist nicht einmal Metaebene. Ich erinnere mich an die treffenden Worte, die Sie im Fall Guttenberg (einschließlich der öffentlichen Rezeption des Falls) gefunden haben. Und zu jedem öffentlichen Thema schreiben Sie ja auch (wäre ja noch schöner, wenn nicht).
Was war nochmal so verantwortungslos an Chomskys Äußerung?
Hier ein Beitrag zu dem Thema, der Ihnen unbedingt auch als intellektuell-"gutmenschenhaft", als Spinnerei erscheinen muß:
Zitat von 08005nur zum "Fall Chomsky": Ich verstehe kein Wort.
Ja, dann ist es freillich schwer zu diskutieren.
Sie finden es nicht skurril, wenn Hochhuth vorschlägt, die USA sollten Ai Weiwei gewaltsam befreien? Sie finden es nicht abwegig, wenn Chomsky Präsident Bush auf eine Stufe mit den in Nürnberg gehängten Kriegsverbrechern stellt?
Was Ihre sonstigen Gesichspunkte insbesondere zum Irakkrieg angeht: Das ist ja alles wieder und wieder diskutiert worden. Sie finden auch hier im Forum zahlreiche Threads dazu. Die Frage, ob die Resolution 1441 die Voraussetzung für die Invasion des Irak lieferte oder nicht, wird vermutlich noch Generationen von Juristen beschäftigen.
Sie ist aber ja nicht das Zentrale an diese Invasion. Das Zentrale ist, was sie bewirkt hat. Darüber kann man streiten. Aus meiner Sicht war sie ein wesentlicher Faktor für den jetzigen "arabischen Frühling". Der Aufbau einer (nach lokalen Maßstäben bemerkenswert gut funktionierenden) Demokratie im Irak mit amerikanischer Hilfe hat den Arabern gezeigt, daß so etwas in dieser Region möglich ist.
Dies, lieber Nr. Soundsoviel, sind die politisch und historisch interessanten Fragen: Welche Folgen hatte diese Invasion? Wie hat sie die Region, wie hat sie die Weltpolitik verändert? Wie wirkte sie sich auf die Machtverhältnisse aus, auf die Möglichkeiten und Notwendigkeiten von Interessenausgleich? Welche Folgen hatte die Entschlossenheit von Präsident Obama, den Irak zu verlassen und ihn damit der Vorherrschaft des Iran zu überantworten? Welche Konsequenzen hat das für den Frieden in der Region, für das Überleben Israels?
Aber mit diesen Fragen - das ist die message meines Artikels - befassen sich viele Intellektuelle, die sich in die Politik hineinbegeben, nur am Rande. Sie fragen nach Moral; sie vertiefen sich in die Feinheiten des Völkerrechts. Sie denken nicht in politischen Kategorien; nicht in Kategorien von Macht und Interessenausgleich.
Zitat Die Beteiligung von Bin Laden (BL) an den Anschägen vom 11.9. ist in der Tat zweifelhaft.
Was daran zweifelhaft sein soll, wenn Bin Laden selbst 2004 und 2006 die Urheberschaft für sich reklamiert und 2006 außerdem ein Video verbreiten lässt, das ihn zusammen mit Ramsi Binalshibb und zwei der Luftpiraten von 9/11 zeigt, erschließt sich mir nicht.
Auch über die Terrorflotte, die Israel im Mai vorigen Jahres aufgebracht hat, hat Chomsky eine unerträgliche geistige Diarrhöe von sich gegeben, Wamba möge mir die Wortwahl verzeihen.
Zitat von 08005Die Beteiligung von Bin Laden (BL) an den Anschägen vom 11.9. ist in der Tat zweifelhaft.
Es gibt ja auch noch Leute, die verlangen daß der persönlich von Hitler unterschriebene Befehl zur Judenvernichtung vorgelegt wird ...
Über Bin Laden und seine Organisation liegen genug Informationen vor. Sowohl die öffentlich verfügbaren wie die von Geheimdiensten verschiedenster Länder. Er hat jahrelang zum Kampf gegen die USA aufgerufen, hunderte von Anhängern in dieser Richtung indoktriniert, sie über seine Organisation finanzieren und ausbilden lassen, schon vorher verschiedene große Terror-Anschläge (z. B. in Kenia) durchgeführt. Und dann kommt 9/11, genau dieselbe "Terror-Handschrift", er bekennt sich öffentlich dazu (und sonst niemand), alle sonstigen Hinweise deuten auf ihn/die Kaida, andere (seriöse) Erklärungen gibt es nicht. Wenn man da noch zweifelt, ist Hose und Beißzange schon kein vernünftiger Vergleich mehr.
Zitat Was George W. Bush (GWB) betrifft, so hat er den Irakkrieg begonnen
Nein. Den Irakkrieg hat Saddam Hussein begonnen.
Zitat der in der Weltgemeinschaft nach rechtlichen Maßstäben (...) für unzulässig gehalten wird, der demnach also ein Völkerrechtsbruch ist, illegal.
Es gibt diverse Einzelmeinungen (vor allem aus deutschen Elfenbeintürmen), die solche Unzulässigkeiten behaupten. Die "Weltgemeinschaft" hat dazu keine spezielle Meinung, die Frage eines möglichen Völkerrechtsbruchs ist völlig offen.
Zitat Dadurch hat Bush Tote im Unfang von mindestens hundertausend willentlich herbeigeführt ...
Diese Zahl ist absurd übertrieben. Der Irakkrieg selber hat einige tausend Todesopfer gefordert (was wenig ist verglichen mit einer Fortdauer der Saddam-Herrschaft). Die Opfer von Terroristenangriffen nach Kriegsende kann man Bush nicht zurechnen.
Zitat Darf ein Terrorist gezielt getötet werden als Ersatz für die Durchführung eines rechtsförmigen Gerichtsverfahrens?
Darüber könnte man auch streiten, aber das ist ja hier nicht der Punkt. Der Einsatz gegen bin Laden war ein Kriegseinsatz, kein Polizeieinsatz als Ersatz eines Gerichts.
Zitat Warum sollte ein Wissenschaftler/Künstler/Intellektueller/wie auch immer nicht auch seine Meinung zu Gott und der Welt (=außerhalb seiner Kernkompetenz) kundtun?
Natürlich darf er das. Aber sein Promi-Status gibt ihm nicht mehr Kompetenz oder Glaubwürdigkeit als die Meinungsäußerung des Hausmeisters unseres Bürogebäudes. Problematisch ist nur der (von den Medien fälschlich anerkannte) Anspruch diverser Intellektueller, ihre Meinung wäre wichtiger zu nehmen als die des Hausmeisters.
Zitat Auch hier könnte man, wie bei Hochhuth, mit einem Schulterzucken reagieren. Es gibt eben nicht nur die idiots savants, die Schwachsinnigen mit einer partiellen Hochbegabung; sondern es gibt auch sozusagen den savant idiot, den Gelehrten mit Anflügen von Schwachsinn.
Zitat Aber mit diesen Fragen - das ist die message meines Artikels - befassen sich viele Intellektuelle, die sich in die Politik hineinbegeben, nur am Rande. Sie fragen nach Moral; sie vertiefen sich in die Feinheiten des Völkerrechts. Sie denken nicht in politischen Kategorien; nicht in Kategorien von Macht und Interessenausgleich.
Wirklich interessantes kann zu den Kategorien der Politik aber kaum jemand beitragen. Die Krauthammers und Friedmanns und Mearsheimers abstrahieren immer nach ihren Gunsten und ihrem Gusto. Arabische Revolution zu Zeiten Bushs = Ein Hoch auf den Präsident. Arabische Revolution zu Zeiten Obamas = Ein Hoch auf den Präsidenten Bush. Wirklich zusammenhängend-lögisches kommt da nicht raus, nur Meinung.
Und die Vertritt auch Chomsky. Sicher, er macht es sprachlich eleganter als die Vorgenannten aber muss man ihn deswegen mit anderen Maßstäben messen? Nö, auch Chomsky schreibt politisch, er vertritt Meinung und versucht sie unter so viele Leute wir möglich zu bringen und damit den Diskurs und die Herrschaft zu beeinflussen. Nur Chomsky nehmen Sie das so Übel dass Sie von "Stuß" reden, bei Friedman ist es "Analyse" und bei Krauthammer ... Sie ahnen es.
Zitat Es gibt ja auch noch Leute, die verlangen daß der persönlich von Hitler unterschriebene Befehl zur Judenvernichtung vorgelegt wird ...
Godwins Law - You loose!
Zitat Problematisch ist nur der (von den Medien fälschlich anerkannte) Anspruch diverser Intellektueller, ihre Meinung wäre wichtiger zu nehmen als die des Hausmeisters.
Es ist aber auch blöd wenn die Leute einfach zuhören wem sie wollen. Vermalledeit noch eins!
Nein! Das kann niemand abschätzen - auch nicht Krauthammer. Es reduziert den Fall auf eine politische Komponente und streicht alle Ansprüche, die Demokratien an sich selbst stellen aus der Gleichung. In der Soziologie gibt es einige Herren die tatsächlich behaupten dass Mächte Legitimität über Herrschaft erreichen. Sie sind dicht dran.
Das kann aber nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Zitat Nö, auch Chomsky schreibt politisch, er vertritt Meinung und versucht sie unter so viele Leute wir möglich zu bringen und damit den Diskurs und die Herrschaft zu beeinflussen. Nur Chomsky nehmen Sie das so Übel dass Sie von "Stuß" reden, bei Friedman ist es "Analyse" und bei Krauthammer ... Sie ahnen es.
Nur gibt es nun mal einen Unterschied: Man kann sich zu politischen Fragen äußern, indem man so argumentiert, dass es logisch stimmig ist, dass andere es nachvollziehen können, dass die Maßstäbe nachvollziehbar angewendet werden etc., oder man kann all dies bleiben lassen oder einfach mal eine Meinung in die Welt pusten - und diese ggf. mit viel Wortgeklingel verpacken, auf dass es intellektuell klingt.
Sie haben recht, über die zugrundeliegenden Einzelauffassungen kann man viel diskutieren. Aber warum ist die Meinungsäußerung Chomskys so verantwortungslos, so beispielhaft für das Versagen der Intellektuellen? Weil sein Ergebnis nicht das Ihre ist? Weil man doch nicht diskutieren kann, denn das (gegenteilige) Ergebnis ist so eindeutig? Das ist es, was ich nicht verstehe. Für eine Diskussion über die verschiedenen aufgeworfenen Fragen scheint es auch mir hier nicht der rechte Platz. Aber - so kommt es mir vor - es geht Ihnen in Ihrem Beitrag ja darum, was man in der öffentlichen Diskussion sagen kann und was nicht. Warum ist die Äußerung Chomskys - aus Ihrer Sicht - nicht lediglich falsch, sondern geradezu ein Aufreger?
Ich würde nicht auf die Idee kommen, Ihre Meinungsäußerungen als verantwortungslos anzuprangern, und würde ich sie auch für noch so falsch halten.
Anders als Sie bin ich nicht der Meinung, daß Politik ausschließlich Macht und Interessenausgleich ist. Wenn Recht und Moral (ja, sogar die) nicht dazugehörten, wär's schad drum (hatten Sie nicht in der Affäre Guttenberg ähnliches vertreten?). Aber vielleicht habe ich mich soeben disqualifiziert.
Über den Aktionskünstler Hochhuth habe ich bewußt nicht gesprochen.
Zitat Sie haben recht, über die zugrundeliegenden Einzelauffassungen kann man viel diskutieren. Aber warum ist die Meinungsäußerung Chomskys so verantwortungslos, so beispielhaft für das Versagen der Intellektuellen? Weil sein Ergebnis nicht das Ihre ist?
Nein, weil mehr oder weniger jeder Satz, den Zettel von Chomsky zitiert, eine Lüge, eine Tatsachenverdrehung oder logischer Unsinn ist.
Zitat Es wird immer deutlicher, daß die Operation ein geplanter Mord war, der elementare Normen des internationalen Rechts vielfach verletzte.
"Mord" ist eine Tötung aus niedrigen Beweggründen. So wenig wir über den Ablauf der Operation im Detail wissen, so viel können wir wohl doch sagen, dass die Einsatzkräfte nicht wussten, mit wie viel Gegenwehr sie rechnen mussten, möglicherweise deswegen härter zugeschlagen haben als unbedingt erforderlich; es wird wenigstens gesagt, es sei der Auftrag gewesen, Bin Laden ggf. auch lebend zu bringen. Welche Normen "vielfach" verletzt seien, verrät Ch. nicht. Weiterhin kann man Bin Laden durchaus als Kombattanten betrachten, was die Rechtsverletzung erst recht hinfällig macht.
Zitat In Gesellschaften, die sich zu einem gewissen Respekt gegenüber dem Gesetz bekennen, werden Verdächtige festgenommen und einem fairen Gerichtsverfahren unterworfen.
Ch. unterstellt hier in verleumderischer Absicht, die USA oder der Westen seien keine Gesellschaft, die auch nur einen "gewissen Respekt" gegenüber dem Gesetz habe. Weiterhin sollte klar sein, dass in einem "failed state" wie Pakistan es kaum möglich wäre, ein Auslieferungsgesuch an dieselben Behörden zu stellen, die mehr oder weniger offensichtlich den Terroristen gedeckt haben.
Zitat Ich betone "Verdächtige".
Die vielfache Schuld von Bin Laden steht außer Frage, seine Verantwortung für 9/11 ebenso.
Zitat Obama hat schlicht gelogen, als er in seiner Ansprache im Weißen Haus sagte, daß "wir bald erfuhren, daß die Anschläge von 9/11 von der Kaida verübt worden waren".
Von dem wenn sonst, lieber Chomsky? Vom Mossad? Der CIA? Dem fliegenden Spaghettimonster?
Zitat Es ist unstrittig, daß seine Verbrechen diejenigen Bin Ladens weit übertreffen;
Allein dieser Satz ist moralisch, logisch, gedanklich eine Zumutung.
Zitat und er ist kein "Verdächtiger", sondern unstrittig der "Entscheider", der die Befehle gab, das "äußerste internationale Verbrechen" zu begehen, das "sich von anderen Kriegsverbrechen nur darin unterscheidet, daß es das angesammelte Böse des Ganzen umfaßt" (Zitat aus dem Nürnberger Prozeß), wofür Naziverbrecher gehängt wurden.
Und erst recht ein Zeugnis unerträglicher geistiger Verirrung und Verwirrung, ein Zeugnis des Verlusts jedweder Maßstabe ist die Behauptung, Bush stünde in irgendeiner Weise auf einer Stufe mit Göring und den anderen Haupttätern des Dritten Reiches, die für den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust und so weiter verantwortlich sind. Es ist schlicht unerträglicher Schwachsinn.
Zitat Nur gibt es nun mal einen Unterschied: Man kann sich zu politischen Fragen äußern, indem man so argumentiert, dass es logisch stimmig ist, dass andere es nachvollziehen können, dass die Maßstäbe nachvollziehbar angewendet werden etc., oder man kann all dies bleiben lassen oder einfach mal eine Meinung in die Welt pusten - und diese ggf. mit viel Wortgeklingel verpacken, auf dass es intellektuell klingt.
Chomsky argumentiert logisch. Ihre versteckte Kritik an anderen müssen Sie dann wohl bei Zettel loswerden...
Nein, wenn Ch. Bush mit führenden Politikern des Dritten Reiches gleichsetzt, geht die Logik gegen Null. Wenn Ch. den Inhalt von "Mord" nicht kennt, ebenfalls.
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