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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 111 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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lukas Offline



Beiträge: 261

26.05.2011 11:39
#101 RE: Konferenzen, Verhandlungen, Diktat Antworten

Zitat von Zettel
Ja, Sie haben Recht, die Bedingungen 1945 waren natürlich weit härter als die 1919; insbesondere durch die mit den Gebietsverlusten verbundenen Vertreibungen. Solche ethnischen Säuberungen hatte es zuvor kaum je gegeben; Elsaß-Lothringen zum Beispiel wechselte mehrfach zwischen Deutschland und Frankreich hin und her, ohne daß jemand auch nur auf den absurden Gedanken gekommen wäre, das jeweils mit Vertreibungen zu verbinden.



Nach dem ersten Weltkrieg wollte die französische Regierung mach 1871 zugezogene Deutsche und ihre Nachkommen aus Elsass-Lothringen vertreiben. Die USA intervenierten zwar, aber da hatte Frankreich schon 200.000 Deutsche expatriiert.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

26.05.2011 14:26
#102 RE: Konferenzen, Verhandlungen, Diktat Antworten

Zitat
Auch hier kein Widerspruch. Was Sie erläutern, konkretisiert das, was "Hineinschliddern" genannt wurde (von wem stammt eigentlich dieses Wort?): Man hatte den Krieg nicht gewollt; aber es entwickelte sich eine Dynamik, die in ihn hineinführte. Dazu gehörte die russische Mobilmachung als Folge der Treue zu Serbien; dazu gehörte die deutsche Fehlkalkulation, die Sie nennen.



Das Wort vom "Hineinschliddern" war m.W. auf alle beteiligten Mächte bezogen; alle sind "hineingeschliddert", keiner hats gewollt, keiner aktiv beigetragen. Insofern hat Hildebrandts Sicht schon einen anderen Akzent, indem sie davon ausgeht, dass man deutscherseits den Krieg nicht gewollt hat, aber doch hoch gepokert hat, einen diplomatischen Erfolg zu erreichen, und dass man dafür einen Krieg zumindest in Kauf genommen hat. Das ist m.W. wohl heute auch mehr oder weniger Konsens: Der Krieg wurde nicht angestrebt, aber die Politik hat ihn riskiert.

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

26.05.2011 15:21
#103 RE: Konferenzen, Verhandlungen, Diktat Antworten

Zitat von Zettel
Was Sie erläutern, konkretisiert das, was "Hineinschliddern" genannt wurde (von wem stammt eigentlich dieses Wort?)

Von Lloyd George: "The nations slithered over the brink into the boiling cauldron of war without any trace of apprehension or dismay."

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.05.2011 15:51
#104 RE: Konferenzen, Verhandlungen, Diktat Antworten

Zitat von Kallias

Zitat von Zettel
Was Sie erläutern, konkretisiert das, was "Hineinschliddern" genannt wurde (von wem stammt eigentlich dieses Wort?)

Von Lloyd George: "The nations slithered over the brink into the boiling cauldron of war without any trace of apprehension or dismay."


Danke!

vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

26.05.2011 20:12
#105 RE: Konferenzen, Verhandlungen, Diktat Antworten

Ich denke, die Debatte wird nicht mehr lange so weitergehen. Schade, das kömnnte ich für den Rest des Jahre machen. Deswegen viele Anmerkungen in einem Post, da die Mehrzahl hier wohl inzwischen auch im Flat-Modus liest findet sich hoffentlich jeder wieder.

Zitat
Ich weiß nicht, wieweit das untersucht ist, aber ich frage mich, welche gefährliche Rolle dieser ganze Mechanismus der Mobilmachungen als solcher spielte, der ja seine Eigendynamik hatte:



Für Deutschland ist die umfassendste Untersuchung wohl die von Ritter, obwohl Förster hier ebenfalls gearbeitet hat. International würde ich immer auf Keegan zurückgreifen, allerdings die Absätze, in denen es ums Trinken geht, weglassen.
Eine Eigendynamik hatte das Ganze nicht. Wie auch das Bündnissystem nicht. Zumindest nicht bis zum Entscheidenen Punkt: Der Kriegserklärung Deutschlands an Russland und der Generalmobilmachung des Deutschen Heeres. Damit war der Krieg beschlossen - von Deutschland.

Bis dahin gebahr man sich in Europa wie zur letzten Krise. Man drohte sich und plusterte sich auf volle militärische Größe auf. Deutschland ging einen Schritt weiter. Womit wir beim Thema "Metaphern für den Kriegsbeginn" wären, doch dazu später mmehr.

Zitat
Bismarck, im Herzen immer ein Preuße, war kein großdeutscher Nationalist. Die Grundidee seiner Politik seit 1871 war es, irgendeine Übermacht in Europa zu verhindern, auch die deutsche. Er sah das Reich als arrondiert an; er stand meines Wissens auch der Kolonialpolitik skeptisch gegenüber.



Bismarck meinte zur Kolonialpolitik Sinngemäß: "Afrika? Das ist meine Karte von Afrika: Hier ist Russland, dort ist Frankreich". Bismarck hielt Kolonialpolitik für Unsinn, Weltmacht ebenso. Er war - wir haben uns darüber schon gestritten - meiner Ansicht nach Nationalist und er wusste, dass Deutschland über seine Rolle hinausgewachsen war. Deswegen versuchte er es als Großmacht zu positionieren, Weltmacht hielt er für prestigesüchtigen Popanz ohne politischen Wert. Kern seiner Politik war nicht nur das Gleichgewicht in Europa. Dies war besonders zu Zeiten Salisburys der Fall, mit dem er sich ausgezeichnet verstand (Im Sinne von "verstehen", nicht "total mögen") zentrum der Politik war es aber immer, Frankreich zu isolieren. Er wusste, dass Deutschland Frankreich 1871 herausgefordert hatte. Er wusste auch, dass er einen zweiten Krieg wohl nicht würde gewinnen können. Zumindest konnte er nicht damit rechnen. Bismarck hasste den Krieg weil er den Militärs mißtraute und weil beim Krieg das Ende ungewiss war. Das hatte er wohl von Clausewitz gelernt. Und er wusste, dass er Frankreich nicht zerschlagen konnte. Der Sieg 1871 war das Maximum, mehr wollte er dem Nachbarn nicht zumuten. Und solange Frankreich existierte, würde es auf Rache sinnen. Dies konnte er nicht verhindern indem er es in einem Friedensvertrag verkrüppelte sondern indem er es neben Deutschland alleine stellte. Solange Frankreich keine Verbündeten - insbesondere nicht Russland - hatte, war Deutschland sicher. Denn mit einer Großmacht (England ausgenommen) wäre es immer fertig geworden.

Ob das noch ein anderer als er gekonnt hätte? Sein Sohn, Herbert. Bismarck arbeitete ihn in sein Amt ein, der Kaiser verhinderte die "Dynastie der Kanzler" mit der Berufung Caprivis. Dem ersten der unbegabten Kanzler.

Gangsouter hatte Recht, Bismarcks Politik war sehr auf ihn zugeschnitten, die Verfassung des Reiches war es. Bismarck konnte damit umgehen und hätte man ihn gelassen, er hätte es wohl anderen beigebracht. Wilhelm wollte dies nicht und hat stattdessen gehorsame (Caprivi) oder schwache (Hohenlohe) Präsidenten berufen. Zudem gewann das Auswärtige Amt zu dieser Zeit an Macht gegenüber dem Kanzler. Und plötzlich wurde Deutsche Politik nicht mehr vom Kanzler, sondern von Eulenburg, Tirpitz und Schlieffen erdacht.

Zitat
der engliche Historiker A.J.P.Taylor vertritt in seinem "The Origins of the First World War" ausführlich die These, daß die Eisenbahnfahrpläne das bestimmende Element gewesen seien. Die Aufmaschpläne des Generalstabes seien so detailliert gewesen, daß ab einem gewissen Moment entweder gehandelt oder die Pläne hätten ignoriert werden müssen.



Das ist ein richtiger Punkt der besondere Brisanz bekommt wenn man weiß, wie diese Pläne aufgefasst wurden. Militärs planen immer den letzten Krieg noch einmal. So auch Schlieffen, der eben den Zweifrontenkrieg vorhersah und sich entschied, diesen erst im Westen und dann im Osten zu führen. Dazu marschiertenm seine Armeen auf hunderten Karten durch Belgien. Mut tagesgenauen, teilweise auf die Stunde berechneten Wegpunkten. In Deutschland gab es 1914 keinen anderen Plan (mehr), also griff man auf Schlieffens Plan zurück der in den Jahren zuvor modifiziert und angepasst wurde. Der Grund war der, dass man der festen Überzeugung war, ein sicheres Siegrezept in Händen zu halten. Das war einer der großen Fehlkalkulationen der Vorkriegszeit denn der Plan war mit der Entente und der Weiterentwicklung der Militärtechnik veraltet.

Zitat
Der Automatismus war spätestens mit der russischen Generalmobilmachung im Rollen.



Hier gehen Sie recht milde mit dem Deutschen Reich um. Die Mobilmachung Russlands hätte eine Mobilmachung Deutschlands zur Antwort haben können. Die Kriegserklärung war die nächste Eskalationsstufe.

Zitat
Der Krieg wurde nicht angestrebt, aber die Politik hat ihn riskiert



Nicht ganz. Es gibt, Metaphernsuche, mehrere Bilder. Das schlechteste scheint Wilhelm vor dem Grab: "Ich habe es nicht gewollt". Zynisch und nach Lektüre von Röhl und Wilhelms Aufzeichnungen wie auch die seines Artzes eher dem etwas selstamen Charakter des Kaisers zuzusprechen als einer realistischen Einschätzung.

Hineingeschliddert - um Zettels hessische Übersetzung von Lloyd George angemessen zu würdigen - ist man wohl im damaligen Sinne auch nicht. Die internationalen Beziehungen 1914 waren keine abschüssige Piste auf der sich die Protagonisten überraschend wiederfanden. Sie hatten seit 1900 eine riesigen Berg an Kriegsvorbereitungen getroffen. Sie hatten die Pläne entwickelt, Bündnisse geschmiedet und eine Geheimdiplomatie entwickelt, die inzwischen so unübersichtlich war, dass sie selbst von Zeitgenossen nicht mehr verstanden wurde. Das ist tatsächlich so. Als Haldane zur berühmten Mission in Deutschland war, war der Recihseitlung nicht klar, dass sie dem armen Mann keine englische Neutralitätszusage abringen konnten. Er war schlicht nicht befugt sie zu geben.

Ich halte - und das scheint die Forschungsstand - die Redewenung vom "kalkulierten Risike" in Verbindung mit dem "Sprung ins Dunkel" für treffend. Für Deutschland passt es. Man war bereit Europa an den Rand des Krieges zu bringen weil man glaubte, so andere zum Einlenken zu bewegen. Als man dann unmittelbar vor dem Krieg stand, hat man die Gelegenheit genutzt, nicht wissend, was man damit lostritt. Man war eben der Meinung in zwei schnellen Feldzügen Europa zu beherrschen. Auf diesen Fall hatte man seit Jahren hingearbeitet. Als die Julikrise erstaunlich entspannt verlief, zeigte sich, dass dies für einige nicht nur Pläne waren, es waren Vorhersagen die eingehalten werden mussten. So entschloss sich Moltke seinen Amtskollegen Conrad anzustacheln, so zeigten die Militärs die Vorzüge des Plans auf und betonten, dass dieser nicht mehr ewig funktionieren würde. Deswegn: In der konkreten Situation, 1914, wollte das Duetsche Reich den Krieg und es wollte ihn jetzt, koste es was es wolle. Das war der "Sprung in Dunkel".

vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

26.05.2011 20:48
#106 RE: Konferenzen, Verhandlungen, Diktat Antworten

Zitat
Natürlich ist die Wikipedia nicht unbedingt eine wissenschaftliche Autorität. Wenn Sie bessere Quellen haben, dann würde mich das interessieren.



Ich kenne die Episode nicht anders als so:

http://fkoester.de/kursbuch/unterrichtsmaterial/13_1_19.html

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.095

26.05.2011 22:16
#107 RE: Konferenzen, Verhandlungen, Diktat Antworten

Zitat von vielleichteinlinker
Deswegen viele Anmerkungen in einem Post, da die Mehrzahl hier wohl inzwischen auch im Flat-Modus liest findet sich hoffentlich jeder wieder.


Wenn Sie auf "Diesen Beitrag zitieren" klicken oder dergleichen, dann wird das Zitat in [ quote ] und [ /quote ]-Tags (ohne Leerzeichen) eingeschlossen. Erweitern Sie das [ quote ] zu [ quote="vielleichteinlinker" ], und schon weiß man, wen Sie zitieren.

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

26.05.2011 22:20
#108 RE: Konferenzen, Verhandlungen, Diktat Antworten

Zitat
Ich halte - und das scheint die Forschungsstand - die Redewenung vom "kalkulierten Risike" in Verbindung mit dem "Sprung ins Dunkel" für treffend. Für Deutschland passt es. Man war bereit Europa an den Rand des Krieges zu bringen weil man glaubte, so andere zum Einlenken zu bewegen.



Das "kalkulierte Risiko" hatte ich ja auch gemeint, als ich auf die Schnelle Hildebrandt referiert habe. HIldebrandts Darstellung ist insbesondere im Kontext seiner monumentalen Geschichte der dt. Außenpolitik überzeugend. Ich denke, dass der von Ihnen genannte Ritter nicht mehr so ganz neu auch überholt ist; Ritter ist meiner Erinnerung nach auch eher auf der "Hineingeschliddert"-Schiene unterwegs. Oder sollte ich ihn so falsch in Erinnerung haben?

Zitat
Zumindest nicht bis zum Entscheidenen Punkt: Der Kriegserklärung Deutschlands an Russland und der Generalmobilmachung des Deutschen Heeres. Damit war der Krieg beschlossen - von Deutschland.



Russland hat am 28.7. die Teilmobilmachung befohlen, am 30. Juli die Generalmobilmachung. Es war aus der Situation klar, dass die Generalmobilmachung sich gegen ÖU und D richten würde, Russland also mit einem Krieg mit beiden Nachbarn rechnete. Dass D hier die Einstellung der Mobilmachung forderte und dann die Fortsetzung als feindseligen Akt betrachtete, ist nicht ganz überraschend.

H_W Offline



Beiträge: 456

26.05.2011 22:41
#109 Ah, so ist das Antworten

Zitat von Gorgasal
Erweitern Sie das [ quote ] zu [ quote="vielleichteinlinker" ]



Lieber Gorgasal, vielen Dank für den Tip!

Ich hatte schon mal einige Änderungen im "Quote"-Tag versucht, um den beschriebenen Effekt zu erzielen. Hat aber nicht funktioniert.
Mal wieder was dazugelernt

Gruß, H_W

vielleichteinlinker ( gelöscht )
Beiträge:

27.05.2011 18:52
#110 RE: Konferenzen, Verhandlungen, Diktat Antworten

Zitat von Gangsgouter
Ich denke, dass der von Ihnen genannte Ritter nicht mehr so ganz neu auch überholt ist; Ritter ist meiner Erinnerung nach auch eher auf der "Hineingeschliddert"-Schiene unterwegs. Oder sollte ich ihn so falsch in Erinnerung haben?



Sicher, vielleicht noch etwa weiter. Ich lese bei Ritter immer den Patrioten raus und wenn er sich dem "hineingeschliddert" angeschlossen hätte, dann hätte Ritter noch ein "weil sie keine andere Wahl hatten" angefügt. Sein Umgang mit dem Schlieffenplan war zumindest sehr wohlwollend gegenüber Schlieffen.

lois jane Offline



Beiträge: 662

22.08.2011 21:27
#111 RE: Zettels Meckerecke: Hochhuth, Chomsky, Politik Antworten

Auch wenn der Thread hier schon etwas älter ist, will ich dennoch etwas dazusagen, da ich mich zwischen den Fronten wiederfinde:

Die von Zettel kritisierten Stellungnahmen sind in der Tat auf verschiedene Weisen daneben:

1. Hochhuth widerspricht sich andererseits selbst, wenn er von den dämonisierten USA nun eine Intervention zugunsten eines Einzelnen fordert, andererseits bleibt er seinem Extremismus aus früheren Zeiten treu - man verleiche seine Blindheit für die Konsequenzen einer Intervention mit seinem Vorwürfen gegenüber Pius XII.

2. Chomsky treibt sein altes Spiel: amerikanische Negativa werden hoch-, nicht-amerikanische Negativa heruntergespielt. Das ist sein übliche Modus operandi. Klassisch ist sein Vergleich der Roten Khmer mit dem (von ihm den USA zugerechneten) Wüten des indonesischen Regimes in Ost-Timor.

Und entgegendem, was vielleichteinlinker schreibt, setzt er sehr wohl Bush mit Naziverbrechern gleich. Ginge es nur um Angriffskrieg, hätte er ja auch auf andere Aggressoren verweisen können.

Auch in der Sache der Intellektuellen stimme ich mit Zettel überein. Wobei diese hier kaum eine Wahl haben - das Problem ist nicht, das Intellektuelle sich politisch zu Wort melden, sondern daß ihnen übermäßige Autorität zugeschrieben wird, nur weil sie Intellektuelle sind. Genauso absurd ist es auch, wenn Politikern mit naturwissenschaftlicher Ausbildung ein höheres Maß an "Rationalität" zugeschrieben wird. Auch hier gibt es solche und solche. Beispiele wären Thatcher, Lafontaine, Merkel.

Andererseits sehe ich die Gefahr, hier ins andere Extrem zu verfallen. Vielleichteinlinker kritisiert zu recht, Politik solle man nicht auf moralfreie Macht- und Interessenskämpfe reduzieren. Und Zettel scheint dies oben zu tun, wenn er auch andernorts folgende Kritik ausspricht:

Zitat von Zettel
"Es war ein nicht akzeptables Unrecht" heißt für den Marxisten-Leninisten keineswegs, daß es nicht geschehen mußte. Er denkt nicht in Kategorien von Recht und Unrecht, sondern von Sieg und Niederlage. "Wer wen?", das ist für Kommunisten die alleinige Richtschnur politischen Handelns. (Marginalie: Brief an Castro)



Was für Kommunisten (un)recht ist, sollte auch für alle anderen (un)billig sein.

Auch die Beiträge von Krauthammer halte ich weiß Gott nicht für der politischer Weisheit letzten Schluß.

Was nun den Inhalt von Chomskys Kommentar angeht:

UBLs Schuld und Verantwortung für den 11. September ist recht gut belegt. Meiner Meinung nach, "beyond reasonable doubt". 100%ige Sicherheit wird man nie erlangen. Aber sich in die "UBL ist vielleicht doch unschuldig"-Position drängen läßt, fällt auch einen Trick der anderen Seite herein, denn darum geht es in der Frage nicht, sondern darum, ob UBL vor Gericht gestellt gehört hätte. Und dahingehend hat Chomsky Recht: In Rechtsstaaten hat die Bestrafung von Verbrechern auf einen Prozess zu folgen - Tötung ohne Verfahren ist nur erlaubt, um eine unmittelbare Gefahr auszuschalten (finaler Rettungsschuß) oder Infolge des Widerstands gegen die Verhaftung. Tötung im Krieg ist etwas völlig anderes.

Meine Sympathie für diesen Massenmörder hält sich zwar in Grenzen, doch muß man eine gezielte Tötung - wenn es denn eine war - zumindest auf eine Stufe mit Selbstjustiz stellen.

Heißt man ein solches Vorgehen dennoch gut - v.a. wenn man es generell nur einseitig, zugunsten einer Konfliktpartei tut -, setzt man sich dem Verdacht aus, dass es einem selbst auch nicht um "Kategorien von Recht und Unrecht, sondern von Sieg und Niederlage" geht.

Das Problem Chomskys ist nämlich nicht, daß er Gut und Böse unterscheidet, sondern daß er zwischen den Guten und den Bösen unterscheidet, und diese immer angreift oder in Schutz nimmt, egal was sie tun. Und die USA sind bei ihm immer die Bösen - oder besser gesagt: die "Auch-Bösen". Diese Haltung - wie die vieler Linker dieser Generation - entstand nämlich in Abwehr gegen die im Kalten Krieg verbreitete Meinung, die USA seien die Guten (zutreffend) und daher sei alles, was sie täten, gut (definitiv nicht zutreffend). Leute wie Chomsky fingen daher zuerst an, amerikanische Aktionen als genauso schlimm wie die der anderen zu beurteilen. Irgendwann aber kippte das ganze um. Es ist gewissermaßen eine pervertierte Version des "Ziehe zuerst den Balken aus deinem Auge ..."

Kein Kommentar!

Hurz Offline



Beiträge: 96

23.08.2011 21:38
#112 Mein heutiges ja-das-stimmt-Erlebnis. Antworten

Zitat von lois jane
Das Problem Chomskys ist nämlich nicht, daß er Gut und Böse unterscheidet, sondern daß er zwischen den Guten und den Bösen unterscheidet, und diese immer angreift oder in Schutz nimmt, egal was sie tun. Und die USA sind bei ihm immer die Bösen - oder besser gesagt: die "Auch-Bösen". Diese Haltung - wie die vieler Linker dieser Generation - entstand nämlich in Abwehr gegen die im Kalten Krieg verbreitete Meinung, die USA seien die Guten (zutreffend) und daher sei alles, was sie täten, gut (definitiv nicht zutreffend). Leute wie Chomsky fingen daher zuerst an, amerikanische Aktionen als genauso schlimm wie die der anderen zu beurteilen. Irgendwann aber kippte das ganze um. Es ist gewissermaßen eine pervertierte Version des "Ziehe zuerst den Balken aus deinem Auge ..."



Exzellente Analyse! Danke dafür.

Hurz

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