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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 116 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Kallias Offline




Beiträge: 2.310

02.07.2011 14:17
Schreiben mit Schwung Antworten

Die neueste schulpolitische Aufregung, diesmal um die Einführung einer neuen Ausgangsschreibschrift an den Grundschulen in Hamburg, wirft aus meiner Sicht die Frage auf: warum nicht gleich Steno lehren?

DrNick Offline




Beiträge: 809

02.07.2011 15:01
#2 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Kallias
Die neueste schulpolitische Aufregung, diesmal um die Einführung einer neuen Ausgangsschreibschrift an den Grundschulen in Hamburg, wirft aus meiner Sicht die Frage auf: warum nicht gleich Steno lehren?



Steno könnte man eigentlich nur als Ergänzung lehren, denn für das Ausfüllen von Formularen o.ä. braucht man noch eine "normale" Schrift. Zudem ist es wahrscheinlich nicht ganz einfach, Steno einzuüben, wenn man nicht bereits eine Schreibschrift beherrscht.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

02.07.2011 15:26
#3 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Soweit ich das Prinzip von Steno verstanden habe, ist es doch, dass Silben oder ganze Wörter durch einfachere "Zeichen" dargestellt werden. Aber gerade hier kommt es ja dann auf besondere Präzision an, damit die Eindeutigkeit für das Lesen und die Lesbarkeit gewahrt bleibt.

Das Problem bei den Schülern heute ist aus meiner Sicht, dass viele sehr unmotorisch schreiben, was zu einem oft kaum lesbaren Schriftbild führt.

Die Lese- und Schreibdidaktik ist aus meiner Sicht in doppelter Hinsicht verfehlt. Das Lesen und Schreiben wird heute oft nach der Methode "Sommer-Stumpenhorst" oder ähnlichen Methoden vermittelt (sogenanntes "Schreiben durch Lesen"): Die Schüler erhalten sogenannte Anlauttabellen, mit deren Hilfe sie sich Wörter selbst zusammenbuchstabieren dürfen und dann auch direkt schreiben. Da die Methode vom Lesen ausgeht, das nun mal in der Regel Druckbuchstaben zur Vorlage hat, beginnen die Kinder logischerweise auch damit, Druckbuchstaben zu schreiben.

Dabei gehört es zum Prinzip, dass im ersten und zweiten Schuljahr die Schüler in der Rechtschreibung nicht korrigiert werden; sie sollen so schreiben, wie sie es hören. Man will den lieben KLeinen nämlich nicht die Freude am Schreiben verderben. Das böse Erwachen kommt dann erst in Klasse 3, wenn es dann plötzlich doch richtige und falsche Schreibungen gibt, und vor allem an der weiterführenden Schule, wenn es dann in der Rechtschreibung Fünfen hagelt. In Klasse 5 ist die Rechtschreibung katastrophal und wird immer schlechter. Aufsätze mit 20 Fehlern auf 100 Wörter sind keine Seltenheit, was ich auf diese verfehlte Schreibdidaktik zurückführe, etwa Schreibungen wie "Schtein" - wie in der 1. Klasse setzt der Schüler zusammen: "Ich brauche ein "sch", ein "t" ...".

Als ich schreiben gelernt habe, haben wir erst wochenlang Schleifen und Kreise etc. "schreiben" müssen, um die Hand motorisch auszubilden. Heute schreiben die Kinder direkt drauflos, und vielen fehlt die zum SChreiben notwendige Lockerheit in der Hand. Die Druckbuchstaben werden z.T. mit viel zu großem Druck geradezu ins Heft "eingraviert", es fehlt die notwendige Lockerheit in der Hand, mit den Füller rasch übers Papier gleiten zu lassen.

Rund 2/3 meiner Schüler schreiben tendenziell Druckschrift, die sie als erstes gelernt haben, und sind damit deutlich langsamer als diejenigen, die die Schreibschrift beherrschen. Das in der Druckschrift nötige mehrfach An- und Absetzen kostet viel Zeit.

Ich sehe außerdem einen engen Zusammenhang zwischen verwendeter SChrift, Rechtschreibleistung und Inhalt: In der Mittelstufe und Oberstufe gibt es m.E. eine auffällige KOrrelation zwischen Schreibschrift - viel Text in Klassenarbeiten - wenigen Rechtschreibfehlern - inhaltlich guten Leistungen und Druckschrift - auffällig weniger Text - mehr Fehlern - z.T. inhaltlich schlechteren Leistungen.

Mir fällt unter meinen aktuellen Schülern bis Kl. 13 keiner ein, der inhaltlich im guten und sehr guten Bereich ist und Druckschrift schriebe.

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

02.07.2011 15:35
#4 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von DrNick
Steno könnte man eigentlich nur als Ergänzung lehren, denn für das Ausfüllen von Formularen o.ä. braucht man noch eine "normale" Schrift. Zudem ist es wahrscheinlich nicht ganz einfach, Steno einzuüben, wenn man nicht bereits eine Schreibschrift beherrscht.

Für Formulare eignet sich die Druckschrift bestens, die ja ohnehin als erstes gelernt wird. Dabei lernt das Kind, kleine gerade Striche und Bögen zu zeichnen, womit es bereits auf die Stenographie vorbereitet wird. Die einzige Komplikation ist die wechselnde Strichdicke, die bei der (deutschen) Kurzschrift von Bedeutung ist. Auf die bereitet allerdings keine der verbundenen Schreibschriften vor.

Neben der Druckschrift braucht man keine zusätzliche Langschrift, das ist mein Argument. Die Kurzschrift als Ergänzung zur Druckschrit ist aber sinnvoll.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

02.07.2011 15:59
#5 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat
Dabei lernt das Kind, kleine gerade Striche und Bögen zu zeichnen



Das Kind lernt gar nichts. Es macht einfach drauf los. Deswegen ist die Druckschrift von Kindern, die keine Schreibschrift gelernt haben, so eine einzige Katastrophe.

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

02.07.2011 16:09
#6 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Gansguoter
Soweit ich das Prinzip von Steno verstanden habe, ist es doch, dass Silben oder ganze Wörter durch einfachere "Zeichen" dargestellt werden. Aber gerade hier kommt es ja dann auf besondere Präzision an, damit die Eindeutigkeit für das Lesen und die Lesbarkeit gewahrt bleibt.

Weniger bei den Wortzeichen, weil die sich paarweise deutlich voneinander unterscheiden. Präzision ist nötig bei der Zeilenführung, da eine halbe Zeile höher bzw. niedriger zu schreiben die Bedeutung ändert, außerdem beim Aufdrücken, da dickere Striche ebenfalls eine andere Bedeutung als die dünnen haben (man deutet auf diese Weise die Vokale an).

Zitat von Gansguoter
Das Problem bei den Schülern heute ist aus meiner Sicht, dass viele sehr unmotorisch schreiben, was zu einem oft kaum lesbaren Schriftbild führt.

Steno trainiert die Feinmotorik ebenso sehr wie die Ausgangsschriften, vermute ich mal, gerade wegen der Präzisionsanforderungen dabei.

Zitat von Gansguoter
Die Lese- und Schreibdidaktik ist aus meiner Sicht in doppelter Hinsicht verfehlt. Das Lesen und Schreiben wird heute oft nach der Methode "Sommer-Stumpenhorst" oder ähnlichen Methoden vermittelt (sogenanntes "Schreiben durch Lesen"): Die Schüler erhalten sogenannte Anlauttabellen, mit deren Hilfe sie sich Wörter selbst zusammenbuchstabieren dürfen und dann auch direkt schreiben.

Ich habe läuten gehört, daß die alte Ganzheitsmethode im allgemeinen bessere Ergebnisse bringt als dieses Zusammensetzen von Buchstaben, außer bei Legasthenikern, wo es sich umgekehrt verhält. Stimmt das?

Zitat von Gansguoter
Dabei gehört es zum Prinzip, dass im ersten und zweiten Schuljahr die Schüler in der Rechtschreibung nicht korrigiert werden; sie sollen so schreiben, wie sie es hören. Man will den lieben KLeinen nämlich nicht die Freude am Schreiben verderben. (...) Aufsätze mit 20 Fehlern auf 100 Wörter sind keine Seltenheit, was ich auf diese verfehlte Schreibdidaktik zurückführe, etwa Schreibungen wie "Schtein" - wie in der 1. Klasse setzt der Schüler zusammen: "Ich brauche ein "sch", ein "t" ...".

Das klingt nach einer verfehlten Lehrmethode, ist aber wie mit scheint unabhängig von der Wahl der Erstschrift.

Zitat von Gansguoter
Als ich schreiben gelernt habe, haben wir erst wochenlang Schleifen und Kreise etc. "schreiben" müssen, um die Hand motorisch auszubilden.

Ich erinnere mich; wir lernten dabei so faszinierend exotische Vokabeln wie "Girlande" und "Arkade". Hach! Solche tollen Wörter gibt es bei den Großen.

Zitat von Gansguoter
Ich sehe außerdem einen engen Zusammenhang zwischen verwendeter SChrift, Rechtschreibleistung und Inhalt: In der Mittelstufe und Oberstufe gibt es m.E. eine auffällige KOrrelation zwischen Schreibschrift - viel Text in Klassenarbeiten - wenigen Rechtschreibfehlern - inhaltlich guten Leistungen und Druckschrift - auffällig weniger Text - mehr Fehlern - z.T. inhaltlich schlechteren Leistungen.

Das klingt so, als würde das langsame Schreiben (mit Druckbuchstaben) das Nachdenken behindern. Daher wäre zu erwarten, daß die Leistungen der Stenoschreiber noch besser als die der Schreibschriftverwender wären.


Herzliche Grüße,
Kallias

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

02.07.2011 16:26
#7 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat
Präzision ist nötig bei der Zeilenführung, da eine halbe Zeile höher bzw. niedriger zu schreiben die Bedeutung ändert, außerdem beim Aufdrücken, da dickere Striche ebenfalls eine andere Bedeutung als die dünnen haben (man deutet auf diese Weise die Vokale an).



Die Kinder sind aber oft schon bei Druckbuchstaben nicht in der Lage zu unterscheiden zwischen Buchstaben in der Mittelzone (n, o, a), mit Oberlänge (b, t, d), mit Unterlänge (g) oder beidem (SChreibschrift-f). Sie sind motorisch in Kl.1 und 2 nicht vorbereitet worden, sowohl locker als auch präzise zu schreiben.

Steno ist ja nicht zum Schreibenlernen geeignet, sondern erst dann, wenn man grundsätzlich schreiben kann, und zwar sicher schreiben kann. Wenn aber Kinder in Kl. 1 und 2 nicht gelernt haben, Höhen einzuhalten, Schriftstärken zu variieren etc., wie sollen sie dann Steno lernen können? Ich bin überzeugt, dass die sichere Beherrschung einer SChreibschrift Voraussetzung ist für das ERlernen von Steno.

Ich fürchte, dass auch die katastrophale Rechtschreibung dem Erlernen von Steno hinderlich ist.

Zitat
Steno trainiert die Feinmotorik ebenso sehr wie die Ausgangsschriften, vermute ich mal, gerade wegen der Präzisionsanforderungen dabei.



Ich vermute, dass Steno ein geduldiges, sehr geduldiges Training immer gleicher Formen etc. verlangt. Wie sollen Kinder Steno lernen, wenn die Lehrer es nicht schaffen, ihnen die Geduld abzuverlangen, die normalen Buchstaben halbwegs sauber und lesbar zu schreiben?

Dass die Kenntnis von Steno praktisch wäre, steht auf einem anderen Blatt.

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

02.07.2011 16:55
#8 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Gansguoter
Steno ist ja nicht zum Schreibenlernen geeignet, sondern erst dann, wenn man grundsätzlich schreiben kann, und zwar sicher schreiben kann.

Woher wissen Sie das, lieber Gansguoter? Mir kommt das prima facie ganz unplausibel vor: die unterschiedlichsten Schriften eignen sich zum Schreibenlernen - Lateinisch, Arabisch, Chinesisch, Urdu, Koreanisch usw. Weshalb ausgerechnet die Deutsche Einheitskurzschrift nicht?

Zitat von Gansguoter
Wenn aber Kinder in Kl. 1 und 2 nicht gelernt haben, Höhen einzuhalten, Schriftstärken zu variieren etc., wie sollen sie dann Steno lernen können? Ich bin überzeugt, dass die sichere Beherrschung einer SChreibschrift Voraussetzung ist für das ERlernen von Steno.

So weit ich weiß (und ich bin ein Kenner der Grundschuldidaktik seit anderthalb Tagen) wird das an den Schulen sehr unterschiedlich gehandhabt; ich konnte jedoch öfter lesen, daß die verbundene Schrift ab Ostern in der 1. Klasse gelernt wird oder wurde. Und so sieht mein Vorschlag aus: von Schulbeginn 1. Klasse bis Ostern Druckschrift, dann Kurzschrift inkl. dem erforderlichen Training der Bögen, Wendepunkte, Schlaufen u. dgl.

Zitat von Gansguoter
Ich vermute, dass Steno ein geduldiges, sehr geduldiges Training immer gleicher Formen etc. verlangt. Wie sollen Kinder Steno lernen, wenn die Lehrer es nicht schaffen, ihnen die Geduld abzuverlangen, die normalen Buchstaben halbwegs sauber und lesbar zu schreiben?

Ohne Geduld kann man doch überhaupt nichts lernen. Also ist Geduld das erste, was Kinder lernen müssten, scheint mir. So wie wir auf der Volksschule mit viel unangenehmen Üben die Schnörkel der lateinischen Ausgangsschrift gelernt haben, nur um sie später wieder fallenzulassen. Mein Gedanke ist der, durchaus wieder Schnörkel fleißig zu üben, aber nur solche, die man später beibehalten möchte.

Viele Grüße,
Kallias

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

02.07.2011 16:58
#9 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat
Weshalb ausgerechnet die Deutsche Einheitskurzschrift nicht?



Weil in Deutschland seit ca. 1200 Jahren die lateinische Buchstabenschrift üblich ist und im Alltag dominiert. Auf dem PC schreibt man auch keine Kurzschrift. Die SChüler sind noch bis ins Gymnasium beschäftigt, überhaupt (recht-)schreiben zu lernen. Da kann man nicht zwei Systeme parallel lernen und lehren. Denn es sind ja zwei ganz unterschiedliche Systeme.

Loki Offline



Beiträge: 128

02.07.2011 17:10
#10 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Gansguoter
Weil in Deutschland seit ca. 1200 Jahren die lateinische Buchstabenschrift üblich ist und im Alltag dominiert. Auf dem PC schreibt man auch keine Kurzschrift.



Ein direkter Einfluß der Schreibgewohnheiten der vergangenen 1200 Jahre auf die Lernfähigkeiten von Grundschülern scheint mir unwahrscheinlich. Und im Alltag sowie auf dem PC dominiert ebenso wie in der Geschichte die Druckschrift, die sie ja ohnehin lernen sollen.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

02.07.2011 17:22
#11 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Loki
Ein direkter Einfluß der Schreibgewohnheiten der vergangenen 1200 Jahre auf die Lernfähigkeiten von Grundschülern scheint mir unwahrscheinlich. Und im Alltag sowie auf dem PC dominiert ebenso wie in der Geschichte die Druckschrift, die sie ja ohnehin lernen sollen.



Aber in Druckschrift kann man nicht flüssig schreiben. Üblicherweise schreibt man doch als Schüler zuerst das Konzept eines Aufsatzes und dann die Reinschrift. Wir haben das Konzept meist mit Bleistift geschrieben, die Reinschrift mit dem Füllhalter. Beides hätte in Druckschrift viel zu viel Zeit beansprucht. Ich kann mir auch bis heute nicht vorstellen, ein Diktat in Druckschrift zu schreiben. Es wurde hier schon erwähnt: Wer eine ordentliche Schreibschrift beherrscht, der bringt auch eine lesbare Druckschrift auf das Papier.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

02.07.2011 17:23
#12 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Nicht der Schreibgewohnheiten. Aber in Europa werden nun einmal Buchstabenschriften und nicht Silbenschriften benutzt. Daher halte ich es für unumgänglich, dass Schüler Buchstabenschriften erlernen, und dies exakt und genau und fehlerfrei. Die deutsche Buchstabenschrift zu beherrschen bedeutet, das Prinzip zu beherrschen, nachdem auch im Englischen, Französischen etc. geschrieben wird. Die Laut-Buchstaben-Zuordnungen sind andere, aber ads Prinzip Laut --> Buchstabe --> Laut ist dasselbe. Die deutsche Kurzschrift zu beherrschen bringt a) für das Erlernen von Fremdsprachen genau null Vorteil oder HIlfe; b) bringt im Alltag auch eher wenig. Ich habe noch NIE im Alltag mit Kurzschrift zu tun gehabt.

Die Grundschule schafft es nicht, den Schülern insgesamt bis Ende Klasse 4 eine sichere Rechtschreibung und saubere Handschrift beizubringen. Wie sollte sie dann ein komplett anderes System vermitteln können?

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

02.07.2011 17:24
#13 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat
Ich kann mir auch bis heute nicht vorstellen, ein Diktat in Druckschrift zu schreiben.



Viele Schüler machen es - mit der Folge, dass sie sehr unleserlich schreiben, weil das Diktat ein gewisses Tempo hat, für das eine Druckschrift aber nicht geeignet ist. Und ein Diktat in Kurzschrift würde den Sinn des Diktats zunichte machen, die Übung in der Rechtschreibung.

Rechtschreibung ist heute DAS Problem. Das würde durch Kurzschrift nicht gelöst!

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

02.07.2011 17:37
#14 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Gansguoter
Weil in Deutschland seit ca. 1200 Jahren die lateinische Buchstabenschrift üblich ist und im Alltag dominiert.

Der Vorrang der Druckschrift ist ja Folge davon, daß immer weniger von Hand geschrieben wird. Am PC verwendet man Druckbuchstaben, keine verbundene Schrift. Formulare füllt man in Druckschrift aus. Für kurze Notizen ("Bin einkaufen") eignet sich die Druckschrift gut. Private Briefe werden kaum noch von Hand geschrieben. Sie sehen: die lateinische Buchstabenschrift dominiert den Alltag so oder so, ob man nun die Ausgangsschrift oder die Kurzschrift daneben lernt. Nur an der Schule und der Uni wird noch in größerem Umfang handschriftlich notiert. Warum nicht das dafür bestgeeignete System lernen? Den Vorrang der lateinischen Schrift stellt das nicht in Frage.

(Ich bin mir auch nicht sicher, ob Sie recht haben mit dem Wörtchen "seit": die wenigsten Leser der gedruckten lateinischen Buchstabenschrift können die gedruckte Sütterlinschrift lesen. So ganz konstant ist die Dominanz der lateinischen Schrift in Deutschland nicht gewesen.)

Zitat von Gansguoter
Auf dem PC schreibt man auch keine Kurzschrift. Die SChüler sind noch bis ins Gymnasium beschäftigt, überhaupt (recht-)schreiben zu lernen. Da kann man nicht zwei Systeme parallel lernen und lehren. Denn es sind ja zwei ganz unterschiedliche Systeme.

Auf einer Tastatur zu tippen und verbunden zu schreiben sind ebenfalls zwei ganz unterschiedliche Systeme. Wer Handschrift für weitgehend überflüssig hält, kann so argumentieren wie Sie. ("Notfalls Druckbuchstaben schreiben, parallele Systeme zu lernen ist schlecht" - gerade so argumentieren die Verfechter der "Grundschrift"!)

Wenn aber eine Handschrift zu lernen einen Wert hat, dann hat man es auf jeden Fall mit zwei unterschiedlichen Systemen zu tun und dann kann das zweite System auch die Kurzschrift sein.

Herzliche Grüße,
Kallias

Loki Offline



Beiträge: 128

02.07.2011 17:49
#15 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Gansguoter
Die deutsche Buchstabenschrift zu beherrschen bedeutet, das Prinzip zu beherrschen, nachdem auch im Englischen, Französischen etc. geschrieben wird. Die Laut-Buchstaben-Zuordnungen sind andere, aber ads Prinzip Laut --> Buchstabe --> Laut ist dasselbe.



Wobei dieses Prinzip allerdings gerade im Englischen und auch im Deutschen Löcher so groß wie die Müritz hat. Im Französischen ist die Korrespondenz [edit: Schreibung --> Lautung] dagegen recht eindeutig, die Umkehrung hingegen, nun ja.
Daß allerdings die Kurzschrift nicht dazu beitragen kann, die Rechtschreibung zu üben, ist natürlich richtig. Diktate ließen sich allerdings auch tippen, was heutzutage ohnehin die wohl am häufigsten verwendete Schreibvariante sein dürfte. Unterricht im Maschinenschreiben schon in der Grundschule scheint mir eine noch weitaus sinnvollere Forderung als die nach Stenounterricht zu sein.

Zitat von Gansguoter
Die deutsche Kurzschrift zu beherrschen bringt a) für das Erlernen von Fremdsprachen genau null Vorteil oder HIlfe;



Bringt diesen Vorteil denn nachweislich das Erlernen der üblichen Schreibschrift, und wie groß ist er? Und welche Bedeutung sollte dieser Vorteil für die in Frage stehende Entscheidung haben? Es ist ja nun nicht das Hauptziel, wenn man Deutsch schreiben lernt, irgendwann Französisch schreiben zu lernen.

Zitat von Gansguoter
b) bringt im Alltag auch eher wenig. Ich habe noch NIE im Alltag mit Kurzschrift zu tun gehabt.



Das überrascht nicht, ist aber ein Argument aus dem status quo heraus. Die Zustände hätten sich, würde Steno Unterrichtsschrift, möglicherweise in ein bis zwei Generationen stark verändert.

Zitat von Gansguoter
Die Grundschule schafft es nicht, den Schülern insgesamt bis Ende Klasse 4 eine sichere Rechtschreibung und saubere Handschrift beizubringen. Wie sollte sie dann ein komplett anderes System vermitteln können?



Seien wir realistisch: Steno wird ohnehin niemals Unterrichtsschrift werden. Das sieht Kallias sicherlich auch nicht anders. Die Absicht seines Artikels sehe ich weniger darin, zu sagen, was realistisch wäre und wie man da hinkommt, sondern darin, zu sagen was wünschenswert wäre. Daß besserer Grundschulunterricht allemal wünschenswert wäre, darf man wohl als gegeben voraussetzen.

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

02.07.2011 18:10
#16 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Gansguoter
Viele Schüler machen es - mit der Folge, dass sie sehr unleserlich schreiben, weil das Diktat ein gewisses Tempo hat, für das eine Druckschrift aber nicht geeignet ist. Und ein Diktat in Kurzschrift würde den Sinn des Diktats zunichte machen, die Übung in der Rechtschreibung.

Rechtschreibung ist heute DAS Problem. Das würde durch Kurzschrift nicht gelöst!

Wenn Rechtschreibung DAS Problem ist (und nicht Schreibgeschwindigkeit), kann man dann nicht einfach langsamer diktieren, damit die Druckschriftschreiber mitkommen?

Es gibt ferner auch andere Möglichkeiten, die Rechtschreibung zu üben als das Diktat. [duck]

Drittens dürfte sich auch die Kurzschrift dafür eignen. Z.B. Ihr obiges Beispiel "Schtein": in der Kurzschrift gibt es unterschiedliche Kürzel für "st" und "sch", daher kann man leicht erkennen, ob der Schüler die richtige Schreibung weiß. Zudem muß man ja in der Kurzschrift die Wort- und Silbenkürzel nicht verwenden: man kann in Kurzschrift die Druckschrift 1:1 transliterieren. (Das ist z.B. für Eigennamen oder dem Schreiber unbekannte Wörter notwendig.)

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

02.07.2011 18:43
#17 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Loki
Unterricht im Maschinenschreiben schon in der Grundschule scheint mir eine noch weitaus sinnvollere Forderung als die nach Stenounterricht zu sein.

Ich vermute, daß die Bedeutung der Handschrift in Zukunft wieder wachsen wird. Die fürchterlich umständliche indirekte Bedienung der Computer per Tastatur und Maus/Trackpad dürfte in Zukunft weitgehend verschwinden und die Leute werden das direkte Kritzeln auf dem Bildschirm bevorzugen. Dann schlägt auch wieder die Stunde der Stenographie! Daher bin ich etwas skeptisch was den Wert des Maschinenschreibens mit 10-Finger-System betrifft.

Zitat von Loki
Seien wir realisitisch: Steno wird ohnehin niemals Unterrichtsschrift werden. Das sieht Kallias sicherlich auch nicht anders.

Damit haben Sie leider recht, liebe(r) Loki.

Zitat von Loki
Die Frage seines Artikels sehe ich weniger darin, zu sagen, was realistisch wäre und wie man da hinkommt, sondern darin, zu sagen was wünschenswert wäre.

Eigenartigerweise ist es so: wenn man alle guten, d.h. mir einleuchtenden Argumente zusammennimmt, die der Konservativen (Schreibschrift übt die Feinmotorik, Lesbarkeit bedarf der Normierung, verbundene Schrift schreibt sich schneller usw.) und der Reformer (Schüler lernen Schnörkel die sie als Erwachsene wieder weglassen; Druckschriftbuchstaben als erstes zu lernen ist vorteilhaft u.a.), dann ist Steno die perfekte Lösung für eine motorisch anspruchsvolle und zugleich nützliche Zweitschrift nach der Druckschrift. Man müsste sich nur von der Etikettierung der Stenographie als obsolete Qualifikation von Sekretärinnen lösen.

Zitat von Loki
Daß besserer Grundschulunterricht allemal wünschenswert wäre, darf man wohl als gegeben voraussetzen.

Sehr richtig. Jede Niveauerhöhung muß bei den Kleinen beginnen.

Herzliche Grüße,
Kallias

hubersn Offline



Beiträge: 1.342

02.07.2011 19:01
#18 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Kallias
Ich vermute, daß die Bedeutung der Handschrift in Zukunft wieder wachsen wird. Die fürchterlich umständliche indirekte Bedienung der Computer per Tastatur und Maus/Trackpad dürfte in Zukunft weitgehend verschwinden und die Leute werden das direkte Kritzeln auf dem Bildschirm bevorzugen. Dann schlägt auch wieder die Stunde der Stenographie! Daher bin ich etwas skeptisch was den Wert des Maschinenschreibens mit 10-Finger-System betrifft.



Lieber Kallias,

ich hingegen bin mir ziemlich sicher, dass Schreiben in relevanten Größenordnungen (und das inkludiert selbst eine SMS oder EMail) weiterhin mit Tastatur geschieht. Tippen ist einfach deutlich schneller und bequemer als Handschrift, selbst mit dem Zwei-Finger-System. Heutzutage wäre die Handschrifterkennung CPU-technisch gut zu leisten (man erinnere sich an die frühen, grausam schlechten Versuche wie z.B. in Apples Newton), aber trotzdem verwenden die Touchscreen-Geräte Bildschirmtastaturen, und besonders bei Mobiltelefonen sind die ausfahrbaren Minitastaturen wieder im Kommen.

Eventuell könnte es später ergänzt werden durch Spracheingabe - allerdings ist dort das Thema "Korrektur" ganz schwierig. Ähnlich wie bei der Handschrifterkennung übrigens.

Und um nochmal auf die Schulsituation zurückzukommen: meines Erachtens gibt es keinen vernünftigen Grund, warum Diktate unbedingt geschrieben werden müssen. Tippen wäre viel sinnvoller. Natürlich erst, nachdem die einzig sinnvolle Handschrift beherrscht wird: die Druckschrift. Demzufolge halte ich auch Ihre Stenoidee für überflüssig - der würde ich nur zustimmen, wenn es denn unbedingt eine zweite Schrift sein *muss*. Ich kenne aber keinen Grund, warum das so sein sollte.

Gruß,
hubersn

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.07.2011 19:05
#19 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Kallias
Neben der Druckschrift braucht man keine zusätzliche Langschrift, das ist mein Argument. Die Kurzschrift als Ergänzung zur Druckschrit ist aber sinnvoll.

Auf den ersten Blick eine bestechende Idee. Es dürfte aber einige Schwierigkeiten geben:

Was machen diejenigen, die keine Kurzschrift können, wenn sie mit solchen Dokumenten konfrontiert werden? Selbst wenn man die Kurzschrift ab jetzt beim Schreibunterricht lehren würde, wäre sie doch das Geheimnis nur dieser Kohorten, plus einer kleinen, aussterbenden Schar von Stenotypistinnen u.ä. (siehe 12 senkrecht im aktuellen Kreuzworträtsel der "Zeit" ).

Weiter: Ich hatte eine Sekretärin, die noch perfekt Steno gelernt hatte, es aber praktisch nicht mehr benutzte, denn sie schrieb vom Band in die Maschine. Sie sagte mir, daß jeder, der gut Steno kann, seine eigene Variante entwickelt, so daß man die Aufzeichnungen Anderer kaum lesen kann.

Der dritte und meines Erachtens entscheidende Punkt wurde schon erwähnt: Kurzschrift ist nichts anderes als die Beseitigung von Redundanz. Das bedeutet, daß Fehler weniger tolerierbar sind.

Disön Txt kenn Si vrstehnn veil dii nommale Srifft redundandis. Bei Kurzschrift geht das nicht. Jedenfalls habe ich mir das so erklären lassen.

Herzlich, Zettels

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

02.07.2011 19:18
#20 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Zettel
Weiter: Ich hatte eine Sekretärin, die noch perfekt Steno gelernt hatte, es aber praktisch nicht mehr benutzte, denn sie schrieb vom Band in die Maschine. Sie sagte mir, daß jeder, der gut Steno kann, seine eigene Variante entwickelt, so daß man die Aufzeichnungen Anderer kaum lesen kann.

Kann ich bestätigen. Mein ehemaliger Chef pflegte bei brisanten Meetings seine Notizen zu stenographieren, damit sie kein anderer lesen kann

Gruß Petz

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

02.07.2011 19:44
#21 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Zettel
Sie sagte mir, daß jeder, der gut Steno kann, seine eigene Variante entwickelt, so daß man die Aufzeichnungen Anderer kaum lesen kann.


Ja, so hat es mir eine Cousine (Chefsekretärin) auch mal erklärt. Sie hatte mir mal beigebracht meinen Namen in Steno zu schreiben, und diese Schnörkelei hatte mit Schrift rein gar nichts mehr zu tun.
Wenn die Schüler also nur Druckschrift und Kurzschrift lernen würden, dann wären das zwei komplett verschiedene Paar Schuhe. Man müsste sozusagen zwei Schriften lernen.
Dagegen ist die Schreibschrift - egal wie sie sich letztendlich ausformt - am Ende nur eine fließende Art, schon bekannte Druckbuchstaben zu Papier zu bringen. Eben keine zweite Schrift.

Mich würde aber mal interessieren ob es überhaupt eine moderne Schriftsprache gibt, die ohne jegliche Schreibschrift auskommt. Also Kyrillisch mussten wir jedenfalls in Schreibschrift lernen, was allerdings irgendwie auch nicht so wild war.

Mit über die Tastatur "gleitenden" 7 Fingern auch schreiben könnend ... Calimero

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Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

02.07.2011 19:51
#22 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Zettel
Selbst wenn man die Kurzschrift ab jetzt beim Schreibunterricht lehren würde, wäre sie doch das Geheimnis nur dieser Kohorten, plus einer kleinen, aussterbenden Schar von Stenotypistinnen u.ä. (siehe 12 senkrecht im aktuellen Kreuzworträtsel der "Zeit" ).

Das dürfte diese Kohorten mächtig motivieren! Wie Loki richtig anmerkte, sind die praktischen Verwirklichungsaussichten meines Vorschlages eher schlecht. Falls ich aber mit meiner Prognose, der hubersn schon widersprochen hat, trotzdem recht behalte und Steno in einigen Jahren der angesagte Hype bei den Gadget-Usern wird: dann würde es nicht mehr ganz so schlecht aussehen. Dann sehen die Illiteraten eben alt aus.

Zitat von Zettel
Weiter: Ich hatte eine Sekretärin, die noch perfekt Steno gelernt hatte, es aber praktisch nicht mehr benutzte, denn sie schrieb vom Band in die Maschine. Sie sagte mir, daß jeder, der gut Steno kann, seine eigene Variante entwickelt, so daß man die Aufzeichnungen Anderer kaum lesen kann.

Steno hat drei Stufen: Verkehrsschrift, Eilschrift und Redeschrift. Erst auf der Stufe der Eilschrift werden meines Wissens persönliche Kürzel eingesetzt. Für Notate, etwa die Mitschrift bei Vorlesungen, reicht die Verkehrsschrift, da es dabei ja nicht um wörtliche Protokollierung geht. Wenn man weiß, daß man für andere schreibt, kann man sowieso die erste Stufe verwenden.

Man schreibt handschriftlich ja fast nur noch für sich selbst. Für andere schreibt man entweder mit einer Tastatur oder in Druckbuchstaben (Formulare oder Hinweiszettel à la "Komme gleich wieder"). Steno-Fans behaupten, sie könnten ihre jahrzehntealten Vorlesungsnotate immer noch problemlos lesen. (Was ich von meinen langschriftlichen nicht behaupten kann. )

Zitat von Zettel
Kurzschrift ist nichts anderes als die Beseitigung von Redundanz.

Es wird z.T. mit Reduktion der Redundanz gearbeitet, z.B. gibt es keine Großbuchstaben. (Wenn man möchte oder muß, kann man sie aber durch Unterstreichung andeuten.)

Dennoch stimmt es nicht, daß nur Redundanz beseitigt wird. Erstens wird die Hoch- und Tiefstellung von Buchstaben verwendet, d.h. die zweite Dimension wird zur Informationsspeicherung benutzt (es geht viel schneller, den nächsten Konsonanten eine halbe Zeile höher zu schreiben und ihm damit ein i voranzustellen, als dieses i direkt auszuschreiben). Zweitens verwendet die Buchstabenschrift nur etwa 60 (oder so) verschiedene Zeichen, es gibt aber wesentlich mehr klar unterscheidbare mögliche Schriftzeichen. Damit erhöht sich die Informationsdichte, ohne daß Redundanz beseitigt wird. Drittens wird eine Art Huffman-Codierung eingesetzt, d.h. häufige Zeichenkombinationen werden durch einfache Krakel ersetzt, wodurch sich die Redundanz sich nicht ändert, wie mir scheint. (Oder die Redundanz wird nur in dem Sinn verringert, daß mehr Information zerstört wird, falls jemand ein Loch in das Papier macht, nicht aber in dem Sinn, daß man mehr aus dem Zusammenhang erraten muß.)

Herzliche Grüße,
Kallias

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

02.07.2011 19:53
#23 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat von Calimero
Mit über die Tastatur "gleitenden" 7 Fingern auch schreiben könnend ... Calimero

Dazu eine Beobachtung, lieber Calimero, da Sie ja auch gerade etwas zum Kindle geschrieben haben:

Ich schreibe am PC und Netbook schlecht und recht in einem unordentlichen Soundsovielfingersystem. Ziemlich schnell, aber fehleranfällig.

Immerhin ist das soweit automatisiert, daß ich nicht bewußt eine bestimmte Taste aussuche. Wie die meisten, die so weit gekommen sind, weiß ich gar nicht auf Anhieb zu sagen, wo welche Taste überhaupt ist. Das Wissen ist prozedural gespeichert (ich kann es nutzen), aber nicht deklarativ (ich kann es nicht explizit formulieren).

Die Tastatur des Kindle nun bediene ich mit den beiden Daumen. Die Bewegungen sind also völlig anders als beim Tippen auf der PC-Tastatur. Trotzdem finden die Daumen "blind" ihren jeweiligen Zielknopf. Ähnlich ist es bei der Tastatur meines Schiebe-Handy, wo ich allerdings den Zeigefinger benutze.

Was ist da also eigentlich gelernt? Kein explizites Wissen; aber offenkundig auch keine Fingerbewegungen. Irgend etwas anscheinend in einem abstrakt-motorischen Repräsentationsmedium.

Herzlich, Zettel

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

02.07.2011 20:18
#24 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Lieber Kallias,

Zitat
(Ich bin mir auch nicht sicher, ob Sie recht haben mit dem Wörtchen "seit": die wenigsten Leser der gedruckten lateinischen Buchstabenschrift können die gedruckte Sütterlinschrift lesen. So ganz konstant ist die Dominanz der lateinischen Schrift in Deutschland nicht gewesen.)



zwei Missverständnisse möchte ich korrigieren und damit zugleich auf Ihre und andere Einwände antworten:

1. Als ich schrieb, dass für das Deutsche seit 1200 die lateinische Buchstabenschrift verwendet, meinte ich nicht die Form der Lettern, sondern das System: Eine Buchstabenschrift mit den Vokalen A bis U und den Konsonanten B bis Z. Diese Schrift kann mit unterschiedlichen Lettern geschrieben werden, aber die Schreibweise der Wörter selbst ändert sich nicht. Das Prinzip ist, dass Wörter dargestellt werden, indem sie aus diesen Buchstaben zusammengesetzt werden. Wer nun Druck- und SChreibschrift beherrscht, der lernt EINMAL die richtige Schreibung (sprich: die korrekte Reihenfolge der Buchstaben) und kann diese Buchstaben allein ihrer Form nach unterschiedlich graphisch realisieren.

Dieses Prinzip gilt von der Idee her auch für die anderen europäischen Sprachen mit genau denselben Lettern. Dass die Laut-Buchstaben-Zuordnung im Englischen uneindeutig(er) und anders ist, ist erstmal geschenkt - aber man kann dieselben Lettern verwenden.

Wenn man nun Druckschrift und Steno lehren würden, müssten die Schüler ZWEI Sets von Lettern kennenlernen (Buchstabenschrift und Steno-Silben-Wort-Schrift) und damit auch ZWEI orthographische Systeme. Als Lehrer erlaube ich mir ein Urteil, dass die Schüler schon mit einem Rechtschreibungssystem genug zu kämpfen haben, dass es völlig kontraproduktiv wäre, darauf hinzuarbeiten, dass die Schüler zwei Rechtschreibungssysteme lernten.

Die Deutsche Kurzschrift ist m.W. nur zur Verschriftlichung des Deutschen geeignet, nicht zur Verschriftlichung einer anderen Sprache. Es ist also etwas, das man nur fürs Deutsche lernt; eine deutsche Schreibschrift hingegen ist multifunktional.

2.

Zitat
die wenigsten Leser der gedruckten lateinischen Buchstabenschrift können die gedruckte Sütterlinschrift lesen.



Sütterlin ist die in der Schule um 1920 eingeführte Schreibschrift, die aus der älteren Kurrentschrift hervorgegangen ist. Sütterlin gibt es nicht als Druckschrift. Vermutlich meinen Sie Fraktur?

Das Nebeneinander von zwei Buchstabensets ist übrigens eine alte Sache. Schon die Römer hatten neben der Majuskelschrift (unseren heutigen Großbuchstaben, wie sie in Inschriften etc. verwendet sind) eine Kursivschrift (sprich: Schreibschrift); im Mittelalter steht neben den gotischen Minuskeln wiederum die gotische Kursive.

Es ist wohl in der NAtur der Schrift begründet, dass es unterschiedliche Ausformungen gibt: Repräsentative, voneinander abgesetzte Buchstaben, wie sie auch, aber nicht nur im Druck verwendet werden, und daneben Buchstabenformen, die zum einen vereinfacht und zum anderen zur Verbindung geeignet sind, fürs schnelle Schreiben auf Papier etc. Die Orthographie ist aber dann immer dieselbe; es sind nur Varianten der Buchstabenformen. Etwa auch im Hebräischen.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

02.07.2011 20:28
#25 RE: Schreiben mit Schwung Antworten

Zitat
Dabei lernt das Kind, kleine gerade Striche und Bögen zu zeichnen, womit es bereits auf die Stenographie vorbereitet wird.



Schauen Sie sich mal an, wie "gerade" und "Striche" und "Bögen" manche Kinder schreiben. Und dann erklären Sie mir, wie daraus eine lesbare Stenographie werden soll.

Und dann bringen Sie bitte Folgendes unter einen Hut:

1. In vier Jahren Grundschule hat selbst ein der Teil der Schüler, die ans Gymnasium wechseln, keine sichere Rechtschreibung (bis hin zu so banalen Bereichen wie der Groß- und Kleinschreibung oder der Regelung, dass man Wörter voneinander trennt). Da reichen offenbar vier Jahre nicht.
2. Wie viele Stunden braucht ein rechtschreibsicherer Erwachsener, um Stenographie zu lernen?
3. Wo ist dann an der Grundschule das ungefähr Achtfache der zu b) ermittelten Zeit, ein komplett anderes zweites System zu lernen?

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