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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 108 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.10.2011 19:13
Zitat des Tages: Paranoide Piraten Antworten

Zugegeben, die Software liquid feedback ist auch bei den Piraten umstritten. Aber an der in ihr implementierten Geheimniskrämerei wird etwas sichtbar, das man beispielsweise auch bei WikiLeaks beobachten kann: Diejenigen, die am lautesten nach Transparenz rufen, wollen sie um Gottes willen nicht auf sich selbst anwenden.

Als Kinder fragten wir: ""Was sagt der Kommunist?" Antwort: "Was dein ist, ist mein. Und was mein ist, geht dich nichts an".

Das ist - bezogen auf Informationen - ziemlich exakt die Geisteshaltung, die in diesem Zitat des Tages deutlich wird. Ich empfehle den Artikel von Marie Katharina Wagner sehr.

Llarian Offline



Beiträge: 7.127

08.10.2011 20:36
#2 Weit daneben Antworten

Zwei Dinge sind zu dem Artikel zu sagen:

Erstens, er ist nicht sehr informativ, man versteht nicht die Hälfte der Zusammenhänge, wenn man sich nicht ein bischen in der Technik vertieft. Die eigentlichen Ursachen und Motivlage geht nicht nur unter, man hat den Eindruck, Frau Wagner ist mit damit völlig überfordert. Nun wäre es nicht schlimm, wenn ein Artikel von jemandem geschrieben wird, der etwas nicht versteht, das ist in der deutschen Presse wohl gang und gäbe. Nur ist der Artikel eben auch denunziatorisch, abwertend und erfüllt nahezu alle Vorwürfe die noch vor Tagen in diesem Thread beklagt wurden. Es entwertet diese Diskussion auch zum Teil, weil Agitation dann wohl nur etwas sein kann, was gegenüber konservativen Parteien oder Politiker stattfinden kann. Ich würde jedem emfehlen mit dem Ansatz den Artikel einmal zu lesen, und sich insbesondere die Behauptungen anzusehen, die sich naturgemäß nicht wiederlegen lassen.

Zum zweiten ist zu sagen, dass Transparenz im politischen Prozess keinesfalls gegen ein Recht auf Anonymität stehen muss. Im Gegenteil, geheime Abstimmungen sind ein trivialer Bestandtteil der Demokratie, niemand würde im Rahmen der Transparenz das geheime Wahlreicht abschaffen wollen. Transparenz soll für die Prozesse gelten, nicht aber für Abstimmungen und auch nicht für jede Meinungsäusserung. Der Widerspruch existiert nur dann, wenn man ihn unbedingt konstruieren will, lässt sich aber aus der Forderung nicht herleiten. Wenn wir in der deutschen Politik Transparenzprobleme haben, dann gerade nicht da wo (anonym oder nicht) öffentlich diskutiert wird, Defizite sind in den legendären Küchenkabinetten oder den Fluren von Brüssel zu suchen, wo alles herscht, bloss keine Einsicht.

Das die Piraten noch darüber streiten, wie sie es genau gestalten wollen, das ihre Software eben noch nicht die eierlegende Wollmilchsau ist, würde man ihnen beu neutraler Betrachtung kaum vorwerfen können. Ich teile viele Grundlagen der Piraten nicht, weil sie inzwischen (sehr grosses leider) eine linke Partei geworden sind. Aber der Ansatz Dinge anders zu machen, Basisdemokratie einzuführen, sich nicht in das gängige Parteimuster einzuordnen, der ist hervorragend. Ich würde mir wünschen, dass es solche Ansätze in anderen Parteien viel mehr gäbe. Dann würden vielleicht nicht zehntausende aus der SPD austreten, dann würde die FDP vielleicht nicht bei 3% rumkrebsen und in der CDU gäbe es vielleicht wenigstens mal einen, der nicht im Chor mit der Kanzlerin sänge. Denn mit einem haben die Piraten unabhängig von thematischen Grundüberzeugungen absolut recht: Die deutsche Politik hat Defizite in der Grösse von Scheunentoren.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

08.10.2011 21:12
#3 RE: Zitat des Tages: Paranoide Piraten Antworten

Zuerst habe ich ihrem Artikel bloß nicht zugestimmt.

Gegen Ende muss ich mich aber dann doch wundern wie stark Sie austeilen.

Die Piratenpartei eine Vorreiterin von "1984"? Llarian hat dazu eigentlich schon alles nötige gesagt: Transparenz und Annonymität/Privatssphäre sind kein Wiederspruch, da sie sich auf vollkommen unterschiedliche Aspekte beziehen. Man kann freilich einen Wiederspruch konstruieren.

Vielleicht liegt hier ja das Problem der Konservativen und Liberalkonservativen: Das sie ebenfalls zu schnell mit Verurteilungen politischer Strömungen als besonders totalitär bei der Hand sind (liegt vielleicht am konservativ geprätem Misstrauen gegenüber dem Neuen), viel zu schnell, was ihre Mahnungen unglaubwürdig macht, auch wenn Sie dann mal zurecht warnen.

Nicht jede neue politische Strömung ist eine Gefahr für die Demokratie. Insbesondere dann nicht, wenn sich diese Strömung zumindest beim Kernthema (im Falle der Piratenpartei dem Internet und IT) aus wirklich liberalem Grundgedankengut speißt und nicht bloß "linksliberalem", wie die Grünen. Freilich beschränkt sich das liberale Gedankengut bei der Piratenpartei hauptsächlich auf das Internet, IT und Bürgerrechte. Aber das ist ihr Kern, was schon mal einen guten Ansatz bietet.

Siehe auch Calimeros Blogbeitrag "Freiheit die ich meine" (Lesemepfehlung!).

Die Linke hat kein grundsätzliches Misstrauen gegenüber neuen Bewegungen, dafür aber gegen alle nicht-linken, ob neu oder alt, aber nicht pauschal gegenüber allem neuen. Das macht sie flexibel. Hier liegt vielleicht auch ihre stärke gegenüber Konservativen und vielen echten Liberalen, die in der Regel als Folge aus ihrem Liberalismus eher zu einer gewissen konservativen Haltung neigen.

Als tendenziel totalitäre Nachfolgebewegung zum Ökologismus erwarte ich daher durchaus etwas, aber etwas anderes als eine Internet-Freiheitsbewegung.

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

08.10.2011 22:12
#4 Liberale mit konservativer Haltung Antworten

Zitat von Techniknörgler
Die Linke hat kein grundsätzliches Misstrauen gegenüber neuen Bewegungen, dafür aber gegen alle nicht-linken, ob neu oder alt, aber nicht pauschal gegenüber allem neuen. Das macht sie flexibel. Hier liegt vielleicht auch ihre stärke gegenüber Konservativen und vielen echten Liberalen, die in der Regel als Folge aus ihrem Liberalismus eher zu einer gewissen konservativen Haltung neigen.


Ein interessanter Gedanke, den ich auch schon ab und zu hatte. Wobei ich mir die Frage stelle, ob liberal und konservativ eigentlich zusammen geht, oder ob es nur ein gedankliches Zweckbündnis darstellt. Wenn ich Zeit habe wälze ich das vielleicht mal in CR aus.

Beste Grüße, Calimero

P.S. Danke sehr für die lobende Erwähnung.

----------------------------------------------------
"Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011

uniquolol Offline




Beiträge: 254

08.10.2011 22:15
#5 RE: Zitat des Tages: Paranoide Piraten Antworten

Die “Piraten” sind ein infantiler Haufen, der sich weigert, erwachsen zu werden, da unterscheiden sie sich kaum von ihren Wählern. Auch der Vergleich mit den frühen “Grünen” hinkt gewaltig, eine Petra Kelly hätte naturgemäß aus dem EffEff gewußt, wie hoch der momentane Schuldenstand von Berlin ist. Weshalb diese Partei, deren herausragenden Merkmale Bildungsferne, egozentrische Verantwortungslosigkeit und unreflektiertes Lustprinzip sind, ein derart positives (mediales) Image hat, ist mir unbegreiflich. Oder eigentlich auch nicht...

uniquolol Offline




Beiträge: 254

08.10.2011 23:23
#6 RE: Zitat des Tages: Paranoide Piraten Antworten

Nachtrag:

Kindliche Überheblichkeit übertrumpfte in Berlin problemlos das Expertenwissen von erfahrenen Parlamentariern. Immer mehr Bürger wählen nicht mehr “für ihre Überzeugung”, sondern gegen eine Regierung, welche sie als subjektiv schlecht empfinden. Der Deutsche fühlt wieder mehr, als dass er denkt, er möchte es “denen da oben” etc. mal wieder “richtig zeigen”. Uninformierte Missgunst ersetzt zunehmend eine selbstbestimmte Zukunftsperspektive.

Eine Bevölkerung, die den Glauben an die eigene Selbstwirksamkeit bzw. Eigenverantwortung verloren hat, geht jedoch meist furchtbaren Zeiten entgegen. Es gibt in diesem Land kein Defizit an Demokratie, sondern ein Defizit an demokratischem (Bürger)-Bewusstsein. Der Versuch, demokratisches Bewusstsein durch basisdemokratische Experimente zu generieren, wird scheitern...

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.10.2011 23:35
#7 RE: Liberale mit konservativer Haltung Antworten

Zitat von Calimero
Wobei ich mir die Frage stelle, ob liberal und konservativ eigentlich zusammen geht, oder ob es nur ein gedankliches Zweckbündnis darstellt. Wenn ich Zeit habe wälze ich das vielleicht mal in CR aus.

Darauf freue ich mich, lieber Calimero.

Vielleicht mögen Sie dann verwenden, was meine Sicht ist:

"Konservativ" sind diejenigen, die finden, daß die Welt - ihre Nation, ihre Gesellschaft - gut ist, weil sie so ist, wie sie ist. Der Gegenpol ist "revolutionär". Bei ihm findet man diejenigen, die glauben, daß in ihrer Nation, in ihrer Gesellschaft, in der Welt alles falsch ist. Dazwischen gibt es viele Abstufungen.

"Liberal" ist auf einer ganz anderen Dimension angesiedelt. Liberal ist, wer an die Freiheit glaubt und an die Fähigkeit jedes Menschen, von seiner Freiheit verantwortungsvoll Gebrauch zu machen.

Aus meiner Sicht war der größte Liberale des 18. Jahrhunderts deshalb nicht Adam Smith, sondern Immanuel Kant.

Der Gegenpol zu liberal ist etatistisch. Etatisten glauben, daß die Menschen dumm und schwach sind (außer sie selbt, versteht sich), und daß deswegen Bürokraten ihr Leben überwachen, es steuern, es in der Hand halten müssen.



Konservative können Liberale sein (wie in den USA) oder Etatisten (wie in Frankreich). Es sind zwei orthogonal aufeinanderstehende Dimensionen.

Wenn ich mich als liberalkonservativ bezeichne, dann meine ich damit: Ich trete für die Freiheit des Einzelnen ein. Aber ich bin der Meinung, daß diese Freiheit des Schutzes des Staats bedarf - durch unser Militär, unsere Polizei, unsere Justiz.

Freiheit ist nicht schutzlos zu haben. Deshalb trete ich für Law and Order ein. Insofern bin ich konservativ, weil dies nun einmal (in den USA wie in Europa) eine bewährte Tradition ist.

Herzlich, Zettel

Vogelfrei ( gelöscht )
Beiträge:

09.10.2011 00:01
#8 RE: Liberale mit konservativer Haltung Antworten

Zitat von Calimero
Wobei ich mir die Frage stelle, ob liberal und konservativ eigentlich zusammen geht, oder ob es nur ein gedankliches Zweckbündnis darstellt. Wenn ich Zeit habe wälze ich das vielleicht mal in CR aus.


Ich würde behaupten, daß es ganz auf das Objekt der Betrachtung ankommt. Geht es um Politik und den Staat, dann gehen konservativ und liberal eher nicht zusammen. Denn auch "der Konservative" sucht sein Heil im starken Staat - genau wie "die Sozialisten". Wenn wir aber diese Ebene verlassen und ins Private wechseln, dann gehen sich liberal und konservativ gar prächtig aus. Das Wesen liberalen Anliegens ist ja gerade das staatliche Nichteinmischen, das Nichtregulieren. Politisch steht der Liberale somit dem Konservativen ebenso wie dem Progressiven gleichermaßen gegenüber.

Zitat von Zettel
Aus meiner Sicht war der größte Liberale des 18. Jahrhunderts deshalb nicht Adam Smith, sondern Immanuel Kant.


Tun Sie da dem großartigen, ja phänomenalen David Hume nicht ein wenig Unrecht?

Grüße

~~~
Die zunehmende Armut, welche allenthalben beklagt wird, scheint mir zuvörderst geistiger Natur.

uniquolol Offline




Beiträge: 254

09.10.2011 00:13
#9 RE: Liberale mit konservativer Haltung Antworten

@vogelfrei:
“...Denn auch "der Konservative" sucht sein Heil im starken Staat...”

Der wert-konservative Bürger sucht dort “...sein Heil...” eher nicht, aber der struktur-konservative Zeitgenosse braucht den allmächtigen Staat...

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.10.2011 00:22
#10 Hume, Kant Antworten

Zitat von Vogelfrei
Tun Sie da dem großartigen, ja phänomenalen David Hume nicht ein wenig Unrecht?

Er ist für mich der zweite, hinter Kant.

Wie es der Zufall will, lese ich gerade wieder seine Enquiry concerning human understanding. Auch im Zusammenhang mit meiner Beschäftigung mit Leibniz, as seen by Russell.

Nehmen Sie die Kausalität. Hume versteht vollkommen, daß die Erwartungen, die wir aufgrund eines Ereignisses haben, der Niederschlag vorausgegangener Erfahrungen sind; im Grunde nimmt er damit Skinner vorweg (oder dieser hat ihn wiederbelebt ). Aber er versteht nicht, daß die Kausalität selbst nicht der Niederschlag vergangener Erfahrungen ist, sondern eine Kategorie unseres Verstands.

Herzlich, Zettel

Vogelfrei ( gelöscht )
Beiträge:

09.10.2011 01:16
#11 RE: Liberale mit konservativer Haltung Antworten

Zitat von Zettel
Aber er versteht nicht, daß die Kausalität selbst nicht der Niederschlag vergangener Erfahrungen ist, sondern eine Kategorie unseres Verstands.


Das empfinde ich als hoch interessant. Auch ich habe jene Abhandlung erst vor ein paar Monaten mal wieder gelesen - allerdings, auf Grund mangelnder Fremdsprachenkenntnisse, in einer Übersetzung von Herbert Herring - und komme zu einem anderem Schluß. Hume betont mehrfach, daß selbst eine Kausalität, die uns als gesichert gilt, da ein und das selbe Ereignis stets das gleiche Ereignis nach sich zieht, ein falscher Schluß sein könnte, da wir unmöglich über alle beteiligten Zusammenhänge unterrichtet sein können. Die (mutmaßliche) Kausalität ist für ihn also durchaus eine Kategorie des menschlichen Verstandes - und kann sich eben darum auch als falsch erweisen. Was bei einem objektiv feststehendem Zusammenhang nicht möglich wäre, da dieser nicht richtig oder falsch, sondern schlicht vorhanden wäre.

Grüße

~~~
Die zunehmende Armut, welche allenthalben beklagt wird, scheint mir zuvörderst geistiger Natur.

strubbi77 Offline



Beiträge: 337

09.10.2011 04:01
#12 RE: Weit daneben Antworten

Zitat von Llarian
Zwei Dinge sind zu dem Artikel zu sagen:

Erstens, er ist nicht sehr informativ, man versteht nicht die Hälfte der Zusammenhänge, wenn man sich nicht ein bischen in der Technik vertieft. Die eigentlichen Ursachen und Motivlage geht nicht nur unter, man hat den Eindruck, Frau Wagner ist mit damit völlig überfordert.

Ich sehe nicht, dass im Artikel der FAZ etwas untergeht.
Es wird beschrieben wie Liquid Feedback funktioniert:
- Jeder kann Themenbezogen seine Stimme delegieren oder selber abstimmen
- Das ganze wurde auf Basis von Klarnamen entwickelt.

Dann gibt es die Sachen mit denen die Piraten überfordert sind:
- Nicht jeder will Klarnamen nutzen
- Die Piraten wissen noch nicht selber ob bzw. in welcher Form sie Liquid Feedback nutzen wollen oder nicht.

Dass der Wunsch nach Transparenz und das nichtverwenden von Klarnamen zu "Doppeldenk" führen kann sollte auch ihnen klar sein.

Zitat von Llarian
Nur ist der Artikel eben auch denunziatorisch, abwertend und erfüllt nahezu alle Vorwürfe die noch vor Tagen in diesem Thread beklagt wurden. Es entwertet diese Diskussion auch zum Teil, weil Agitation dann wohl nur etwas sein kann, was gegenüber konservativen Parteien oder Politiker stattfinden kann. Ich würde jedem emfehlen mit dem Ansatz den Artikel einmal zu lesen, und sich insbesondere die Behauptungen anzusehen, die sich naturgemäß nicht wiederlegen lassen.

Sie führen harte Wortgeschütze ins Gefecht. Läßt es sich bestätigen, dass:
- Die Entwickler von Liquid Feedback sind aus der Partei ausgetreten.
- Der Bundesvorsitzende hat für eine Abstimmung ein anderes Verfahren verwendet
- Es gibt Streit über Klarnamen bzw. volle Anonymität.

Wenn das alles falsch sein sollte ist es sicherlich Agitpop, ansonsten müssten sie mir bitte zeigen wo es Agitpop sein soll.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.10.2011 04:03
#13 Hume, Kant Antworten

Zitat von Vogelfrei
Hume betont mehrfach, daß selbst eine Kausalität, die uns als gesichert gilt, da ein und das selbe Ereignis stets das gleiche Ereignis nach sich zieht, ein falscher Schluß sein könnte, da wir unmöglich über alle beteiligten Zusammenhänge unterrichtet sein können. Die (mutmaßliche) Kausalität ist für ihn also durchaus eine Kategorie des menschlichen Verstandes - und kann sich eben darum auch als falsch erweisen.

Keine Kategorie im Sinn Kants, lieber Vogelfrei, die gewissermaßen zum Rahmen dessen gehört, in dem wir überhaupt nur denken können ("Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung").

Hume meint, daß wir deshalb Kausalität vermuten, weil wir immer wieder die Erfahrung gemacht haben, daß B auf A folgt; er war der erste, der induktives Denken analysiert hat.

Kant hat hingegen erkannt, daß wir deshalb in der Verstandeskategorie der Kausalität denken, weil wir gar nicht anders können. Wir können gar nicht mit unserem Verstand fassen, daß etwas ohne Ursache sein könnte. So, wie wir uns keine materielle Welt vorstellen können, in der es keinen Raum und keine Zeit gibt.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.10.2011 04:31
#14 RE: Weit daneben Antworten

Zitat von Llarian
Zum zweiten ist zu sagen, dass Transparenz im politischen Prozess keinesfalls gegen ein Recht auf Anonymität stehen muss. Im Gegenteil, geheime Abstimmungen sind ein trivialer Bestandtteil der Demokratie, niemand würde im Rahmen der Transparenz das geheime Wahlreicht abschaffen wollen. Transparenz soll für die Prozesse gelten, nicht aber für Abstimmungen und auch nicht für jede Meinungsäusserung. Der Widerspruch existiert nur dann, wenn man ihn unbedingt konstruieren will, lässt sich aber aus der Forderung nicht herleiten.

Es geht bei liquid feedback ja nicht um Wahlen, lieber Llarian. Es geht um politische Willensbildung.

In der parlamentarischen Demokratie sagt in jeder Partei auf jeder Organisationsebene jeder das, was er meint. Das ist die Willensbildung. Wenn ich liquid feedback nicht falsch verstehe, dann soll die politische Willensbildung in dieser Piratenpartei und - als Endziel - überhaupt in der Gesellschaft erfolgen, ohne daß irgendwer zu seiner Meinung stehen muß.

Nun kann man das ja wollen. Dann müssen eben Parteiversammlungen, Parteitage, Parlamentssitzungen, Kabinettssitzungen usw. nichtöffentlich sein. Wenn das Mitglied der Piratenpartei Einfluß nehmen darf, ohne sich mit seinem Namen zu erkennen zu geben, dann muß das logischerweise auch für die Abgeordneten usf. gelten.

You can't have the cake and eat it. Die Piraten wollen die totale Transparenz, sobald es um Gremien und Organisationen geht. Der einzelne Pirat will aber aus dem Geheimen heraus agieren.

Zitat von Llarian
Aber der Ansatz Dinge anders zu machen, Basisdemokratie einzuführen, sich nicht in das gängige Parteimuster einzuordnen, der ist hervorragend. Ich würde mir wünschen, dass es solche Ansätze in anderen Parteien viel mehr gäbe.

Der Gedanke der Basisdemokratie ist ja nun nicht neu, lieber Llarian.

Basisdemokratie gibt es in zwei der ältesten und seit Jahrhunderten funktionierenden Demokratien: In der Schweiz und in den USA.

In den USA erleben wir gerade, wie diese Basisdemokratie funktioniert. Der Präsident wird im November 2012 gewählt. Die primaries beginnen Anfang 2012. Aber schon jetzt gibt es unzählige Veranstaltungen der Kandidaten, gibt es imme wieder Diskussionen zwischen ihnen.

Und zwar an der Basis. Jetzt gerade bei der Christlichen Rechten. Jeder Bürger kann sich beteiligen, jeder kann sich einmischen.

Aber at the end of the day entscheiden nicht diese engagierten Bürger, sondern das ganze Volk. Das muß so sein, weil in einer Demokratie eben nicht nur die politischen Aktivisten - um das Wort einmal zu verwenden - entscheiden dürfen.



"Basisdemoikratie", wie sie den Piraten vorschwebt (wie sie den Trotzkisten vorschwebt, wie sie den Anarchosyndikalisten vorschwebt, wie sie vielen 68ern vorschwebte), führt unweigerlich in die Diktatur einer Minderheit.

Der Grund ist simpel: Die meisten Menschen wollen sich nicht permanent an der Politik beteiligen. Sie interessieren sich für ihren Beruf, ihre Familie, ihren Urlaub und dergleichen. Sie wollen nicht ständig politisch diskutieren, abstimmen und wählen.

Weil das so ist, kann es den demokratischen Rechtsstaat nur in der Form der repräsentativen Demokratie geben. Alles andere ist Utopie; und wenn man es in die Tat umsetzt, führt es in die Diktatur.

Herzlich, Zettel

Martin Offline



Beiträge: 4.129

09.10.2011 08:38
#15 RE: Weit daneben Antworten

Zitat von Zettel
"Basisdemoikratie", wie sie den Piraten vorschwebt (wie sie den Trotzkisten vorschwebt, wie sie den Anarchosyndikalisten vorschwebt, wie sie vielen 68ern vorschwebte), führt unweigerlich in die Diktatur einer Minderheit.

Der Grund ist simpel: Die meisten Menschen wollen sich nicht permanent an der Politik beteiligen. Sie interessen sich für ihren Beruf, ihre Familie, ihren Urlaub und dergleichen. Sie wollen nicht ständig politisch diskutieren, abstimmen und wählen.

Weil das so ist, kann es den demokratischen Rechtsstaat nur in der Form der repräsentativen Demokratie geben. Alles andere ist Utopie; und wenn man es in die Tat umsetzt, führt es in die Diktatur.

Herzlich, Zettel



Lieber Zettel,

man muss das Kind ja nicht gleich mit dem Bade ausschütten.

Ich hatte einen ähnlichen Gedanken wie dem des liquid feedback schon vor einigen Jahren diskutiert. Ich hatte einen Ansatz gesucht, innerhalb bestehender Strukturen und Gesetze basisdemokratische Entscheidungen direkt in das Parlament zu bekommen - ganz einfach, weil beispielsweise das deutsche Verfahren der Wahllisten mir bei der Wahl nur ein 'Friss oder Stirb' in der Person des von mir gewählten Abgeordneten erlaubt, der dann auch noch mehr seiner Partei verpflichtet ist die ihn in die Liste nimmt, als mir Wähler.

Eine Partei, die mir die Zusage macht, zumindest bestimmte Themen über basisdemokratische Abstimmungen direkt in stimmen im Parlament umzusetzen, ist attraktiv. Eine solche Partei ist dann weder links noch rechts, sie macht sich nur zum Abstimmungsinstrument. Sie ist sozusagen das Volk. Im Prinzip.

Ob das nun gut oder schlecht ist, und ob die Umsetzung in der Realität ohne Manipulation (die Technik ist nicht notwendigerweise transparent) abläuft, das sind Fragen die sekundär zu lösen sind. Jedenfalls muss eine solche Partei kein politisches Programm haben, Basisdemokratie und technische Umsetzung sind das einzige Programm. Selbst Führungsfiguren, die das Land nach außen vertreten könnten basisdemokratisch ermittelt werden.

Es wäre ein so radikal anderes Konzept, dass die Journalisten ihre Fragen ändern müssten. Jedenfalls sollte man nicht erwarten, dass die Antworten der Interviewpartner irgendwie denen der heutigen Parteienvertreter ähnlich ausfallen.

Gruß, Martin

WasIstLiberal? ( gelöscht )
Beiträge:

09.10.2011 09:20
#16 RE: Weit daneben Antworten

Zitat von Zettel
"Basisdemoikratie", wie sie den Piraten vorschwebt (wie sie den Trotzkisten vorschwebt, wie sie den Anarchosyndikalisten vorschwebt, wie sie vielen 68ern vorschwebte), führt unweigerlich in die Diktatur einer Minderheit.

Der Grund ist simpel: Die meisten Menschen wollen sich nicht permanent an der Politik beteiligen. Sie interessen sich für ihren Beruf, ihre Familie, ihren Urlaub und dergleichen. Sie wollen nicht ständig politisch diskutieren, abstimmen und wählen.

Weil das so ist, kann es den demokratischen Rechtsstaat nur in der Form der repräsentativen Demokratie geben. Alles andere ist Utopie; und wenn man es in die Tat umsetzt, führt es in die Diktatur.

Herzlich, Zettel



Sie haben recht die Meisten wollen sich nicht immer damit beschäftigen. Aber wenn Sie doch mal möchten, können Sie in D noch nicht einmal darüber abstimmen.

Die Schweizer dürfen es und kommen damit offensichtlich gut klar. Es gibt auch dort repräsentative Demokratie aber dort kann der "Wähler" gegenhalten (wie sich das eigenlich gehört).

Warum es in Deutschland nicht möglich sein sollte, erschließt sich mir nicht.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

09.10.2011 12:31
#17 RE: Weit daneben Antworten

Zitat

In der parlamentarischen Demokratie sagt in jeder Partei auf jeder Organisationsebene jeder das, was er meint. Das ist die Willensbildung. Wenn ich liquid feedback nicht falsch verstehe, dann soll die politische Willensbildung in dieser Piratenpartei und - als Endziel - überhaupt in der Gesellschaft erfolgen, ohne daß irgendwer zu seiner Meinung stehen muß.

Nun kann man das ja wollen. Dann müssen eben Parteiversammlungen, Parteitage, Parlamentssitzungen, Kabinettssitzungen usw. nichtöffentlich sein. Wenn das Mitglied der Piratenpartei Einfluß nehmen darf, ohne sich mit seinem Namen zu erkennen zu geben, dann muß das logischerweise auch für die Abgeordneten usf. gelten.



Sie verwechseln durchgehend zwei Sphären: Die der einzelnen Bürger oder einfachen Parteimitglieder (die auch im politischen Prozess ihre Meinung geheim halten dürfen und sich auch Annonym oder Pseudonym äußern können, ebenso Annonym oder Pseudonym über Sachfragen und Deligierung von Befugnissen abstimmen dürfen) auf der einen Seite und den Funktionsträgern, Deligierten und den Menschen, welchen von anderen Kompetenzen übertragen bekommen haben (welche dadurch Befugnisse und Macht vieler andere Individuen auf sich vereinigt haben, deshalb ihr Handeln transparent kontrolieren lassen müssen, um ihnen bei Missbrauch oder schlechter Leistung die Befugnisse wieder zu entziehen) auf der anderen Seite.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

09.10.2011 12:31
#18 RE: Weit daneben Antworten

Zitat von Llarian
Erstens, er ist nicht sehr informativ, man versteht nicht die Hälfte der Zusammenhänge, wenn man sich nicht ein bischen in der Technik vertieft.


Das kann ich nicht nachvollziehen. Alle wesentlichen Sachen werden m. E. ganz vernünftig dargestellt (siehe auch Beitrag von strubi77).

Zitat
Zum zweiten ist zu sagen, dass Transparenz im politischen Prozess keinesfalls gegen ein Recht auf Anonymität stehen muss.


Grundsätzlich ist das schon ein Widerspruch!
Denn zur Transparenz gehört eigentlich schon, daß jemand seine Meinung und auch seine Stimmabgabe öffentlich macht und daß er dazu steht und das gegebenenfalls auch begründet. Denn der Sinn von Transparenz ist es doch, Mauscheleien und unsachgemäße Nebenabsprachen zu verhindern. Das geht nicht mehr, wenn die Entscheidungen anonym erfolgen.

Zitat
geheime Abstimmungen sind ein trivialer Bestandtteil der Demokratie, niemand würde im Rahmen der Transparenz das geheime Wahlreicht abschaffen wollen.


Eigentlich sind geheime Abstimmungen KEIN Bestandteil der Demokratie. Bei allen ursprünglichen demokratischen Verfahren wird offen abgestimmt, jeder Bürger steht zu seiner Meinung. Geheime Abstimmungen wurden eingeführt dort, wo die Abstimmenden (noch) nicht wirklich frei sind, sondern bestehenden Machtstrukturen unterworfen sind. Wo also jemand für seine Stimmabgabe Repressalien befürchten muß.
Die geheime Abstimmung ist also nur dort nötig, wo noch demokratische Defizite bestehen. Dann wird der Widerspruch zur Transparenz in Kauf genommen, um Schlimmeres abzuwenden.

Ich will jetzt aber nicht annehmen, daß innerhalb der Piraten schon solche repressiven Machtstrukturen existieren. Von daher ist die Forderung nach Anonymität m. E. völlig unangebracht.
Im Gegenteil: Gerade wenn die Piraten darauf setzen, daß die Abstimmenden ihre Stimme an "Fachleute" delegieren können - dann ist Transparenz extrem wichtig. Denn dann muß auch klar sein, was der "Fachmann" mit den ihm anvertrauten Stimmen gemacht hat, welche Positionen er vertritt. Denn nur dann kann auch überprüft werden, ob vielleicht unlautere Motive im Spiel sind. Denn daß so ein "Fachmann" mit seiner gebündelten Stimmenanzahl zum Machtfaktor und damit zum interessanten Ziel von Bestechung werden kann, das sollte doch klar sein.

Zitat
Defizite sind in den legendären Küchenkabinetten oder den Fluren von Brüssel zu suchen, wo alles herscht, bloss keine Einsicht.


Richtig.
Aber grundsätzlich gilt: Es wird immer auch nicht-öffentliche Gesprächskontakte geben. Die sind weder zu verhindern (man will ja keinen Überwachungsstaat) noch illegitim - es muß ja auch eine Möglichkeit geben, unausgegorene Ideen zu diskutieren, ohne daß das die Gegenseite mitbekommt.
Wesentlich ist aber, daß am Ende diejenigen, die aufgrund irgendwelcher solcher Gespräche eine Meinung vertreten, diese auch öffentlich verantworten und begründen. Also spätestens dann, wenn sie damit in einem System wie "liquid feedback" auftreten.
Es war deswegen völlig logisch, daß die Entwickler dieses Systems von offener Diskussion und Abstimmung ausgegangen sind. Die nachträgliche Einführung von Anonymität ist ein Mißbrauch der Grundidee, der Austritt der vier Entwickler folgerichtig.

Zitat
Ich würde mir wünschen, dass es solche Ansätze in anderen Parteien viel mehr gäbe. Dann würden vielleicht nicht zehntausende aus der SPD austreten, dann würde die FDP vielleicht nicht bei 3% rumkrebsen und in der CDU gäbe es vielleicht wenigstens mal einen, der nicht im Chor mit der Kanzlerin sänge.


Völlig richtig.
Aber das kann nur transparent geschehen. Der aktuelle Ansatz in der FDP ist Schäfflers Mitgliederbegehren. So etwas kann nur dann glaubhaft funktionieren, wenn Leute wie er mit ihrem Namen dahinter stehen. Und als Unterstützer tue ich das natürlich auch offen, die Diskussion pro und contra wird von Parteimitgliedern mit echter Identität geführt, ihr persönlicher Hintergrund ist bekannt und für die Bewertung von Meinungen auch wichtig.
Eine grauenhafte Vorstellung, dieses Mitgliederbegehren wäre anonym gestartet worden, und darüber würden irgendwelche Accounts diskutieren, deren wahre Identität nur eine (hoffentlich zuverlässige?) zentrale Stelle kennt.

herr celine Offline



Beiträge: 153

09.10.2011 14:51
#19 RE: Zitat des Tages: Paranoide Piraten Antworten

Zitat von Zettel
Zugegeben, die Software liquid feedback ist auch bei den Piraten umstritten. Aber an der in ihr implementierten Geheimniskrämerei wird etwas sichtbar, das man beispielsweise auch bei WikiLeaks beobachten kann: Diejenigen, die am lautesten nach Transparenz rufen, wollen sie um Gottes willen nicht auf sich selbst anwenden.

Als Kinder fragten wir: ""Was sagt der Kommunist?" Antwort: "Was dein ist, ist mein. Und was mein ist, geht dich nichts an".

Das ist - bezogen auf Informationen - ziemlich exakt die Geisteshaltung, die in diesem Zitat des Tages deutlich wird. Ich empfehle den Artikel von Marie Katharina Wagner sehr.



Ich habe schonmal bei irgendeiner WikiLeaks Diskussion darauf hingewiesen: Um zu verstehen was manche Mitglieder der Piratenpartei wollen, muss man verstehen aus welchem Milieu dieser Teil der Mitglieder kommt. Wie damals verweise ich hier nochmal auf die Hackerethik. Insbesondere der erste der beiden Zusätze durch den CCC "Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen" bezieht sich auf Ihren Vorwurf. Betrachtet man diese Bewegung (wenn man sie so nennen will) in ihrer Gänze, so lässt sich hier keinerlei Verbindung zum Kommunismus herstellen, wirklich in keinster Weise.

Es baut sich auch der Eindruck auf, Sie versuchen hier etwas herauf zu beschwören, was einfach nicht existiert. Auch wenn man den verlinkten Artikel in der FAZ liest, erkennt man doch, dass dieses Vorgehen innerhalb der Partei um- und dass darüber gestritten wird. In Ihrem Artikel wird dagegen das Bild von einer Partei gezeichnet, die sich längst für das kritisierte Vorgehen entschieden hat. Das ist schlicht nicht wahr. Was den versuchten Bezug zu Huxley und Orwell angeht, dazu fällt mir eigentlich nichts konstruktives mehr ein. Wenn Sie damit meinen, wer Basisdemokratie fordert, will in Wirklichkeit den Kommunismus, weil Basisdemokratie unweigerlich zur Diktatur führt, dann schlagen Sie hier viel zu viele Bögen.

Im Übrigen stehen manche Ziele, vor allem in Hinblick auf die Informationsfreiheit und Anonymität durchaus auch in Zusammenhang mit diesem Forum und diesem Blog. Soweit ich weiß, bestehen auch Sie darauf, dass Sie anonym bleiben und das obwohl Sie offensichtlich durch Ihre Themenwahl ebenso zur öffentlichen Willens- und Meinungsbildung der Gesellschaft beitragen. Erst kürzlich haben Sie sich ja dafür ausgesprochen, dass Sie sich wünschen würden mehr Leute würden hier mitlesen und diskutieren. Nun sind hier natürlich keine Parteifunktionäre, oder zumindest keine, die sich als solche zu erkennen geben und Zettels Raum ist keine Partei. Das ändert jedoch nichts daran, das auch Sie von der Anonymität profitieren. Was würden Sie tun, wenn das Internet frei von Anonymität wäre, wenn Sie nur noch mit Klarnamen publizieren und diskutieren könnten? Würden sie damit aufhören, oder würden Sie so weiter machen? Das würde mich wirklich interessieren.

Ich hoffe, das wird nicht als Angriff verstanden, ich würde mir nur wünschen Sie würden sich ausgiebig mit der Bewegung und der Kultur aus der die Piratenpartei entstanden ist, beschäftigen. Nein, es geht hier nicht darum, dass es jemand gut meint, es geht auch nicht darum den Kommunismus einzuführen, es geht auch nicht darum, dass Parteivorstände die alleinige Kontrolle haben. Der Piratenpartei geht es im Kern darum, dass sich alle Bürger selbstbestimmt und frei ihre Meinung bilden können und den freien Zugang auf alle dafür notwendigen Informationen. Das ist der Kern. Ein, in meinen Augen, sehr liberales Ziel.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.10.2011 16:39
#20 RE: Zitat des Tages: Paranoide Piraten Antworten

Zitat von herr celine
Es baut sich auch der Eindruck auf, Sie versuchen hier etwas herauf zu beschwören, was einfach nicht existiert.

Da würde, lieber Herr Celine, dann freilich auch kein Beschwören helfen.

Zitat von herr celine
Auch wenn man den verlinkten Artikel in der FAZ liest, erkennt man doch, dass dieses Vorgehen innerhalb der Partei um- und dass darüber gestritten wird. In Ihrem Artikel wird dagegen das Bild von einer Partei gezeichnet, die sich längst für das kritisierte Vorgehen entschieden hat.

Ich habe bei der Vorstellung des Artikels im ersten Beitrag dieses Threads ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es diesen Dissens bei den Piraten gibt. Lesen Sie denn nicht das, worauf Sie sich beziehen, lieber Herr Celine?

Zitat von herr celine
Was den versuchten Bezug zu Huxley und Orwell angeht, dazu fällt mir eigentlich nichts konstruktives mehr ein. Wenn Sie damit meinen, wer Basisdemokratie fordert, will in Wirklichkeit den Kommunismus, weil Basisdemokratie unweigerlich zur Diktatur führt, dann schlagen Sie hier viel zu viele Bögen.

Das habe ich ja alles nicht geschrieben. Geschrieben habe ich das, was ich Ihnen jetzt noch einmal verständlich zu machen versuche:

Alle basisdemokratischen Utopien basieren auf der Voraussetzung, daß alle Bürger ständig in der Lage und willens sind, sich an der politischen Willensbildung zu beteiligen. Das ist aber nicht so. Die meisten haben andere Interessen.

Folglich wird jede "Basisdemokratie" sehr bald von der kleinen Minderheit der politisch Aktiven dominiert. Das gilt für das Rätekonzept der Trotzkisten, es gilt für alle die phantastischen Ideen der 68er, und es gilt für die Piraten.

Sie wollen, wenn ich dem Artikel in der FAZ folge, die Parteien abschaffen. Politische Entscheidungen sollen in einem ständigen Diskussionsprozeß im Internet erfolgen, dessen Akteure aber durch strikte Anonymität geschützt sind.

Diese Akteure würden wenige Prozent der Deutschen sein. Der Rest würde ihrer Diktatur unterliegen.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.10.2011 16:50
#21 RE: Weit daneben Antworten

Zitat von Techniknörgler
Sie verwechseln durchgehend zwei Sphären: Die der einzelnen Bürger oder einfachen Parteimitglieder (die auch im politischen Prozess ihre Meinung geheim halten dürfen und sich auch Annonym oder Pseudonym äußern können, ebenso Annonym oder Pseudonym über Sachfragen und Deligierung von Befugnissen abstimmen dürfen) auf der einen Seite und den Funktionsträgern, Deligierten und den Menschen, welchen von anderen Kompetenzen übertragen bekommen haben (welche dadurch Befugnisse und Macht vieler andere Individuen auf sich vereinigt haben, deshalb ihr Handeln transparent kontrolieren lassen müssen, um ihnen bei Missbrauch oder schlechter Leistung die Befugnisse wieder zu entziehen) auf der anderen Seite.

Gibt es denn diese beiden Sphären, lieber Techniknörgler?

Also Die da oben und Wir da unten? die Krupps und die Krauses?

Ich kann das überhaupt nicht sehen. Ich habe da ein wirklich fundamental anderes Politikverständnis als, wie es mir scheint, Sie.

Es gibt nicht die Einen und die Anderen. Wo wollen Sie denn die Grenze ziehen? Zwischen Wählern und Nichtwählern? Zwischen Parteimitgliedern und solchen, die es nicht sind? Zwischen denen, die nur Beiträge zahlen, und aktiven Parteimitgliedern? Zwischen aktiven Parteimitgliedern und denen, die in ihrem Ortsverein eine Funktion haben (ich war zB in meinem SPD-Ortsverein "Bildungsobmann" - war ich da also schon auf der anderen Seite?).

Die Piraten scheinen mir in diesen Kategorien von oben und unten zu denken. "Wir da unten" sollen anonym sein dürfen. "Ihr da oben" sollt die Hosen runterlassen. Assange will alles transparent machen und hockt auf seinen verschlüsselten Dateien wie eine Glucke.

Nein, lieber Techniknörgler, mit dieser Partei, die sich nach Verbrechern benennt; mit diesem Schmarotzertum (jeder soll alles lesen dürfen, ohne zu bezahlen; jeder soll ein Grundgehalt bekommen, ohne zu arbeiten; jeder soll zum Nulltarif Bahn und Bus fahren dürfen) werde ich mich bestimmt nicht anfreunden.

Herzlich, Zettel

Llarian Offline



Beiträge: 7.127

09.10.2011 16:55
#22 RE: Weit daneben Antworten

Zitat von Zettel
Es geht bei liquid feedback ja nicht um Wahlen, lieber Llarian. Es geht um politische Willensbildung.


Diese Unterscheidung ist spitzfindig, lieber Zettel, denn Wahlen stellen auch nichts weiter dar, als eine Form politischer Willensbildung. Das Argument "einfach alles" habe transparent zu sein, müsste dann Wahlen mit einschliessen.

Zitat
In der parlamentarischen Demokratie sagt in jeder Partei auf jeder Organisationsebene jeder das, was er meint.


Ich sag es mal lapidar: Das glauben Sie doch wohl selber nicht. Wenn dem so wäre, dann frage ich mich ernsthaft, warum wir geheime Abstimmungen haben und woran Heide Simonis damals gescheitert ist.

Zitat
Wenn ich liquid feedback nicht falsch verstehe, dann soll die politische Willensbildung in dieser Piratenpartei und - als Endziel - überhaupt in der Gesellschaft erfolgen, ohne daß irgendwer zu seiner Meinung stehen muß.


Stehen MUSS ist die Betonung, lieber Zettel. Weiter oben hat Herr Celine es bereits angesprochen: Die meisten von uns sind hier anonym. Und legen da auch Wert drauf. Um genau zu sein, von allen Anwesenden wissen gerade einmal zwei (Sie und R.A.), wer ich bin. Und da lege ich auch Wert drauf. Macht das meine Ansichten weniger wichtig ? Stehe ich deswegen nicht zu meiner Meinung ? Ich betrachte es tatsächlich als mein Recht da anonym zu sein, wo ich es möchte. Ich habe in meiner langen Zeit im Internet zwei Morddrohungen erhalten sowie einige Gewaltandrohungen. Es gibt eine Menge bekloppte Menschen da draussen. Und ich sehe gar nicht ein, mich oder meine Familie wegen der Idioten zu gefährden. Wenn man diesen Hintergrund versteht, lieber Zettel, dann wird auch klar, warum man diesen Wert betont. Und eine Menge Piraten haben eben einen ganz ähnlichen Hintergrund.
Ich sehe auch das Problem nicht, so lange sichergestellt ist, dass ich deswegen nicht zweimal abstimme, ist das doch undramatisch.


Zitat
Wenn das Mitglied der Piratenpartei Einfluß nehmen darf, ohne sich mit seinem Namen zu erkennen zu geben, dann muß das logischerweise auch für die Abgeordneten usf. gelten.


Überhaupt nicht. Dann würde ja aus geheimen Wahlen auch das Recht auf einen "geheimen Bundeskanzler" resultieren.

Zitat
In den USA erleben wir gerade, wie diese Basisdemokratie funktioniert.


Betonung liegt auf DIESE. Ist ja okay, was die Amis machen. Aber wenn die Piraten hier neue Ideen haben, dann muss man die auch hier diskutieren. Die Erkenntnis wie es wo anders ist, hilft dabei doch nict.

Zitat
"Basisdemoikratie", wie sie den Piraten vorschwebt (wie sie den Trotzkisten vorschwebt, wie sie den Anarchosyndikalisten vorschwebt, wie sie vielen 68ern vorschwebte), führt unweigerlich in die Diktatur einer Minderheit.


Wie schon angedeutet, das ist einfach eine ungerechtfertigte Behauptung.

Zitat
Der Grund ist simpel: Die meisten Menschen wollen sich nicht permanent an der Politik beteiligen. Sie interessieren sich für ihren Beruf, ihre Familie, ihren Urlaub und dergleichen. Sie wollen nicht ständig politisch diskutieren, abstimmen und wählen. Weil das so ist, kann es den demokratischen Rechtsstaat nur in der Form der repräsentativen Demokratie geben.


Und wie funktioniert dann eigentlich die Schweiz ? Und was könnte selbst in einer repräsentativen Demokratie besser sein, als für Fachfragen seine Stimme an jemanden zu übertragen, dem man vertraut ? Das ist eine deutlich bessere Umsetzung als derzeit. Deutlich besser.

Zitat
Alles andere ist Utopie; und wenn man es in die Tat umsetzt, führt es in die Diktatur.


Was erstmal zu belegen wäre.

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

09.10.2011 17:01
#23 RE: Weit daneben Antworten

Zitat
In der parlamentarischen Demokratie sagt in jeder Partei auf jeder Organisationsebene jeder das, was er meint. Das ist die Willensbildung. Wenn ich liquid feedback nicht falsch verstehe, dann soll die politische Willensbildung in dieser Piratenpartei und - als Endziel - überhaupt in der Gesellschaft erfolgen, ohne daß irgendwer zu seiner Meinung stehen muß.


Lieber Zettel,

auch für mich bedeutet, ein Bürger zu sein, das offene Auftreten unter vollem Namen bei der politischen Partizipation. Ich setze damit meinen guten Namen ein - im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich kann ihn dabei verlieren. Andererseits fühle ich mich nicht zu Leuten hingezogen, die nichts riskieren und nichts verlieren wollen. Anonymität ist nun einmal kein Zeichen von Tugend.

Herzlich, Thomas

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

09.10.2011 17:04
#24 RE: Weit daneben Antworten

Zitat von Thomas Pauli

Lieber Zettel,

auch für mich bedeutet, ein Bürger zu sein, das offene Auftreten unter vollem Namen bei der politischen Partizipation. Ich setze damit meinen guten Namen ein - im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich kann ihn dabei verlieren. Andererseits fühle ich mich nicht zu Leuten hingezogen, die nichts riskieren und nichts verlieren wollen. Anonymität ist nun einmal kein Zeichen von Tugend.

Herzlich, Thomas



Hätten Sie auch kein Verständnis für Leute, die das Leben ihrer Nächsten nicht riskieren wollen? Zum Beispiel durch Islamkritik?

Halten Sie auch nicht viel von Zettel, dessen Realnamen wohl die wenigsten hier kennen?

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

09.10.2011 17:10
#25 RE: Weit daneben Antworten

Lieber Techniknögler,

ich habe explizit auf die politische Partizipation eingeschränkt. Da allerdings mache ich keine Kompromisse.

Herzlich, Thomas

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