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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

29.06.2012 17:31
#101 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Zitat von RichardT im Beitrag #99
Dies soll keine Wertung des hier besprochenen sein, aber, wenn die Religionsausübung gegen geltendes Gesetz verstößt muß der Staat eingreifen.
Das ist für mich selbstverständlich. Ich kann doch kein gesetzwidriges Verhalten unter dem Motto "Religion" dulden. Die Frage ist, ob Beschneidung rechtswidrig ist oder sein soll.

Noricus hat dazu m.E. sehr klar und verständlich die Rechtslage dargelegt. Man muss schauen wie es jetzt weitergeht, denke ich.

Zitat von RichardT im Beitrag #99
Wenn mit der Taufe (körperlich) mehr einhergehen würde als Wasser über den Kopf zu giessen, würde ich mir sehr genau überlegen es meinem Sohn vor der Religionsmündigkeit zuzumuten. Ich sage das ganz bewusst als jemand der schon mal aus der Kirche aus-, aber auch wieder eingetreten ist.

Sie haben mir , Vielen Dank dafür, die Gründe für die Beschneidungen bei Minderjährigen dargelegt. Mir ist das Zwingende dabei nicht ganz klar. Kurz gesagt, mein Junior, wenn er nicht getauft wäre, hätte laut der mir bekannten Lehre, ein Problem wenn er stirbt ohne getauft zu sein. Also ein Problem im Jenseits. Deshalb gibt es Nottaufen. Ein (blöder Ausdruck aber ich weiß nichts besseres) Vollmitglied wird er aber erst mit der Firmung. Und da werden die jungen Leute nochmal angehalten zu überdenken ob sie es wirklich wollen.

Vielen Dank auch Ihnen für die Erläuterungen.
Zitat von RichardT im Beitrag #99
Ist es im Judentum bzw. Islam ähnlich oder wäre wirklich das Seelenheil in Gefahr?

Zitat von C.
Das ist eindeutig im Alten Testament 1.Buch Mose 17 erläutert. Für einen gläubigen Juden, der sich als Nachkomme Abrahams sieht, ist das nicht absurd oder verdammenswert, sondern Gesetz.

"14 Wenn aber ein Männlicher nicht beschnitten wird an seiner Vorhaut, wird er ausgerottet werden aus seinem Volk, weil er meinen Bund gebrochen hat"

Bei den Muslimen hat Abraham Vorbildfunktion, außerdem wird die Beschneidung in der Sunna vorgeschrieben. Ein Verbot der Beschneidung ist damit eine wesentlicher Eingriff in die Religionsausübung, bei Juden sogar die Zerstörung der Grundlage (Bund mit Gott). Ein Verbot, ganz gleich ob absurd oder verdammenswert oder nicht, ist unmöglich. Allerdings bleibt es Körperverletzung, die aber rechtlich keine Konsequenzen haben kann.
(Abtreibung ist nach deutschem Recht auch verboten, aber unter bestimmten Voraussetzungen nicht strafbar.)
Wer das wohl des Kindes im Auge hat, sollte dafür sorgen tragen, dass die Beschneidung von Kindern unter optimalen Bedingungen stattfindet. Es ist nichts gewonnen, die Beschneidung in die Illegalität zu drängen oder einen Beschneidunsgtourismus zu fördern. Sie wird auch bei strengem Verbot und Strafverfolgung stattfinden. Mir persönlich wäre es recht, wenn der Beschnittene einwilligungsfähig wäre, aber das sehen die Religionen nicht vor.


Marginalie: Religiöse Beschneidung verbieten? (2)

Zitat von RichardT im Beitrag #99
Und was ist die Vorschrift für Notzeiten wenn die Rituale aus irgendwelchen Gründen nicht möglich sind?
Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Nicht dass hier evtl. ein Missverständnis auftritt: Ich gehöre keiner Religion an.

Zitat von RichardT im Beitrag #99
Ich würde die Motive gern besser verstehen, denn bisher kann ich mich mit körperlichen Verstümmelungen aus religiösen Gründen nicht anfreunden. Und habe dann auch das Problem, daß bei Jungen erlaubt sein soll was bei Mädchen verboten ist. Ich weiß, für Mädchen ists schlimmer, aber in beiden Fällen wird die körperliche Unversertheit eben beeinträchtigt.

Ich habe mich ganz bewusst erst in diesen Thread begeben, als die Vergleiche Beschneidung Junge - Verstümmelung Mädchen, durch waren und will das nicht über das was ich dazu sagte hinaus, wiederbeleben.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Solus Offline



Beiträge: 384

30.06.2012 01:52
#102 RE: Marginalie: Religiöse Beschneidung verbieten? Antworten

Einen Artikel zum Thema jüdische Beschneidung, den ich zum Teil ganz interessant fand: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/re...s-11802683.html
Inwieweit das den Tatsachen entspricht, ist natürlich die Frage.

AldiOn Offline




Beiträge: 983

01.07.2012 21:00
#103 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #98
In der jüdischen Religion ist die Beschneidung auf den achten Tag nach der Geburt festgelegt, im Islam bis zum 13. Lebensjahr. Die Beschneidung der Jungen steht in einem direkten Zusammenhang zur Religionszugehörigkeit.

An der Stelle ist übrigens ein ganz wichtiger Unterschied zu sehen. Während Juden (und US-Amerikaner) den Eingriff zu einem Zeitpunkt vornehmen, wo das Baby praktisch nichts davon merkt und auf jeden Fall keine Erinnerung daran hat, machen Muslime es überwiegend im Alter von 8-12. Und dann ist das sehr schmerzhaft - dies umso mehr als es mit einer Familienfeier verbunden ist. Für die Persönlichkeitsentwicklung eines Jungen stellt sich das doch so dar, daß ihm ein Schmerz ohne Rechtfertigung zugefügt werden darf. Er hat sich zu fügen und wenn er sich nicht fügen wird ist er weder ein richtiger Mann noch ein richtiges Mitglied der Gemeinschaft.

Ich wundere mich darüber, daß dieser fundamentale Unterschied in der Ausführung, die ja auch auf eine Zweckbestimmung des ganzen hinweisen kann, in dieser recht langen Diskussion nicht zur Sprache gebracht wurde.
Es mag juristisch kein Unterschied sein. Faktisch ist es bei Muslimen ein psychische Deformierung und Zurichtung innerhalb einer tendenziell gewalttätigen Gemeinschaft.

Kaa Offline




Beiträge: 658

02.07.2012 08:35
#104 RE: Marginalie: Religiöse Beschneidung verbieten? Antworten

Pornografische Debatte mit maximaler Erregung

Der Artikel von Broder auch als Unterstützung meines Einwandes, daß Kinder grundsätzlich von den Eltern abhängig sind. Wie oft sagt Broder nicht deutlich, für was er nun eigentlich ist. Es wäre unerheblich, ob es ein Eingriff in die Rechte des Kindes ist (Es könnte also erlaubt bleiben), Religionsfreiheit und Tradition wären kein Argument (Also könnte es verboten werden).

Meistens halte ich Broders Rekurs auf latenten Antisemitismus oder bemühten AntiAntisemitismus (das Mantra "Weiche von mir" jeden Verdachts auf Antisemitismus) für eine Marotte. Doch in dieser Diskussion taucht tatsächlich häufig die Formulierung, manchmal als "Argument" gebraucht, auf: "gerade hier in Deutschland".

Zitat von http://grenzgaenge.wordpress.com/2012/06...t-beschneidung/
Mit dem viel diskutierten Urteil wird diese Lebenspraxis nicht nur angeprangert, sondern kriminalisiert. Judentum wird damit nicht nur angeprangert, sondern kriminalisiert. Juden werden sich in Deutschland noch weniger Zuhause fühlen als jetzt schon. Sollte das wohlbedacht und gewünscht sein ?



Zitat von http://www.hagalil.com/archiv/2012/06/26/koelner-urteil/
Das ist natürlich sehr fürsorglich. Und es ist gut, wenn sich deutsche Juristen mal wieder darum kümmern, dass Juden (und Muslime) endlich die Grundrechte von Kindern respektieren. Ich mein, hej,-jeder weiß doch, wie es da so zugeht in diesen beschnittenen Familien. Kinder zählen da doch garnix, das ist doch schon mal klar! Deshalb merke: Zu einem ordentlichen Umgang mit Kindern gehört auch eine ordentliche Vorhaut!!!



Ob das Urteil in Deutschland gesprochen wurde oder in Norwegen, das hat nun weder mit der Religionsfreiheit, noch mit den Rechten des Kindes etwas zu tun.

====
Editiert: Mir fällte gerade auf, daß meine beiden Zitate aus jüdischen Quellen sind. Ich glaube in Erinnerung zu haben, daß ich das auch woanders gelesen habe, vielleicht hier, vielleicht in einem Juristenblog. Sicher in ein oder zwei moslemischen Artikeln. Aber vielleicht tatsächlich nicht in einer Zeitung. Ich finde jedenfalls nichts. Dann hätte Broder also auch hier was fabuliert


Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

02.07.2012 10:17
#105 RE: Marginalie: Religiöse Beschneidung verbieten? Antworten

Zitat von Kaa im Beitrag #104

Der Artikel von Broder auch als Unterstützung meines Einwandes, daß Kinder grundsätzlich von den Eltern abhängig sind. Wie oft sagt Broder nicht deutlich, für was er nun eigentlich ist.

Henryk M. Broder sagt das m.E. ausgesprochen deutlich, allerdings in der ihm gerichtlich zuerkannten Qualifikation eines Pornographen.
Es geht ihm um die, zeitgeistig gesprochen, Diskriminierung Unbeschnittener welche mit dem Handycap der Ejaculatio praecox zu kämpfen haben. Und natürlich um das Verbot dieser unfairen Vorteilsnahme.

Viele Grüße, Erling Plaethe

C. Offline




Beiträge: 2.639

03.07.2012 21:16
#106 RE: Marginalie: Religiöse Beschneidung verbieten? Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #105
Es geht ihm um die, zeitgeistig gesprochen, Diskriminierung Unbeschnittener welche mit dem Handycap der Ejaculatio praecox zu kämpfen haben. Und natürlich um das Verbot dieser unfairen Vorteilsnahme.



Naja, ob es sich um Porno oder um Märchen handelt, überlasse ich mal dem Broder.

Zurück zur Realität und Praxis:Religiöse Riten in der Praxis
Beschneidungen und andere Traumata

Der Riesling gehört zu Deutschland.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

04.07.2012 09:58
#107 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Zitat von RichardT im Beitrag #99
Und was ist die Vorschrift für Notzeiten wenn die Rituale aus irgendwelchen Gründen nicht möglich sind?

Ich denke, dass die Frage irgendwo in der Halachah diskutiert wird, habe aber auf die Schnelle nichts gefunden.

Die Beschneidung wurde gerne von Machthabern verboten, mit der klaren Absicht, das Judentum auszurotten (auch vor diesem Hintergrund finde ich die Entscheidung des Gerichts völlig abwegig), so etwa vom Seleukidenkönig Antiochos und vom römischen Kaiser Hadrian. Der Anfang von 1 Makk beschreibt, dass viele Juden dem folgten, viele Mütter aber trotz des Verbots ihre Söhne selbst beschnitten - und dann hingerichtet wurden. Auch wenn 1/2 Makk im Judentum nur von geschichtlichem Interesse ist und keinen religiösen Stellenwert hat, wird das in die Halachah eingeflossen sein.

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Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Kokospalme Offline



Beiträge: 101

04.07.2012 11:25
#108 RE: Marginalie: Religiöse Beschneidung verbieten? Antworten

Zitat von C. im Beitrag #106
Zurück zur Realität und Praxis:Religiöse Riten in der Praxis: Beschneidungen und andere Traumata


Gegen den Strich gelesen, ein durchaus merkwürdiger Artikel.

Zitat
Ich wusste, dass ich früher oder später beschnitten werden musste, aber trotzdem war ich überrascht und bedauerte den drohenden Verlust meiner Vorhaut, mit der ich vor meinen Freunden angegeben hatte.


Soll das heißen, dass sich irakische Jungs gegenseitig ihre Genitalien zeigen? So etwas hätte ich nicht vermutet in einem Land mit islamischer Prägung.

Zitat
Und dann sah ich ihn: An der herabbaumelnden Kette des Arztes sah ich einen ans Kreuz genagelten Christus hängen. Mein Schmerz ließ nach, als ich an die Nägel dachte, die den gekreuzigten Körper vor mir durchbohrten, denn ich spürte nur einen einzigen Nagel, der meinen Penis zerfetzte. Plötzlich wurde mir bewusst, dass der Mann Sûrîn Salîbâ war, der bekannteste christliche Chirurg der Stadt.


Dem unbedarften Leser wird hier eine Verwicklung des Christentums in die islamische Beschneidung suggeriert, die es vermutlich gar nicht gibt. Ich glaube jedenfalls nicht, dass es typische für Muslime ist, ihre Beschneidungen bei Christen vornehmen zu lassen.

Zitat
Das war für mich der Moment, in dem die Religionen einander zu ähneln begannen, und es fiel mir ab da zunehmend schwerer, sie auseinanderzuhalten. Alles hatte sich unter meinen Schenkeln gesammelt und sie besudelt. In jenem Moment wurde mir bewusst, dass jede Macht auf Angst und Folter basiert, und als Sûrîn meine Vorhaut durchtrennte, kappte er meinen Bezug zu allen Religionen und zu jeder Art von Macht.


Da haben wir es also: Alle Religionen sind gleich böse. Differenzieren ist unnötig.

Zitat
„K“ hatte immer Probleme beim Sex. Er konnte mit keiner Frau richtig schlafen. Der Sexualakt verwandelte sich für ihn stets in ein Höllenszenario. Immer, wenn er es wieder versuchte, ist er gescheitert. Er ist noch später beschnitten worden als ich, erst mit 13 Jahren. Zwei Jahre musste er nachbehandelt werden. Ein Stück der Vorhaut ist zurückgeblieben. Er musste erneut beschnitten werden, zweimal. Danach war die Wunde entzündet. Er litt auch beim Urinieren, ein Brennen hat ihn sein Leben lang begleitet.


Das ist aber nicht „der Religion“ anzulasten. Bei einer professionellen Beschneidung, noch dazu im Alter von acht Tagen wie im Judentum wäre das nicht passiert.

Zitat
Ich weiß nicht, welche Auswirkung das Urteil des Kölners Gerichts haben wird, aber ich weiß, dass die Religionen mit Klauen und Zähnen kämpfen werden, um weiter ihre Grausamkeiten an den Menschen auszuüben. Es geht für sie um ihre Macht. Letztendlich ist es ihnen egal, welche Verstümmlung sie in den Seelen von Millionen von Menschen hinterlassen, und es spielt keine Rolle, ob die Menschen dies freiwillig über sich ergehen lassen oder nicht.


Karl Marx hätte es nicht schöner sagen können.

Llarian Offline



Beiträge: 6.920

04.07.2012 15:03
#109 RE: Marginalie: Religiöse Beschneidung verbieten? Antworten

Zitat von Kokospalme im Beitrag #108
Das ist aber nicht „der Religion“ anzulasten. Bei einer professionellen Beschneidung, noch dazu im Alter von acht Tagen wie im Judentum wäre das nicht passiert.

Gut, das da nix passiert. Und weil da nix passiert, ist das hier auch nur alles ausgedacht:
http://www.beschneidung-von-jungen.de/ho...likationen.html

(Ich hatte überlegt nach dem mir doch eher liegenden Prinzip des groben Klotzes eines der Bilder dieser "Komplikationen" direkt zu verlinken. Ich sehe davon ab, weil einige von diesen Bilder selbst für meinen Magen ein wenig neben der Spur liegen. Wer also dem Link folgt, und sich unbedingt die Bilder ansehen will, der soll nicht sagen, dass er nicht gewarnt wurde.)

Kokospalme Offline



Beiträge: 101

04.07.2012 17:21
#110 RE: Marginalie: Religiöse Beschneidung verbieten? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #109
Zitat von Kokospalme im Beitrag #108
Das ist aber nicht „der Religion“ anzulasten. Bei einer professionellen Beschneidung, noch dazu im Alter von acht Tagen wie im Judentum wäre das nicht passiert.

Gut, das da nix passiert. Und weil da nix passiert, ist das hier auch nur alles ausgedacht:
http://www.beschneidung-von-jungen.de/ho...likationen.html

Gut, also präziser: „wäre das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht passiert“.

Dass chirurgische Eingriffe immer ein gewisses Risiko darstellen, sollte klar sein. Die Frage ist, wie hoch dieses Risiko ist. Die verlinkte Analyse klingt zwar zuweilen beängstigend, aber so klingen Packungsbeilagen von Arzneimitteln auch.

Jetzt kann natürlich wieder der Einwand gebracht werden, dass man von risikobehafteten Aktionen absehen sollte, wenn sie nicht notwendig sind. Allerdings kann man darauf zweierlei einwenden: Erstens ist die Beschneidung bei jüdischen Jungs laut Altem Testament notwendig und diese Notwendigkeit wird „lediglich“ von manchen bestritten. Zweitens setzen Eltern ihre Kinder auch anderen Risiken aus, die nicht unbedingt eingegangen werden müssten. Sollten z.B. Eltern mit ihren Kindern in den Urlaub fahren, obwohl Straßen- und Flugverkehr Risiken mit sich bringen?

Zitat
(Ich hatte überlegt nach dem mir doch eher liegenden Prinzip des groben Klotzes eines der Bilder dieser "Komplikationen" direkt zu verlinken. Ich sehe davon ab, weil einige von diesen Bilder selbst für meinen Magen ein wenig neben der Spur liegen. Wer also dem Link folgt, und sich unbedingt die Bilder ansehen will, der soll nicht sagen, dass er nicht gewarnt wurde.)


Ich vermute, dass einem als Laie auch schlecht werden kann, wenn man einer fachgerecht ausgeführten Operation beiwohnt.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

04.07.2012 17:55
#111 RE: Marginalie: Religiöse Beschneidung verbieten? Antworten

Zitat von C. im Beitrag #106

Zurück zur Realität und Praxis:Religiöse Riten in der Praxis
Beschneidungen und andere Traumata


Welche Realität? Diese hier?

Zitat von tageszeitung
Ich weiß nicht, welche Auswirkung das Urteil des Kölners Gerichts haben wird, aber ich weiß, dass die Religionen mit Klauen und Zähnen kämpfen werden, um weiter ihre Grausamkeiten an den Menschen auszuüben.


Und welche Praxis? Diese hier?

Zitat von tageszeitung
Es geht für sie um ihre Macht. Letztendlich ist es ihnen egal, welche Verstümmlung sie in den Seelen von Millionen von Menschen hinterlassen, und es spielt keine Rolle, ob die Menschen dies freiwillig über sich ergehen lassen oder nicht. Die Macht der Religionen wird weiter regieren.


Es geht also um die Macht der Religionen, aber hier in Deutschland und nicht im Südsudan. Und es geht um die Beschneidung von Jungen, aber nicht um die barbarische Verstümmelung von Mädchen. Der Artikel relativiert, das es nur so kracht. Soll es wohl auch.
Also auf, zu einem neuen Kulturkampf! Das Primat der Politik muß endlich auch gegenüber den Religionen wiederhergestellt werden.
Der Autor sollte es eigentlich besser wissen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Llarian Offline



Beiträge: 6.920

04.07.2012 18:59
#112 RE: Marginalie: Religiöse Beschneidung verbieten? Antworten

Zitat von Kokospalme im Beitrag #110
Gut, also präziser: „wäre das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht passiert“.

Dann wären wir bei der Diskussion was eine hohe Wahrscheinlichkeit ist. Wenn ich von einem der verlinkten Papiere ausgehe, dann reden wir von 1:6000 als Wahrscheinlichkeit dabei zu sterben. Jetzt kann man sicher über die genaue Zahl streiten, aber das ist schon ne ganze Menge. Man kann sich vorstellen, dass da noch ne Menge zukommt an Kindern, bei denen nur Schäden auftreten (die Zahl ist 30 Jahre alt, heute ist es vermutlich weniger).

Zitat
Dass chirurgische Eingriffe immer ein gewisses Risiko darstellen, sollte klar sein. Die Frage ist, wie hoch dieses Risiko ist. Die verlinkte Analyse klingt zwar zuweilen beängstigend, aber so klingen Packungsbeilagen von Arzneimitteln auch.


Klingen, ja. Aber wenn ein Medikament eine Todesrate von 1:6000 (oder auch 1:10000) nach sich zieht, dann muss es schon schwer wirksam sein und kann allenfalls bei Krankenheiten eingesetzt werden, bei denen der Patient ohne das Medikament schlimmere Folgen befürchten müsste. Ein "normales" Alltagsmedikament mit einer solchen Todesrate käme vermutlich nichtmal in die Nähe einer Zulassung.

Zitat
Zweitens setzen Eltern ihre Kinder auch anderen Risiken aus, die nicht unbedingt eingegangen werden müssten. Sollten z.B. Eltern mit ihren Kindern in den Urlaub fahren, obwohl Straßen- und Flugverkehr Risiken mit sich bringen?


Das ist eine sehr interessante Frage. Und sie ist natürlich immer eine Frage der Unmöglichkeit die scharfe Trennung vornehmen zu können, denn mit der selben Argumentation könnte man Initiationsriten im Kampf gegen wilde Tiere zulassen, bei denen 3 von 10 Kindern sterben. Irgendwo muss man es festmachen. Ich denke bei 1:6000 (so die Zahl stimmt) ist man schon im ziemlich heftigen Bereich, deutlich über dem Risiko eines Unfalls auf sämtlichen Urlaubsfahrten der Kindheit und absurd weit vom Risiko eines Flugzeugtodes.

Zitat
Ich vermute, dass einem als Laie auch schlecht werden kann, wenn man einer fachgerecht ausgeführten Operation beiwohnt.


Wahrscheinlich. Aber ein aufgeschnittener oder verletzter Babykörper ist zumindest für mich etwas anderes.

Llarian Offline



Beiträge: 6.920

04.07.2012 19:02
#113 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Zitat von Gorgasal im Beitrag #107
Die Beschneidung wurde gerne von Machthabern verboten, mit der klaren Absicht, das Judentum auszurotten (auch vor diesem Hintergrund finde ich die Entscheidung des Gerichts völlig abwegig), so etwa vom Seleukidenkönig Antiochos und vom römischen Kaiser Hadrian.

Hier bin ich ein weniger verwundert, lieber Gorgasal. Wollen Sie damit sagen das die geschichtliche Tatsache, dass ein antiker Machthaber versucht hat ein bestimmtes Volks auszurotten, Nachkommen dieses Volkes Sonderrechte (oder Plichten ?) vor dem Grundgesetz zugestehen soll ? Ich für meinen Teil fände es nicht nur abwegig, wenn ein deutsches Gericht Rücksicht auf das nehmen würde, was irgendwelche Fürsten vor 2000 Jahren getan haben.

Solus Offline



Beiträge: 384

04.07.2012 19:53
#114 RE: Marginalie: Religiöse Beschneidung verbieten? Antworten

Zitat von Kokospalme im Beitrag #108
Erstens ist die Beschneidung bei jüdischen Jungs laut Altem Testament notwendig und diese Notwendigkeit wird „lediglich“ von manchen bestritten.

Dazu zweierlei: Zum einen, was ist, wenn das Kind später feststellt, dass es sich vom jüdischen Glauben abwenden will? Dann handelt es sich plötzlich eben nicht mehr um eine Notwendigkeit. Daran ändern kann es aber nichtsmehr.
Zweitens: Zumindest soweit ich weiß, ist eine Konvertierung zum Judentum möglich (wobei ich nicht sagen kann, welche Strömungen der Religion diese Möglichkeit beinhalten und welche nicht), im Islam jedenfalls gibt es die Möglichkeit definitiv. Insofern würde ein recht einfacher Kunstgriff doch darin bestehen, das Kind (bzw. den dann Erwachsenen) im entsprechenden Alter einhergehend mit der Beschneidung zum Juden / Moslem zu machen.

Was die Folgen der Beschneidung anbelangt, rate ich dazu, die von Llarian verlinkte Seite auch über den speziellen Artikel hinaus durchzulesen. Und wenn man dem nicht direkt Glauben schenken will, gibt es recht reichlich weitere Literatur dazu.

Nachtrag: In dem vor einigen Tagen von mir verlinkten FAZ-Artikel vertritt ein Jude auch die Ansicht, dass die vollständige Beschneidung eben gerade nicht ursprünglich vorgeschrieben war, sondern es vielmehr nur darum ging, ein Stückchen der Vorhaut zu entfernen. Was wenigstens einen weit weniger drastischen Eingriff darstellen würde; schätzungsweise sowohl im Hinblick auf mögliche Komplikationen, als auch auf die dauerhaften Auswirkungen. Inwieweit das so tatsächlich in den entsprechenden Schriften steht, kann ich allerdings nicht sagen.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

04.07.2012 21:39
#115 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #113
Zitat von Gorgasal im Beitrag #107
Die Beschneidung wurde gerne von Machthabern verboten, mit der klaren Absicht, das Judentum auszurotten (auch vor diesem Hintergrund finde ich die Entscheidung des Gerichts völlig abwegig), so etwa vom Seleukidenkönig Antiochos und vom römischen Kaiser Hadrian.

Hier bin ich ein weniger verwundert, lieber Gorgasal. Wollen Sie damit sagen das die geschichtliche Tatsache, dass ein antiker Machthaber versucht hat ein bestimmtes Volks auszurotten, Nachkommen dieses Volkes Sonderrechte (oder Plichten ?) vor dem Grundgesetz zugestehen soll ? Ich für meinen Teil fände es nicht nur abwegig, wenn ein deutsches Gericht Rücksicht auf das nehmen würde, was irgendwelche Fürsten vor 2000 Jahren getan haben.


Sie wissen schon, dass die Juden ihre 3000 Jahre Geschichte teilweise recht ernst nehmen? Dass zumindest die Halachah ganz bewusst auf diesen Erfahrungen aufbaut? Dass beispielsweise Purim (der "jüdische Karneval") explizit auf einer Judenverfolgung unter der persischen Herrschaft beruht? Dass die Juden über die Jahrtausende hinweg fast ausschliesslich verfolgt wurden? Ja, natürlich wissen Sie das. Aber jetzt bitte ich Sie: denken Sie doch bitte einmal fünf Minuten darüber nach, wie es sein muss, einer über Jahrtausenden verfolgten Minderheit anzugehören - und dann von einem deutschen Gericht gesagt zu bekommen, der fundamentale von Gott gebotene Ritus, der die Kontinuität des Stammes sicherstellt, sei verboten.

Mir persönlich würde da ein wenig anders.

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Llarian Offline



Beiträge: 6.920

04.07.2012 22:01
#116 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Zitat von Gorgasal im Beitrag #115
Sie wissen schon, dass die Juden ihre 3000 Jahre Geschichte teilweise recht ernst nehmen?

Das dürfen diese ruhig tun. Genauso wie Moslems ihre 1400 Jahre Geschichte sehr ernst nehmen. Oder Buddhisten ihre 2500 Jahre alte Geschichte. Die Frage, die sich mir stellt warum ein deutsches Gericht irgendetwas darauf geben sollte. Prinzipiell glaube ich, dass wir alle in diesem Land gleich an Rechten und gleich an Pflichten geboren werden. Und ich glaube nicht das irgendjemandem eine Sonderrolle zukommt, weil er seine Geschichte ernst nimmt oder nicht.

Zitat
Aber jetzt bitte ich Sie: denken Sie doch bitte einmal fünf Minuten darüber nach, wie es sein muss, einer über Jahrtausenden verfolgten Minderheit anzugehören


Und man ist auch ein Verfolgter, weil die Großeltern verfolgt wurden ? Wie lange vererbt sich das denn ? Meinen Sie, dass ein heutiges jüdisches Paar, das jetzt ein Kind bekommt, je diese Verfolgung erlebt hat ?

Zitat
Mir persönlich würde da ein wenig anders.


Und mir wird anders dabei Juden anders zu behandeln als den Michel aus dem Haus daneben. Es kann nicht sein, dass dem einen etwas verboten ist, was dem anderen dann aus geschichtlichen Gründen gestattet wird. Und es schafft auch Unverständnis und vergrössert den Graben. Die Juden von denen wir hier sprechen, gehören zu einem Stamm: Den Deutschen. Sie sind zunächst einmal deutsche Staatsbürger und deshalb gelten für sie die selben Regeln wie für alle Deutschen. Sie als Juden zu einem besonderen Stamm zu erklären, sozusagen eine Minderheit mit besonderen Rechten, wird am Ende nur dazu führen, dass sie genau dazu gemacht werden.

Ich meine wer in Deutschland leben will, als deutscher Staatsbürger, der muss sich auch dem deutschen Recht unterwerfen. Es wird niemand dazu gezwungen. Aber wer "deutsch" sein will, der muss sich auch der deutschen Rechtsordnung unterwerfen. Das verlangen wir von Moslems. Also verlangen wir es auch von Juden.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

04.07.2012 22:07
#117 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #116
Und man ist auch ein Verfolgter, weil die Großeltern verfolgt wurden ? Wie lange vererbt sich das denn ? Meinen Sie, dass ein heutiges jüdisches Paar, das jetzt ein Kind bekommt, je diese Verfolgung erlebt hat ?

Das kommt ganz darauf an. Wenn das Paar in den USA lebt, eher weniger. Wenn es ein Lubavitcher-Paar in Mumbai 2008 ist, dann ja. Oder wenn es einen behinderten Verwandten hat, der 1985 eine Kreuzfahrt im Mittelmeer macht.

Ich fürchte, diese Diskussion führt zu nichts.

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Frankenstein Offline




Beiträge: 888

05.07.2012 20:12
#118 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Ich habe mich vor ca. 20 Jahren (damals war ich Anfang 20) auf Wunsch meiner damaligen Verlobten nach Rücksprache mit einem Urologen unter dem Vorwand einer (real nicht vorhandenen) Phimose beschneiden lassen. Bis zum Aufkommen dieser Diskussion war das für mich nie ein grosses Thema.

Folgendes vorab: Die Operation war nicht trivial, die anschliessenden Wochen auch nicht (obwohl prinzipiell komplikationslos verlaufen).

Wenn diese Operation nicht freiwillig geschieht, handelt es sich definitiv um eine nicht zu verniedlichende Körperverletzung.

Dass hier speziell in diesem Forum Einigen ernsthaft die Texte jahrtausende Jahre alter Überlieferungen wichtiger ist als fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien, finde ich persönlich ziemlich erschreckend.

Sollten Sie, werter und hochgeschätzter Zettel, selber zum Recht auf Beschneidung tendieren, würde sich die Frage nach der von Ihnen geforderten unbedingten Gesetzestreue aus einem Thread zum Thema Piraten und Urheberrechte noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive stellen.

Ich selber fände es jedenfalls absolut inakkzeptabel und unerträglich, wenn Gläubige vor dem Gesetz im Vergleich zu Nicht-Gläubigen bessergestellt und privilegiert werden würden. Es kann auch nicht angehen, dass irgendwelche Gesetze aus Jahrtausende alter Schriften wichtiger sein sollen als die Gesetze unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats.

Die Entscheidung zu diesem Eingriff an seinem Körper muss in einem freiheitlich-liberalen Rechtsstaat dem mündigen Bürger selber obliegen. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion gewährt definitv kein Recht auf Körperverletzung, auch nicht gegenüber den eigenen Kindern.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.07.2012 21:49
#119 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #118
Sollten Sie, werter und hochgeschätzter Zettel, selber zum Recht auf Beschneidung tendieren, würde sich die Frage nach der von Ihnen geforderten unbedingten Gesetzestreue aus einem Thread zum Thema Piraten und Urheberrechte noch einmal aus einem ganz anderen Perspektive stellen.
Ich habe, lieber Frankenstein, dazu keine Meinung.

Die Gesetze müssen befolgt werden. Soweit habe ich eine klare Meinung.

Wenn es so sein sollte - was ja vermutlich höchstrichterlich entschieden werden wird -, daß die Beschneidung eine Körperverletzung ist, dann darf sie eben bei Kindern nicht vorgenommen werden; sondern erst in einem Alter, in dem der Betroffene selbst entscheiden kann.

Wenn anders entschieden wird, dan gilt eben dieses, was entschieden wird. So ist es in einem Rechtsstaat.

Mir sind die Aufgeregtheiten nicht nachvollziehbar. Wer die Beschneidung von Kindern als Körperverletzung sieht, der ist deshalb kein Antisemit. Wer das nicht tut, der ist deswegen kein Befürworter von Straftaten an Kindern.

Herzlich, Zettel

Llarian Offline



Beiträge: 6.920

05.07.2012 22:05
#120 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Zitat von Gorgasal im Beitrag #117
Das kommt ganz darauf an. Wenn das Paar in den USA lebt, eher weniger. Wenn es ein Lubavitcher-Paar in Mumbai 2008 ist, dann ja.

Mit der Argumentationslinie sind Christen noch deutlich stärker verfolgt, handelt es sich immerhin um die in Zahlen derzeit am meisten verfolgte Religion weltweit. Und auch wenn in diesem Land über 50 Millionen Christen leben, weiss ich nicht, wie die sich verfolgt fühlen können, wenn in Ägypten christliche Kirchen niedergebrannt werden.

Zitat
Ich fürchte, diese Diskussion führt zu nichts.


Was ich erschreckend finde, denn sie könnten damit Recht haben. Im Endffekt ist die Idee eine Umkehrung der Erbsünde, sozusagen ein Ergbsegen. Ich fand diese Form der Argumentation, so ehrenhaft sie gemeint ist, immer vernichtend in ihren Auswirkungen. Ich denke es gibt genug Antisemitismus in Deutschland, und das Braten von Extrawürsten wird im Endeffekt dazu führen, dass dieser sich noch deutlich verstärkt.

McCluskey Offline




Beiträge: 92

05.07.2012 22:39
#121 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Vermag jemand die Frage zu beantworten, wie der theoretische Fall eines frühgeborenen jüdischen Jungen gehandhabt würde, der wochen- oder gar monatelanger intensivmedizinischer Betreuung bedarf und sich somit der religiös vorgeschriebene Beschneidungstermin einfach nicht halten ließe? Wenn da die Möglichkeit einer Verschiebung des Zeitpunkts bestehen würde - warum dann nicht auch allgemein?

Vogelfrei ( gelöscht )
Beiträge:

05.07.2012 23:54
#122 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Ich bin beeindruckt. Mal wieder eine Forumsdiskussion, die in Qualität und Leidenschaft in Deutschland ihresgleichen sucht!

Eine kleine Anmerkung sei mir aber gegönnt: Die Prinzipienreiterei, mit welcher "die" Liberalen hier ihren Standpunkt gegen jahrtausend alte Traditionen durchzusetzen suchen, ist es, die den Liberalismus in konservativen Kreisen als höchst suspekt erscheinen läßt - was somit den Linken in die Hände spielt. Bei aller Vehemenz, mit der man für das bedingungslose Selbsteigentum eintreten sollte - ein wenig mehr "Leben und leben lassen." dürfte doch drin sein. Und da bin ich ganz bei Rayson: Ein Land in welchem jedes Jahr mehr als hundertausend Ungeborene ermordet werden, hat ganz andere moralische Probleme, als die Entfernung von ein wenig Haut bei einem Kleinkind.

Grüße

~~~
Don't you know there ain't no devil? There's just God when he's drunk.

rubars25 Offline



Beiträge: 42

06.07.2012 00:36
#123 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Zitat von McCluskey im Beitrag #121
Vermag jemand die Frage zu beantworten, wie der theoretische Fall eines frühgeborenen jüdischen Jungen gehandhabt würde, der wochen- oder gar monatelanger intensivmedizinischer Betreuung bedarf und sich somit der religiös vorgeschriebene Beschneidungstermin einfach nicht halten ließe? Wenn da die Möglichkeit einer Verschiebung des Zeitpunkts bestehen würde - warum dann nicht auch allgemein?



Aus frühgeboren folgt Vorhaut nicht vollständig ausgebildet und daraus folgt Frist läuft ab verlassen des Brutkastens.

zappzarap Offline



Beiträge: 21

06.07.2012 09:15
#124 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit ja geurteilt, dass Marihuanakonsum, der wesentlich weniger Schäden verursacht als der von Alkohol, verboten sein darf. Das sei korrekt, denn grob gesprochen: JA, beides seien Rauschmittel, aber Alkohol trinke man nicht primär, um sich zu berauschen.
Angesichts eines solchen Talents, ein Urteil so kreativ zu begründen, sodass es dem politisch gewünschten Ergebnis zupass kommt, muss man in dieser Frage das schlimmste fürchten: der Trennung der Menschen in religiöse Klassen, für die einen ist etwas Körperverletzung, für die anderen erlaubter Ritus, ohne den die Gruppe zum Untergang verurteilt sei. Bemerkenswert die Rhetorik ("Hitler würde sich über Beschneidungsverbot freuen" Jacques Schuster in der Welt)

Karl Albrecht Schachtschneider, der vor über einem Jahrzehnt mit anderen gegen die Einführung des Euro geklagt (und verloren) hat, hat die "Grenzen der Religionsfreiheit am Beispiel des Islam" im gleichnamigen Buch erörtert, allgemeinverständlich hat er das in einem Vortrag zusammengefasst, der auf Youtube zu finden ist.
Ein paar Kerngedanken, stenographisch:
"Freiheit ist definiert im GG durch das Sittengesetz (kategorischer Imperativ). Freiheit ist gleich für alle, niemand darf freier sein als ein anderer.
Gesetze sind verbindlich weil das Volk es will.
Gesetze sollen sein: der Wille des Volkes, Parlamentarier haben nur zu erkennen, was der Wille des Volkes ist. (Sch.: "fällt ihnen schwer, gelingt ihnen nicht")
Als Gesetzgeber muss sich der Bürger von seinen Neigungen losmachen, also auch von seinen religiösen Neigungen. Wenn es um Rechtsetzung geht, muss jeder Bürger sein. ("Schleier des Nichtwissens" Rawls). Keine Interessensverfolgung, das Allgemeine verfolgen.
Das gute Leben aller in allg. Freiheit auf Grundlage der Wahrheit.
Gesetze müssen auf Wahrheit beruhen.
Glaubensbekenntnisse sind Vorstellungen die nicht wahrheitsfähig weil falsifizierbar/verifizierbar sind. Gesetze müssen auf Wahrheit, Wissen muss auf Wissen (wenn auch vorläufigem, irrtumsbehaftetem) Wissen beruhen. "Es ist die Logik unseres Staates, dass man Religion nicht in Gesetze einbringen darf."

Später sagt Schachtschneider: "Ohne Zwei-Reiche-Lehre kann man Religionsfreiheit gar nicht zugestehen". "Wenn sich jemand nicht säkularisiert und seine Religion einbringt in die Politik ist ein republikanischer Konsens nicht möglich. Ergebnis kann nur der Bürgerkrieg sein." "Das ist die Logik unseres Gemeinwesens."
_
Mir ist offen gesagt unbegreiflich, wie man bestreiten kann, dass die chirurgische Entfernung eines Körperteils eine Körperverletzung ist.

Ein Jurist ("Lehmann") hat es im Blog des Liberalen Instituts der Neumann Stiftung auf den Punkt gebracht:
Zitat: "Das ist alles ganz einfach, betrachtet man die Situation allein unter rechtlichem Aspekt. Dort gehört sie zunächst auch hin.
- Natürlich ist es eine Körperverletzung.

- Rechtswidrig und schuldhaft – kein Zweifel.

- Einverständnis unmöglich, weil minderjährig.

- Nicht zu ersetzen durch Eltern oder Dritte,
 weil nicht zur (Lebens-)Rettung nötig.

So verwundert, daß nicht längst Staatsanwälte der ihnen obliegenden Amtspflicht nachkamen, die unendlich vielzähligen kriminellen Handlungen (das sind sie auch dann, wenn sie gerechtfertigt oder schuldlos wären) zu verfolgen.
 Rechtlich betrachtet sicher Amtspflichtverletzung, von Amts wegen von den Kollegen zu verfolgen. Demnach gehörte völlig zu Recht ein nicht unwesentlicher Teil unserer Staatsanwälte hinter Gitter.
Der Skandal liegt darin, das dies nicht der Fall ist.
Was denn religiös geboten sein mag für die paar Fanatiker, die meinen Wehrlosigkeit von Kindern ausnutzen zu müssen um ihres eigenen Glaubens willen, hat im Rechtsstaat, sofern er ernst zu nehmen sein will, nicht das Geringste zu suchen, solange die betroffenen Menschen nicht selbst verantwortlich entscheiden können, nach ihrem 18. Geburtstag etwa.
Eigenartig, daß es überhaupt Widerspruch gibt – aber bitte, dem Liberalen darf nichts fremd sein, ums Verrecken nicht."

Kokospalme Offline



Beiträge: 101

06.07.2012 10:30
#125 RE: Viel Lärm, wenig Folgen Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #118
Dass hier speziell in diesem Forum Einigen ernsthaft die Texte jahrtausende Jahre alter Überlieferungen wichtiger ist als fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien, finde ich persönlich ziemlich erschreckend.

Geht man davon aus, dass es einen allwissenden Gott gibt und gewisse Texte von diesem Gott eingegeben sind, dann ist es egal, ob sie Jahrtausende alt sind.

Außerdem frage ich mich, ob der bisher in den westlichen Staaten übliche Umgang mit der Beschneidung von Kindern wirklich gegen fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien verstößt. Verstößt nicht am Ende die weitere Einmischung des Staates gegen das Sorgerecht der Eltern?

Zitat von Frankenstein im Beitrag #118
Ich selber fände es jedenfalls absolut inakkzeptabel und unerträglich, wenn Gläubige vor dem Gesetz im Vergleich zu Nicht-Gläubigen bessergestellt und privilegiert werden würden.

So etwas fände ich auch unerträglich, aber ich plädiere auch gar nicht dafür. Meiner Meinung nach sollen auch Ungläubige das Recht haben, ihre Kinder beschneiden zu lassen. Und sie sollen auch ansonsten Entscheidungen für ihre Kinder treffen können und dann natürlich auch die Verantwortung dafür tragen.

Zitat von Frankenstein im Beitrag #118
Es kann auch nicht angehen, dass irgendwelche Gesetze aus Jahrtausende alter Schriften wichtiger sein sollen als die Gesetze unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats.

Verstehe ich Sie richtig, dass für Sie der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat oder was sie dafür halten so eine Art Gottesersatz ist und dessen Gesetze daher im Zweifelsfall über den Geboten eines tatsächlichen Gottes stehen?

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