Zitat Davon ausgehend, dass eine Phimose zum einen in der Regel ohne Zirkumzision behandelbar ist und sich zum anderen gewiss einige Leute dementsprechenden engagieren werden
Wer soll sich denn hier wie engagieren? Die "Vergehen" finden ja nicht in der Öffentlichkeit statt, somit wäre die Staatsanwaltschaft auf Informanten angewiesen.
Ein paar Familien, die dagegen vorgehen wollen und Söhne in entsprechendem Alter haben, würden dafür beispielsweise ausreichen. Ebenso wie sie sagten Informanten - zumindest einige vereinzelte Angehörige der entsprechenden Religionen gibt es meines Wissens, die gegen die Beschneidung sind. Wie die Staatanswaltschaft dann jeweils Kenntnis davon bekommen könnte, führe ich mal nicht weiter aus. Jedenfalls würden einige derartige Fälle zumindest wahrscheinlich einiges an Wirkung entfalten, sofern sie von einem entsprechenden Medienecho begleitet werden (wovon nach den Reaktionen auf dieses einzelne Urteil auszugehen sein dürfte). Sofern der Arzt bei einer Verurteilung seine Approbation verliert, würde das die Bereitschaft, diesen Eingriff vorzunehmen, wahrscheinlich recht drastisch senken. Die Vergleiche, die sich da aufdrängen, sind freilich recht unangenehm.
Zitat Jedenfalls würden einige derartige Fälle zumindest wahrscheinlich einiges an Wirkung entfalten, sofern sie von einem entsprechenden Medienecho begleitet werden
Die religiöse Beschneidung im Judentum ('Brit Mila') ist mindestens 2.500 Jahre alt und (zumindest laut Wikipedia) einer der in der Geschichte am meisten verfolgten jüdischen Bräuche, zeitweise sogar mit der Todesstrafe bedroht. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass sich ein juristisches Verbot dieser Praxis dauerhaft wirksam durchsetzen ließe (und es wäre meiner Ansicht nach völlig verfehlt, wenn jetzt ausgerechnet Deutschland diesen Versuch unternehmen sollte). Wenn es in diesem Bereich eine Änderung geben wird, dann wird der Anstoß hierzu von innerhalb der Religion gekommen sein, nicht von außen.
Zitat Raffiniert an dem Urteil ist, dass der Angeklagte freigesprochen wurde: ...
Das klingt entlarvend, fast entwaffnend, ist aber in Wahrheit ein höchst geschickter Schachzug: Denn damit kann der Arzt kein Rechtsmittel einlegen. Das Urteil wird rechtskräftig ... Raffiniert gemacht, wie gesagt.
Das nur als Extra Hinweis.
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Ich habe einmal, in einem Roman glaube ich, die Beschreibung eines (islamisch geborenen) Mannes von seiner Beschneidung gelesen. Er war ungefär vier und freute sich auf das angekündigte Fest, bei dem er im Mittelpunkt stehen würde. Er hatte dann Angst und Schmerzen, wurde von seiner Schwester getröstet, doch haben ihm dies und auch die Geschenke den Tag nicht wirklich versüßt. Allerdings war das eine "originale" Beschneidung im Kreise der Familie im Heimatland, keine Betäubung, soweit ich mich erinnere.
Contra Verbot: - Man kann eine mehrtausendjährige Tradition, die relativ harmlos ist, nicht per Gesetz abschaffen. - Was mischt sich der Staat schon wieder in die Elternrechte ein? Das ist eine sehr ernste Angelegenheit, es ist schon eine schwierige Frage bei Zeugen Jehovas Eltern, die einem totkranken Kind keine Bluttransfusion geben wollen. Ich glaube die Brisanz der Entrechtung der Eltern wird in diesen Fällen nicht gesehen. Pappa Staat weiß, was gut für die Kinder ist, und WIR Normalbürger hier mit unserem gesunden Menschenverstand stimmen dem Staat hierbei in diesen Fällen zu. Es ist aber eine prinzipielle Frage. Der Staat beschneidet die Rechte von Eltern. Warum ist erst mal sekundär. Das wird immer mehr zu einer Gewohnheit. Und beschneidet die Freiheit. - Wie geht es dem Jungen in seiner Kindheit, wenn er nicht beschnitten ist? Ich unterstelle nicht, daß er absichtlich ausgegrenzt wird, doch er wird immer anders sein als seine nächsten Nächsten.
Pro Verbot: - Die Angst und die Schmerzen eines Kindes. - In unserem Land bestimmen wir.
Die beiden "Pro Verbot" Argumente kann ich leichter revidieren, als die drei Contra Argumente. Aber das spare ich mir für eine eventuelle spätere Antwort auf.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt
Zitat von Kaa im Beitrag #78Ein interessanter Hinweis findet sich im Verfassungsblog Zitat:Raffiniert an dem Urteil ist, dass der Angeklagte freigesprochen wurde: ...
Das klingt entlarvend, fast entwaffnend, ist aber in Wahrheit ein höchst geschickter Schachzug: Denn damit kann der Arzt kein Rechtsmittel einlegen. Das Urteil wird rechtskräftig ... Raffiniert gemacht, wie gesagt.
Die Behauptungen des Artikels sind unsinnig. Betroffenen, die zukünftig Sanktionen fürchten müssen, steht im Gegensatz zur Aussage des Artikels die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde offen.
Die Behauptung, Gericht und Staatsanwaltschaft würden einen "Kulturkampf" anstreben, ist haltlos. Es handelt sich schlicht um eine juristische Problemstellung, die sich aus der Logik des deutschen Medizinstrafrechtes ergibt.
Zitat Ein interessanter Hinweis findet sich im Verfassungsblog
Danke für den Link. Die Behauptung des Autors, das Gericht mache das Strafrecht zum Mittel eines antireligiösen Kulturkampfes, halte ich zwar auch für überzogen. Wenn ich mir allerdings die dem Artikel nachfolgende Diskussion so ansehe, bin ich schon einigermaßen entsetzt über die Nonchalance und Oberflächlichkeit, mit der hier Urteile über teilweise konstitutive Riten fremder Religionen gefällt werden. Auch wird der Begriff des "antireligiösen Kulturkampfes" von manchen Diskussionsteilnehmern explizit aufgenommen und bejaht.
Interessant finde ich überdies, dass auch dort der Verweis auf die Erfahrungen im Umgang mit der Abtreibung von den weiteren Diskussionsteilnehmern vollständig ignoriert wird.
Zitat von Yossarian im Beitrag #351. Die Rechtsebene:
Da steht nun ein Verfahren, das mit einem Freispruch endet, und eine Rechtsempfehlung eines Landgerichts enthält (so zumindest mein Verständnis der Sache).
Ganz so einfach ist es nicht. Es ist nicht eine bloße Empfehlung sondern eine klar formulierte Feststellung des Gerichts. Auf gut Deutsch: "Heute lassen wir dich vom Haken, der Nächste, der kommt, ist fällig."
Zitat von Yossarian im Beitrag #58Ich hoffe, ich verletze mit meinen Ausführungen keine religiösen Gefühle.
Keine Angst! Ich finde das Gerede von den verletzten religiösen Gefühlen ziemlich unsinnig. Das Problem mit Äußerungen gegen Gott ist, dass man Gott beleidigt. Nun glaubt aber so mancher Kirchenvertreter wohl nicht mehr richtig an Gott. Oder weiß zumindest, dass die Adressaten seiner Beschwerden nicht an Gott glauben. Und deshalb wird nicht gesagt: „Das beleidigt aber Gott.“, sondern: „Das verletzt meine religiösen Gefühle.“ Statt dass man Gott zu seinem Recht verhelfen will, stellt man also seine eigene Gefühlswelt in den Mittelpunkt. Das finde ich nicht fair.
Zitat von Solus im Beitrag #54Man kann das ganze auch so ausdrücken: Der Körper ist das Ureigentum eines jeden Menschen. Da sollte es dann doch eigentlich recht eindeutig sein, warum kein anderer Mensch daran Veränderungen vornehmen darf, denen der Eigentümer nicht zustimmt / nicht zustimmen kann.
Dann dürfen Eltern ihre Kinder aber auch nicht an die frische Luft schicken, weil die Sonnenstrahlen Veränderungen am Körper hervor rufen. Und warum sollten Eltern überhaupt das Recht haben, von ihren Kindern bestimmte Handlungen zu verlangen. Schließlich führen die Kinder diese Handlungen mit ihren Körpern durch, die Eltern verfügen somit über fremdes Eigentum. Wo zieht man die Grenze? Warum sollte man Beschneidungen aus religiösen Gründen verbieten, aber das Ausüben elterlicher Autorität erlauben? Das Selbsteigentum des Kindes an seinem Körper ist erst dann verwirklicht, wenn die Eltern das Kind verwahrlosen lassen. Statt das Prinzip des Selbsteigentums bis zum bitteren Ende zu verfolgen, kann man natürlich auch einfach die Autorität der Eltern akzeptieren.
Man kann auch einfach die Verfügungsgewalt der Eltern soweit reichen lassen, wie es notwendig (und praktisch umsetzbar) ist.
Aber darüber, was notwendig ist, bestehen nun einmal unterschiedliche Ansichten.
Zitat von Solus im Beitrag #61Dass sie keine Probleme daran sehen, einem Dritten die Möglichkeit zu geben, irreversible körperliche Veränderungen, die nicht zwingend erforderlich sind, an jemanden vorzunehmen, ohne, dass derjenige darüber entscheiden kann, ist für mich schwer nachvollziehbar.
Der Punkt ist doch gerade, dass ich der Meinung bin, dass die Beschneidung jüdischer Jungs „zwingend erforderlich“ ist. Weil Gott diese als notwendigen Bestandteil seines Bundes mit Israel eingeführt hat. Sie sind der Meinung, dass sie nicht erforderlich ist, aber sie könnten mit dieser Meinung falsch liegen.
Zitat von Solus im Beitrag #61Wo genau man die Grenze zieht, ist natürlich die Frage. Dass dieser spezielle Eingriff aber (in aller Regel) nicht zwingend erforderlich ist, sofern man das ganze nicht aus dem Standpunkt der entsprechenden Religion betrachtet, dürfte zumindest unstrittig sein. Was die Religion für erforderlich hält, sollte in einem säkularen Staat aber wiederum keine Rolle spielen.
Warum muss man einen säkularen Staat haben? Ein solcher Staat ist auch nicht neutral, sondern setzt eine bestimmte Weltanschauung absolut. Genauso könnte man einen christlichen Staat ausrufen und verkünden, dass Dinge, die die Aufklärung für erforderlich hält, in einem christlichen Staat keine Rolle spielen sollten.
Letztendlich kommt man nicht umhin, dass ein Staat eine gewisse weltanschauliche Prägung hat. Aber man sollte deren Einfluss auf das Leben der Bürger reduzieren. Also Liberalismus statt eine „Diktatur der Aufklärung“.
Zitat von stefanolix im Beitrag #71 Auch Amerikaner ganz ohne eine diesbezügliche religiöse Bindung lassen ihre männlichen Kinder beschneiden (natürlich im Krankenhaus). Das Argument der Gesundheit bzw. Hygiene halte ich nicht für vorgeschoben. Wenn man dem Nachwuchs beibringen möchte, wie er sich »anständig« und gleichzeitig hygienisch wäscht, muss man die Dinge richtig erklären und beim Namen nennen. Damit sind wohl viele Menschen bis heute überfordert. Da ist der kleine Schnitt offensichtlich die einfachere Lösung, zumal die Generationen der Väter und Großväter ja selbst beschnitten waren. Das Thema kommt übrigens auch in der amerikanischen Literatur vor (z.B. bei John Updike).
Au contraire. Wenn ich mich recht entsinne, begann der Boom der Beschneidung in den USA nach WK II, in dem viele Soldaten sich in den hygienisch unzureichenden europäischen, asiatischen und nordafikanischen Wüstengebieten sonstwelche Krätze an den Pint holten und das Problem kurzfristig nur mit Massen-Beschneidung in den Griff zu kriegen war. Offenbar hat das den zuhausegebliebenen "Rosie the riveters" gefallen, und voila, der Boom war da.
An alle: Ich verstehe ja, dass man hier die vielen verschiedenen Aspekte (rechtlich, moralisch, religiös) hin und her begründen kann. Aber: Lohnt es sich wirklich, gegen einen vergleichsweise harmlosen Eingriff vorzugehen, wo es doch soviel wichtigere Probleme in der Welt gibt? Euro-Krise, Mädchenbeschneidung, häusliche Gewalt, Kapitalismus, Sozialismus, harte Butter - you name it. Da ist doch das Thema "religiöse Beschneidung von Jungs" ein eher kleines Thema.
Und am Ende isses doch so: Den Mädels gefällts. Und meine Libido hat nicht gelitten. Also, lasst uns mal die Bälle flach halten...
Zitat von Kokospalme im Beitrag #83Warum muss man einen säkularen Staat haben? Ein solcher Staat ist auch nicht neutral, sondern setzt eine bestimmte Weltanschauung absolut.
Ich halte eine Weltanschauung, die die körperliche Unversehrtheit von Kindern und religiöse Selbstbestimmung beinhaltet, grundsätzlich nicht für falsch. Allerdings sollen Anhänger von Religionen, deren Gott ein Stück Fleisch von jedem Gläubigen fordert, nicht in einen Konflikt zwischen Glauben und Gesetzestreue gebracht werden. Es ist immerhin ein Fortschritt zum Menschenopfer. (Abraham wäre bereit gewesen seinen Sohn diesem Gott zu opfern).
Der Verzicht auf das Fleischesopfer für den Bund mit Gott würde das Judentum auslöschen, deswegen sollte dem Gesetzestext zur Körperverletzung die Ergänzung hinzugefügt werden, dass die körperliche Unversehrtheit nicht für jüdische Kinder gilt. Für Muslime lässt sich eine ähnliche Begründung finden, auch wenn es sich hier nicht um die Nachkommen Abrahams handelt, aber der Bezug zu Abraham vorhanden ist, ergänzt um die rituelle Reinheit. Auch wenn ich von der Harmlosigkeit des Eingriffs nicht überzeugt bin, sollte er zumindest professionell durchgeführt werden, um Schäden zu vermeiden. Ich bin davon überzeugt, dass eine solche Gesetzesergänzung auch breite Zustimmung findet.
Es stellt sich mir die grundsätzliche Frage, wieweit Ausnahmen für einzelne Religionsgruppen gehen können. Wenn eine Religion für den Glaubensabfall schwere Strafen vorsieht, hat sich dann der Staat auch herauszuhalten, sind Peitschenhiebe bei Ehebruch akzeptabel, wie sieht es mit Polygamie aus?
Die Beschneidung von jüdischen und muslimischen Jungen ist Bestandteil der freien Religionsausübung einer Gesellschaft welche sich auf ihre jüdisch-christlichen Wurzeln beruft. Eine Abkehr von dieser jahrtausendealten Übereinkunft zwischen den beiden betreffenden Religionen und den über die Zeit wechselnden staatlichen Gewalten, beendet die freie Religionsausübung und wird von mir als Angriff auf die Religionsfreiheit gewertet. Hier wird mit dem Urteil des Kölner Landgerichts Rechtsunsicherheit geschaffen. Ohne Not. Der "unvermeidbare Verbotsirrtum" schafft eine völlig neue Situation. Mich würde mal interessieren wann und wo die zugrunde liegenden Rechtsfragen in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet wurden, so dass von besagtem unvermeinichen Verbotsirrtum ausgegangen werden muss. Und ab wann dieser gilt. Seit Bestehen der Bundesrepublik?
Zitat von stefanolix im Beitrag #71 Auch Amerikaner ganz ohne eine diesbezügliche religiöse Bindung lassen ihre männlichen Kinder beschneiden (natürlich im Krankenhaus).
Man kann auch dumme oder schlechte Dinge tun, ohne dies aus einem religiösen Hintergrund zu tun. Beispielsweise gibt es Menschen ohne religiösen Hintergrund, die ihre Frau schlagen. Und es gibt Muslime, die ihre Frau schlagen, weil es im Koran steht. Ich sehe nicht einen Unterschied dazwischen, weder in der Vewerflichkeit noch in der Rechtsbewertung.
Zitat Das Argument der Gesundheit bzw. Hygiene halte ich nicht für vorgeschoben. Wenn man dem Nachwuchs beibringen möchte, wie er sich »anständig« und gleichzeitig hygienisch wäscht, muss man die Dinge richtig erklären und beim Namen nennen. Damit sind wohl viele Menschen bis heute überfordert.
Und das soll eine Entschuldigung sein ? Wenn sich Kinder respektlos benehmen, dann versuchen wir ihnen das argumentativ abzugewöhnen. Wir könnten sie auch prügeln. Das wäre bedeutend einfacher und in der Vergangenheit wurde das durchaus auch viel praktiziert. Und es ist verboten. Zurecht. Denn es kann kaum eine Entschuldigung sein ein Kind zu verletzen, weil man sich selber nicht überwinden kann oder die Zeit nicht nehmen will, einem Kind etwas anständig zu erklären.
Zitat Da ist der kleine Schnitt offensichtlich die einfachere Lösung, zumal die Generationen der Väter und Großväter ja selbst beschnitten waren. Das Thema kommt übrigens auch in der amerikanischen Literatur vor (z.B. bei John Updike).
Das ist dann eine Frage von Tradition. Aber auch Amerikaner machen viele Dinge die primitiv und überholt sind. Tradition rechtfertigt jedenfalls in meinen Augen keine Verstümmelung.
Zitat von C. im Beitrag #85 Es stellt sich mir die grundsätzliche Frage, wieweit Ausnahmen für einzelne Religionsgruppen gehen können. Wenn eine Religion für den Glaubensabfall schwere Strafen vorsieht, hat sich dann der Staat auch herauszuhalten, sind Peitschenhiebe bei Ehebruch akzeptabel, wie sieht es mit Polygamie aus?
Kinder sind grundsätzlich von ihren Eltern abhängig. Schon die Strafbarkeit von Schlägen von Kindern war etwas, das ich nicht für richtig hielt. Das liegt nicht daran, daß ich es gut finde, wenn man Kinder schlägt, so wie ich es auch nicht gut finde, wenn man kleine Jungens beschneidet. Im Gegensatz zu Dir, dear C finde ich das nicht mal im Hinblick auf die Religionsfreiheit gut.
Doch daß sich der Staat da einmischt ist von staatlicher Seite ein weiterer Eingriff in die Selbstbestimmung der einzelnen erwachsenen Menschen, in ihre Möglichkeit in Würde und nach ihren Möglichkeiten zu reifen und sich zu verändern. Und natürlich auch nach ihren Vorstellungen, die durchaus nicht mit den meinen übereinstimmen müßen.
Von Seiten der zustimmenden Bürger ist es in meinen Augen ein Abgeben der Verantwortung, die er für den Anderen hat. "Der soll sein Kind nicht schlagen, nicht beschneiden, laß das den Staat verbieten, dann muß ich mich nicht drum kümmern." Dann muß ich nicht die Sozialkompetenz erwerben, um mit dem unliebsamen, mir fremden Schläger oder Fremdglaubenden von Mensch zu Mensch über das Thema zu reden. Oder zu ertragen, daß da jemand etwas mit seinen Kindern macht, was ich für falsch halte. Und zu hoffen, daß das Kind heil daraus hervorgeht. Wir kommen immer mehr dazu, Einheitsmenschen zu produzieren.
Todesstrafe bei Glaubensabfall, Steinigung/Peitschenhiebe bei Ehebruch, alle Körperstrafen an Erwachsenen widersprechen der Freiheit des Individuums, insbesondere Artikel 2 des Grundgesetzes
Zitat 1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Die Aufrechterhaltung des Verbots des sexuellen Mißbrauchs an Kindern und natürlich der Ahndung von schwerer Körperverletzung (Krankenhausreif schlagen, dauerhafte Schäden zufügen) begründe ich damit, daß das ja "schon immer" gesellschaftlich geächtet war. Das fand man "noch nie" richtig.
Wohlgemerkt, mir geht es hier nicht um graduelle Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Kinder (Ohrfeige/Beschneidung geht grade noch, Hand verbrennen oder vergewaltigen ist ein Verbrechen), ich will gar nicht versuchen, da eine Grenze zu ziehen, sondern ich nehme die bereits vorhandenen Grenzen. Ohne sie zu diskutieren oder zu kritisieren. Sie sind da, diese Grenzen, sie sind etabliert und sie sind relativ stark. Wir können nicht alles neu machen. Dieser Wahn, einen neuen guten Menschen zu schaffen, ist absurd. Die größere Gefahr heutzutage ist, daß wir die Individualität verlieren - und uns nicht einmal bewußt werden kann, daß wir sie verloren haben, weil wir die Worte anders verwenden als die ersten 80 Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts.
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt
Zitat von vivendi im Beitrag #2Ist das wieder ein Genderthema? An Mädchen und Frauen wird das als Straftat eingestuft, bei Jungen und Männern nicht?
einen Tropfen fallen lassen.
Zitat von vivendi im Beitrag #60 Mir ging es darum, darauf hinzuweisen, dass man im einen Fall den Eingriff in die körperliche Integrität eines Kindes stillschweigend hinnimmt, sozusagen als kulturell/religiöses Gewohnheitsrecht, in im anderen Fall aber grundsätzlich (unabhängig von der Schwere der Konsequenzen) verbietet.
Genitalverstümmelung wurde in D schon immer mit spitzen Fingern angefasst, weil diese Praktiken (die man auch als Verbrechen werten kann) nicht von den angeblich mehrheitlich faschistoiden Deutschen, sondern den uiuiui praktiziert werden. Und weil wir nicht ausländerfeindlich oder gar islamophob sein wollen, wurde die Vaginalverstümmelung zwar insgesamt für nicht so gut gehalten, aber nicht unter (wo es hingehört) Islam, sondern Patriarchat einsortiert und damit abgehakt.
Genitalverstümmelung ist in Deutschland vielleicht de jure (was uninteressant ist), jedoch nicht de facto eine Straftat. In Deutschland leben dreißigtausend von Genitalverstümmelung betroffene Frauen. Wie viele Verurteilungen sind Ihnen bekannt?
Aber nichts ist so gut, als dass man es nicht noch besser machen könnte. Vor zwei Wochen kam auf der Achse des Guten, Der Krieg der Vaginen, eine Rezension, durch die ich den aktuellen Stand der Verkommenheit zu diesem Thema mitgekriegt habe. Unser korrupter Wissenschaftsbetrieb ist sich (zumindest in Teilen) neuerdings nicht mal zu schade, diese üblen Praktiken, diese Verbrechen, nicht nur mit Schönheitschirurgie gleichzusetzen, sondern auch als eine Art Modetrend darzustellen, welchen mitzumachen wir den Frauen erlauben sollten, damit sie nicht ausgegrenzt werden. Wie mitfühlend. Wie pervers!
Das LG hat eine Wertungsentscheidung getroffen, die rechtsdogmatisch ebenso wenig richtig oder falsch ist wie das Urteil erster Instanz. Im Gegensatz zum Gesetzgeber, der heiße Eisen unangetastet lassen kann, ist der Richter entscheidungspflichtig. Er muss sich also auch in Fällen, in denen ebenso beachtliche Argumente für die eine wie die andere Möglichkeit sprechen, auf eine Linie festlegen. Wie viel faktische Präjudizwirkung dieses Urteil entfaltet, wird noch zu sehen sein. Will man solche Urteile in Zukunft vermeiden, muss der Gesetzgeber tätig werden und religiöse Beschneidungen vom Tatbestand der Körperverletzung ausnehmen.
Nicht ganz unbeteiligt an der Problematik, wie sie sich in diesem Fall stellt, ist natürlich auch die ständige Rechtsprechung des BGH, der operative Eingriffe immer als tatbestandsmäßige Körperverletzung betrachtet. Das heißt: Um zur Straflosigkeit des Operateurs zu gelangen, bedarf es eines Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrundes. (Meistens wird bei Operationen als Rechtfertigungsgrund Einwilligung oder rechtfertigender Notstand vorliegen.) Zwingend ist diese Argumentation aber nicht: Da es sich bei der Körperverletzung um ein Erfolgsdelikt handelt, könnte man sozialadäquate Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit (also z.B. medizinisch indizierte, lege artis vorgenommene Eingriffe an einem aufgeklärten Patienten, lege artis vorgenommene religiöse Beschneidungen auf Wunsch der Eltern, Verletzungen des Gegners beim Kampfsport) nach der Lehre von der objektiven Zurechnung des Erfolgs schon auf der Tatbestandsebene ausscheiden. Ein Rechtfertigungsgrund wäre also nicht mehr erforderlich, um zur Straflosigkeit des Operateurs zu gelangen. Andererseits ist der Einwand, dass man dadurch die entscheidende Wertungsfrage nach der Zulässigkeit einer religiösen Beschneidung an einem nicht Einwilligungsfähigen nur auf eine vorgelagerte Ebene befördert, nicht ganz von der Hand zu weisen. Jedoch eröffnet das Kriterium der Sozialädaquanz einen viel weiteren Abwägungsspielraum als die Frage nach der Wirksamkeit der Einwilligung der Eltern.
Zitat von Noricus im Beitrag #90Das LG hat eine...
Vielen Dank. Dann bin ich mal gespannt, wie der Gesetzgeber für Klarheit sorgt. Das von Ihnen angesprochene Kriterium der Sozialadäquanz wird hoffentlich dabei die Entscheidungsgrundlage bilden. Schon um eine Abgrenzung zur der barbarischen Genitalverstümmelung bei Mädchen zu schaffen, welcher der religiöse Hintergrund m.W. sowieso fehlt.
Zitat von C. im Beitrag #72Dann kommt in vielen Fällen zur Körperverletzung auch noch Versicherungsbetrug. Graumann hat recht, wenn er Rechtssicherheit fordert, tricksen bringt da nichts.
Auch wenn die Medizin eine Wissenschaft ist, kann man einen Befund immer unterschiedlich auslegen. Was der Arzt gemessen, gefühlt oder beobachtet hat, kann man nach der Operation kaum noch nachvollziehen. Über so etwas wird doch nicht explizit diskutiert und erst recht kein Protokoll verfasst. Der Arzt merkt (implizit), dass der Wunsch der Eltern vorhanden ist. Er schaut nach, ob die Bedingungen für den Schnitt (ganz oder teilweise) erfüllt sind und nutzt seinen Ermessensspielraum.
Ich glaube nicht, dass dies so einfach ist. Den Krankenkassen wird ein sprunghafter Anstieg von Phimose-Diagnosen nicht verborgen bleiben und das könnte für den entsprechenden Arzt höchstproblematisch werden. Es droht wohl wirklich eine Abwanderung in die eventuell hygienisch bedenkliche Illegalität.
Im Übrigen möchte ich mich dafür bedanken, dass mir als atheistischem Vater von vier kleinen Jungen, dessen persönliche Tendenz daher pro Gerichtsurteil ausfällt, von den Diskutanten viele Gegenargumente schlüssig aufgezeigt wurden. Ein echter Erkenntnisgewinn zur Vielschichtigkeit der Problematik, auch wenn die eigene Ansicht anders ausfällt.
Ich frage mich allerdings, ob die Debatte im Land auch so heftig geführt würde, wenn nur die muslimische, nicht aber auch die jüdische Glaubensgemeinschaft vom Gerichtsurteil betroffen wäre, sprich, nicht die eigenen ethisch-kulturellen Wurzeln und die historische Verantwortung gegenüber dem Judentum ins Spiel kämen.
Zitat von Noricus im Beitrag #90 Da es sich bei der Körperverletzung um ein Erfolgsdelikt handelt, könnte man sozialadäquate Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit (also z.B. medizinisch indizierte, lege artis vorgenommene Eingriffe an einem aufgeklärten Patienten, lege artis vorgenommene religiöse Beschneidungen auf Wunsch der Eltern, Verletzungen des Gegners beim Kampfsport) nach der Lehre von der objektiven Zurechnung des Erfolgs schon auf der Tatbestandsebene ausscheiden. Ein Rechtfertigungsgrund wäre also nicht mehr erforderlich, um zur Straflosigkeit des Operateurs zu gelangen. Andererseits ist der Einwand, dass man dadurch die entscheidende Wertungsfrage nach der Zulässigkeit einer religiösen Beschneidung an einem nicht Einwilligungsfähigen nur auf eine vorgelagerte Ebene befördert, nicht ganz von der Hand zu weisen. Jedoch eröffnet das Kriterium der Sozialädaquanz einen viel weiteren Abwägungsspielraum als die Frage nach der Wirksamkeit der Einwilligung der Eltern.
Darf ich, lieber Noricus, versuchen, das einmal in die Sprache des juristischen Laien zu übersetzen? - :
Zitat Körperverletzung liegt nur dann vor, wenn ein bestimmter Sachverhalt eingetreten ist; unabhängig von der Absicht des Täters.
Der Gesetzgeber ist folglich frei darin, zu definieren, worin dieser Sachverhalt besteht. Man könnte deshalb die Gesetze so ändern, daß chirurgische Eingriffe beim über das Risiko informierten Patienten, religiöse Beschneidungen usw. nicht mehr unter "Körperverletzung" fallen.
Allerdings würde man dann das Problem durch Definition aus der Welt schaffen; es hinwegeskamotieren.
Würde man dieses Problem unter dem Gesichtspunkt angehen, was gesellschaftlich wünschenswert ist, dann könnte man freier entscheiden als dann, wenn man nur darauf abhebt, ob die Eltern selbst über eine Beschneidung entscheiden können.
Ist es das, was Sie uns sagen wollten?
(Ich freue mich, lieber Noricus, über die geballte Kompetenz in diesem Forum - es gibt ja kaum ein Thema, zu dem sich nicht Fachleute finden. Das ist besonders dann ergiebig, wenn sie so schreiben, daß es auch der jeweilige Laie versteht).
Zitat von C. im Beitrag #66 Wer das wohl des Kindes im Auge hat, sollte dafür sorgen tragen, dass die Beschneidung von Kindern unter optimalen Bedingungen stattfindet. Es ist nichts gewonnen, die Beschneidung in die Illegalität zu drängen oder einen Beschneidunsgtourismus zu fördern. Sie wird auch bei strengem Verbot und Strafverfolgung stattfinden. Mir persönlich wäre es recht, wenn der Beschnittene einwilligungsfähig wäre, aber das sehen die Religionen nicht vor.
Dazu noch eine Anmerkung: Das verhält sich bei der weiblichen Beschneidung genauso. Der einzige Unterschied in der Hinsicht ist die Anzahl der Menschen in Deutschland, die den Eingriff an ihren Kindern vornehmen wollen. Man kann dazu natürlich anführen, dass einige Formen der weiblichen Beschneidung weit über das Maß der in westlichen Zivilisationen üblichen männlichen Beschneidung hinausgehen (einige Formen sind meines Wissens allerdings tatsächlich weniger invasiv und ungeachtet dessen dennoch verboten). Das ist dann allerdings nur ein Unterschied im Grad, nicht aber der Qualität. Noch ein Aspekt dazu: Die Beschneidung wird meines Wissens auch oft von denjenigen an ihren Kindern durchgeführt, die zwar in irgendeiner Form mit der jeweiligen Kultur/Religion verbunden, aber nicht unbedingt (streng) gläubig sind. Bei der Gruppe würde ich doch stark vermuten, dass zumindest ein gewisser Teil das sich an das Gesetz halten über ihre Tradition stellen wird.
Zitat von Solus im Beitrag #61Dass sie keine Probleme daran sehen, einem Dritten die Möglichkeit zu geben, irreversible körperliche Veränderungen, die nicht zwingend erforderlich sind, an jemanden vorzunehmen, ohne, dass derjenige darüber entscheiden kann, ist für mich schwer nachvollziehbar.
Der Punkt ist doch gerade, dass ich der Meinung bin, dass die Beschneidung jüdischer Jungs „zwingend erforderlich“ ist. Weil Gott diese als notwendigen Bestandteil seines Bundes mit Israel eingeführt hat. Sie sind der Meinung, dass sie nicht erforderlich ist, aber sie könnten mit dieser Meinung falsch liegen.
Was die Religion als notwendig ansieht, kann in einem säkularen Staat nicht relevant sein, sofern Dritte davon betroffen sind.
Zitat
Zitat von Solus im Beitrag #61Wo genau man die Grenze zieht, ist natürlich die Frage. Dass dieser spezielle Eingriff aber (in aller Regel) nicht zwingend erforderlich ist, sofern man das ganze nicht aus dem Standpunkt der entsprechenden Religion betrachtet, dürfte zumindest unstrittig sein. Was die Religion für erforderlich hält, sollte in einem säkularen Staat aber wiederum keine Rolle spielen.
Warum muss man einen säkularen Staat haben? Ein solcher Staat ist auch nicht neutral, sondern setzt eine bestimmte Weltanschauung absolut. Genauso könnte man einen christlichen Staat ausrufen und verkünden, dass Dinge, die die Aufklärung für erforderlich hält, in einem christlichen Staat keine Rolle spielen sollten.
Letztendlich kommt man nicht umhin, dass ein Staat eine gewisse weltanschauliche Prägung hat. Aber man sollte deren Einfluss auf das Leben der Bürger reduzieren. Also Liberalismus statt eine „Diktatur der Aufklärung“.
Zu dem Aspekt des "warum überhaupt einen säkularen Staat" möchte ich eher ungern eine Diskussion anfangen (die würde dann doch stark ausufern).
Es verlangt ja keiner, dass die Beschneidung ansich verboten wird. Es geht darum, dass dem Kind, das sich noch nicht entscheiden kann, kein Ausdruck der Weltanschauung der Eltern körperlich irreversibel aufgedrückt wird. Was ich eben gerade für liberal halte; in Bezug auf das Kind, nicht auf die Eltern.
Zitat von McCluskey im Beitrag #92 Ich frage mich allerdings, ob die Debatte im Land auch so heftig geführt würde, wenn nur die muslimische, nicht aber auch die jüdische Glaubensgemeinschaft vom Gerichtsurteil betroffen wäre, sprich, nicht die eigenen ethisch-kulturellen Wurzeln und die historische Verantwortung gegenüber dem Judentum ins Spiel kämen.
Das frage ich mich auch. Und warum der Staatsanwalt geklagt hat. Was war von öffentlichem Interesse? Unser Gesundheitheitssystem vor explodierenden Kosten durch Pfuscherei zu schützen? Oder wollte er Handlungsfähigkeit gegenüber sogenannten Parallelgesellschaften beweisen, ohne sich dem Verdacht der Islamphobie aussetzen zu müssen? Auf jeden Fall hat er einen recht großen Stein ins Rollen gebracht der weniger Fahrt aufgenommen hätte, ginge es nicht um die Bibel sondern um den Koran.
Ich weiß ich bin spät dran mit meiner Meinung, möchte sie aber dennoch zu Gehör bringen. Aus der Sicht eines katholischen nicht sehr religiösen Vaters.
Vielleicht habe ich es in der Vielzahl der Beiträge überlesen, aber was spricht dagegen die Beschneidung zu verschieben bis der junge Mann 14, 16 oder 18 ist? Es geht ja soweit ich weiß nur um die Beschneidung bei Kindern.
Ich denke wer die Beschneidung als Elternrecht sieht, der muß dann auch weitergehen und definieren bei welcher Art von Körperverletzung er die Pflicht des Staates zum Eingreifen sieht. Mir ist nämlich nicht ganz klar warum ein Klaps oder eine Ohrfeige verachtenswerte Gewalt an Kindern sein soll, Beschneidungen aber eine heilige Pflicht. Nein, ich schlage meinen Sohn nicht. Und wenn ich es täte, dann würde ich es nicht zugeben, da hätte ich doch zuviel Angst vor dem Staatsanwalt, dem Jugendamt und allen sonstigen Kinderschützern.
Erstaunt hat mich, wie wenig Widerspruch es herausgefordert hat wenn argumentiert wurde, man solle die Beschneidung erlaubt lassen weil das Verbot sonst nur großflächig umgangen wird. Ich denke auch ein liberaler Staat hat die Verpflichtung herrschendes Recht umzusetzen. Entweder braucht man eine Regel oder man braucht sie nicht. Wenn man sie nicht braucht, dann sollte sie nicht aufgestellt werden, wenn man sie braucht dann muß man auch dafür sorgen sie einzuhalten. Zwangsheiraten sind auch schwer nachzuweisen und trotzdem verboten. Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung wir haben mehr als genug Regeln. Ein paar weniger würden es auch tun.
Und noch was zum Thema Abtreibungen und Beschneidung. Es stimmt, Abtreibungen sind straffrei möglich unter bestimmten Umständen. Aber immer noch rechtswidrig. Und wenn ich mich richtig erinner, dann hatte das BVerfG geurteilt, daß die heute gängige Praxis zu einem Rückgang der Abtreibungen führen muß um geduldet zu werden. Der Rückgang ist nicht so richtig gut zu erkennen.
(Ich freue mich, lieber Noricus, über die geballte Kompetenz in diesem Forum - es gibt ja kaum ein Thema, zu dem sich nicht Fachleute finden. Das ist besonders dann ergiebig, wenn sie so schreiben, daß es auch der jeweilige Laie versteht).
Herzlich, Zettel
Gern will ich das in etwas verständlicherer Weise ausführen, vielleicht mit einem Beispiel und der Klarheit halber auf das Wesentliche reduziert: Warum wird der Boxer, der seinen Gegner grün und blau schlägt, nicht bestraft? Nach traditioneller Ansicht würde man sagen: Zwar verwirklicht der Boxer den Tatbestand der Körperverletzung, aber er ist durch die Einwilligung des Gegners gerechtfertigt. Das heißt: Eigentlich tut er etwas Verpöntes, aber wegen der Einwilligung des Gegners darf er ausnahmsweise. Nach der Lehre von der objektiven Zurechnung würde man sagen: Nur sozialinadäquate Handlungen, die zu einer Verletzung eines anderen führen, sind überhaupt unter den Tatbestand der Körperverletzung zu subsumieren: Da Boxen eine erlaubte Tätigkeit ist und es zu dieser Tätigkeit gehört, einem anderen Schmerz zuzufügen, sind die Boxschläge keine sozialinadäquate Handlung. Also sind Körperverletzungen, die im Rahmen eines regelkonform geführten Boxkampfes zugefügt werden, nicht tatbestandsmäßig. Oder anders formuliert: Der Gegner mag zwar geschwollene Augen und Knochenbrüche haben, doch im strafrechtlichen Sinne ist er nicht Opfer einer Körperverletzung geworden.
Man mag sich fragen, was der praktische Unterschied zwischen beiden Begründungsvarianten ist. Denn beide Argumentationsweisen führen ja zur Straflosigkeit. Bei der Einwilligungsvariante stellt man rein auf das individuelle Einverständnis des Betroffenen ab; bei der Sozialadäquanzvariante fragt man, ob das Handeln des "Täters" durch eine sozial akzeptierte Norm gedeckt war. Dieser Detailunterschied könnte im Beschneidungs-Fall allerdings schlagend werden: Dass die Einwilligung der Eltern in eine medizinisch nicht indizierte Operation an ihrem Kind unwirksam ist, ist ein durchaus beachtliches Argument. Schwieriger ist es, die Sozialadäquanz der von anerkannten Religionen gebotenen Beschneidung im Kleinkindalter zu verneinen.
Wohlgemerkt: Diese Argumentation bewegt sich auf der Ebene der bestehenden Gesetzeslage.
Was den Gesetzgeber betrifft, so ist er im Hinblick auf die Grundrechte natürlich nicht völlig frei, den Begriff der Körperverletzung nach Belieben zu definieren. Nicht zulässig wäre es z.B., wenn der Gesetzgeber von Beamten während einer Amtshandlung vorgenommene Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit generell vom Tatbestand der Körperverletzung ausnähme oder wenn er nur lebensgefährliche Körperverletzung mit Strafe bedrohte. Andererseits kann dem Gesetzgeber eine Definition des Begriffs der Körperverletzung nicht ganz verwehrt sein; denn so klar, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, ist der Umfang dieses Begriffs nicht. Als Beispiel dafür einige Grenzfälle: Abschneiden von Haaren; Einflößen von Schlafmitteln in normaler Dosis; Ohrfeige, die eine nach einem Tag vergehende Hautrötung hinterlässt. Was eine Körperverletzung im strafrechtlichen Sinne ist, lässt sich nicht medizinisch definieren, sondern danach, welche Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit die Gesellschaft als strafwürdig betrachtet.
Ich hoffe, mich diesmal leserfreundlicher ausgedrückt zu haben.
Zitat von RichardT im Beitrag #96 Vielleicht habe ich es in der Vielzahl der Beiträge überlesen, aber was spricht dagegen die Beschneidung zu verschieben bis der junge Mann 14, 16 oder 18 ist?
Weil der Staat den Religionen nicht die Art ihrer Ausübung vorschreiben sollte, würde ich sagen. Bitte sehen Sie mir meine Direktheit nach, aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Katholische Kirche oder katholische Eltern bereit wären zu akzeptieren, dass ihr Sohn erst mit Volljährigkeit selbst entscheidet ob er getauft werden möchte oder nicht. In der jüdischen Religion ist die Beschneidung auf den achten Tag nach der Geburt festgelegt, im Islam bis zum 13. Lebensjahr. Die Beschneidung der Jungen steht in einem direkten Zusammenhang zur Religionszugehörigkeit. Mir ist klar, dass Sie das auch wissen; ich wollte mit der Antwort an Sie, nur meinen Meinung begründen.
Zitat Weil der Staat den Religionen nicht die Art ihrer Ausübung vorschreiben sollte, würde ich sagen.
Dies soll keine Wertung des hier besprochenen sein, aber, wenn die Religionsausübung gegen geltendes Gesetz verstößt muß der Staat eingreifen. Das ist für mich selbstverständlich. Ich kann doch kein gesetzwidriges Verhalten unter dem Motto "Religion" dulden. Die Frage ist, ob Beschneidung rechtswidrig ist oder sein soll.
Wenn mit der Taufe (körperlich) mehr einhergehen würde als Wasser über den Kopf zu giessen, würde ich mir sehr genau überlegen es meinem Sohn vor der Religionsmündigkeit zuzumuten. Ich sage das ganz bewusst als jemand der schon mal aus der Kirche aus-, aber auch wieder eingetreten ist.
Sie haben mir , Vielen Dank dafür, die Gründe für die Beschneidungen bei Minderjährigen dargelegt. Mir ist das Zwingende dabei nicht ganz klar. Kurz gesagt, mein Junior, wenn er nicht getauft wäre, hätte laut der mir bekannten Lehre, ein Problem wenn er stirbt ohne getauft zu sein. Also ein Problem im Jenseits. Deshalb gibt es Nottaufen. Ein (blöder Ausdruck aber ich weiß nichts besseres) Vollmitglied wird er aber erst mit der Firmung. Und da werden die jungen Leute nochmal angehalten zu überdenken ob sie es wirklich wollen. Ist es im Judentum bzw. Islam ähnlich oder wäre wirklich das Seelenheil in Gefahr? Und was ist die Vorschrift für Notzeiten wenn die Rituale aus irgendwelchen Gründen nicht möglich sind?
Ich würde die Motive gern besser verstehen, denn bisher kann ich mich mit körperlichen Verstümmelungen aus religiösen Gründen nicht anfreunden. Und habe dann auch das Problem, daß bei Jungen erlaubt sein soll was bei Mädchen verboten ist. Ich weiß, für Mädchen ists schlimmer, aber in beiden Fällen wird die körperliche Unversertheit eben beeinträchtigt.
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