Zitat von Paul im Beitrag #29Wieviel Zeit verging zwischen der ersten und der letzten Bewerbung? Vergingen von der ersten bis zur letzen Bewerbung dank Internet nur wenige Minuten? Oder waren es Tage?
Ich habe dazu etwas bei ntv gefunden:
Zitat Deutsche und internationale Medien hatten bei der Akkreditierung zum Münchner NSU-Prozess nur knapp drei Stunden Zeit, einen der begehrten garantierten Presseplätze zu ergattern. Das 50. Gesuch sei am 5. März um 11.42 Uhr eingegangen, teilte die Sprecherin des Oberlandesgerichts, Margarete Nötzel, mit. Berücksichtigt wurden die Anfragen nach ihrem Eingang. Nur die ersten 50 Medien bekamen garantierte Sitzplätze. Nötzel weist darauf hin, dass die Verfahrensfragen am Tag zuvor teilweise sogar telefonisch erläutert worden waren. Auch die türkische Hürriyet habe man auf diesem Wege informiert. Diese habe sich dann aber am Tag darauf erst um 16.33 Uhr gemeldet.
So. Man muß unsere Medien fragen, warum diese Tatsachen nicht weiter bekannt gemacht werden. Damit würde schließlich jeglichen Spekulationen einer Benachteiligung der türkischen Journalisten der Raum genommen. Ich vermute aber, man will das gar nicht. Viel schöner ist es doch, Hetzartikel und Verschwörungstheorien wie hier in der taz zu verbreiten:
Zitat Der hässliche Deutsche kehrt zurück Ein beispielloser Imageverlust
Kommentar von Jürgen Gottschlich
Die türkische Öffentlichkeit ist entsetzt. Der türkische Vizeministerpräsident Bekir Bozdag sprach am Freitag aus, was die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung denkt. Warum wird die türkische Presse und der türkische Botschafter vom NSU-Prozess in München ausgesperrt, wenn die Deutschen nichts zu verbergen haben? (...) Zielsicher nähren deutsche Behörden so den Verdacht, dass die Morde an türkischen Kleinunternehmern weit über den Kreis der NSU hinaus stillschweigenden Beifall gefunden haben und jetzt die Verbindungen zu Hintermännern gezielt vertuscht werden sollen.
Unglaublich. Und nun schaltet sich endlich der türkische Staat ein, und zwar so, wie es es kennen:
Zitat Türkei stellt Neutralität der Münchner Richter infrage
(...)
Da acht der zehn Mordopfer türkische Wurzeln hatten, sei die Türkei direkt betroffen, sagte der für die Auslandstürken zuständige Vize-Ministerpräsident Bekir Bozdag dem Nachrichtensender A Haber. Wenn die Türkei in einem solchen Verfahren nicht vertreten sein könne, "wo denn sonst?", fragte Bozdag.
Er zweifelte an der Unparteilichkeit des Gerichts. Er frage sich, was die Richter im Falle einer objektiven Herangehensweise bei Anwesenheit türkischer Vertreter im Saal zu befürchten hätten, sagte Bozdag. "Das bedeutet doch, dass sie sich fürchten, weil es eine subjektive Haltung gibt."
Die regierungsnahe Zeitung Today's Zaman argumentierte in eine ähnliche Richtung. Sie kommentierte in einem Leitartikel, das Vorgehen des Gerichts zeuge von einer "schützenden Haltung gegenüber Rassisten und rechtsextremen Gruppen" in Deutschland.
Zitat Deutsche und internationale Medien hatten bei der Akkreditierung zum Münchner NSU-Prozess nur knapp drei Stunden Zeit, einen der begehrten garantierten Presseplätze zu ergattern. Das 50. Gesuch sei am 5. März um 11.42 Uhr eingegangen, teilte die Sprecherin des Oberlandesgerichts, Margarete Nötzel, mit. Berücksichtigt wurden die Anfragen nach ihrem Eingang. Nur die ersten 50 Medien bekamen garantierte Sitzplätze. Nötzel weist darauf hin, dass die Verfahrensfragen am Tag zuvor teilweise sogar telefonisch erläutert worden waren. Auch die türkische Hürriyet habe man auf diesem Wege informiert. Diese habe sich dann aber am Tag darauf erst um 16.33 Uhr gemeldet.
Da stellt sich natürlich die Frage, ob evt. diese "Schließung der Bewerbung" auf der Webseite angezeigt wurde - oder ob hier der Eindruck eines freien Losverfahrens entstehen konnte - nach den ntv-Informationen ja wohl eher nicht. Die dann anstehende Frage, ob man das bei den türkischen Medien vielleicht gar mit Absicht hinausgezögert habe, um daraus einen garantierten Skandal münzen zu können, ist vielleicht vorschnell; daß man es tut, freilich ersichtlich.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #52Die dann anstehende Frage, ob man das bei den türkischen Medien vielleicht gar mit Absicht hinausgezögert habe, um daraus einen garantierten Skandal münzen zu können, ist vielleicht vorschnell; daß man es tut, freilich ersichtlich.
Genau das ist mir auch schon in den Sinn gekommen. Ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, daß gerade bei diesem Thema ausgerechnet eine Zeitung wie die Hürriyet, der das Verfahren überdies ausdrücklich erklärt wurde und die außerdem mit unserer Bild verbandelt ist, da geschlafen haben soll. Ein unguter Gedanke, sollte hier das nächste Süppchen gekocht werden.
Zitat von 123Denn: Es wird stets nur ein Teil der Naziverbrechen thematisiert, nämlich Holocaust, Angriffskrieg und Diktatur ansich. Nicht aber die besondere Struktur dieser Diktatur. Denn diese war sozialistisch.
Das sehe ich auch so. Dennoch läuft es oft auf Begriffsklauberei hinaus, meine ich. Meine Sympathien waren in der Diskussion um Erika Steinbachs Tweet Anfang 2012 voll auf ihrer Seite. Dennoch gehen die Begriffe oft durcheinander:
Sozialismus kann "national" sein oder "international" (Kommunismus) Andererseits wird Sozialismus oft als "Vorstufe" des Kommunismus gesehen, von Faschismus ist auch bei Nichtlinken dann keine Rede. Links und rechts wird oft zweckdienlich definiert; eine allgemeingültige und umfassende Definition, der ich vollumfänglich zustimmen könnte, kenne ich nicht.
Ich hatte vor einiger Zeit einmal eine kurze Diskussion via Mail mit Torsten Krauel von der "Welt" zu dem Thema, in der ich folgende Position eingenommen habe: die gemeinsame Klammer all dieser Begriffe, und hier muß man den radikalen Islamismus mit reinnehmen, ist der Totalitarismus. Ich meine, darum geht es; in diesem Begriff lösen alle Vorgenannten sich auf. Merkmale von Totalitarismus, wie ich ihn hier meine, sind:
1. Aufwertung der Eigengruppe bei gleichzeitiger Abwertung aller Fremd/Außengruppen. Darüber hinaus 2. Verfolgung einer spezifischen Minderheit/Gruppe, auf die alles Böse dieser Welt projiziert wird, einschließlich letztendliche Tötungslegitimation („ausmerzen, vernichten“). Juden, Feinde des Volkes, Konterrevolutionäre, Ungläubige, letztlich auch als Staatsräson zur Abschreckung innerhalb der Eigengruppe. 3. Binnenverfolgung von Normabweichungen und Minderheiten innerhalb der Eigengruppe. Eine Gleichmacherei,die in der Tat ein eigentlich sozialistisches Element darstellt (daher meine Zustimmung, lieber 123) 4. Befürwortung eines überbordenden Staatswesens, das weit in die individuelle Lebensgestaltung hineinregiert, dabei Führerprinzip und fehlende Gewaltenteilung bei tendenziell globalen, hegemoniellen Ambitionen.
Vor diesem Hintergrund lasse ich die Diskussion, ob die Nazis eine linke Bewegung waren, inzwischen aus. Es ist eine Soße, und es lohnt die Unterscheidung nicht.
Zitat von Doeding im Beitrag #54 Vor diesem Hintergrund lasse ich die Diskussion, ob die Nazis eine linke Bewegung waren, inzwischen aus. Es ist eine Soße, und es lohnt die Unterscheidung nicht.
So ist es lieber Herr Doeding. Diese Meinung habe ich auch. Allerdings gilt dies nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Gegenwart und die Zukunft. Dazu sind die gemeinsamen "Schnittmengen", wie man heute so schön sagt, zu groß. Noch etwas: wenn man als Linker weiter nach links geht landet man rechts. Umgekehrt ist es genauso. Das meine ich nicht nur bildlich.
Der Allein-seelig-machend-Anspruch kennzeichnet den Totalitarismus und gibt ihm auch seine religiösen Züge.
Zitat von Tombekanntermaßen hatte die RAF sehr viel Unterstüzung u.a. aus der damaligen DDR ( Die Terrorismus Lügen von Regine Igel...sehr zu emphelen).Und wenn man sieht und hört wie sich die Pionierleiterin des Deutschen Bundestages bei einer Pressekonferenz in der Türkei über die Bundesrepublik äußert..man fragt sich immer wieder wem nützt dieses Brutale Morden?
Zustimmung, lieber Tom, die Unterstützung aus der DDR gegenüber der RAF war erheblich. Ich würde aber die letzte Frage für mich anders formulieren: wer nutzt diese Morde aus?, die reine "cui bono"- Frage erinnert mich sonst immer an Verschwörungstheorien aller Art.
Herzliche Grüße, Andreas Döding
P. S. Darf ich Sie, im Interesse der Lesbarkeit Ihrer Beiträge und für bessere Verständlichkeit bitten, zu zitieren, worauf Sie sich beziehen? Sie finden hier, wie das geht.
Ich möchte keine Verschwörungstheorien in die Welt setzen..das liegt mir fern. Allerdings wird bei mir im Magen jede Menge Säure produziert wenn ich darüber nachdenke wieviele Mitarbeiter der Firma "Schwert und Schild" als gewählte Volksvertreter unbehelligt in Kreis-Land-und im Bundestag sitzen und dort ihre achso "pragmatische" Politik betreiben. Das sind die Denunzianten die mit Worten mündlich und schriftlich Unheil angerichtet haben. Aber wo bitte sind die Damen und Herren die für das Gröbere zuständig waren? Die haben einen Eid geschworen...rudern die jetzt am Tegernsee?...essen Fischbrötchen in Husum?...oder stricken sie Socken in Hohenschönhausen für ihre Enkel? Oder sie durften sich bei Tochterfirmen bewerben...wie auch immer. Auch deine Fragestellung beschönigt ja nichts sondern zeigt ja auch das Menschenverachtende Verhalten gegenüber den Opfern und deren Angehörigen. Da poltert die Antifawelle durch das Land und baut den Antifaschistischen Schutzwall schonmal mit Worten wieder auf...Auch da fällt einem nur ein WEHRET DEN ANFÄNGEN!!! Max Liebermann würde vermutlich schon auf der ITS liegen und künstlich ernährt werden... LG Tom
P.S. Danke noch mal für den zitier Hinweis. Hoffentlich klappt es jetzt.
Handlanger
(
gelöscht
)
Beiträge:
30.03.2013 15:27
#57 RE: Der NSU-Prozeß, die Medien und die Politik
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2Exzellenter Artikel, lieber Andreas Döding. Danke.
Dem möchte ich mich anschließen. Am meisten hat mir der gefallen:
Zitat von Andreas Döding Der zu verhandelnde Serienmord des sog. NSU dürfte das schwerste rassistisch motivierte Serienverbrechen der Nachkriegsgeschichte sein.
Großartig. Ohne ein Milligramm Beleg werden 3 Leuten 10 Morde angehängt. Und nirgendwo ein sorgenvolles Stirnrunzeln, kein zur Mahnung erhobener Zeigefinger, keine kritische Nachfrage.
Ganz großes Kino.
Zugegeben, im Vergleich zu den staatlichen Vorverurteilungsorgien ist das hier ein Klacks. Ich wollte es trotzdem mal gesagt haben. Und um das vorab abzuräumen, Verschwörungstheoretiker ist immer noch derjenige, der ohne Beleg wilde Behauptungen verbreitet. Oder?
Zitat von PaulAllerdings gilt dies nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Gegenwart und die Zukunft. Dazu sind die gemeinsamen "Schnittmengen", wie man heute so schön sagt, zu groß. Noch etwas: wenn man als Linker weiter nach links geht landet man rechts. Umgekehrt ist es genauso. Das meine ich nicht nur bildlich.
Völlig richtig, lieber Paul. Am Ende wächst zusammen, was zusammen gehört, im Guten wie im Bösen. Konnte man in den 80ern (im Westen) Neonazis in aller Regel noch am äußeren Erscheinungsbild ausmachen, so fällt es heute schon schwer, "Fa" und "AntiFA" -Demonstranten auseinander zu halten.
Zitat von Handlanger Großartig. Ohne ein Milligramm Beleg werden 3 Leuten 10 Morde angehängt. Und nirgendwo ein sorgenvolles Stirnrunzeln, kein zur Mahnung erhobener Zeigefinger, keine kritische Nachfrage.
Ganz großes Kino.
Zugegeben, im Vergleich zu den staatlichen Vorverurteilungsorgien ist das hier ein Klacks. Ich wollte es trotzdem mal gesagt haben. Und um das vorab abzuräumen, Verschwörungstheoretiker ist immer noch derjenige, der ohne Beleg wilde Behauptungen verbreitet. Oder?
Gemach, gemach. Ich denke, ich habe hinreichend deutlich gemacht, daß der Prozeß der Feststellung und ggf. Schuldzumessung dient. Es wird also in der Zukunft festgestellt werden, was an den Vorwürfen dran ist. Ich hätte meinetwegen in den von Ihnen zitierten Satz das Wort "mutmaßlich" einbauen können; aber daß die Morde den dreien angeblich "angehängt" werden, scheint ja für Sie wiederum keine Mutmaßung zu sein, oder haben Sie ein Milligramm Beleg dafür?
Zum weiteren erkenne ich zwar eine mediale, aber keine "staatliche" Vorverurteilung, wie Sie das nennen. Daher mein Vorschlag: Durchatmen und Prozeß abwarten.
Zitat von Doeding so fällt es heute schon schon schwer, "Fa" und "AntiFA" -Demonstranten auseinander zu halten.
Edit: Bezug auf Doeding #58. (Entschuldigung, da ist etwas aus Unachsamkeit schief gelaufen.)
Entschuldigung, lieber Doeding, aber das kann ich mir jetzt nicht entgehen lassen: Natürlich gibt es auf den Photos einen gewaltigen Unterschied. Auf dem einen Photo sind die Gesichter verpixelt. Ja, das Herz schlägt eben doch links. Jedenfalls bei den Qualitätsmedien.
Ein gesegnetes Osterfest wünscht Ihnen und auch allen anderen "Zettelindianern" äh, Zimmerleuten, Ihr, Euer Paul
PS: In der Wahl des Nicknamens sind doch alle User frei. Na sagen wir relativ frei. Es wird zwar kein Name verweigert, aber manche sind eben nicht mehr verfügbar, weil schon vergeben. Nein, das ist kein "Windhundrennen", sondern, in einem Bereich gibt es eben keine gleichlautenden Namen. Für mich ist es nicht begreiflich, weshalb manche User einen so demaskierenden Namen wählen. Fiel mir gerade so ein.
Zitat von HandlangerOhne ein Milligramm Beleg werden 3 Leuten 10 Morde angehängt.
Der ehemalige Hausherr wäre hier tätig geworden. Sach ich ma so.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Handlanger Großartig. Ohne ein Milligramm Beleg werden 3 Leuten 10 Morde angehängt. Und nirgendwo ein sorgenvolles Stirnrunzeln, kein zur Mahnung erhobener Zeigefinger, keine kritische Nachfrage.
Ganz großes Kino.
Zugegeben, im Vergleich zu den staatlichen Vorverurteilungsorgien ist das hier ein Klacks. Ich wollte es trotzdem mal gesagt haben. Und um das vorab abzuräumen, Verschwörungstheoretiker ist immer noch derjenige, der ohne Beleg wilde Behauptungen verbreitet. Oder?
Gemach, gemach. Ich denke, ich habe hinreichend deutlich gemacht, daß der Prozeß der Feststellung und ggf. Schuldzumessung dient. Es wird also in der Zukunft festgestellt werden, was an den Vorwürfen dran ist. Ich hätte meinetwegen in den von Ihnen zitierten Satz das Wort "mutmaßlich" einbauen können; aber daß die Morde den dreien angeblich "angehängt" werden, scheint ja für Sie wiederum keine Mutmaßung zu sein, oder haben Sie ein Milligramm Beleg dafür?
Zum weiteren erkenne ich zwar eine mediale, aber keine "staatliche" Vorverurteilung, wie Sie das nennen. Daher mein Vorschlag: Durchatmen und Prozeß abwarten.
Andreas Döding
Mein Kompliment, lieber Andreas Döding, zum Artikel und erst recht zur gelungenen Moderation durch diese Diskussion. Souverän und ohne Hysterie ein derart heikles Thema zu begleiten, welches von vorn herein schon genügend "Sprengstoff" in sich birgt, hatte ich für fast unmöglich gehalten.
Es gibt oder gab zu diesem komplexen Sachverhalt vor Jahren schon ganz andere Erkenntnisse durch Deutsche und Türkische Behörden. Keine der seinerzeit recherchierten Untersuchungsergebnisse sind als utopisch konstruiert und unter Verschwörungstheorien zu verbuchen. Die Ergebnisse unter anderem in der Türkish Press und Zaman veröffentlicht, sind heute nicht mehr auffindbar. Aber im Spiegel ist es noch nachzulesen. Ich hatte mich damals sehr mit diesen "Döner-Morden" befaßt und die "vermeintlichen" Ergebnisse wirkten auf mich plausibler als die jetzige Beweislage.
Deshalb erwarte ich auch gespannt die Verhandlung und befolge Ihren Rat, "Durchatmen und Prozeß abwarten".
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Ich hoffe wirklich, dass der NSU-Prozess eine Sternstunde für den Rechtsstaat wird. Vor ein paar Jahren habe ich mich intensiv mit den Prozessen gegen Rolf F. (aka "Turbo-Rolf" oder "der Autobahnraser") beschäftigt, seither habe ich doch ein paar Zweifel bezüglich der Unschuldvermutung, der notwendigen Qualität von Beweisen und der Unabhängigkeit von Gerichten bei politisch vorbelasteten Prozessen.
Zitat von Nola im Beitrag #62 Mein Kompliment, lieber Andreas Döding, zum Artikel und erst recht zur gelungenen Moderation durch diese Diskussion. Souverän und ohne Hysterie ein derart heikles Thema zu begleiten, welches von vorn herein schon genügend "Sprengstoff" in sich birgt, hatte ich für fast unmöglich gehalten.
Dem Lob möchte ich mich voll und ganz anschließen. Das Leidige an dem anstehenden Prozess, und an dem NSU-Komplex allgemeint, liegt darin, dass für meinen Geschmack kaum noch vernünftige Argumente zu hören sind. Zu den Ausnahmen gehört ein "Spiegel"-Artikel von Gisela Friedrichsen über das Verteidigerteam, abrufbar hier:
Überwiegend scheinen sich die Medien 100% auf die Version der Anklage einzulassen, Zweifel an deren Darstellung findet man kaum.
Auf der anderen Seite stößt man beim Googlen auf allerlei eher dubiose, verschwörungstheoretische Ergüsse, die m.E. keinen großen Nährwert haben.
Es bleibt zu hoffen, dass der Prozess die offenen Fragen beantwortet, die sich bereits dann ergeben, wenn man sich die Mühe macht, die dem Trio zu Last gelegten Taten einmal chronologisch zu ordnen. Dann fällt z.B. auf, dass zwischen dem Mord an der Polizistin Michelle Kiesewetter und dem vorletzten Banküberfall ein Zeitraum von über vier Jahren liegt. Wie erklärt sich das, bzw. wie erklären die Ermittlungsbehörden das? Was haben die drei in diesen gut vier Jahren gemacht?
Auch die geographische Verteilung der Verbrechen gibt Rätsel auf: alle Banküberfälle, mit der Ausnahme von zwei Überfällen auf die gleiche Filiale in Stralsund, in relativer Nähe zum Wohnort des Trios. Demgegenüber die Morde allesamt relativ weit entfernt. Auch in diesem Punkt bin ich gespannt, ob und wie er im Prozess erklärt wird.
Die Diskrepanz, dass eine terroristische Gruppe mit ihrem Tun für Verunsicherung in einer ganzen Bevölkerungsgruppe sorgen will, aber bis zu ihrer Enttarnung nicht den Hauch eines entsprechenden Bekennerschreibens absetzt - und dies, obwohl ihnen bei Lektüre der Presseberichte klar geworden sein muss, dass kaum jemand von einem terroristischen Hintergrund ausging - sollte eigentlich auch bereits im Vorfeld diskutiert werden, wird aber allgemein nicht zum Thema gemacht.
Und wo wir gerade dabei sind: warum hat dieses Trio nach dem einzigen Anschlag, der tatsächlich für Verunsicherung sorgte - demjenigen in Köln-Mülheim - nicht die Konsequenzen gezogen und sich weiterhin auf entsprechende Sprengstoffattentate beschränkt? Die Verunsicherung der Anwohner und Geschäftsleute in der Keupstrasse war seinerzeit ein recht großes Thema in den regionalen Medien.
Die Anklageschrift in ihrer Gesamtheit wird die Allgemeinheit vermutlich nicht zu sehen bekommen. Die Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft zumindest (http://www.generalbundesanwalt.de/de/sho....php?newsid=460) lässt für mein Dafürhalten die o.g. Fragen offen. Ich hoffe, dass sie im Prozess zumindest angesprochen werden.
Zitat von Carlo M DimhofenDie Diskrepanz, dass eine terroristische Gruppe mit ihrem Tun für Verunsicherung in einer ganzen Bevölkerungsgruppe sorgen will, aber bis zu ihrer Enttarnung nicht den Hauch eines entsprechenden Bekennerschreibens absetzt - und dies, obwohl ihnen bei Lektüre der Presseberichte klar geworden sein muss, dass kaum jemand von einem terroristischen Hintergrund ausging - sollte eigentlich auch bereits im Vorfeld diskutiert werden, wird aber allgemein nicht zum Thema gemacht.
Die Begrifflichkeiten "Terror" und "Terrorzelle" sind aus meiner Sicht in der Tat eine der politisch-medial gewollten Absurditäten in diesem ganzen Vorgang. Ich weigere mich hartnäckig, diese Begriffe zu gebrauchen.
Terror, bei dem die zu terrorisierende Menschengruppe keinerlei Chance hat zu begreifen, daß sie terrorisiert wird, ist KEIN Terror. Das Ziel von Terror ist es, in der jeweiligen Zielpopulation Angst und Schrecken (terrere= lat. für erschrecken!) zu verbreiten. Auch Al Quaida hatte 9/11 nicht primär die 3000 Opfer im Sinn, sondern die amerikanische Regierung, die unter Druck der nichtgetöteten aber verängstigten amerikanischen Bevölkerung geraten sollte, um die arab. Halbinsel zu räumen. Terror dient politischen Zielen. Und für eine "Terrorzelle" braucht es, um ein "Organismus" werden zu können, viele solcher Zellen. Hierfür gibt es wiederum keinen Anhalt. Ziel der definitorischen Unschärfe in der Berichterstattung ist aus meiner Sicht eine assoziative Gleichsetzung der Taten des NSU mit den großen internationalen Terrororganisationen. Dabei wird der NSU in seiner Bedeutung vergrößert, um den (vielleicht gewollten) Preis, daß Organisationen vie Al Quaida etwas an Schrecken für uns verlieren (sollen).
Ein rassistisch motivierter Serienmord ist etwas völlig anderes; hier ging es um das Töten an sich.
Mit alledem mache ich übrigens, und das ist mir wichtig, keinerlei qualitative Aussage bezüglich der Verwerflichkeit der Taten. Es geht mir ausschließlich um begrifflich-definitorische Sauberkeit.
Alle anderen Fragen, die Sie stellen, lieber Carlo M Dimhofen, werden, da bin ich zuversichtlicher denn je, aufgeklärt werden von diesem Gericht, daß große Standfestigkeit bewiesen hat. Inzwischen bin ich sehr zuversichtlich, daß wir eine "Sternstunde des deutschen Rechtsstaates" sehen werden.
Zitat von Doeding im Beitrag #65Ein rassistisch motivierter Serienmord ist etwas völlig anderes; hier ging es um das Töten an sich.
Dies, werter Andreas Döding, ist eine durchaus denkbare Interpretation, die auch erklären würde, warum dem Bombenanschlag in der Keupstrasse keine weiteren ähnlichen Attentate folgten - EDIT: es gab keine Toten in Mülheim. Und sie liefert auch einen Erklärungsansatz für das Rätsel, warum dieses dubiose "Bekennervideo" erst nach der Enttarnung des Trios abgeschickt wurde - eine Terrororganisation hätte zeitnah nach ihren Untaten die Öffentlichkeit wissen lassen, dass sie für das jeweilige Verbrechen verantwortlich war. Eine Gruppe rassistisch motivierter Serienmörder dagegen könnte geneigt sein, sich nach der Enttarnung ein pseudopolitisches Mäntelchen überzuwerfen.
Dann bleibt aber auch die Frage: rechneten die drei mit ihrer Enttarnung? Weshalb sonst hätten sie dieses Video jahrelang bereitliegen gehabt?
Ihre Theorie widerspricht allerdings der Interpretation der Bundesanwaltschaft, zumindest folgendem Passus aus der oben verlinkten Pressemitteilung.
Zitat Ihr Ziel war es, dass die Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe Deutschland aus Angst um ihre Sicherheit verlassen. Sie beabsichtigten deshalb, die hinrichtungsgleiche Ermordung der Opfer auch ohne ausdrückliche Tatbekennung für die Öffentlichkeit eindeutig als eine Mordserie kenntlich zu machen, der sich Mitbürger ausländischer Herkunft schutzlos ausgesetzt fühlen sollten.
Was Ihr Vertrauen in das Gericht angeht, macht mir dieser Artikel über den Vorsitzenden Richter ebenfalls Hoffnung:
Zitat Götzl wolle um jeden Preis aufklären, forsche regelrecht nach der Wahrheit, ermittele im Verfahren fast, wie er es als Staatsanwalt getan hat. Aber selbst wenn man als Verteidiger seinem Mandanten rate, den Prozess über zu schweigen, zeige sich Götzl bei der Urteilsfindung als Profi, berichtet Guttmann. "Er lässt diesen Umstand nicht in seine Urteilsfindung einfließen und stützt die Begründung seines Urteils auf die Ergebnisse der Beweisaufnahme."
In diesem Sinne: mögen Richter Götzl und seine Kolleg/inn/en ihrem aufklärerischen Geist freien Lauf lassen.
Zitat von Carlo M DimhofenAuf der anderen Seite stößt man beim Googlen auf allerlei eher dubiose, verschwörungstheoretische Ergüsse, die m.E. keinen großen Nährwert haben.
Ich kann mir auch keine Verschwörung vorstellen, an der so viele deutsche Dienststellen beteiligt sein müssten. Aber neben der jeweils eigenen Interessenlage der Verschwörungstheoretiker liegen hier die Umstände vor, die zu Verschwörungstheorien geradezu einladen:
a) Wir können die Frage "cui bono?" relativ gut beantworten. b) Zumindest dem Laien müssen viele Umstände dubios erscheinen. c) Und zu allem Überfluss sind auch noch Geheimdienste heftig involviert.
Zu a) Wir können beobachten, dass bei den üblichen Verdächtigen das Interesse daran äußerst groß ist, die bislang drei Tatverdächtigen zur Spitze eines aus über 100 Leuten bestehenden Eisbergs zu erklären. Wir können darüber hinaus beobachten, dass in einschlägigen Diskussionen und bei angeblich einschlägigen Ereignissen (z.B. irgendein Brand, bei dem nicht nur "Arier" ums Leben kamen) relativ schnell die "NSU-Karte" gezückt wird. Und es ist für die herrschende journalistische Meinung äußerst praktisch, dass die linke Dreibuchstaben-Terrorgruppe jetzt eine rechte Entsprechung hat.
Zu b) Dass von den drei - nenen wir sie mal: - Haupttätern nur noch die Person am Leben ist, die wahrscheinlich selbst nicht geschossen hat, reizt geradezu zu Kaskaden von Unterstellungen. Die Umstände des Todes der beiden mussten auch inzwischen korrigiert werden. So gut wie alle Beweise gegen die Drei tauchen praktisch gleichzeitig in einem Haus auf, das durch Brand zerstört wurde. Und, wie auch hier schon erwähnt: Es handelt sich um die erste Terrorgruppe, die das Risiko entdeckt zu werden, höher bewertete als die Verbreiung von Terror (keine Selbstbezichtigung). Es ist ja nicht so, dass nur den Behörden der Hintergrund nicht klar wurde. Auch bei den potenziellen Mordopfern war es doch keinesfalls herrschende Meinung, dass da draußen jemand willkürlich und ohne weiteres Motiv ihresgleichen mordet. Genau die wäre aber für die richtige Verbreitung von Angst und Schrecken erforderlich gewesen.
Zu c) müssen wir nicht mehr viel sagen. Vielleicht zum Thema insgesamt noch: Mir scheint auch gar nicht erörtert zu werden, welchen Einfluss diese unsagbar dämliche Panne mit den "kontaminierten" DNA-Stäbchen hatte, die dazu führte, dass man eine unbekannte Berufskillerin jagte. (Fun Fact: Wurde übrigens mal bei CSI:New York verfilmt).
Also wenn hier nicht die Verschwörungstheorien blühen, wo dann?
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Doeding im Beitrag #65 Alle anderen Fragen, die Sie stellen, lieber Carlo M Dimhofen, werden, da bin ich zuversichtlicher denn je, aufgeklärt werden von diesem Gericht, daß große Standfestigkeit bewiesen hat. Inzwischen bin ich sehr zuversichtlich, daß wir eine "Sternstunde des deutschen Rechtsstaates" sehen werden.
Herzlichen Gruß, Andreas Döding
Oho, Ihr Wort in Gottes Ohr! Ich bin hingegen ganz und gar unzuversichtlich, daß das Verfahren überhaupt zu brauchbaren Erkenntnissen führen wird. Die mediale Verwertung des Prozesses wird das Übrige tun, um keinerlei Erkenntnisgewinn zuzulassen.
MfG
Thanatos
(P.S.: Ich möchte anmerken, daß es in diesem Prozeß um so etwas wie den aktuellen "Gründungsmythos" der dt. "Zivilgesellschaft" geht - gefunden wurde das Absolute Böse, gefunden wurde es in unserer Mitte, und wir haben uns nun sorgfältig zu reinigen. Etwas vergleichbar Böses ist nicht denkbar.)
Zitat von Carlo M DimhofenAuf der anderen Seite stößt man beim Googlen auf allerlei eher dubiose, verschwörungstheoretische Ergüsse, die m.E. keinen großen Nährwert haben.
Ich kann mir auch keine Verschwörung vorstellen, an der so viele deutsche Dienststellen beteiligt sein müssten. Aber neben der jeweils eigenen Interessenlage der Verschwörungstheoretiker liegen hier die Umstände vor, die zu Verschwörungstheorien geradezu einladen:
a) Wir können die Frage "cui bono?" relativ gut beantworten. b) Zumindest dem Laien müssen viele Umstände dubios erscheinen. c) Und zu allem Überfluss sind auch noch Geheimdienste heftig involviert. [....]
Also wenn hier nicht die Verschwörungstheorien blühen, wo dann?
Ja, wo dann.
Andererseits gibt es ja durchaus eine Reihe von ganz offensichtlichen Tatsachen, die völlig ausreichen, daß der Bürger sich ein gutes Bild der Sache machen kann, ohne gleich auf Verschwörungstheorien zu verfallen. Zuallererst ist klar, daß man die mediale Zweckpropaganda ausscheidet, die den NSU zu einer Terrororganisation a la RAF machen möchte. Nein, es existieren keine >100 Unterstützer, und nein, es ist flasch, hier von einer Terrorzelle zu sprechen.
Dagegen ist ziemlich leicht erkennbar, daß der Verfassungsschutz im Zuge seiner "Unterwanderung" der Rechtsextremen mittels V-Leuten sozusagen selbst "unterwandert" wurde. Das Mittel der V-Leute ist doch einleuchtenderweise ein höchst zweischneidiges. Kein Spitzel kann dauerhaft in einer Szene glaubwürdig reüssieren, die er eigentlich verabscheut. Das geht nicht. Angeworben werden Leute, die sowieso Sympathien und Bezüge in die Szene hatten, und diese Leute werden sicherlich trotz ihrer Spitzeldienste zu strammen Ideologen in "ihrer" Szene weil das a) ihre Glaubwürdigkeit stützt B) weil sie als stramm Voranmarschierende ja eher und leichter an Infos kommen und c) weil ja der Staat aka Verf.schutz sich sogar als tolle Finanzquelle entpuppt, weil er großzügige Judaslöhne bezahlt.
Wenn man dann weiß, welch große Zahl an V-Leuten in der rechten Szene aktiv ist und sich klarmacht, daß dann auch jede Menge Chefs in den Dienststellen über deren Treiben im Bilde sind, dann haben wir die allerschönste Interessenmischung: die Szene braucht die Spitzel, weil es die aktivsten Leute sind(!) und weil sie Geld bringen, die Dienststellen brauchen die Spitzel, weil sie quasi für die Aufrechterhaltung der Arbeitsinhalte sorgen - die Dienststellen sind aber auch erpressbar geworden, denn sie müssen das Ausmaß ihrer eigenen Aktivitäten ja geheimhalten und können sich ihrer Informanten schwer entledigen.
Zudem mag man schlußfolgern, daß auch ein Großteil der offiziellen Verf.schützer sehr stark mit den Ansichten der Rechten sympathisieren bzw. diese teilen. Ist einfach so.
Vor diesem Hintergrund wurden dann eben viele Erkenntnisse und Informationen über den Verbleib von Uwe und Uwe nicht weitergegeben. Mit größeren Anstrengungen könnte man soweit gehen, daß es ein-drei Mitwisser im Verf.schutz gab, denen klar war, daß Uwe und Uwe Türken erschossen und die das duldeten.
Naja, jetzt entwickle ich selbst schon Theorien. Egal, ich denke, zwischen dem Typus "Verf.schützer", dem des "V-Manns" und den genuinen Rechten bestehen starke Affinitäten.
Ich hoffe, daß dereinst Beate Zschäpe als einzig brauchbare Quelle mal den Mund aufmacht bzw. ein Buch schreibt. Vorher werden wir nichts Neues und Erhellendes über die NSU-Sache erfahren. Unmöglich. Keiner ist daran interesiert, viele jedoch am Vertuschen.
Zitat von ThanatosZudem mag man schlußfolgern, daß auch ein Großteil der offiziellen Verf.schützer sehr stark mit den Ansichten der Rechten sympathisieren bzw. diese teilen. Ist einfach so.
Zitat c) weil ja der Staat aka Verf.schutz sich sogar als tolle Finanzquelle entpuppt, weil er großzügige Judaslöhne bezahlt.
Lieber Thanatos,
Ich schätze Ihre Beiträge sehr, aber solch pauschale und überzogene Äußerungen gehören nicht in diesen thread. Ich möchte Sie an die Forumsregeln erinnern: Verunglimpfungen des demokratischen Rechtstaates und seiner Institutionen sind nicht erlaubt.
Darf ich Sie bitten, etwas mehr auf Ihre Wortwahl zu achten?
Das ein Zentralrat von Pusemuckel eine Forderng erhebt ist vollkommen wurst. Aber das unsere lieben Medien dem nicht den Vogel zeigen, das ist es eben.
Zitat Ende
Völlige Zustimmung.
Und daß Zentralräte umso dreister werden, je mehr man ihnen entgegenkommt, steht anscheinend auch im Range eines Naturgesetzes.
Zitat von schattenparkerUnd daß Zentralräte umso dreister werden, je mehr man ihnen entgegenkommt, steht anscheinend auch im Range eines Naturgesetzes.
Natürlich ist das ein "Naturgesetz", und das nicht nur bei Zentralräten. Sie haben keine Kinder, oder? Gewerkschafter, Antiatomaktivisten..,aber je nach Standpunkt auch: Bürgerrechtler, Liberale... Etwas drehen kann man nur am Ausmaß des Entgegenkommens, nicht an der reflexhaften Erhöhung der Forderungen seitens des Gegenübers. Letzteres ist durchaus rational, Genügsamkeit dagegen eher irrational.
Der folgende, sehr bedenkenswerte Hinweis von Andreas Döding hat mich nicht ruhen lassen.
Zitat von Doeding im Beitrag #65Ein rassistisch motivierter Serienmord ist etwas völlig anderes; hier ging es um das Töten an sich.
In der Tat: Serienmord. Nicht Terrorismus. So, und eigentlich nur so, lassen sich viele der offenen Fragen hinsichtlich des NSU-Komplexes einigermaßen lösen. Auf die zum Teil merkwürdigen Umstände bspw. bei der Sicherung der Indizien möchte ich hier nicht eingehen - bei aller kritischen Distanz zur Staatlichkeit habe ich noch genügend Zutrauen in die Redlichkeit deutscher Ermittlungs- und Justizbehörden und gehe davon aus, dass die evtl. bestehenden Zweifel im Laufe des Prozesses ausgeräumt werden. Gleiches gilt für die Frage der Verstrickung von Verfassungsschutz und anderen Behörden.
Die Chronologie der Banküberfälle entstammt dieser Quelle:
Die anderen Daten lassen sich problemlos den Wikipedia-Artikeln zum NSU, der Mordserie und dem Heilbronner Polizistenmord entnehmen.
Ich muss darauf hinweisen, dass ich weder einen psychologischen noch einen kriminalistischen Hintergrund habe - ich bin ein blutiger Laie. Meine Gedanken mache ich mir trotzdem - auch das ist Demokratie.
Vorgeschichte Irgendwann in den frühen 1990er Jahren kreuzen sich in Jena die Lebenswege von Uwe Mundlos (geb. 1973), Uwe Böhnhardt (geb. 1977) und Beate Zschäpe (geb. 1975). 1993 erhalten Mundlos und einige andere - ob Böhnhardt und Zschäpe dazugehören, geht aus dem Wikipedia-Eintrag zur NSU nicht hervor - in dem von ihren frequentierten Jugendklub Hausverbot, aufgrund politischer Radikalisierung. Mundlos ist da 19, höchsten 20 Jahre alt. Über eine "Anti-Antifa" landen die drei 1996/97 beim "Thüringer Heimatschutz", der u.a. von einem V-Mann des Verfassungsschutzes mitgeleitet wird. Es folgt der wohl übliche Werdegang junger Neonazis: Teilnahme an Aufmärschen, Verwendung verbotener Symbole, Bombenatrappen, Fahren ohne Führerschein, bei Böhnhardt auch Diebstahl und Erpressung sowie eine Verurteilung zu gut 2 Jahren Haft wegen Volksverhetzung, bei der diverse Vorstrafen mitangerechnet wurden. Interessant auch das Dreiecksverhältnis des Trio: Zschäpe, zunächst mit Mundlos liiert, verlässt diesen und verliebt sich in seinen besten Freund Böhnhardt. Mundlos, aus gutem Hause stammend, in den Medien gerne als der intellektuelle Kopf des Trios dargestellt, bricht nicht mit den beiden anderen, sondern bleibt ihnen verbunden. Im Januar 1998 schließlich wird bei der Durchsuchung einer von Zschäpe gemieteten Garage eine Bombenwerkstatt, inklusive mehrerer Rohrbomben, gefunden. Böhnhardt, zu Beginn der Durchsuchung noch vor Ort, flieht - das Trio taucht ab, noch bevor die Haftbefehle ausgestellt sind.
Im Untergrund Über die nächsten knapp zwei Jahre weiss man wenig. Kriminelle Aktivitäten sind keine nachweisbar, sonst wären sie Teil der Anklageschrift. Vermutlich tauchte das Trio bei Freunden unter, irgendwo und von irgendwas mussten sie ja leben - wer mit Haftbefehl gesucht wird, kann sich ja schlecht beim nächstgelegenen Supermarkt oder Friseursalon bewerben. Aber im Oktober 1999 wird das Trio - oder zumindest die beiden Männer - aktiv; über die Gründe kann man nur spekulieren, nicht auszuschließen ist, dass auch die besten Freunde es irgendwann leid hatten, die Drei zu alimentieren. Wie auch immer: am 6. und am 27.Oktober kommt es zu Überfällen auf zwei Postfilialen. Bei dem ersten scheint die Beute mager gewesen zu sein, beim zweiten immerhin laut der u.g. Quelle mehrere 10.000 DM. Damit kann man schon eine gewisse Zeit über die Runden kommen. Ein knappes Jahr später, am 9.September 2000, folgt der erste Mord, an einem Blumenhändler in Nürnberg. Über die recht willkürliche Auswahl sowohl dieses als auch der anderen Opfer kann man lange grübeln - besonders dann, wenn man den NSU für eine im klassischen Sinne terroristische Organisation hält. Es gibt jedoch genug Anhaltspunkte dafür, dass er genau das eben nicht war, aber dazu später. Gut zwei Monate später, am 30.November 2000, wird die nächste Postfiliale in Chemnitz überfallen, abermals ein fünfstelliger DM-Betrag erbeutet. Die geographische Verteilung der Taten - die Banküberfälle ganz überwiegend nahe des Wohnorts, die Morde dagegen recht weit entfernt - hat mich zunächst gewundert. Aber auch diese Diskrepanz lässt sich, glaube ich, erklären - auch das, sorry, später. Kurz vor Weihnachten 2000 schließlich ist es mutmaßlich einer der beiden Männer, der in einem Kiosk in der Kölner Altstadt einen Sprengsatz deponiert. Die Bombe explodiert einen knappen Monat später, wobei die Tochter des Inhabers schwer verletzt wird.
Auf und Ab Wenn man sich die Chronologie der folgenden Jahre anschaut, fällt ins Auge, dass auf Phasen mit oftmals mehreren Taten mehrmonatige Pausen folgen. So dauert es z.B. fast ein halbes Jahr, bis das Trio wieder mordet, und das zweimal innerhalb von 14 Tagen. Die Opfer sind ein Mitarbeiter einer Änderungsschneiderei, abermals in Nürnberg, sowie ein Gemüsehändler in Hamburg. Diese kurzen Zeiträume zwischen zwei Morden - zwischen dem 6. und dem 7. Mord sind es nur sechs Tage, zwischen dem 8. und 9. Mord gar nur zwei - sprechen m.E. eindeutig gegen die Theorie, die Täter hätten ihre Opfer vorher ausgekundschaftet. Gewiss, sie hätten dies lange vor den Morden tun können, aber warum? Welchen Sinn macht es, ein Opfer so weit im Voraus zu beobachten? Welche Erkenntnisse gewinnt jemand im Januar über ein Opfer, das er dann erst im Juni ermorden will? Meine Vermutung bezüglich der Morde ist, dass Mundlos und Böhnhardt eher ziellos durch die Republik gezogen sind - und zwar überwiegend durch den Westen, die alte Bundesrepublik, weil sie dort eher den Typ Opfer finden konnten, der in ihr Schema passte. Bankfilialen dagegen dürften in Sachsen und Thüringen genauso verbreitet sein wie in Bayern oder Hessen. Dies erklärt eben auch diese willkürliche Auswahl unbekannter Gewerbetreibender - gewiss, sie mögen davon fantasiert haben, bekannte Personen anzugreifen; die in der Wohnung gefundenen Namenslisten sind ein Indiz dafür. Aber die Disziplin, die für einen Angriff auf eine solche Person nötig ist, die ggf. von Personenschützern begleitet wird etc., die hatten die Täter nicht. Und da es ihnen eben primär nicht um Terror ging, sondern um die Befriedigung ihrer Mordlust, fokussierten sie diese eben auf vergleichsweise leichter angreifbare Personen. Wir werden vermutlich nie erfahren, wieviele kleine, von Immigranten betriebene Geschäfte Mundlos und Böhnhardt im Laufe der Jahre aufsuchten, um dann unverrichteter Dinge wieder abzuziehen. Vielleicht waren zuviele Personen zugegen, oder andere Umstände hinderten sie daran, ihre Waffen zu ziehen. Eine langwierige Vorbereitung der Morde halte ich zumindest für sehr unwahrscheinlich. Nur gut eine Woche nach dem Mord in Hamburg überfallen die Täter abermals eine Postfiliale, diesmal in Zwickau, und erbeuten etwa 75.000 DM. Knapp zwei Monate später, am 29.08.2001, ermorden sie einen Gemüsehändler in München. Danach folgt dann gut ein Jahr, in dem die Gruppe nicht mehr aktiv in Erscheinung tritt. Wie erklären sich nun diese langen Phasen der vermutlichen Inaktivität? Bisweilen wird spekuliert, dass das Trio in dieser Zeit andere Verbrechen begangen hat - auch der Wikipedia-Artikel zum NSU tut dies. Es ist aber doch wohl davon auszugehen, dass die Ermittlungsbehörden so ziemlich jedes unaufgeklärte Verbrechen, dass in den Modus Operandi des NSU passt, noch einmal genau analysiert haben. Hätten sie dabei auch nur den Hauch verwertbarer Spuren entdeckt, die Öffentlichkeit wüßte es, und bei mehr als einem Hauch wäre es Bestandteil der Anklageschrift. Gehen wir also davon aus: nach dem Münchner Mord blieb die Gruppe ein Jahr lang inaktiv. Fragt sich aber weiterhin: warum? Nun, bei Serienmördern im klinischen Sinn soll es dies ja auch geben: dass auf eine Phase ausgesprochener Aktivität eine Phase der Ermüdung folgt, der Desillusionierung sogar. Denn die Tat kommt ja in der Realität niemals dem Wunschbild nahe, dass der Täter vorher von ihr hatte - wie gesagt, ich rede momentan vom pathologischen Serienmörder. Könnte es bei Mundlos und Böhnhardt nicht ähnlich gewesen sein? Zugegeben: Serienmörder im klinischen Sinne sind im Regelfall Einzelgänger; selten kommt es bei ihnen zur Kooperation zweier Täter. Dann aber häufig in der Konstellation eines vergleichsweise intelligenten, und eines extrem agressiven Täters - eine Beschreibung, die auch häufig auf Mundlos und Böhnhardt angewandt wird. Dass dann aber noch eine Frau im Hintergrund auftaucht, dürfte bislang einzigartig sein; wobei die amourösen Verwicklungen zwischen den Dreien für Psychologen sicherlich eh sehr interessant sind. Die Jahre 2002 und 2003 sind dann allerdings in der Tat sehr ruhig - jeweils im September kommt es zu einem Banküberfall, wobei 2002 in Zwickau 75.000 € erbeutet werden, während die Beute 2003 in Chemnitz wohl vernachlässigbar ist.
Das Rätsel von 2004 Das erste Halbjahr 2004 sieht die Gruppe dann wiederum äusserst aktiv, und es gibt uns gegen Ende ein Rätsel auf - ein Rätsel allerdings, das lösbar ist. Es beginnt Ende Februar mit dem 5. Mord, das Opfer ist diesmal ein Imbissbetreiber in Rostock - der einzige Mord im Osten des Landes. Im Mai überfallen Mundlos und Böhnhardt dann innerhalb von vier Tagen zwei Sparkassenfilialen in Chemnitz; in Summe beträgt die Beute aus den beiden Überfällen etwa 100.000 €. Wenn wir an dieser Stelle einmal innehalten: unter der - auch von der Bundesanwaltschaft behaupteten - Annahme, es sei dem Trio darum gegangen, für Verunsicherung in der türkischstämmigen Community zu sorgen, ihre Mitglieder gar zum Verlassen des Landes zu bewegen, so kann man das bisherige Ergebnis ihres Tuns nur als Fehlschlag bezeichnen. Gewiss, sie haben gemordet - eingeschüchtert oder gar terrorisiert haben sie jedoch niemanden, die Angehörigen der Opfer einmal ausgenommen. Und da es deutliche Indizien dafür gibt, dass die Täter die Presseberichte über ihre Taten verfolgten, musste ihnen das klar sein. Unter dieser angesprochenen Annahme hätten die Täter nun ihre Strategie ändern müssen, und fast scheint es so, als wäre dies geschehen: es folgt nämlich, am 9.Juni 2004, der Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstrasse. Und dieser Anschlag sorgt tatsächlich für massive Verunsicherung, die auch in den regionalen Medien zum Thema wird. Und zum ersten Mal wird bei einem Anschlag des NSU in den Medien auch ein neonazistischer Hintergrund vermutet. Hätten nicht Terroristen im klassischen Sinne aus diesem Ergebnis nur einen gültigen Schluss ziehen können? Den nämlich, dass die bisherigen Morde an unbekannten Personen eben keine erfolgreiche Strategie waren, der Bombenanschlag dagegen schon. Aus Sicht eines Terroristen war dieser Anschlag ja um ein Vielfaches erfolgreicher als alle vorherigen Morde zusammengenommen. Aus Sicht eines Terroristen hätte die einzig logische Konsequenz also lauten müssen: weitere Bombenanschläge. Merkwürdigerweise ist dies beim NSU aber nicht der Fall, im Gegenteil. Wobei dies nur dann merkwürdig ist, wenn man eben von der Annahme ausgeht, es habe sich bei dem Trio um Terroristen gehandelt. Doch Mundlos und Böhnhardt - welche Rolle Zschäpe dabei spielte, wird hoffentlich der Prozess zeigen - dachten und empfanden eben nicht wie Terroristen. Mundlos und Böhnhardt dachten und empfanden wie Mörder. Und aus dieser Sicht war der Anschlag in der Keupstrasse ein Misserfolg: die Täter hatten mit großer Wahrscheinlichkeit das Ziel, eine möglichst große Zahl von Opfern zu töten. Es gab aber keine Toten - und daher in der Folge auch keine weiteren Bombenanschläge.
Der Weg bis Heilbronn Fassen wir nun im Zeitraffer die knapp drei Jahre nach dem Kölner Anschlag zusammen. Exakt ein Jahr später ermorden die Täter einen Imbissbetreiber in Nürnberg, nur sechs Tage darauf den Besitzer eines Schlüsseldienstes in München. Ende des Jahres folgt ein erfolgloser Banküberfall in Chemnitz. Im April 2006 ermorden Mundlos und Böhnhardt einen Kioskbesitzer in Dortmund, ganze zwei Tage darauf den Betreiber eines Internetcafés in Kassel. Wie bereits erwähnt, schliesst gerade hier der extrem kurze Zeitraum zwischen den Morden ein gezieltes Auswählen und Auskundschaften des Opfers aus. Im Oktober des Jahres scheitert ein Banküberfall in Zwickau. Im November 2006 und im Januar 2007 wird dann zweimal die gleiche Sparkassenfiliale in Stralsund überfallen. Dabei wird in Summe abermals ein sechsstelliger Eurobetrag erbeutet. Und dann, etwa drei Monate später, geschieht die wohl mysteriöseste Tat in diesem ganzen Komplex.
Der rätselhafte Polizistenmord Am 25.April 2007 ermorden vermutlich Mundlos und Böhnhardt in Heilbronn die Polizistin Michèle Kiesewetter und verwunden ihren Kollegen schwer. Vieles ist über diesen Mord spekuliert worden - u.a. deshalb, weil Kiesewetter wie die Täter aus Thüringen stammte. Sie war allerdings 7 bis 11 Jahre jünger als die Mitglieder des Trios - es kann also nahezu ausgeschlossen werden, dass es dort irgendeinen Bezug gab. Der Vorgesetzte von Kiesewetter ist wohl Mitglied im Ku-Klux-Klan gewesen, aber die Ermittlungsbehörden sehen dort keinen Zusammenhang. Gehen wir davon aus, dass sie dies nicht ohne Grund tun. Doch auch die offizielle Erklärung, es sei Mundlos und Böhnhardt bei der Tat um Waffenbeschaffung gegangen, ist nicht wirklich überzeugend angesichts der Menge an Waffen, die dann später in dem Wohnwagen und in der Zwickauer Wohnung gefunden wurden. Ein direktes Motiv für diese Tat lässt sich einfach nicht finden; und doch gibt es, über die Indizien hinaus, einen Anhaltspunkt, dass die Tat auf das Konto des NSU geht. Könnte es nicht aus so gewesen sein: auf ihren mörderischen Streifzügen durch die alten Bundesländer kommen Böhnhardt und Mundlos nach Heilbronn. Die Stadt hat laut Wikipedia einen nicht unerheblichen Anteil türkischstämmiger Bevölkerung. Doch dann sehen die beiden einen Streifenwagen - die Polizisten machen gerade Mittagspause, sind also vermutlich abgelenkt. Und nun entschließen sich die beiden Killer, die Gelegenheit zu nutzen, zwei Vertreter des Staates - eines Staates, den sie kaum weniger hassen als den ausländischstämmigen Teil der Bevölkerung - zu ermorden. Dass sie nach der Tat auch die Waffen der Opfer an sich nehmen, ist in diesem Zusammenhang nebensächlich.
Die lange Pause Und nun geschieht etwas, das mir persönlich ebenfalls zunächst extrem rätselhaft war. Nach dem Polizistenmord von Heilbronn versinkt der NSU in Untätigkeit - und das mehr als vier Jahre lang. Warum? Aus den Medien konnten die drei unschwer entnehmen, dass kein Verdacht in ihrer Richtung bestand. Von dieser Seite aus gab es also keinerlei Grund, so plötzlich mit dem Morden aufzuhören. Es ist gerade diese lange Untätigkeit - fast ist man geneigt, vom Ende des NSU zu reden - die mich davon überzeugt, dass der Polizistenmord tatsächlich auf das Konto der Gruppe geht. Nach diesem Mord leben die Drei jahrelang ein völlig unauffälliges Leben - es beginnt die Phase mit den regelmäßigen Urlaubsreisen nach Fehmarn, Geld genug dürfte aus den Banküberfällen noch da sein, und laut einer Nachbarin äußert sich Zschäpe ihr gegenüber, ein Leben mit materiellen Einschränkungen könne sie sich nicht vorstellen. Was aber ist geschehen? Warum endet der mörderische Irrsinn an dieser Stelle? Einsicht in die Verwerflichkeit des eigenen Tuns kann es ja wohl nicht gewesen sein. Wir können hier nur spekulieren. Versuchen wir es einmal so: unabhängig davon, wieviel Beate Zschäpe von den Taten ihrer Freunde wußte - und das werden wir vermutlich nie erfahren, sich selbst belasten wird sie im Prozess wohl kaum - haben Mundlos und Böhnhardt in Heilbronn eine Grenze überschritten. Polizistenmord: das hat, in den Augen einer Beate Zschäpe mit Sicherheit, eine andere Dimension als die Morde an unbekannten Einwanderern. Meine Frage ist: könnte es nicht sein, dass Zschäpe an diesem Punkt ihren Geliebten Böhnhardt und Mundlos, der vermutlich immer noch in sie verliebt ist, bremst? Nicht aus Einsicht in die Abscheulichkeit der Taten, wohlgemerkt, sondern einfach aus dem Interesse heraus, es jetzt mal ruhiger anzugehen und das Erreichte - immerhin einen satt sechsstelligen Betrag - einfach zu genießen? Wie gesagt: wir werden es wohl nie erfahren. Eine Randbemerkung noch: das ominöse Bekennervideo stammt wohl auch aus dem Jahr 2007. Das genaue Erstelldatum könnte interessant sein - war es überhaupt als Bekennervideo gedacht, oder haben Mundlos, Böhnhardt oder beide dieses Machwerk zusammengestellt, um sich selber in manchen Stunden an den früheren Taten - pardon - aufzugeilen, auch darin manch anderem Serienmörder nicht unähnlich?
Das Ende Warum dann, mehr als vier Jahre nach Heilbronn, Mundlos und Böhnhardt wieder auf Beutezug gingen - zunächst in Arnstadt, dann in Eisenach - bleibt offen. Ich meine mich zu erinnern, dass man noch ein großen Geldbetrag in den Hinterlassenschaften des NSU gefunden hat. Falls das so ist, kann akute Geldnot kein Grund gewesen sein - es sein denn, das Trio hatte vor, sich endgültig abzusetzen, z.B. ins Ausland, und da braucht man nun mal ein dickeres finanzielles Polster. Auch hier gilt: erfahren werden wir es vermutlich nie. Dass Mundlos erst Böhnhardt und dann sich selbst tötete, spricht m.E. auch für die Theorie, dass es sich bei ihnen nicht um auch nur ansatzweise politisch motivierte Terroristen handelte - als solche hätten sie einen Prozess genutzt, um zumindest unter Ihresgleichen eine Art Heldenstatus zu erlangen. Aber das waren sie eben nicht; sie waren von rassistischem Hass getriebene Mörder. Und das ist etwas, das m.E. auch, ohne der Justiz vorgreifen zu wollen, am Ende eines mit Spannung erwarteten Prozesses stehen wird. Der Mythos, es handle sich beim NSU um eine professionelle Terrororganisation, wird den Prozess nicht überstehen. Völlig unabhängig von Urteil und Strafmaß: Deutschland wird sich der Erkenntnis stellen müssen, dass es sich bei den Taten deS NSU nicht um eine Terrorserie handelte, sondern um etwas viel Profaneres - um den von Hass getriebenen Blutrausch einer kleinen Gruppe von Losern. Und wenn denn, in angemessenem Abstand zu dem Prozess, eines Tages der NSU-Komplex zum Thema von Dissertationen werden sollte, dann nicht bei den Historikern, sondern bei den Psychologen.
Soweit meine 5 Cents zu dem Thema. Auf den Prozess bin ich gespannt.
Zitat von Carlo M DimhofenDie anderen Daten lassen sich problemlos den Wikipedia-Artikeln zum NSU, der Mordserie und dem Heilbronner Polizistenmord entnehmen.
Ich muss darauf hinweisen, dass ich weder einen psychologischen noch einen kriminalistischen Hintergrund habe - ich bin ein blutiger Laie. Meine Gedanken mache ich mir trotzdem - auch das ist Demokratie.
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Mein Kompliment, lieber Carlo M Dimhofen. Sehr schöne Chronologie der Geschehnisse und, wie ich finde, plausibel spekuliert.
Zitat von Doeding im Beitrag #74 Mein Kompliment, lieber Carlo M Dimhofen. Sehr schöne Chronologie der Geschehnisse und, wie ich finde, plausibel spekuliert.
Dem möchte ich mich anschließen. Sehr gute Aufstellung.
Allerdings erlaube ich mir auch eine Spekulation: Der Prozess wird gar nichts erhellen weil Frau Zschäpe so schlau sein wird die Klappe zu halten. Der Prozess wird von unserer Linkspresse dazu vermarktet werden das Terrorgespenst NSU in allen schillernden Farben zu malen. Und allenfalls ein paar versprengte Forensiker werden hinter vorgehaltener Hand in ihren Lehrbüchern festhalten, dass es sich um "normale" Serienkiller handelt, laut wird das aber keiner zu sagen wagen.
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