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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 134 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Christoph Offline




Beiträge: 241

03.05.2013 00:45
#51 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #50
Zitat von Christoph im Beitrag #46
Gilt sie aber nicht als die bessere Alternative, wird keine Macht ihren Fall verhindern können.

Aber sicher gibt es die:

Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Ewigkeitsklausel
Die Ewigkeitsklausel oder Ewigkeitsgarantie ist in Deutschland eine Regelung in Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG), nach der bestimmte Verfassungsprinzipien auf ewig einer Verfassungsänderung entzogen sein sollen.
Artikel 79 Abs. 3 GG lautet:
„Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“
[…]



Diese Klausel ist mir wohlbekannt. Aber so beruhigend sie sein mag: es handelt sich um Worte, denen
man folgt, oder nicht. Werte werden nicht zu ewigen Werten indem jemand
proklamiert, dass sie eben dies zu sein hätten. Es muss sich eine »kritsche
Masse« von Menschen bereit finden, den Artikeln der Verfassung Geltung zu verschaffen.
Wenn sich diese Masse nicht mehr fände, wenn eine große Mehrheit von der Demokratie
nicht mehr überzeugt wäre – wer würde sie dann noch retten können?

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

03.05.2013 06:38
#52 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Christoph im Beitrag #51
[quote="Erling Plaethe"|p96348]
Diese Klausel ist mir wohlbekannt. Aber so beruhigend sie sein mag: es handelt sich um Worte, denen
man folgt, oder nicht. Werte werden nicht zu ewigen Werten indem jemand
proklamiert, dass sie eben dies zu sein hätten. Es muss sich eine »kritsche
Masse« von Menschen bereit finden, den Artikeln der Verfassung Geltung zu verschaffen.
Wenn sich diese Masse nicht mehr fände, wenn eine große Mehrheit von der Demokratie
nicht mehr überzeugt wäre – wer würde sie dann noch retten können?

Das ist so spekulativ wie es ohne Beispiel ist.
Dem Paradoxon der Demokratie ist den Varianten der westlichen repräsentativen Demokratie begegnet worden. Die Demokratie wurde wehrhaft.
Aber es bleibt natürlich die Gefahr welche in der schleichenden Umgehung der dafür vorgesehenen Barieren liegt. Die Interpretation des Sozialstaats ist so eine Gefahr.
Es gibt genügend Beispiele (Skandinavien), dass auch dieser Gefahr erfolgreich begegnet wird.

Viele Grüße, Erling Plaethe

energist Offline




Beiträge: 322

04.05.2013 11:56
#53 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Christoph im Beitrag #44
Übrigens ist es interessant, das wir auf einmal nicht mehr über das Leben der Bürger diskutieren sondern über den Bestand des
Staates selbst – also nicht mehr darüber, ob man nach Franklin die Freiheit zugunsten der Sicherheit aufgeben sollte sondern
vielmehr, ob man die Freiheit nicht lieber selbst opfern sollte, damit es andere nicht tun.


Werter Christoph, erlauben Sie, daß ich Ihre absolute Festlegung der sieben rechtstaatlichen Grundsätze auf die Probe stelle?

Mich würde zuvorderst interessieren, wie Sie anhand dieses Kataloges den Fall Daschner bewerten. Zum anderen: alle Diskussion bisher dreht sich um das innere Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern. Wie steht es um das Außenverhältnis; mir würde dort der Umgang mit Staaten einfallen, in denen diese Rechte nicht gelten. Wie steht es um kriegerische Auseinandersetzungen? Ist für Sie auch dort die Anwendung Ihrer Prinzipien auch conditio sine qua non?

Gespannt auf Ihre Antwort (die ich für mich in dieser Frage bisher noch nicht gefunden habe):


energist

adder Offline




Beiträge: 1.073

04.05.2013 13:14
#54 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von energist im Beitrag #53
Mich würde zuvorderst interessieren, wie Sie anhand dieses Kataloges den Fall Daschner bewerten.


Ich bin nicht Christoph, aber mich interessiert diese Sache dann so sehr, dass ich mich einmischen möchte - nicht zwingend, um Ihre Frage, lieber energist, anhand von Chrisophs 7 Prinzipien zu beantworten, sondern als eine Art generelles Vorgehen in einem solchen Fall zu betrachten:

1) Der Prozess gegen Herrn Daschner und seinen Untergebenen ist vollkommen zu Recht geführt worden. Herr Daschner hat gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstossen, und muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Dabei ist es völlig unerheblich, ob seine Taten Erfolg hatten oder ob diese auch ohne Erfolg moralisch erforderlich oder begrüssenswert sind oder erscheinen.
Jeder Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien ist im Rahmen des Rechtsstaates zu ahnden. Natürlich heißt das auch, dass Herr Daschner meiner Meinung nach auf keinen Fall hätte weiterhin als Polizist tätig sein können.

2) Herr Daschner hat meiner Meinung nach trotzdem moralisch korrekt gehandelt, als er Folter androhen liess, im vollen Wissen darüber, was dieses für ihn persönlich bedeutete. Er hat - zumindest erscheint mir das so - nicht nur in Kauf genommen, dass seine Integrität beschädigt würde und der Rechtsstaat keine andere Wahl haben würde, als ihn in einem Prozeß zu verurteilen und zu bestrafen, sondern nach einer Güterabwägung zwischen dem möglichen Überleben eines Jungen und seiner persönlichen Ehre/Leben erstere als wichtiger betrachtet. Herrn Daschner stellte danach nicht den Rechtsstaat oder das (vollkommen zu Recht bestehende) Folterverbot in Frage, sondern entschied sich im vollen Wissen über alle persönlichen Nachteile dazu, dieses wegen der möglichen Gewinne zu ignorieren und danach die Strafe dafür zu zahlen.


Betrachten wir einmal ein anderes Beispiel: wir sind uns sicherlich einig, dass Mord und Terroranschläge furchtbar sind und eigentlich zivilisierte Menschen solches nicht tun sollten. Ein Mord, jeder Mord (nicht aber zwangsläufig der "Totschlag" - im Affekt ohne Planung - oder eine Notwehrsituation, oder die Handlung einer ohnehin psychisch stark geschädigten Person) beschädigt die Psyche des Täters und führt (gerechtfertigterweise) zu sozialer Ächtung.
Nun haben einige hoch integre Menschen vor einigen Jahrzehnten nicht nur einen Mordanschlag geplant, sondern gleich mehrere und auch mehrere durchgeführt. Sie haben sich dabei sogar höchst terroristischer Methoden bedient und schreckten nicht einmal vor Bombenanschlägen und Selbstmordattentaten zurück.
Sie alle stellten ihre persönliche Ehre und Integrität zurück, um größeren Schaden von Deutschland und dem deutschen Volk, aber auch anderen, abzuwenden. Leider waren sie nicht erfolgreich und wurden nahezu vollständig zum Tode verurteilt oder gingen in den Freitod.
Ich spreche natürlich von den Angehörigen des militärischen Widerstandes gegen Hitler, die bereits 1934 erste Aktionen planten und 1944 ihre letzte Aktion durchführten, und die ich ausnahmslos sehr bewundere und als größte Vorbilder sehe. Die Bereitschaft, persönlich für ein Fehlverhalten einzustehen, von dem man weiss, dass die Handlung zwar falsch sein mag, der mögliche Gewinn (für andere, die dessen bedürfen) aber die persönliche Strafe vollkommen aufwiegt, ist meiner Ansicht nach sehr wichtig.
Natürlich ist es falsch, zu töten, oder einem potientiellen Verbrecher Folter anzudrohen. Und natürlich muss man ohne Ansehen mildernder Umstände für diese Taten bezahlen. Dennoch kann es gerechtfertigt sein, diese Verbrechen zu begehen und dafür zu bezahlen. Allerdings wird meiner Meinung nach das Verbrechen nur dann zumindest moralisch akzeptabel, wenn die Bereitschaft zum Bezahlen auch da ist und auch eingefordert wird.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

04.05.2013 14:14
#55 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von adder
1) Der Prozess gegen Herrn Daschner und seinen Untergebenen ist vollkommen zu Recht geführt worden. [...]

2) Herr Daschner hat meiner Meinung nach trotzdem moralisch korrekt gehandelt [...]



Eine interessante Unterscheidung. Moralisch korrekt aber rechtsstaatlich falsch. Hat was...
Edit: heißt das umgekehrt auch, daß sich der Rechtsstaat unmoralisch verhalten hat? (Edit Ende)

Ich habe bei Ihrem Beispiel noch über etwas anderes nachgedacht (ich krieg das Thema irgendwie nicht aus dem Kopp):

Die ganze Diskussion geht ja von den von Christoph benannten Grundprinzipien eines Rechtsstaates aus. Diese haben in der Diskussion quasi axiomatischen Charakter; Christoph hat, von ihnen ausgehend, überzeugend argumentiert. Nun hänge ich an der Frage, ob ein Rechtsstaat notwendigerweise alle diese Bestimmungsstücke (in dieser Absolutheit und Gewichtung) aufweisen muß oder ob auch andere Gewichtungen sein können. Ein Beispiel:

Man nehme einen Staat, der den Schutz des Einzelnen (Leib und Leben) höher einschätzt als die Rechte Verdächtiger, wenn es um die Verhütung von Kapitalverbrechen (nicht deren Aufklärung) geht. Also Gäfgen in der Verhörsituation, der Junge gilt als noch lebend, aber das Zeitfenster für seine Rettung schließt sich. Angenommen, die Staatsanwaltschaft hätte nun das Recht, unter bestimmten, klar definierten Bedingungen eine Waterboarding-Prozedur zu verfügen, um die Bekanntgabe des Aufenthaltsortes des Jungen zu erzwingen. Hier erfolgte also eine andere Güterabwägung als in unserem Rechtsstaat. Das Leben des Jungen wäre ein höherwertiges Rechtsgut als die Persönlichkeitsrechte des Verdächtigen bei Gefahr für Leib und Leben im Verzuge.

Daß dieses Beispiel nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, illustriert folgende Tatsache: meine berufliche Tätigkeit steht sowohl unter dem Schutz der Schweigepflicht als auch unter Zeugnisverweigerungsrecht.Ich kann, auch als Zeuge in einem Strafprozeß zur Aufklärung/Verhandlung eines Mordes, die Aussage verweigern, wenn ich dafür in meiner beruflichen Rolle Anvertrautes preisgeben müßte. Aber: Wenn mir ein Pat. sagt, daß er heute seine Schwiegermutter meucheln wird, dann bin ich in der Pflicht, meine Schweigepflicht zu brechen; ich muß hier eine Güterabwägung vornehmen, und das Leben der Schwiegermutter ist das höherwertige Rechtsgut (gegenüber den Persönlichkeitsrechten, informationelle Selbstbestimmung, gesetzlich garantierte Vertraulichkeit) des Pat. Wenn mir der Pat. dagegen anvertraut, gestern seine Schwiegermutter gemeuchelt zu haben, bin ich wiederum zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Nun bin ich keine Behörde, und ich vertrete kein staatliches Handeln, schon klar.
Aber warum soll eine solche Abwägung objektiv inkompatibel sein mit einem Rechtsstaatsverständnis? Daß es mit dem gegenwärtigen deutschen Rechtsstaatsverständnis nicht kompatibel ist, ist mir natürlich klar. Aber sind nicht andere Gewichtungen (z. B. mehr zu Gunsten der Verhinderung von Kapitalverbrechen) dieser Prinzipien denkbar, ohne deswegen gleich ein Willkürstaat zu sein? Ob man das dann wirklich will ist natürlich eine andere Frage. Als Opfer einer solchen Straftat oder dessen Angehöriger würde ich es mir wohl sehr wünschen; als Täter dagegen (Edit: oder als zu Unrecht Beschuldigter) natürlich nicht. Als momentan Unbeteiligter (aber unbedingter Freund des demokratischen Rechtsstaates) bin ich unschlüssig. Ist wirklich nur die gegenwärtige deutsche Lesart von Rechtsstaat denkbar?

Eine für mich hochinteressante und lehrreiche Diskussion; mit Dank an die Zimmerleute.

Herzliche GRüße,
Andreas Döding

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

04.05.2013 15:08
#56 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #55

Nun bin ich keine Behörde, und ich vertrete kein staatliches Handeln, schon klar.
Aber warum soll eine solche Abwägung objektiv inkompatibel sein mit einem Rechtsstaatsverständnis?

Mal abgesehen von der zivilisatorischen Errungenschaft Folter zu ächten, richtet sich der Rechtsstaatsbegriff gegen den Staat. Weshalb er wohl auch nicht implizit im GG verankert ist. Viele Grundrechte sind nur eingeschränkt gültig, weil sie von Gesetzen geregelt werden und nicht umgekehrt. Ich halte es für sehr gefährlich unsere Grundrechte, welche anderswo als Naturrecht über positivem Recht stehen - also in Deutschland durchaus stärker sein könnten, zu schwächen.
Die Effizienz bei der Aufklärung von Verbrechen darf nicht die Grundrechte, welche der wichtigste Schutz der Bürger vor staatlicher Willkür sind, schwächen. Der Bürger verliert auf lange Sicht mehr als er gewinnt.
Und natürlich sollte man den Rechtsbruch in einem Unrechtsstaat nicht mit dem in einem Rechtsstaat gleichsetzen. Was ja auch der deutsche Staat nicht tut. (als Hinweis auf adders Kommentar #54)

Viele Grüße, Erling Plaethe

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

04.05.2013 15:16
#57 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Mal abgesehen von der zivilisatorischen Errungenschaft Folter zu ächten



Ist denn Beugehaft etwas grundsätzlich, ich meine qualitativ anderes? Kann ich erstmal nicht erkennen, zumal bei klaustrophobischen Delinquenten. Waterbording ist organisch harmlos; die Folter besteht in der Induktion von Angst. (dies soll kein Plädoyer für diese Methode sein). Mich interessieren die grundsätzlichen Erwägungen.

Zitat
Die Effizienz bei der Aufklärung von Verbrechen darf nicht die Grundrechte, welche der wichtigste Schutz der Bürger vor staatlicher Willkür sind, schwächen. Der Bürger verliert auf lange Sicht mehr als er gewinnt.



Mein Beispiel zielte ausdrücklich nicht auf die Aufklärung, sondern auf die Verhinderung von Kapitaldelikten. Es ging um eine Güterabwägung.

Herzliche GRüße,
Andreas Döding

Solus Offline



Beiträge: 384

04.05.2013 15:19
#58 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #57
Mein Beispiel zielte ausdrücklich nicht auf die Auklärung, sondern auf die Verhinderung von Kapitaldelikten. Es ging um eine Güterabwägung.

Ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der in der Vergangenheit bereits schwerwiegende Straftaten begangen hat, in der Zukunft erneut welche begehen wird, signifikant erhöht? Wenn ja, ist dann die Verurteilung (und damit Inhaftierung) dieser Straftäter nicht auch letztlich eine Verhinderung von Kapitaldelikten - wäre mithin Folter nicht auch zur blosen Aufklärung schwerwiegender Verbrechen zulässig?

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

04.05.2013 15:27
#59 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von solus
Ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der in der Vergangenheit bereits schwerwiegende Straftaten begangen hat, in der Zukunft erneut welche begehen wird, signifikant erhöht? Wenn ja, ist dann die Verurteilung (und damit Inhaftierung) dieser Straftäter nicht auch letztlich eine Verhinderung von Kapitaldelikten



Soweit ich weiß, gilt das nur für die Sicherungsverwahrung/Maßregelvollzug; bei Strafhaft stehen die primäre Strafwirkung und das gesellschaftliche Interesse zur Resozialisierung des Delinquenten im Vordergrund, also die "erzieherische Wirkung"

Zitat
wäre mithin Folter nicht auch zur blosen Aufklärung schwerwiegender Verbrechen zulässig?



Wieso das daraus abzuleiten wäre, verstehe ich nicht so ganz. Man könnte natürlich auch jeden Parksünder erschießen, damit er es nicht nochmal macht

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Christoph Offline




Beiträge: 241

04.05.2013 15:30
#60 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von energist im Beitrag #53
Mich würde zuvorderst interessieren, wie Sie anhand dieses Kataloges den Fall Daschner bewerten.


Nun. Die Grundsätze des Rechtsstaates werden doch nicht dadurch wertlos, das süße kleine Kinder in Gefahr sind. Ich habe schon angedeutet, dass ich rechtsstaaliche Grundsätze gerade in Grenzfällen für nötig (und auch nützlich) halte. Hier sieht man warum: Ein Kind, hilflos und unschuldig, wurde entführt und schwebt offenbar in Lebensgefahr, vielleicht könnte man es retten. Die beteiligten Polizisten sind angespannt. Sie haben vor sich einen Beschuldigten, offenbar den Entführer. Der ist ihnen hilflos ausgeliefert. Sie glauben sich im Recht und haben die gesamte Staatsmacht im Rücken.
Eine solche Situation ist erkennbar nicht geeignet, ein vernünftiges, bedachtes Handeln der Polizisten zu befördern. Wer hindert sie nun daran, emotionalen Impulsen zu folgen, erst zu handeln und dann zu fragen und dabei Schäden anzurichten, die nicht wieder gutzumachen sind? Es ist der Rechtsstaat mit seinen Gesetzen.

adder meinte, dass Daschner wenn schon nicht rechtlich, so doch moralisch korrekt gehandelt hätte. Das sehe ich aus den folgenden Gründen anders:
Als dem Entführer mit Folter gedroht wurde, waren die legalen Mittel der Polizei noch nicht erschöpft. Die Drohung wurde ohne anwesende Zeugen ausgesprochen. Wäre sich Daschner seiner Rechtschaffenheit so sicher gewesen, wie er es im Nachhinein behauptete, hätte er eine Videokamera oder ein Tonband mitlaufen lassen können. Zudem konnte er nicht sicher sein, das Kind überhaupt retten zu können. Es war schon tot. Ganz abgesehen davon, dass anstelle Gäfgens auch ein Unschuldiger hätte sitzen können.

Man sieht: der Rechtsstaat tut gut daran, seinen Dienern gewisse Möglichkeiten zu versagen.

Nun behauptet Gäfgens man habe ihm mit Vergewaltigung gedroht und unvorstellbaren Schmerzen. Der Polizist, der das angeblich tat, will ihm aber nur eindringlich ins Gewissen geredet haben. Auch das zeigt, dass Beschuldigte eines besonderen Schutzes gegen die Staatsgewalt bedürfen. Im Nachhinein steht ihr Wort (das Wort eines verurteilten Mörders) gegen das Wort der unbestechlichen Staatsdiener, die meist nicht geneigt sind zu ihren oder zu ihrer Kollegen Ungunsten auszusagen.

Im Punkt der rechtlichen Bewertung stimme ich mit adder überein: Daschner hat das Gesetz gebrochen und ist dafür zu Recht verurteilt worden.

Zitat
Wie steht es um das Außenverhältnis; mir würde dort der Umgang mit Staaten einfallen, in denen diese Rechte nicht gelten. Wie steht es um kriegerische Auseinandersetzungen? Ist für Sie auch dort die Anwendung Ihrer Prinzipien auch conditio sine qua non?


Ich bin mir nicht ganz sicher, wie Ihre Frage gemeint ist. Das Problem zwischenstaatlicher Konflikte ist doch ein vollkommen anderes. Hier gibt es internationale Übereinkommen wie die Haager Landkriegsordnung oder die Genfer Konvention, die zu befolgen sind.

Solus Offline



Beiträge: 384

04.05.2013 15:34
#61 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Doeding: Anders ausgedrückt, wenn die Rechtfertigung von Folter in, sagen wir, einem Entführungsfall, die wäre, das Opfer zu retten (das andernfalls möglicherweise bspw. sterben würde), dann lässt sich das gleiche Argument auch zur bloßen Aufklärung eines Entführungsfalles anbringen. Wenn der Entführer ohne Folter oder Androhung von Folter nicht überführt werden kann, besteht eine signifikante Wahrscheinlichkeit, dass er ein weiteres Opfer entführen wird, was er nicht könnte, wenn er verurteilt und dadurch auf Jahre in Haft gebracht würde.

Womit eben fraglich ist, ob sich eine Beschränkung auf die direkte Verhinderung von Straftaten aufrechterhalten ließe, wenn man Folter nichtmehr grundsätzlich ausschließen würde.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

04.05.2013 15:44
#62 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von solus
Anders ausgedrückt, wenn die Rechtfertigung von Folter in, sagen wir, einem Entführungsfall, die wäre, das Opfer zu retten (das andernfalls möglicherweise bspw. sterben würde), dann lässt sich das gleiche Argument auch zur bloßen Aufklärung eines Entführungsfalles anbringen. Wenn der Entführer ohne Folter oder Androhung von Folter nicht überführt werden kann, besteht eine signifikante Wahrscheinlichkeit, dass er ein weiteres Opfer entführen wird, was er nicht könnte, wenn er verurteilt und dadurch auf Jahre in Haft gebracht würde.

Womit eben fraglich ist, ob sich eine Beschränkung auf die direkte Verhinderung von Straftaten aufrechterhalten ließe, wenn man Folter nichtmehr grundsätzlich ausschließen würde.



Jetzt hab ichs kapiert

Nunja, es gibt ja durchaus das juristische Konstrukt der "Gefahr im Verzuge", die unmittelbares Handeln erforderlich macht und Vorläufigkeitscharakter hat, dabei jedoch exekutiv machtvoll und unter Einschränkung von Freiheitsrechten, vorgehen kann. So kann ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes im Benehmen mit einem Psychiater einen Suizidgefährdeten gegen seinen Willen vorläufig unterbringen lassen, obwohl dies eigentlich nur ein Richter veranlassen darf (und der das innerhalb von 24 Stunden auch nachholen muß). Gefahr im Verzuge läge in dem von Ihnen geschilderten Beispiel zweifellos nicht vor.

Zwingend würde die von Ihnen skizzierte Ausweitung also nicht erfolgen.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

04.05.2013 15:44
#63 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #57

Ist denn Beugehaft etwas grundsätzlich, ich meine qualitativ anderes? Kann ich erstmal nicht erkennen, zumal bei klaustrophobischen Delinquenten. Waterbording ist organisch harmlos; die Folter besteht in der Induktion von Angst. (dies soll kein Plädoyer für diese Methode sein). Mich interessieren die grundsätzlichen Erwägungen.

Genau sehe ich auch so. Grundsätzlich ist Folter Folter. Mir fehlt keine Behörde die Folter unterteilt in organisch harmlos, klaustrophobisch, schmerzhaft, usw.

Zitat
Die Effizienz bei der Aufklärung von Verbrechen darf nicht die Grundrechte, welche der wichtigste Schutz der Bürger vor staatlicher Willkür sind, schwächen. Der Bürger verliert auf lange Sicht mehr als er gewinnt.



Zitat von Doeding im Beitrag #57
Mein Beispiel zielte ausdrücklich nicht auf die Aufklärung, sondern auf die Verhinderung von Kapitaldelikten. Es ging um eine Güterabwägung.

Ok. Die Verhinderung von Kapitalverbrechen darf nicht zur zweifelhaften Güterabwägung gegen Grundrechte führen, an deren Ende die Bürger nicht nur der Willkür von Kapitalverbrechen ausgesetzt sind, sondern auch noch der Willkür des Staates.
Diese kann nur durch Gesetze eingegrenzt werden.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

04.05.2013 15:54
#64 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Die Verhinderung von Kapitalverbrechen darf nicht zur zweifelhaften Güterabwägung gegen Grundrechte führen, an deren Ende die Bürger nicht nur der Willkür von Kapitalverbrechen ausgesetzt sind, sondern auch noch der Willkür des Staates.
Diese kann nur durch Gesetze eingegrenzt werden.



Aber es erfolgt doch ohnehin eine Güterabwägung bzw. sie wurde ein für allemal vorgenommen. Nämlich dergestalt, daß der Staat gegenüber mutmaßlichen Delinquenten auch dann nicht mit Pression vorgehen darf, wenn es das Leben Unbeteiligter kostet. Wenn das keine Güterabwägung ist! Ich will das gar nicht kritisieren, aber diskutabel erscheint mir das schon. Das Leben eines Menschen ist eben ein sehr, sehr hohes Rechtsgut. Der Schutz vor staatlicher Willkür ist es ebenso. Ich habe wohl ein grundsätzlich Problem mit Axiomen, die man nicht hinterfragen soll und bin hier wohl auch ein wenig querulatorisch veranlagt, lieber Erling Plaethe

Herzliche GRüße,
Andreas Döding

Solus Offline



Beiträge: 384

04.05.2013 16:06
#65 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #62
Zwingend würde die von Ihnen skizzierte Ausweitung also nicht erfolgen.

Zwingend sicherlich nicht, da haben Sie Recht. Ich halte es allerdings schon für problematisch, die Möglichkeit überhaupt erst zu eröffnen.
Zu Ihrem Beispiel bzgl. Selbstmordgefährdeten gäbe es einiges zu sagen, aber das würde den Rahmen dieses Themas wohl etwas sprengen. (Sie merken, ich halte wenig davon, Selbstmörder vor sich selbst zu schützen.)

Noch ein anderer Aspekt: Wenn Folter zur direkten Verhinderung von Straftaten erlaubt würde, wie würde sich das dann auf Falschaussagen auswirken? Der Fall Kachelmann dürfte Ihnen ja in Erinnerung sein. Wie sähe es aus, wenn jemand etwa jemanden bewusst verleugnen würde, um ihn in einen Verdacht zu bringen, der Folter von Seiten der Polizei rechtfertigen (und bewirken) würde?

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

04.05.2013 16:09
#66 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #64

Aber es erfolgt doch ohnehin eine Güterabwägung bzw. sie wurde ein für allemal vorgenommen. Nämlich dergestalt, daß der Staat gegenüber mutmaßlichen Delinquenten auch dann nicht mit Pression vorgehen darf, wenn es das Leben Unbeteiligter kostet. Wenn das keine Güterabwägung ist!

Nein, ich denke nicht dass es um eine Güterabwägung geht. Es geht um die Begrenzung der Macht des Staates. Es geht tatsächlich darum, dass ihm nicht zu trauen ist. Es geht um die Fesseln welche ihm aus gutem Grund angelegt wurden und die nicht gelöst werden sollen. Diese Fesseln sind die Grundrechte.

Zitat von Doeding im Beitrag #64
Ich will das gar nicht kritisieren, aber diskutabel erscheint mir das schon. Das Leben eines Menschen ist eben ein sehr, sehr hohes Rechtsgut. Der Schutz vor staatlicher Willkür ist es ebenso. Ich habe wohl ein grundsätzlich Problem mit Axiomen, die man nicht hinterfragen soll und bin hier wohl auch ein wenig querulatorisch veranlagt, lieber Erling Plaethe

Auf jeden Fall muss man das diskutieren. Guantanamo hat vermutlich sehr, sehr vielen Menschen das Leben gerettet. Vielleicht sogar unser beider Leben.
Es ist hart Prinzipien zu folgen und Regeln einzuhalten - nicht nur für den Staat.

Viele Grüße, Erling Plaethe

ungelt Offline



Beiträge: 119

04.05.2013 18:10
#67 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Christoph im Beitrag #60
Nun. Die Grundsätze des Rechtsstaates werden doch nicht dadurch wertlos, das süße kleine Kinder in Gefahr sind.

Stimmt, lieber Christoph, in Deutschland ist man eben gerne konsequent - da darf man sich von so süßen kleinen Kindern natürlich auf keinen Fall verunsichern lassen. Dieser Teil Deutschlands ist aber nicht der meine, es fröstelt mich bei solchen Worten. Herr Daschner hat meine Hochachtung.

Solus Offline



Beiträge: 384

04.05.2013 18:52
#68 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von ungelt im Beitrag #67
Zitat von Christoph im Beitrag #60
Nun. Die Grundsätze des Rechtsstaates werden doch nicht dadurch wertlos, das süße kleine Kinder in Gefahr sind.

Stimmt, lieber Christoph, in Deutschland ist man eben gerne konsequent - da darf man sich von so süßen kleinen Kindern natürlich auf keinen Fall verunsichern lassen. Dieser Teil Deutschlands ist aber nicht der meine, es fröstelt mich bei solchen Worten. Herr Daschner hat meine Hochachtung.

Mich fröstelt es bei der Vorstellung, als Verdächtiger (aber unschuldiger) in die Fresse zu kriegen, ebenfalls. Da ist mir das Kind ehrlich gesagt herzlich egal.

ungelt Offline



Beiträge: 119

04.05.2013 19:04
#69 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Solus im Beitrag #68
Mich fröstelt es bei der Vorstellung, als Verdächtiger (aber unschuldiger) in die Fresse zu kriegen, ebenfalls. Da ist mir das Kind ehrlich gesagt herzlich egal.

Dazu kann ich nur etwas ganz altmodisches sagen: Wenn man ein Mann ist, sollte man die kaputte Fresse schon mal riskieren, wenn es um das Leben von Kindern geht. Herr Daschner hat das genau so getan. Er hat eine "kaputte Fresse", kann aber jederzeit in den Spiegel schauen.

EDIT: Um nicht von den Frauen eins auf den Deckel zu bekommen - auch Frauen benehmen sich natürlich häufig, wenn nicht häufiger, in dieser Beziehung "wie ein Mann".

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

04.05.2013 19:19
#70 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Auf jeden Fall muss man das diskutieren. Guantanamo hat vermutlich sehr, sehr vielen Menschen das Leben gerettet. Vielleicht sogar unser beider Leben.
Es ist hart Prinzipien zu folgen und Regeln einzuhalten - nicht nur für den Staat.



Lieber Erling Plaethe,

Das haben Sie sehr schön formuliert.

Eines vorweg: Natürlich ist staatliche/Behördenwillkür ein NoGo, keine Frage. Der Polizist hat im Falle Gäfgens gegen geltendes Recht verstoßen. Mit Blick auf die moralische Dimension sehe ich es aber ähnlich wie adder oder ungelt; zumindest sein moralisches Dilemma gehört bei der strafrechtlichen Beurteilung berücksichtigt (was ja in unserem Rechtsstaat in der Regel auch geschieht).

Allerdings geht mir das mit der Willkür in dieser Diskussion ein wenig zu schnell. Ein Beispiel:

Die stärkste Einschränkung der persönlichen Freiheitsrechte, die ich kenne, ist die Fixierung (ans Bett) in psychiatrischen Krankenhäusern, natürlich gegen den Willen des Betroffenen, im Falle von Selbst- oder Fremdgefährdung bzw. raptusartiger Wut, lebensbedrohlichen Erregungszuständen, aggressiven Bedrohen oder Angreifen von Mitpatienten oder Pflegern usw. Die bloße Tatsache, daß es dieses Gesetz gibt und daß es täglich exekutiert wird, sagt mMn aber nichts über diesen Rechtsstaat aus; ich hoffe, hier sind wir uns einig. Denn: die Durchführung dieser Maßnahme ist, soweit mir erinnerlich, an folgende Bedingungen geknüpft: Ärztliches Vieraugenprinzip, Berichtspflicht ans Amtsgericht, kontinuierliche und gerichtsfeste Dokumentation der Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme, Recht des Pat., anschließend Rechtsmittel einzulegen (was übrigens seltenst passiert), woraufhin der Staatsanwalt routinemäßig ermittelt usw.
Man kann dieses Gesetz falsch finden, aber es ist rechtmäßig und rechtsstaatlich zustande gekommen. Und das obwohl hier in aller Regel kein Leben auf dem Spiel steht sondern eher eine Unterarmfraktur eines Psychiatriepflegers. Das Grundgesetz gilt gleichwohl natürlich auch für Kranke.

Wie wäre es also mit einem Gesetz? Ich nenne es mal das Gesetz zur Anwendung physischer Pression bei Entführungsfällen im Falle von Lebensgefahr im Verzuge. Wenn dies den parlamentarischen Weg genommen hätte, wenn die oben genannten Sicherungsmaßnahmen gegen Mißbrauch (und meinetwegen noch weitere) in das Gesetz eingebaut worden wären, könnte man dann noch von Willkür oder Unrecht sprechen? Natürlich, die skizzierte Maßnahme (Waterboarding) unterscheidet sich quantitativ von der Fixierung (und eine parlamentarische Mehrheit für so etwas ist Lichtjahre entfernt, jedoch nicht undenkbar; jedoch wäre der "Gewinn": ein gerettetes Menschenleben auch ungleich höher). Aber, und das ist die entscheidende Frage: unterscheidet sie sich auch qualitativ davon? Und wenn ja, warum?

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

adder Offline




Beiträge: 1.073

04.05.2013 19:44
#71 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #56
Und natürlich sollte man den Rechtsbruch in einem Unrechtsstaat nicht mit dem in einem Rechtsstaat gleichsetzen. Was ja auch der deutsche Staat nicht tut. (als Hinweis auf adders Kommentar #54)


Ich möchte das auch nicht so verstanden wissen. Selbstverständlich gibt es Unterschiede zwischen dem Rechtsbruch in einem Unrechtsstaat und dem in einem Rechtsstaat.
Allerdings: 1934 war der Unrechtsstaat der Nazis noch nicht so klar für viele zu erkennen, wie es auf der anderen Seite Kurt von Hammerstein-Equord oder Erwin von Witzleben (und auch Henning von Tresckow) wohl schon getan haben.
Und alle drei waren preussisch-geprägte Offiziere, die ihre persönliche Integrität und Ehre, ihr Wort und ihren Schwur sehr ernst genommen haben - und dennoch waren sie bereit, nicht nur das Recht des Deutschen Reichs zu brechen, sondern auch noch gegen verschiedene Regeln der "sauberen" Kriegsführung (Bombenanschläge, Selbstmordattentate) zu verstoßen und Ehre, Wort und Schwur zu brechen.

Natürlich ist das nicht mit dem Fall Daschner zu vergleichen. Die Männer des militärischen Widerstandes riskierten ungleich mehr für ein ungleich edleres Ziel (und ein aus unserer Sicht klarer positives Ergebnis).

Daschner hingegen hat - wie ungelt das sehr plastisch formulierte - seine Arbeit und seine Freiheit riskiert, auf die bloße Möglichkeit, dass der Junge noch lebte. Hätte ich wahrscheinlich auch getan. Allerdings muss ich auch Christoph zustimmen: wenn er tatsächlich so gedacht und gehandelt hätte, wie ich es unterstellte, müßte er auch eine Aufzeichnung gemacht haben und das ganze zumindest vor Zeugen (hinter der Spiegelwand, nicht vom damals noch mutmaßlichen Täter zu sehen) getan haben. Ich hätte es zumindest so gemacht, und direkt danach auch meine Dienstmarke dem Staatsanwalt zusammen mit einem vollständigen Geständnis gegeben. Denn natürlich ist es falsch - nicht nur weil es ungesetzlich ist.

[Edit:] Vor einiger Zeit gab es hier im Thread die Erwähnung von Flugzeugabschüssen: auch dabei gilt meiner Meinung nach die gleiche Sache: es ist ungesetzlich, der Jägerpilot oder sein Vorgesetzter wird aber dennoch die Entscheidung zum Abschuss treffen und sich danach vor Gericht verantworten. Eben weil die persönliche Abwägung eine andere ist als die rechtsstaatliche Abwägung: persönlich wägt man nämlich nicht "Recht" gegen "Unrecht" ab, sondern das Leben von anderen gegen die eigene Freiheit und das eigene Gewissen.

Solus Offline



Beiträge: 384

04.05.2013 19:50
#72 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von ungelt im Beitrag #69
Zitat von Solus im Beitrag #68
Mich fröstelt es bei der Vorstellung, als Verdächtiger (aber unschuldiger) in die Fresse zu kriegen, ebenfalls. Da ist mir das Kind ehrlich gesagt herzlich egal.

Dazu kann ich nur etwas ganz altmodisches sagen: Wenn man ein Mann ist, sollte man die kaputte Fresse schon mal riskieren, wenn es um das Leben von Kindern geht. Herr Daschner hat das genau so getan. Er hat eine "kaputte Fresse", kann aber jederzeit in den Spiegel schauen.

EDIT: Um nicht von den Frauen eins auf den Deckel zu bekommen - auch Frauen benehmen sich natürlich häufig, wenn nicht häufiger, in dieser Beziehung "wie ein Mann".

Nun, ich habe in der Hinsicht von der gesetzlichen Situation gesprochen. Was jemand unbenommen dessen macht, aus persönlichen Überlegungen heraus, ist wieder eine andere Sache.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

04.05.2013 19:59
#73 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von solus
Noch ein anderer Aspekt: Wenn Folter zur direkten Verhinderung von Straftaten erlaubt würde, wie würde sich das dann auf Falschaussagen auswirken? Der Fall Kachelmann dürfte Ihnen ja in Erinnerung sein. Wie sähe es aus, wenn jemand etwa jemanden bewusst verleugnen würde, um ihn in einen Verdacht zu bringen, der Folter von Seiten der Polizei rechtfertigen (und bewirken) würde?



Lieber solus,

entschuldigen Sie bitte, wahrscheinlich bin ich heute etwas begriffsstutzig; daher nochmal eine Rückfrage: was meinen Sie mit "jemanden bewußt verleugnen". Ich lande dauernd bei der Verleugnung Christi seitens Petrus am Morgen der Kreuzigung ;-)
(ich verstehe Ihre Frage wirklich nicht)

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Hausmann Offline



Beiträge: 710

04.05.2013 20:10
#74 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Eine Frage am Rande: Wie ging es mit dem Herrn Jura-Studenten eigentlich weiter, wie verlebte er seine Haftzeit, konnte er wenigstens seine Ausbildung ordentlich abschließen, sich kulturell und sportlich genügend betätigen, wurde er ausreichend auf das Leben "danach" vorbereitet, ist seine künftige Sicherheit geschützt, gab es wenigstens eine kleine Entschädigung für die angedachte Folterung? mfG

-----------------------------------------------------
Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel

Solus Offline



Beiträge: 384

04.05.2013 20:18
#75 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #73

Zitat von solus
Noch ein anderer Aspekt: Wenn Folter zur direkten Verhinderung von Straftaten erlaubt würde, wie würde sich das dann auf Falschaussagen auswirken? Der Fall Kachelmann dürfte Ihnen ja in Erinnerung sein. Wie sähe es aus, wenn jemand etwa jemanden bewusst verleugnen würde, um ihn in einen Verdacht zu bringen, der Folter von Seiten der Polizei rechtfertigen (und bewirken) würde?


Lieber solus,

entschuldigen Sie bitte, wahrscheinlich bin ich heute etwas begriffsstutzig; daher nochmal eine Rückfrage: was meinen Sie mit "jemanden bewußt verleugnen". Ich lande dauernd bei der Verleugnung Christi seitens Petrus am Morgen der Kreuzigung ;-)
(ich verstehe Ihre Frage wirklich nicht)

Herzliche Grüße,
Andreas Döding


Tut mir Leid, das Problem lag hier ganz bei mir. Gemeint war eigentlich "verleumden", aber in der Eile ist mir der Fehler entgangen.

(Verleugnung könnte u.U. zu einem ähnlich gelagerten Fall führen, aber das tut hier nichts zur Sache.)

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