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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 134 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Doeding Offline




Beiträge: 2.612

04.05.2013 20:22
#76 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Hausmann
gab es wenigstens eine kleine Entschädigung für die angedachte Folterung? mfG



Lieber Hausmann,

Ja, die gab es, ich glaube, es waren 3000 €. Allerdings ist dem Rechtsphilosophen Ulfried Neumann wohl in dieser Frage zu folgen: das ist der Preis für einen demokratischen Rechtsstaat.

Zitat von Ulfried Neumann nach Zeit online
Schwierig nachzuvollziehen sei dies vor allem, weil sich hier die Rollen von Täter und Opfer mischen. «Wer in der einen Situation der Täter ist, kann in der anderen Situation durchaus das Opfer sein», erklärte der Jurist. Dies gelte es auseinanderzuhalten. Als Mörder des Bankierssohns sei Gäfgen eindeutig der Täter - «in der Situation der polizeilichen Vernehmung kann er dennoch Opfer sein



http://www.zeit.de/news-082011/4/rechtsp...rdenrechtsstaat

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

04.05.2013 20:35
#77 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von solus

Tut mir Leid, das Problem lag hier ganz bei mir. Gemeint war eigentlich "verleumden", aber in der Eile ist mir der Fehler entgangen.

(Verleugnung könnte u.U. zu einem ähnlich gelagerten Fall führen, aber das tut hier nichts zur Sache.)



Nochmal danke

Liefe das Beispiel dann aber nicht wieder auf Verbrechensaufklärung (und nicht etwa Verhinderung eines noch in der Zukunft liegenden Kapitaldeliktes) hinaus? Hier würde ich schon einen Unterschied machen wollen; mein letzter Beitrag an Erling Plaethe, der durchaus auch an Sie gerichtet war, war ein Versuch, dies (als Möglichkeit) zu erläutern. Es gibt ja durchaus rechtsstaatlich begründbare Freiheitseinschränkungen und Pressionen, und noch habe ich nicht verstanden, warum waterboarding zwingend nicht dazu gehören kann, sofern zuvor gesetzlich geregelt.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

ungelt Offline



Beiträge: 119

04.05.2013 21:27
#78 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Solus im Beitrag #72
Zitat von ungelt im Beitrag #69
Zitat von Solus im Beitrag #68
Mich fröstelt es bei der Vorstellung, als Verdächtiger (aber unschuldiger) in die Fresse zu kriegen, ebenfalls. Da ist mir das Kind ehrlich gesagt herzlich egal.

Dazu kann ich nur etwas ganz altmodisches sagen: Wenn man ein Mann ist, sollte man die kaputte Fresse schon mal riskieren, wenn es um das Leben von Kindern geht. Herr Daschner hat das genau so getan. Er hat eine "kaputte Fresse", kann aber jederzeit in den Spiegel schauen.

EDIT: Um nicht von den Frauen eins auf den Deckel zu bekommen - auch Frauen benehmen sich natürlich häufig, wenn nicht häufiger, in dieser Beziehung "wie ein Mann".

Nun, ich habe in der Hinsicht von der gesetzlichen Situation gesprochen.

Die gesetzlich Situation bezüglich der Tat von Herrn Daschner ist mir vermutlich klar, ob man an den betreffenden Gesetzen etwas ändern sollte ist mir dagegen überhaupt nicht klar. Eine schwierige Sache ist das auf jeden Fall, und wie man es auch regelt, es wird immer irgendwelche Opfer geben. So wie es die auch heute sicher gibt. Das kann man aber problemlos so oder so sehen, nach meinem unmaßgeblichen und sicher etwas oberflächlichen Eindruck wird aber eher zu viel Gewicht auf Täterschutz gelegt, und zu wenig auf Opferschutz.

Ich habe mich nur gegen die meiner Meinung recht zynische Aussage von Christoph ausgesprochen. Die "Grundsätze des Rechtsstates" kann man sicher nicht dadurch verteidigen, daß man sich über "süßen kleinen Kinder" lustig macht, die diesen Grundsätzen möglicherweise zum Opfer fallen.

Zitat von Solus im Beitrag #72
Was jemand unbenommen dessen macht, aus persönlichen Überlegungen heraus, ist wieder eine andere Sache.
Da sind wir uns ja einig, Ich beurteile für mich Herrn Daschner anhand meiner ganz privaten moralischen Maßstäbe, ohne daß ich die für irgendwen oder sogar allgemeinverbindlich machen möchte. Weil er aber hier nach meinen Maßstäben richtig gehandelt hat, und die unangenehmen Folgen tragen muß, hat er eben meine Unterstützung. Das ist alles.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

04.05.2013 21:39
#79 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von ungelt
nach meinem unmaßgeblichen und sicher etwas oberflächlichen Eindruck wird aber eher zu viel Gewicht auf Täterschutz gelegt, und zu wenig auf Opferschutz



Nach meinem unmaßgeblichen und sicher etwas oberflächlichen Eindruck, lieber ungelt: Zustimmung

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Christoph Offline




Beiträge: 241

04.05.2013 22:19
#80 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat
Ich habe mich nur gegen die meiner Meinung recht zynische Aussage von Christoph ausgesprochen. Die "Grundsätze des Rechtsstates" kann man sicher nicht dadurch verteidigen, daß man sich über "süßen kleinen Kinder" lustig macht, die diesen Grundsätzen möglicherweise zum Opfer fallen.



Ich mache mich über »süße kleine Kinder« keineswegs lustig. Ich meine nur, dass man den Gebrauch des Verstands auch dann nicht tabuisieren sollte, wenn Kinder in Gefahr sind. Es ist nämlich niemandem geholfen, auch den Kindern nicht, wenn eine verünftige Diskussion unmöglich wird – und sie wird unmöglich, wenn man jede vernünftige Erwägungen unter dem Vorwand des »Zynismus« entsorgt. Es steht einem Privatmann frei, sich im Angesicht bedrohter Kinder von Emotionen leiten zu lassen. Man sollte aber aus emotionaler Erregung der Staatsmacht nicht die Sicherungen herausdrehen und Leuten wie Herrn Daschner Generalvollmacht erteilen.

Ich vermute, Herr Daschner hätte nicht halb so viele Fürsprecher, hätte Herr Gäfgen statt des Kindes Herrn oder Frau Metzler oder Herrn Ackermann entführt. Jeder befrage sich selbst, ob er dann anders über die Sache denken würde.

Im Übrigen ist es eine fast bösartige Verkehrung der Tatsachen, zu meinen, Kinder fielen den Grundsätzen des Rechtsstaats zum Opfer. Genauso gut könnte man sagen, sie fallen der Fahrlässigkeit von Eltern zum Opfer, die nicht bereit sind, sie ganztägig zu Hause einzuschließen und von allen fremden Menschen fernzuhalten (und selbst damit wären noch nicht alle Verbrechen an ihnen ausgeschlossen). Jakob von Metzler ist Herrn Gäfgen zum Opfer gefallen und niemandem sonst.

--
edit: Grammatik

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

04.05.2013 22:36
#81 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Christoph
Jakob von Metzler ist Herrn Gäfgen zum Opfer gefallen und niemandem sonst.



Absolute Zustimmung. Einfluß nehmen zu können ist nicht gleichbedeutend mit verantwortlich sein oder gar Schuld. Aber eben gleichbedeutend mit Einfluß nehmen können. Auch das ist eine Verantwortung, denke ich. Eine Lösung dafür habe ich freilich nicht.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

04.05.2013 23:11
#82 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #70

Wie wäre es also mit einem Gesetz? Ich nenne es mal das Gesetz zur Anwendung physischer Pression bei Entführungsfällen im Falle von Lebensgefahr im Verzuge. Wenn dies den parlamentarischen Weg genommen hätte, wenn die oben genannten Sicherungsmaßnahmen gegen Mißbrauch (und meinetwegen noch weitere) in das Gesetz eingebaut worden wären, könnte man dann noch von Willkür oder Unrecht sprechen? Natürlich, die skizzierte Maßnahme (Waterboarding) unterscheidet sich quantitativ von der Fixierung (und eine parlamentarische Mehrheit für so etwas ist Lichtjahre entfernt, jedoch nicht undenkbar; jedoch wäre der "Gewinn": ein gerettetes Menschenleben auch ungleich höher). Aber, und das ist die entscheidende Frage: unterscheidet sie sich auch qualitativ davon? Und wenn ja, warum?


Es handelt sich bei den Grundrechten um die vielleicht wichtigsten Sicherungen gegen das Paradoxon der Demokratie.
In einem evtl. Entführungsfall haben wir es mit einem Angeklagten und der Unschuldsvermutung zu tun. Ich weiß beim besten Willen nicht wie sie eine erfolgversprechende Pression ausüben wollen, ohne gegen das Rechtsstaatsprinzip zu verstoßen (was der geringere Schaden wäre) oder den Rechtsstaat als solchen in Gefahr zu bringen.


Und natürlich hat das überhaupt nichts mit Täterschutz zu tun. Es geht um den Schutz der Grundrechte, lieber ungelt.

Viele Grüße, Erling Plaethe

ungelt Offline



Beiträge: 119

05.05.2013 01:32
#83 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Christoph
Nun. Die Grundsätze des Rechtsstaates werden doch nicht dadurch wertlos, das süße kleine Kinder in Gefahr sind.

Zitat von Christoph im Beitrag #80
Ich mache mich über »süße kleine Kinder« keineswegs lustig.

Der geneigte Leser möge sich seine Meinung bilden.

Zitat von Christoph im Beitrag #80
Es ist nämlich niemandem geholfen, auch den Kindern nicht, wenn eine verünftige Diskussion unmöglich wird – und sie wird unmöglich, wenn man jede vernünftige Erwägungen unter dem Vorwand des »Zynismus« entsorgt.

Ich brauche keine Belehrungen, wie wann wem nämlich geholfen wäre und was eine vernünftige Diskussion ist. Ich verwehre mich auch dagegen, irgend etwas als Vorwand benutzt zu haben.

Zitat von Christoph im Beitrag #80
Es steht einem Privatmann frei, sich im Angesicht bedrohter Kinder von Emotionen leiten zu lassen. Man sollte aber aus emotionaler Erregung der Staatsmacht nicht die Sicherungen herausdrehen und Leuten wie Herrn Daschner Generalvollmacht erteilen.

Aus Formulierungen wie "Leuten wie Herrn Daschner Generalvollmacht [zu] erteilen" spricht nicht gerade für eine kühle professionelle Betrachtungsweise, die sie einfordern. Ich sehe Keinen, der Generalvollmachten für "Leute wie Daschner" verlangt.

Zitat von Christoph im Beitrag #80
Ich vermute, Herr Daschner hätte nicht halb so viele Fürsprecher, hätte Herr Gäfgen statt des Kindes Herrn oder Frau Metzler oder Herrn Ackermann entführt. Jeder befrage sich selbst, ob er dann anders über die Sache denken würde.

Was ändert die Anzahl der Fürsprecher an der moralischen Beurteilung von Daschners Tat?

Zitat von Christoph im Beitrag #80
Im Übrigen ist es eine fast bösartige Verkehrung der Tatsachen, zu meinen, Kinder fielen den Grundsätzen des Rechtsstaats zum Opfer.

Ich bin der Meinung, und das habe ich hoffentlich deutlich gemacht, daß jede gesetzliche Regelung und jeder "Grundsatz", fast könnte man sagen "jedes menschliche Tun", gleichzeitig positive und negative Auswirkungen hat. In manchen, hoffentlich der Mehrzahl der Fälle, überwiegen die positiven Auswirkungen. Dennoch wird es aber immer auch unbeabsichtigte, schädliche Nebenwirkungen geben - das scheint mir sonnenklar zu sein. Die, die von diesen Nebenwirkungen betroffen sind, sind dann naturgemäß die "Opfer" oder auch "Leidtragende" solcher Regelungen, wie denn sonst? Muß diese simple Tatsache verschleiert oder geheimgehalten werden?

Der Resozialisierungsgedanke ist z.B, ein solcher Fall. Für die Mehrheit der Straftäter vermutlich vorteilhaft und sinnvoll, für das Opfer eines irrtümlich oder zu früh entlassenen Verbrechers eher weniger. Sehen sie das wirklich anders?

Zitat von Christoph im Beitrag #80
Genauso gut könnte man sagen, sie fallen der Fahrlässigkeit von Eltern zum Opfer, die nicht bereit sind, sie ganztägig zu Hause einzuschließen und von allen fremden Menschen fernzuhalten (und selbst damit wären noch nicht alle Verbrechen an ihnen ausgeschlossen).

Das hat mit dem Thema nicht viel zu tun, aus meiner Sicht. Es gibt natürlich Kinder, die Opfer ihrer Eltern sind. Nicht aber unbedingt durch die Art der Ausgagsregelung.

Zitat von Christoph im Beitrag #80
Jakob von Metzler ist Herrn Gäfgen zum Opfer gefallen und niemandem sonst.


Ist das die Antwort auf diese meine Bemerkung?

Zitat von ungelt
Die gesetzlich Situation bezüglich der Tat von Herrn Daschner ist mir vermutlich klar, ob man an den betreffenden Gesetzen etwas ändern sollte ist mir dagegen überhaupt nicht klar. Eine schwierige Sache ist das auf jeden Fall, und wie man es auch regelt, es wird immer irgendwelche Opfer geben. So wie es die auch heute sicher gibt. Das kann man aber problemlos so oder so sehen, nach meinem unmaßgeblichen und sicher etwas oberflächlichen Eindruck wird aber eher zu viel Gewicht auf Täterschutz gelegt, und zu wenig auf Opferschutz.


Da steht nichts davon, daß Jakob von Metzler nicht das Opfer von Gäfken wäre, auch an keiner anderen Stelle natürlich. Wenn Ihnen das Wort "Opfer" in dem erwähnten Zusammenhang nicht gefällt, weil Sie es für Mordopfer reservieren möchten, dann nehmen Sie einfach "Leidtragende", "Benachteiligte" - je nach Intensität in diesem oder jenem konkreten Fall.

EDIT: Tippfehler

Paul Offline




Beiträge: 1.285

05.05.2013 10:19
#84  Ziviler Ungehorsam Antworten

Die Diskussion in diesem Thraed hat sich immer mehr verlagert, von der rechtlich gedeckten Entscheidung Schmidt's hin zu der, rechtlich zumindest umstrittenen, von Daschner.

Wenn der Moderator einverstanden ist, dann möchte ich die begonnene Diskussion fortführen, in dem ich den Begriff

ZVILER UNGEHORSAM

an dieser Stelle einbringe, weil ich der Meinung bin, dass Daschner's Handlung unter diesem Aspekt besser beurteilt werden kann.

Sollte der Moderator nicht einverstanden sein, dann möge er meinen Beitrag herausnehmen.

Zum Zivilen Ungehorsam habe ich das gefunden:

Zitat
Ziviler Ungehorsam (von lateinisch civilis ‚bürgerlich‘; deshalb auch bürgerlicher Ungehorsam) ist eine Form politischer Partizipation, deren Wurzeln bis in die Antike zurückreichen.

Durch einen symbolischen,[2] aus Gewissensgründen vollzogenen, und damit bewussten Verstoß gegen rechtliche Normen zielt der handelnde Staatsbürger mit einem Akt zivilen Ungehorsams auf die Beseitigung einer Unrechtssituation und betont damit sein moralisches Recht auf Partizipation. Die Normen können sich durch Gesetze, Pflichten oder auch Befehle eines Staates oder einer Einheit in einem staatlichen Gefüge manifestieren. Durch den symbolischen Verstoß soll zur Beseitigung des Unrechts Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung genommen werden. Der Ungehorsame nimmt dabei bewusst in Kauf, auf Basis der geltenden Gesetze für seine Handlungen bestraft zu werden.



http://de.wikipedia.org/wiki/Ziviler_Ungehorsam

Die Hervorhebung des letzten Satzes ist von mir, weil dies für mich der Schlüsselsatz ist.

Dazu möchte ich Varianten des eigenen Verhaltens darstellen:

1. Unter der Annahme Gäfgen wäre mein Sohn, hätte ich ihn selbst gefoltert, um ihm den Aufenthaltsort des Entführten zu "entlocken". Die Gründe: Gelingt es dadurch das Leben des Entführten zu retten, dann hätte ich verhindert, dass mein Sohn zum Mörder wird.

2. Unter der Annahme, dass der Entführte mein Sohn wäre, hätte ich Gäfgen gefoltert, um das Leben meines Sohnes zu retten.

In beiden Fällen hätte ich im Bewußtsein dessen gehandelt, dass ich eine Straftat begehe.
Die Folgen meines Handelns hätte ich in dieser Situation billigend in Kauf genommen.

Jetzt werde ich mal pathetisch.

"Wo ist der Erste, der den Stein wirft?"

Wie soll Luther gesagt haben?
"Hier stehe ich, ich kann nicht anders?"

Gott schütze mich davor, jemals in diese Situation zu geraten, Paul

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

05.05.2013 10:31
#85 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Und natürlich hat das überhaupt nichts mit Täterschutz zu tun. Es geht um den Schutz der Grundrechte



Das stimmt natürlich. Meine Zustimmung zu ungelts Bemerkung bezog sich auf die aktuelle Praxis in der Rechtssprechung, insbesondere im Jugendstrafrecht, nicht auf das Verhältnis zu den Grundrechten.
Im Übrigen möchte ich nochmal bemerken, daß ich nicht die persönliche Meinung habe, man solle waterboarding hier als Ermittlungsmethode einführen. Es ging mir um das Ausloten der Argumente dafür und dagegen und darum zu schauen, ob es mit einem Rechtsstaat kompatibel zu machen wäre. Ich wüßte keinen Ort außer diesem Forum, wo man das offen diskutieren kann, ohne als etatistischer Faschist oder dergleichen beschimpft zu werden.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

ungelt Offline



Beiträge: 119

05.05.2013 10:44
#86 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #84
"Wo ist der Erste, der den Stein wirft?"

Sehr geehrter Paul,

ich werfe, wie sie sich denken werden, keinen Stein. Nicht einmal ein Steinchen. Ich würde es natürlich genau so machen, in einer solchen Situation. Und ich hoffe natürlich wie Sie, daß es dazu nie kommen möge. Man kann ja aus einer solchen Situation nicht mit heiler Haut herauskommen, es gibt nur mehrere schlechte Entscheidung[smöglichkeit]en.

Herzliche Grüße, Ungelt

Edit: [ ]

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

05.05.2013 11:05
#87 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #85

Zitat von Erling Plaethe
Und natürlich hat das überhaupt nichts mit Täterschutz zu tun. Es geht um den Schutz der Grundrechte


Das stimmt natürlich. Meine Zustimmung zu ungelts Bemerkung bezog sich auf die aktuelle Praxis in der Rechtssprechung, insbesondere im Jugendstrafrecht, nicht auf das Verhältnis zu den Grundrechten.
Im Übrigen möchte ich nochmal bemerken, daß ich nicht die persönliche Meinung habe, man solle waterboarding hier als Ermittlungsmethode einführen. Es ging mir um das Ausloten der Argumente dafür und dagegen und darum zu schauen, ob es mit einem Rechtsstaat kompatibel zu machen wäre. Ich wüßte keinen Ort außer diesem Forum, wo man das offen diskutieren kann, ohne als etatistischer Faschist oder dergleichen beschimpft zu werden.


Die Diskussion ist wichtig und sie muss geführt werden. Ich habe sie schon mehrmals in meinem Kopf geführt und mir geht es eigentlich wie Ihnen lieber Andreas Döding. Und ich kann auch ungelt gut verstehen. Den Eindruck dass Täterschutz in Deutschland vor Opferschutz geht, habe ich ja auch. Nur in diesem Fall halte ich den Vorwurf für unzutreffend.
Das Thema unserer Diskussion wird auch in einem m.E. sehr sehenswerten Film zu einem des Zuschauers: Zero Dark Thirty.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

05.05.2013 11:27
#88 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von Paul

ZVILER UNGEHORSAM

an dieser Stelle einbringe, weil ich der Meinung bin, dass Daschner's Handlung unter diesem Aspekt besser beurteilt werden kann.



Ich bin nicht sicher, lieber Paul, ob der Begriff Ziviler Ungehorsam die Sache ganz trifft. Höchstwahrscheinlich hätte ich persönlich auch keine Skrupel, körperliche Gewalt einzusetzen, um meine Kinder oder andere Angehörige vor Verbrechen zu beschützen.

Ich täte es aber nicht, um einen gesellschaftlichen Mißstand durch Verstoß dagegen anzuprangern, sondern ganz ausschließlich aus eigennützigen (falls das hier der richtige Begriff ist) Motiven. Mir wären der Staat und das Recht an dieser Stelle buchstäblich egal, und die anschließende Strafe vermutlich auch.

"Ziviler Ungehorsam" ist dagegen, wenn ich es richtig verstanden habe, ja letztlich politisch motiviert, man strebt damit eine Änderung der gesellschaftlichen Regeln an. Der Staat und das Recht müssen aber, das kann ich sehen, hierzu ein Gegengewicht bilden, sonst hätten wir buchstäblich Mord und Totschlag.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Reisender ( gelöscht )
Beiträge:

05.05.2013 11:56
#89 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Die Themen,
- ob es gelegentlich richtig sein kann, wenn sich unser Rechtsstaat gelegentlich erpressen läßt – Schleyer – oder
- ob Folter zur Erkenntnisgewinnung angemessen sein kann
sind für mich sehr interessant. Deshalb verfolge ich die Diskussion hier mit großem Interesse.

Letztlich teile ich Erling Plaethes Standpunkt, dass dem Staat gesetzliche Fesseln angelegt wurden, die man nicht wieder lösen sollte.

Unser Recht heute kennt Gewaltandrohung und Gewaltanwendung des Staates gegen den Bürger. Das ist in der StPO und den Polizeigesetzen der Länder geregelt. Diese Zwangsanwendungen sind alle auf ein Unterlassen oder ein Erdulden ausgerichtert:

- Unterlassen: „Keine Bewegung, oder ich schieße!“ Hier kann es sein, dass mit einem Täter auch Geiseln erschossen werden, um das Leben weiterer Menschen zu retten. Auch der Abschuss eines Flugzeuges, dass in den Reichstag geflogen werden soll, ist mMn legetim. Nur kann ich niemanden befehlen, dies zu tun. Hier kommt ein moralischer Aspekt tatsächlich zum tragen.
- Dulden: „Es besteht der dringende Tatverdacht …" - die Entnahme einer Blutprobe zur Bestimmung z.B. der Blutalkoholkonzentration oder eine Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln ist vom Beschuldigten hinzunehmen oder wird mittels Zwangsanwendung ermöglicht.
- Auch Zwangsanwendungen nach dem PsychKG sind möglich. Wobei ich behaupte, ohne es beweisen zu können, dass überlastetes und abgestumpftes (wertfrei) Pflegepersonal die Vorschriften recht großzügig auslegen kann, was mit der Medikation anfangen kann. Eine Staatsanwaltschaft wird sich zur Kontrolle sicher auf die Dokumentation des qualifizierten Fachpersonals verlassen.


Das Erpressen von Erkenntnissen mittels Folter wie im Fall Gäfgen halte ich für falsch:

- Ein Beschuldigter braucht sich nicht selbst zu belasten. Mit dem Hinweis zum Aufenthaltsort des Kindes lieferte Gäfgen ja den letzten Beweis zu seiner Täterschaft.
- Mittels „Moral“ werden nun Gesetze für ungültig erklärt. Worauf soll man sich denn noch verlassen können, wenn ein Gesetz je nach Lage mal gilt, dann nicht, oder mal so oder so?
- Wird ein Gesetz als falsch erachtet, muss es geändert werden. Den Rahmen für die Änderung geben die Grundrechte.
- Im Grunde ist es so, als wenn man Herrn Höneß den Arm umdrehte, damit er gesteht, welche Schweizer Konten noch in seinem Besitz sind. Das er ein Steuerhinterzieher ist, wissen wir ja. Der nächste Schritt kann sein, dass man ihm Daumenschrauben anlegt, damit er nur noch gesteht, Schwarzgeld zu haben. Danach kommt, dass dieses Geständnis zur Verurteilung reicht. Was gleich der Inquisition wäre.

Ist Folter überhaupt in der Lage, die Welt besser zu machen? Könnte das waterboarding in Guantanamo den Erfolg im Kampf gegen weltweiten Terror bringen? Ich meine: Nein.

Es gibt in unserem Land Menschen, die z.B. betrogen wurden und sehr große finanzielle Verluste hinnehmen mussten. Die können auch den wirtschaftlichen Genickbruch bedeuten. Hier wurde mir von Werbeveranstaltungen erzählt, bei denen dem Geschröpften gezeigt wird, wie er zu seinem Geld kommen könnte: Dazu sei man in einen Wald gefahren. Dort kam dann ein Auto, aus dem zwei große Männer und ein kleiner Mann ausstiegen. Aus dem Kofferraum wurde ein weiterer Mann geholt. Ihm wurde eine Schippe in die Hand gegeben, um ein Loch zu graben. Das Beispiel verdeutlicht sicher, was Folter wirklich bedeutet. Wenn ein Staat so arbeitet, ist er nicht besser als sein Gegenüber.

In Guantanamo sollen Erkenntnisse erlangt werden, um die Terroristen , Islamisten identifizieren und ausschalten zu können. Ihre Projekte sollen verhindert werden. Es mag sein, dass Terroristen, die Bösen, aus dem Verkehr gezogen werden. Aber mit denjenigen, die die Erkenntnisse erfoltern, schafft man die neuen Bösen. Der Staat nimmt das in sich auf, was er vorgibt, bekämpfen zu wollen. Mit seinem Unrecht schafft er die angebliche Legetimation für weiteren Terror. Damit wird der Kampf gegen den Terror für mich zu farce, da man immer auf dem gleichen Level der (geistigen) Entwicklung stehen bleiben wird.

Nichts ist für einen Aggressor beeindruckender als das Ignorieren seiner Aggressivität. Das Prinzip kann man bei Türstehern oder Rockern (der alten Schule) gut beobachten. Das heißt, man hätte z.B. das WTC einfach, kommentarlos doppelt so groß wieder hinstellen sollen. Da verpufft Terror wirkungslos. (So oder so werden viele Menschen sterben)

Die andere Möglichkeit ist, dass sofortige Vergelten geübt wird und die Eleminierung des Problems, wie es Türsteher oder Rocker handhaben. Alles andere, was ewig dauert, ist nutzlos. Es ist gleich, ob man Osama bin Laden nun getötet hat oder nicht. Es ging dabei nur um Vergeltung und Genugtuung, aber nicht um Problemlösung.

Ich halte es für ein Problem, wenn der Rechtsstaat sich die Hände schmutzig macht. Das Problem (des Terrors) wird erst gelöst, wenn die Bürger des Rechtsstaates bereit sind, auch für ihre Prinzipien Opfer zu bringen und damit ein Vorbild werden.

Llarian Offline



Beiträge: 7.117

05.05.2013 12:28
#90 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #84
"Wo ist der Erste, der den Stein wirft?"

Ich bin es, lieber Paul. Und zwar weil Sie sich dem einen Problem gar nicht stellen und das andere Problem dahinter ein vereinfachtes ist. Damit kommen Sie dann zu einer Lösung, die für alle akzeptabel ist und kaum wirklich angreifbar. Niemand wird es einem Vater verübeln, wenn dieser versucht aus dem Entführer seines Kindes den Aufenthaltsort herauszuprügeln oder meinetwegen zu foltern. NUR: Darum geht es ja eigentlich in der Diskussion nur am Rande. Daschner war nicht das Vater von Jakob von Metzler. Daschner war ein Bediensteter des Staates. Und der Staat muss klare Regeln aufstellen, wie sich seine Angestellten zu verhalten haben. Der Staat kann nicht auf zivilen Ungehorsam plädieren, wenn seine Regeln nicht greifen.

Als es um die Diskussion mit den Flugzeugabschüssen ging hat Wolfgang Schäuble (den ich sonst verachte wie eine verschimmelte Erdbeere) etwas sehr korrektes bemerkt: Es kann nicht sein, dass ein Soldat ohne klaren gesetzlichen Hintergrund eine Flugzeug voller Zivilisten vom Himmel holt. Der Soldat hat ein Recht darauf, dass das, was er tut, auch rechtens ist. Und diese Erlaubnis wurde ihm postwendend vom Verfassungsgericht verboten. Ich denke wenn man ein bissel darüber sinniert, dann wird einem die Absurdität dessen bewusst, dass ein Rechtsstaat sich der Folter bedient. Dazu gibt es einige plakative Beschreibungen ("Gesucht: Folterknecht mit Staatsexamen, Folterklasse 2, Besoldung nach A13. Behinderte und Frauen werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt.") die die Absurdität ganz gut belegen.

Ebenso vereinfacht man sich das Problem natürlich indem man immer auf Magnus (?) Gäfgen verweist. Der ja nun schuldig war und zudem noch ein Unysmpath allererster Kajüte. Dummerweise hat man es mit denen in der Regel nicht zu tun. Man kommt schneller in die Mühlen der Justiz als es einem lieb sein kann, gerade wenn die Polizei auf Fahndungserfolge aus ist und unter öffentlichem Druck steht. Da wird dann ganz schnell auch mal ein Unschuldiger eingekarrt. Jetzt wird natürlich immer argumentiert: "Das ist ja nicht schlimm. Der Gäfgen hatte ja schon gestanden. Man wusste ja schon, dass er der Täter war. Also foltert man ja keinen Unschuldigen." Richtig ? Falsch ! Das Unschuldige gestehen ist gar nicht so selten, aus den verschiedensten Gründen heraus. Und das man vermeintlich erdrückende Beweise hat, die dann zusammenstürzen wie ein Kartenhaus, das kommt auch vor. Und in der Folge wird ein Unschuldiger gefoltert. Dann wird natürlich nachgeschoben: "Das ist auch nicht schlimm. Es bleiben ja keine körperlichen Schäden. Es gibt ja Foltermethoden bei denen wenig übrig bleibt." Richtig ? Noch falscher ! Nur weil man psychische Narben nicht sieht, heisst das nicht, dass die nicht sehr verletzend sind. Vergewaltigungsopfer klagen noch Jahre, wenn nicht Jahrezehnte nach der Tat, über die Traumata die sie erlebt haben. Und bis dahin sind die körperlichen Narben lange verheilt. Und vom Staat gefoltert zu werden muss der Situation einer Vergewaltigung sehr ähnlich sein, vielleicht sogar schlimmer, weil man zudem noch die Ohnmacht erlebt, dass das rechtens sein soll.

Sich vorzustellen den Entführer des eigenen Kindes zu foltern oder gar den eigenen Sohn (oder Tochter) ist eines. Aber jetzt stellen wir uns mal vor wir haben jetzt schön vor uns hingefoltert, der blöde Sausack gesteht aber nicht, da haben wir die Daumenschrauben noch ein bissel angezogen, die eine oder andere Rippe ist gebrochen und der feige Sack entzieht sich dem weiteren "Verhör" durch einen feigen Herzinfakt. Blöderweise stellt sich heraus, dass der Kerl auch noch unschuldig war. Und wissen Sie, wie man das nennt ? Mord. Es gibt kein anderes Wort dafür. Glasklarer, brutaler, verabscheuungswürdiger Mord.

Ich kann jeden Vater verstehen, der diese Gedankengänge hat. Ich kann auch einen Vater verstehen der die Folter begeht. Aber man muss sich darüber klar sein, dass die moralische Bewertung dieser Folter davon abhängen wird, ob der Betreffende auch wirklich schuldig ist. Denn ist er es nicht, dummerweise weiss man das ja nicht, dann ist die Tat ein Verbrechen ungewöhnlicher Brutalität, und im schlimmstenfalls Mord. Und ich denke nicht, dass man ernsthaft darüber diskutieren kann, ob man dem Staat das Recht zu morden zugestehen darf.

Christoph Offline




Beiträge: 241

05.05.2013 13:44
#91 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat
Ich brauche keine Belehrungen, […]


Ich lege keinen Wert darauf, das meine Äußerungen als an irgendwen gerichtete Belehrungen aufzufassen seien.

Zitat
Ich sehe Keinen, der Generalvollmachten für "Leute wie Daschner" verlangt.


Umso besser.

Zitat

Zitat
Ich vermute, Herr Daschner hätte nicht halb so viele Fürsprecher, hätte Herr Gäfgen statt des Kindes Herrn oder Frau Metzler oder Herrn Ackermann entführt. Jeder befrage sich selbst, ob er dann anders über die Sache denken würde.

Was ändert die Anzahl der Fürsprecher an der moralischen Beurteilung von Daschners Tat?



Ich gehe davon aus, das keiner der genannten Personen mehr oder weniger Recht zu leben hat, als die anderen. Wenn man nun einem Polizisten im Fall Jakob mehr Rechte zugestehen würde, als z.B. im Fall Ackermann, deutet das aus meiner Sicht darauf hin, das man nicht rationalen Erwägungen gefolgt ist, sondern von Emotionen zumindest beeinflusst ist.

Zitat
Ich bin der Meinung, […] daß jede gesetzliche Regelung und jeder "Grundsatz", fast könnte man sagen "jedes menschliche Tun", gleichzeitig positive und negative Auswirkungen hat. In manchen, hoffentlich der Mehrzahl der Fälle, überwiegen die positiven Auswirkungen. Dennoch wird es aber immer auch unbeabsichtigte, schädliche Nebenwirkungen geben - das scheint mir sonnenklar zu sein. Die, die von diesen Nebenwirkungen betroffen sind, sind dann naturgemäß die "Opfer" oder auch "Leidtragende" solcher Regelungen, wie denn sonst? Muß diese simple Tatsache verschleiert oder geheimgehalten werden?



Wenn ein Verbrechen geschieht, ist dafür zu allererst der Verbrecher verantwortlich. Das Opfer fällt dem Verbrecher zum Opfer. Man kann darüber diskutieren, ob ein Dritter das Verbrechen hätte verhüten können und inwiefern er sich mitschuldig macht, wenn er es nicht tut. Aber zu sagen, das Opfer fiele diesem Dritten zum Opfer geht fehl, denn es impliziert, dass der Dritte nicht weniger Schuld auf sich lädt, als der Verbrecher selbst. Deshalb stoße ich mich an der Formulierung, dass ein Kind rechtsstaatlichen Grundsätzen »zum Opfer fällt«, die es z.B. der Polizei verbieten, einen Verdächtigen zu foltern.

Beispiel: ich trinke zuviel Alkohol. Wenn ich nun später eine Leberzirrhose erleide und sterbe, falle ich meiner Trunksucht zum Opfer. Nicht dem Arzt, der das zu spät diagnostiziert (weil ich ihn nur nüchtern aufsuche), nicht der Brauerei, nicht dem Hopfenbauern und nicht dem Menschen, der mir seine Leber nicht spenden will.

Man kann das anders betrachten, wie zum Beispiel, die Leute, die keine Suppe essen, die nicht mit zertifiziertem Windstrom gekocht wurde. Ich bezweifle, dass man so zur Verbesserung der Welt beiträgt.

Zitat von ungelt im Beitrag #83

Zitat von Christoph im Beitrag #80
Jakob von Metzler ist Herrn Gäfgen zum Opfer gefallen und niemandem sonst.


Ist das die Antwort auf diese meine Bemerkung?

Zitat von ungelt
Die gesetzlich Situation bezüglich der Tat von Herrn Daschner ist mir vermutlich klar, ob man an den betreffenden Gesetzen etwas ändern sollte ist mir dagegen überhaupt nicht klar. Eine schwierige Sache ist das auf jeden Fall, und wie man es auch regelt, es wird immer irgendwelche Opfer geben. So wie es die auch heute sicher gibt. Das kann man aber problemlos so oder so sehen, nach meinem unmaßgeblichen und sicher etwas oberflächlichen Eindruck wird aber eher zu viel Gewicht auf Täterschutz gelegt, und zu wenig auf Opferschutz.



Nein. Es ist die Antwort auf diese Ihre Bemerkung.

Zitat
Die "Grundsätze des Rechtsstates" kann man sicher nicht dadurch verteidigen, daß man sich über "süßen kleinen Kinder" lustig macht, die diesen Grundsätzen möglicherweise zum Opfer fallen.



Viele Grüße,
Christoph

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

05.05.2013 13:49
#92 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat
Und wissen Sie, wie man das nennt ? Mord. Es gibt kein anderes Wort dafür. Glasklarer, brutaler, verabscheuungswürdiger Mord.



Nur wenn die strafrechtliche Definition erfüllt ist. Nicht jede Tötung, die falsch war, ist Mord.

Vor allem aber setzt es Foltern bis zum Herzinfarkt voraus. Beim Waterboarding ist dies eher unwahrscheinlich, solange der gefolterte körperlich und zumindest zu Beginn auch geistig gesund ist.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

05.05.2013 13:52
#93 RE: Schleyer-Preis für Helmut Schmidt Antworten

Zitat von Christoph im Beitrag #91

Wenn ein Verbrechen geschieht, ist dafür zu allererst der Verbrecher verantwortlich. Das Opfer fällt dem Verbrecher zum Opfer. Man kann darüber diskutieren, ob ein Dritter das Verbrechen hätte verhüten können und inwiefern er sich mitschuldig macht, wenn er es nicht tut. Aber zu sagen, das Opfer fiele diesem Dritten zum Opfer geht fehl, denn es impliziert, dass der Dritte nicht weniger Schuld auf sich lädt, als der Verbrecher selbst. Deshalb stoße ich mich an der Formulierung, dass ein Kind rechtsstaatlichen Grundsätzen »zum Opfer fällt«, die es z.B. der Polizei verbieten, einen Verdächtigen zu foltern.

Beispiel: ich trinke zuviel Alkohol. Wenn ich nun später eine Leberzirrhose erleide und sterbe, falle ich meiner Trunksucht zum Opfer. Nicht dem Arzt, der das zu spät diagnostiziert (weil ich ihn nur nüchtern aufsuche), nicht der Brauerei, nicht dem Hopfenbauern und nicht dem Menschen, der mir seine Leber nicht spenden will.

Man kann das anders betrachten, wie zum Beispiel, die Leute, die keine Suppe essen, die nicht mit zertifiziertem Windstrom gekocht wurde. Ich bezweifle, dass man so zur Verbesserung der Welt beiträgt.


Ein ganz wichtiger Punkt.
Und gleichzeitig die m.E. eigentliche Ursache des Vorzuges des Täterschutzes vorm Opferschutz. Die Verantwortung der Tat. Diese liegt beim Täter.
Nicht beim Staat, nicht bei den Verfolgungsbehörden und nicht bei der Gesellschaft.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Christoph Offline




Beiträge: 241

05.05.2013 14:40
#94 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #90
Ebenso vereinfacht man sich das Problem natürlich indem man immer auf Magnus (?) Gäfgen verweist. Der ja nun schuldig war und zudem noch ein Unysmpath allererster Kajüte. Dummerweise hat man es mit denen in der Regel nicht zu tun.


Sehr richtig. Der Fall ist monströs und zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Daraus folgt aber nicht, dass er besonders bedeutsam wäre (wer die beiden Dobellis da hat, kann dazu die Artikel Salienz-Effekt, Personifikation, The Story Bias und Rosinenpicken studieren). Auf einen Fall Gäfgen kommen hundert andere, die wir hier nicht diskutieren. Für diese hundert anderen Fälle ist das Recht aber nicht weniger gemacht. Das Recht ist für den allgemeinen Fall gemacht, für alle Fälle gewissermaßen. Es ist sicherlich legitim das Recht auch an extremen Einzelfällen zu messen, aber die Erkenntnisse daraus sind nicht ohne weiteres zu verallgemeinern.

Man muss sich überdies bewusst sein, dass man allen Fällen ohnehin nicht gerecht werden kann. (An der Verleugnung dieser Einsicht geht das deutsche Steuerrecht zugrunde.)

Zitat von Llarian im Beitrag #90
Aber man muss sich darüber klar sein, dass die moralische Bewertung dieser Folter davon abhängen wird, ob der Betreffende auch wirklich schuldig ist.

Das halte ich für falsch. Eine Handlung kann man nicht nach Informationen bewerten, die man erst hinterher (oder nie) erhält. Der, der foltert muss vorher bedenken, dass er über lückenhafte Informationen verfügt. Das, was die Informationen nahelegen, muss nicht wahr sein. Wahr kann alles sein, was den Informationen nicht widerspricht.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

05.05.2013 14:58
#95 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #88

Zitat von Paul

ZVILER UNGEHORSAM

an dieser Stelle einbringe, weil ich der Meinung bin, dass Daschner's Handlung unter diesem Aspekt besser beurteilt werden kann.


Ich bin nicht sicher, lieber Paul, ob der Begriff Ziviler Ungehorsam die Sache ganz trifft. Höchstwahrscheinlich hätte ich persönlich auch keine Skrupel, körperliche Gewalt einzusetzen, um meine Kinder oder andere Angehörige vor Verbrechen zu beschützen.

Ich täte es aber nicht, um einen gesellschaftlichen Mißstand durch Verstoß dagegen anzuprangern, sondern ganz ausschließlich aus eigennützigen (falls das hier der richtige Begriff ist) Motiven. Mir wären der Staat und das Recht an dieser Stelle buchstäblich egal, und die anschließende Strafe vermutlich auch.

"Ziviler Ungehorsam" ist dagegen, wenn ich es richtig verstanden habe, ja letztlich politisch motiviert, man strebt damit eine Änderung der gesellschaftlichen Regeln an. Der Staat und das Recht müssen aber, das kann ich sehen, hierzu ein Gegengewicht bilden, sonst hätten wir buchstäblich Mord und Totschlag.




Sie haben Recht, so wie ich die Situation geschildert habe, kann sie nicht als Ziviler Ungehorsam angesehen werden.

Deshalb muss ich mein Beispiel "nachbessern".

Nehmen wir an, Daschner wäre schon wiederholt in einer ähnlichen Situation gewesen. Unterstellen wir ihm, dass er darunter gelitten hat, untätig dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. Mit dieser Androhung der Folter wollte er dann auf einen Missstand in der Strafverfolgung aufmerksam machen. Mit der Anordnung der Androhung von Folter wollte er diesen unbefriedigenden Zustand nicht nur aktuell beeinflussen, sondern auch anprangern, um damit zu erreichen, dass der Gesetzgeber das ändert.

Ich gebe zu, diese Argumentatioskette ist sehr "an den Haaren herbei gezogen". Sie soll auch nur den Bezug zum Zivilen Ungehorsam herstellen.
Aber völlig undenkbar ist sie nicht.

Allerdings sind wir dann erst bei einer Vorstufe der Folter, bei deren Androhung.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

05.05.2013 15:42
#96 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von Reisender im Beitrag #89
Die Themen,
- ob es gelegentlich richtig sein kann, wenn sich unser Rechtsstaat gelegentlich erpressen läßt – Schleyer – oder
- ob Folter zur Erkenntnisgewinnung angemessen sein kann
sind für mich sehr interessant. Deshalb verfolge ich die Diskussion hier mit großem Interesse.

Letztlich teile ich Erling Plaethes Standpunkt, dass dem Staat gesetzliche Fesseln angelegt wurden, die man nicht wieder lösen sollte.
Das Erpressen von Erkenntnissen mittels Folter wie im Fall Gäfgen halte ich für falsch:


Ein ehrenwerter Standpunkt, den man vertreten kann.

Allerdings ist es bei Gäfgen noch nicht so weit gewesen.

Ihm wurde die Folter nur angedroht. Das halte ich für richtig.


Zitat von Reisender #89

Zitat
Das Erpressen von Erkenntnissen mittels Folter wie im Fall Gäfgen halte ich für falsch:

- Ein Beschuldigter braucht sich nicht selbst zu belasten. Mit dem Hinweis zum Aufenthaltsort des Kindes lieferte Gäfgen ja den letzten Beweis zu seiner Täterschaft.
- Mittels „Moral“ werden nun Gesetze für ungültig erklärt. Worauf soll man sich denn noch verlassen können, wenn ein Gesetz je nach Lage mal gilt, dann nicht, oder mal so oder so?
- Wird ein Gesetz als falsch erachtet, muss es geändert werden. Den Rahmen für die Änderung geben die Grundrechte.



Dem stimme ich zu, meine aber, dass die Gesetze geändert werden müssen.
Grundrechte können unter bestimmten Bedingungen auch heute schon aufgehoben oder eingeschränkt werden.

Mir ginge es darum, dass die gesetzlichen Möglichkeiten, unter bestimmten Bedingungen Druck auf den Verdächtigen ausüben zu können, geschaffen werden.


Zitat von Reisender im Beitrag #89

- Im Grunde ist es so, als wenn man Herrn Höneß den Arm umdrehte, damit er gesteht, welche Schweizer Konten noch in seinem Besitz sind. Das er ein Steuerhinterzieher ist, wissen wir ja.



Im Grunde genommen ist es anders, weil der Staat mit durch krimminelle Handlungen erstellten Informationen ("Steuer-CD"), die er aufkauft, Steuersünder entlarvt. Das ist schlimmer als "Arm umdrehen". Warum soll der "Zweck hier die Mittel heiligen"? Weil es um Geld geht und nicht um das Leben eines Entführungsopfers?

LG, Paul

Nebenschauplatz:
"Dass er (Hoeness) ein Steuerhinterzieher ist, wissen wir ja."
Wer ist "Wir"? Sie wissen es? Ich nicht! Woher wissen Sie es? Ist Hoeness gerichtlich überführt? Solange er das nicht ist, ist er ein Verdächtiger und kein überführter Täter! Wegen der Unschuldsvermutung! Die gilt immer und für Alle!

Paul Offline




Beiträge: 1.285

05.05.2013 16:16
#97 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von Christoph im Beitrag #94
Zitat von Llarian im Beitrag #90
Ebenso vereinfacht man sich das Problem natürlich indem man immer auf Magnus (?) Gäfgen verweist. Der ja nun schuldig war und zudem noch ein Unysmpath allererster Kajüte. Dummerweise hat man es mit denen in der Regel nicht zu tun.


Sehr richtig. Der Fall ist monströs und zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Daraus folgt aber nicht, dass er besonders bedeutsam wäre (wer die beiden Dobellis da hat, kann dazu die Artikel Salienz-Effekt, Personifikation, The Story Bias und Rosinenpicken studieren). Auf einen Fall Gäfgen kommen hundert andere, die wir hier nicht diskutieren. Für diese hundert anderen Fälle ist das Recht aber nicht weniger gemacht. Das Recht ist für den allgemeinen Fall gemacht, für alle Fälle gewissermaßen. Es ist sicherlich legitim das Recht auch an extremen Einzelfällen zu messen, aber die Erkenntnisse daraus sind nicht ohne weiteres zu verallgemeinern.

Man muss sich überdies bewusst sein, dass man allen Fällen ohnehin nicht gerecht werden kann. (An der Verleugnung dieser Einsicht geht das deutsche Steuerrecht zugrunde.)


Tut mir leid, lieber Christoph, aber "monströs" ist der Fall Gäfgen nun wirklich nicht.
http://www.duden.de/rechtschreibung/monstroes

Er ist viel mehr eine ganz normale Entführung mit Lösegelderpressung.

Den sich daraus ergebenden Ermittlungsstand, den wir hier diskutieren, kann ich auch nicht als Extremsituation empfinden. Die Ermittlungsbeamten werden mit solchen Situationen immer wieder konfrontiert.

Kann es sein, dass Sie Ihrer Auffassung durch geeignete Wortwahl untermauern wollen?

Zitat
Man muss sich überdies bewusst sein, dass man allen Fällen ohnehin nicht gerecht werden kann.



Ich denke nicht, dass dies irgend jemand möchte.
Das Ziel muss es aber sein, das Recht, die Gesetze, auf der Grundlage von Einzelfällen weiter zu entwickeln. Es vollkommener zu machen. Vollkommenheit ist nicht erreichbar.

Den Fall Gäfgen/Daschner/Metzler, halte ich dazu für geeignet.
Welches Ergebnis dabei herauskommt, weiß ich nicht. Für einen Fehler halte ich es aber, wenn man sich weigert auf dieser Grundlage überhaupt nachzudenken.

LG, Paul

Solus Offline



Beiträge: 384

05.05.2013 16:51
#98 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Als kleine Anmerkung zu dem Thema hier empfehle ich eine Google Suche etwa nach "japan confession conviction rate".

Zitat von Paul im Beitrag #96
Ihm wurde die Folter nur angedroht. Das halte ich für richtig.
[...]
Mir ginge es darum, dass die gesetzlichen Möglichkeiten, unter bestimmten Bedingungen Druck auf den Verdächtigen ausüben zu können, geschaffen werden.

Wenn die Androhung von Folter erlaubt ist, die Folter selbst jedoch nicht, dann kann derjenige, dem die Folter angedroht wird, im allgemeinen davon ausgehen, dass es nur bei den Worten bleiben wird, womit das ganze dann nichtmehr allzuviel bringt.

Llarian Offline



Beiträge: 7.117

05.05.2013 17:03
#99 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #92
Nur wenn die strafrechtliche Definition erfüllt ist. Nicht jede Tötung, die falsch war, ist Mord.

Es dürfte schwer fallen, selbst nach der windelweichen Definition im deutschen Strarecht, die Grausamkeit der Folterung wegzudiskutieren. Selbst die Heimtücke würde ich in dem Fall erkennen, denn es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, dass der Verdächtige arglos mit den Polizisten mitgegangen ist, da er nicht damit rechnete gefoltert zu werden. Insofern wird man um die Mordmerkmale nicht rumkommen und kann hier keinen Totschlag oder noch kleineres definieren.

Zitat
Vor allem aber setzt es Foltern bis zum Herzinfarkt voraus. Beim Waterboarding ist dies eher unwahrscheinlich, solange der gefolterte körperlich und zumindest zu Beginn auch geistig gesund ist.


Gut, dass das immer so gut planbar ist. Simpel gesagt: Wer anderen Leuten körperlichen oder seelischen Schaden zufügt, der muss auch damit rechnen, dass das unkontrollierte Folgen hat. Wenn sich jemand in der Folge der Folterung aus Verzweifelung die Pulsadern öffnet ist das Prinzip ebenso erfüllt.

Llarian Offline



Beiträge: 7.117

05.05.2013 17:06
#100 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von Christoph im Beitrag #94
Zitat von Llarian im Beitrag #90
Aber man muss sich darüber klar sein, dass die moralische Bewertung dieser Folter davon abhängen wird, ob der Betreffende auch wirklich schuldig ist.

Das halte ich für falsch. Eine Handlung kann man nicht nach Informationen bewerten, die man erst hinterher (oder nie) erhält. Der, der foltert muss vorher bedenken, dass er über lückenhafte Informationen verfügt. Das, was die Informationen nahelegen, muss nicht wahr sein. Wahr kann alles sein, was den Informationen nicht widerspricht.

Für falsch können Sie es halten, aber es entspricht dennoch der moralischen Bewertung. Mit Magnus Gäfgen hat niemand wirklich Mitleid und wenn man immer weiss, das der Betreffende die Tat wirklich getan hat, dann ist die Bewertung der Folter für die allermeisten eine ganz andere. Wie schon gesagt, niemand würde einen Vater verurteilen der einen Magnus Gäfgen foltert, um seinen Jungen zu retten. Wird dagegen ein Unschuldiger Opfer dieser Folter ist auch die Bewertung des Vaters eine andere. Natürlich ist es nicht wirklich möglich eine moralisch richtige Entscheidung zu treffen, so lange man das nicht weiss. Das ist ja das Dilemma.

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