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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 124 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Noricus Offline



Beiträge: 2.362

16.02.2014 20:27
Toleranz und Akzeptanz Antworten

Muss man in einer liberalen Gesellschaft alles, was nicht rechtlich verboten ist, auch akzeptieren? Oder reicht bloße Toleranz aus? Eine kurze Reflexion.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

16.02.2014 20:54
#2 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Volle Zustimmung, lieber Noricus.

Niggemeiers Artikel ist voller semantischer Tricks und raffinierter Polemik. Zum Beispiel erwähnt er, dass der Unterschied zwischen Toleranz und Akzeptanz ohne weiteres nicht zu erklären sei. Das ist richtig. Den Unterschied erkennt man erst, wenn eine Person ihre Gedanken artikuliert. Akzeptanz zielt also auf die Köpfe, und das zum Thema zu machen ist, wie du zu Recht bemerkst, zutiefst illiberal.

Aber es passt in die politische Zielrichtung, beliebigen Forderungen von Interessenvertretern freien Raum zu verschaffen. Die Logik geht ganz einfach: Wer zu irgendeinem von diesen propagierten Vorhaben (z.B. dem Bildungsplan in Ba-Wü, bei dem es, was in der Regel sehr beredt verschwiegen wird, eben nicht nur darum geht, Homosexualität mal im Unterricht zu behandeln und als nicht verwerflich zu vermitteln) Widerspruch äußert, zeigt damit seine mangelnde Akzeptanz. Und diese ihrerseits ist dann eben Zeichen rückständiger Homophobie, nur in Nuancen besser als der Verzicht auf eine strafrechtliche Verfolgung. Folglich darf dem, wir ahnen es, auch "keine Plattform gegeben werden" - sprich: das ist keine Meinung mehr, sondern eine Art Verbrechen. Wieder einmal erleben wir, dass im Umgang mit Rechtsradikalen eingeübt wird, was man allmählich auf praktisch alle nicht-linken Richtungen auszudehnen gedenkt.

Völlig egal, wie man zu den wenigen noch strittigen Themen steht, bei denen homosexuelle Partnerschaften (ein auch bei Niggemeier vorkommender Trick ist es, den einzelnen homosexuellen Menschen gleichzusetzen mit der Behandlung der von ihm eingegangenen Partnerschaften - aber das hast du ja auch angemerkt) anders behandelt werden als Ehen und aus diesen resultierende Familien: Es muss aber möglich sein, hier Widerspruch zu äußern, ohne sich selbst einer Ächtung auszusetzen. Wenn ein Matussek aber einen Artikel schreibt, der dem von Niggemeier & Co. angestrebten verbindlichen Konsens widerspricht, müssen gleich zwei Redakteure seiner Zeitung ablehnend und sich über persönliche Eigenschaften Matusseks auslassend zur Feder greifen, damit die Sache wieder ihre Ordnung hat. In der medialen Öffentlichkeit werden Schwule und Lesben jedenfalls nicht geächtet. Im Gegenteil, eine TV-Moderatorin muss sich vor Reportern dafür rechtfertigen, dass sie keine konsensuale Abnickveranstaltung angestrebt hat.

Ja, es gibt Menschen, die die Zuschaustellung von schwulen und lesbischen Pärchen nicht sehen wollen. Es gibt aber auch Menschen, die die Zurschaustellung von heterosexuellen Pärchen nicht sehen wollen. Nicht nur, weil sie vielleicht eine ähnliche Erziehung wie unser Noricus genossen haben, sondern weil sie als irgendwas anderes das Gefühl bekommen, durch diese Demonstration von "Normalität" ausgegrenzt zu werden. Und es ist völlig ok, wenn niemand den Versuch unternimmt, irgendeinen dieser Menschen umzuerziehen. All das darf man meinen, soll man meinen dürfen. Ein Problem wird es dann, wenn es zur staatlichen Norm erhoben werden soll (wieder ein Trick Niggemeiers, diesen Übergang zu ignorieren und persönliche Einstellungen mit staatlichen Maßnahmen gleichzusetzen). Und dann muss man eben darüber diskutieren können. Wer sich als vermeintlich Liberaler hier auf keine Diskussionen einlassen, sondern seine individuellen Vorstellungen unter Ausschluss kritischer Stimmen durchgedrückt sehen will, wird unabhängig von seinen hehren Vorstellungen immer politischer Gegner sein, dem es sich in den Weg zu stellen gilt.

Ich selbst nehme für mich das Recht in Anspruch, unsere Öffentlichkeit allgemein für oversexed und overgendered zu halten.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.254

17.02.2014 05:17
#3 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Da haben Sie einen prima Beitrag geschrieben.

Mir geht es allmählich gewaltig auf den Bürzel, dass die Fraktion derer, deren Selbstwertgefühl alleinig von der Zustimmung anderer getragen scheint, meinen, mich mit all ihren privaten Angelegenheiten öffentlich belästigen zu müssen und dann auch noch penetrant verlangen, ich hätte dieses oberpeinliche Verhalten auch noch zu akzeptieren.

Ich verlange entschieden, diese Belästigungen unverzüglich einzustellen und meine Anschauung widerspruchslos zu akzeptieren – sonst gibt's was hinten drauf!

Den Nigge- und anderen Müllers und Meiers dieser Welt sei gesagt: Kinder, werdet endlich erwachsen!

--
Political language – and with variations this is true of all political parties, from Conservatives to Anarchists – is designed to make lies sound truthful and murder respectable, and to give an appearance of solidity to pure wind – Eric A. Blair

Kane Offline




Beiträge: 133

17.02.2014 06:25
#4 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Sagt bitte, dass das ein Scherz ist:

http://der-gruene-wahn.de/

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.423

17.02.2014 08:44
#5 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Kane im Beitrag #4
Sagt bitte, dass das ein Scherz ist:

http://der-gruene-wahn.de/


Ist es. Die Kids sollen lernen, anhand von Absurdidäten eine ironische Distanz zu Ideologie, Bevormundung und Voreingenommenheit zu wahren.
Für die restlichen zwei Drittel des vorgesehenen Lernmaterials gilt das ja ebenso.

Flaccus Offline



Beiträge: 31

17.02.2014 08:54
#6 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Lieber Noricus,

Zitat von Noricus
Nicht gefordert werden kann dagegen, dass jemand alles akzeptiert, was ein anderer tut und auch tun darf.



wenn derjenige, der dies fordert, der Staat ist, dann liegen Sie damit vollkommen richtig und Niggemeiers Ansatz geht zu weit. Der Staat darf von einem Individuum niemals verlangen, über das Befolgen der Regeln des Rechtsstaates hinaus aktiv eine bestimmte innere Haltung zu irgendwelchen Dingen einzunehmen oder auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung zu verzichten. Wer Schwule und Lesben unmoralisch, eklig, bösartig oder minderwertig findet, muss dies insbesondere frei und ohne Furcht vor staatlicher Repression äußern dürfen.

Es gibt in der Tat ausreichend Beispiele von Leuten, bei denen die Ausübung genau dieser Freiheit dazu geführt hat, dass sie zwar nicht durch den Staat, wohl aber durch gesellschaftliche Wortführung öffentlich isoliert und geschmäht wurden. Allein, man nenne mir ein einziges Beispiel, wo derartige Verlautbarungen zu Konsequenzen von Seiten des Staates geführt hätten, wo der Staat darin eine vielleicht sogar strafrechtliche Relevanz gesehen hätte. Und solange dies nicht der Fall ist (und freilich auch darüber hinaus), ist es umgekehrt auch das gute Recht eines jeden einzelnen Menschen, einem Schwulenfeind seine Geringschätzung auch zu zeigen. Es gibt jedes Recht auf geäußerte Schwulenfeindlichkeit, aber es gibt kein Recht, dann nicht auch seinerseits als Schwulenfeind öffentlich kritisiert zu werden.

Die liberalen Maximen gelten eben stets nach beiden Richtungen. Auch Schwulenfeindlichkeit muss man lediglich tolerieren, aber noch lange nicht akzeptieren.

Zu Baden-Württembergs Bildungsplan: Es heißt oft, die grün-rote Landesregierung nutze die Unterstützung für die Emanzipation der Homosexuellen bloß als Vorwand, um viel weitergehende Gender-Mainstream-Ideologie in die Klassenzimmer zu tragen. Lassen wir es mal dahingestellt, ob das stimmt. Angenommen, es ist so, dann stellt sich doch die Frage, weshalb die Grün-Roten überhaupt darauf hoffen können, mit derlei Tricks Erfolg zu haben. Einer Antwort kommt man vielleicht näher, wenn man sich vor Augen führt, dass viele Liberale, welche die einzige erkennbare alternative "Hausmacht" der Homosexuellen im politischen Spektrum sein könnten, sich in dieser Hinsicht bislang eher zurückgehalten haben und, anstatt für die Rechte der Homosexuellen einzutreten, lieber vor der allmächtigen schwulen Sittenpolizei warnen.

Beste Grüße,

Flaccus

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

17.02.2014 09:02
#7 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #1
Muss man in einer liberalen Gesellschaft alles, was nicht rechtlich verboten ist, auch akzeptieren? Oder reicht bloße Toleranz aus? Eine kurze Reflexion.


Auch von mir vielen Dank, lieber Noricus.

Bereits beim Lesen des Niggemeier-Artikels bin ich über die Verwendung des Begriffspaares Toleranz-Akzeptanz gestolpert. Akzeptanz, laut Wikipedia verstanden als "annehmen, anerkennen, einwilligen, hinnehmen, billigen" scheint mir gerade nicht das zu sein, worauf Niggemeier hier hinaus will.
Akzeptieren heißt eben sehr oft auch "Annehmen des Unausweichlichen", mit einer möglichst positiven Konnotation. Der medizinpsychologische Begriff der Krankheitsakzeptanz war doch nicht etwa, was Niggemeier meinte? . Krebskranke leben nachweislich länger, wenn sie eine positive Haltung, im Sinne des Annehmens, zu ihrer Krankheit einnehmen.

Wenn ich sage "ich aktzeptiere, daß es Not, Krieg und Ungerechtigkeit auf der Welt gibt" (einfach weil ich nicht die Macht habe, dies zu ändern), dann heißt das aber doch gerade nicht, daß ich es auch gutheiße. Auch formulierte ich nie "ich toleriere den Krieg in Syrien", wenngleich ich akzeptiere (=hinnehmen muß), daß er stattfindet. So gesehen ist Toleranz der sehr viel stärker zustimmende Begriff als Akzeptanz. Akzeptanz heißt doch oft, mit einer innerlich möglichst zustimmenden Haltung Tatsachen hinzunehmen, die ohnehin nicht zu ändern sind, und so das beste daraus zu machen (aus letzterem ergibt sich dann die positive Wertung). Das bedeutet aber gerade nicht, daß die zu akzeptierenden Tatsachen deshalb auch erstrebenswert wären. Der Begriff vernebelt die eigentliche Intention Niggemeiers.

Was Niggemeier et. al. doch eigentlich meinen ist, daß man alle anderen als heterosexuelle Lebensentwürfe toll und großartig und vor allem erstrebenswert finden solle, immer verbunden mit der impliziten Annahme, daß das Heterosexuelle langweilig, dröge und eben nicht erstrebenswert sei, sondern bestenfalls zu tolerieren (sic!). Es ist analog zur Einwanderungsdebatte, in der das Dogma der Bereicherung insinuiert, ja gewissermaßen impliziert, daß die Deutschen der Bereicherung in besonderem Maße bedürftig seinen, daß sie für sich genommen also wiederum dröge, langweilig, so richtige Kartoffeln halt, seien. Und wenn man dann auch noch Deutscher und heterosexuell ist...da ist der Spaß resp. die Toleranz dann irgendwann eben vorbei.

Seit meiner Hauptsozialisation in den 80ern hätte man mich durchaus fragen können, ob ich andere als heterosexuelle Lebensentwürfe toleriere oder akzeptiere (hier durchaus auch zustimmend gemeint), und ich hätte ganz sicher beides bejaht. Es war mir wirklich schon immer egal, wer was wie macht und dabei glücklich wird. Die Kießling-Affäre habe ich damals nur sehr bedingt verstanden (ich war 1984 aber auch erst 14); für mich war die sexuelle Orientierung tatsächlich schon immer Privatsache. Meine oppositionellen Reflexe regen sich bei mir persönlich erst, seit es eben nicht mehr um Toleranz/Akzeptanz geht, sondern um die Aufwertung eines Lebensentwurfes, indem andere Lebensentwürfe, u. a. meiner, abgewertet werden. Das nehme ich zunehmend persönlich. Und das ist ja vielleicht auch der Sinn der Sache: durch entsprechend aggressives Auftreten werden auch Leute wie ich zunehmend genötigt zu sagen "Nu überteibt mal nicht", woraufhin dann die Homophobiekeule geschwungen wird. Das zu beklagende Problem wird von den Beklagenden in erheblichem Maße zunächst einmal erzeugt. Ich toleriere und akzeptiere sowohl CSDs als auch den Kölner Karneval (als dessen einigermaßene heterosexuelle Entsprechung) Beides mag ich aber nicht besonders und gehe deshalb auch nicht hin.

Herzliche Grüße,
Andreas

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

17.02.2014 09:16
#8 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #1
Muss man in einer liberalen Gesellschaft alles, was nicht rechtlich verboten ist, auch akzeptieren? Oder reicht bloße Toleranz aus?

Die nächste Stufe wird der eingeforderte und selbstverständlich zu bezeugende Respekt sein. Solcherlei Kreuzzüge finden ja niemals ein befriedigendes Ende für ihre Initiatoren. Kann man beim grassierenden Multikulti-Gutfindewahn exemplarisch bewundern. Wenn die deutsche Sprache noch irgendwelche Möglichkeiten böte die normale männlich-weiblich Unterscheidung in Abschwächungs- und Steigerungsformen miteinander zu verknuddeln, gäbe es da bestimmt schon mannigfaltige Wort- und Satzungetüme in offiziellen Textwerken, um nur ja keinen Sexualpräferenz-Sonderling auszuschließen. Zum Glück können die Toleranztaliban auf dieser Baustelle noch nix verrichten.

Mir, und wahrscheinlich den meisten klar denkenden Menschen, stößt dieser Zirkus langsam ganz sauer auf. Dabei mache ich noch nichteinmal einen Unterschied zwischen Toleranz und Akzeptanz wenn es um Homosexuelle geht. Es ist mir doch völlig egal mit wem jemand sein Lebensglück findet. Natürlich akzeptiere ich gleichgeschlechtliche Liebe und Lebenspartnerschaften. Was geht mich fremdes Elend an?
Aber ich will um Gottes willen nicht ständig mit der auch möglichen Lebensweise anderer, mir völlig fremder Menschen behelligt werden! Und ich will schon gar nicht mittels aller staatlichen Meinungstransportmittel über sämtliche Befindlichkeiten von LSBTTIQ- und ähnlichen in letzter Zeit aufgetauchten Buchstabensuppen-Menschen aufgeklärt werden.

Abzüglich ein paar Hundert mir bekannter Nasen interessieren mich die allermeisten Menschen auf diesem Planeten nicht die Bohne. Schon gar nicht ihre sexuelle Präferenz. Warum soll ich jetzt dazu erzogen werden eine Minderheit unter all diesen Menschen plötzlich gesondert zu tolerieren-akzeptieren-respektieren?

Aber es geht ja anscheinend nicht um die Menschen an sich, sondern um die (nunmal biologisch unsinnige) Triebausrichtung aufs eigene Geschlecht als solche. Diese sollen wir gut-normal-akzeptabel, oder sogar toll finden, obwohl sie dem stinknormalen Hetero wohl absolut fremd bleiben wird.
Und da kommt mir ein Gedanke. Wir Heterosexuellen machen uns um unsere triebliche Ausrichtung ja gar keine Gedanken. In unserer Normalwelt gucken wir halt dem andern Geschlecht hinterher, machen uns innerlich und äußerlich schick um attraktiv zu wirken, und hoffen, dass wir aus dem großen Pool der potentiellen Geschlechtspartner das angenehmste Gegenstück von unseren Qualitäten überzeugen und einfangen können.
Wie anders muss das für homosexuell gepolte Menschen sein? Das potentielle Angebot an Partnern ist eh schon kleiner (sind es 5 Prozent?) und dann "outen" sich auch noch nicht mal alle. Das schränkt den Pool extrem ein, was gerade für Pubertierende schon ziemlich übel sein muss.

Richtet sich dieser ganze Wahnsinn am Ende gar nicht so sehr an uns Heteros, sondern vielmehr an die noch zurückhaltenden Homosexuellen? Und wir sollen nun lediglich dazu gebracht werden, ein explizit wohlgesonnenes Begrüßungsumfeld für potentiell neu sich Outende zu schaffen? Um den sichtbaren Partnerschaftspool zu vergrößern? Wenn das so ist, werden wir diese "Aufklärung" sich wohl noch weiter intensivieren sehen. Der innere Drang sich möglichst nicht außerhalb der Mehrheit zu positionieren, wird, bei aller erzwungenen Willkommenskultur, wohl noch eine Weile stärker sein als alles propagierte "nun zeig dich doch endlich!". Und, ganz ehrlich, Homosexualität wird wohl trotzdem ein Minderheitenprogramm bleiben. Das können auch hyperaktive pressure-groups nicht ändern.

Beste Grüße, Calimero

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

Nikosch Offline



Beiträge: 115

17.02.2014 09:26
#9 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Vielen Dank für Ihren Beitrag, lieber Noricus.

Eigentlich wollte ich mir über das Wochenende noch die Maischberger-Sendung, die meiner Wahrnehmung nach Auslöser für das erneute hochkochen der Debatte war, anschauen und selber einen Beitrag hierzu im Forum verfassen. Da ich zu Ersterem jedoch nicht kam, nehme ich ihren Beitrag dankbar zum Anlass ein paar eigene Gedanken zu formulieren.

Zum einen habe ich bei dieser Debatte, wie so häufig, den Eindruck einer Stellvertreterdebatte. Diejenigen die sich am heftigsten für die Homosexuellen ins Zeug legen, sind nicht die Betroffenen selber, sondern jene die sich in jeglicher Minderheitendebatte, ob es nun um Muslime, das Zigeunerschnitzel oder Blackfacing geht, als Anwälte der vermeintlich Entrechteten gerieren. Dabei folgt die Argumetation immer einem einfachen Muster, nämlich hauptsächlich der Diskreditierung des Meinungsgegners auf persönlicher Ebene und der Herausstellung der eigenen moralischen Überlegenheit. Wenn ich die Debatte korrekt verfolgt habe waren die unaufgeregtesten und sachlichsten Beiträge in der Sendung diejenigen des schwulen CDU Politikers Jens Spahn.

Man tut seinen "Schützlingen" damit keinen Gefallen, denn es ist ja gerade die "Normalität" und das aufgeschlossene Desinteresse die angestrebt werden und eben nicht die Aufmerksamkeit. Ich bin daher sicher, dass viele Schwule von der Debatte genauso angenervt sind wie die meißten Heterosexuellen.

Desweiteren finde ich an dieser Debatte wieder einmal bezeichnend, dass die zuvor genannten Wortführer etwas einfordern was sie selber nicht bereit sind zu gewähren, nämlich Toleranz (von Akzeptanz ganz zu schweigen). Dadurch, dass jede abweichende Meinung mit dem Label "homophob" versehen wird, wird zudem das Problem auf ein Ausmaß gesteigert in dem es meiner Meinung nach überhaupt nicht existiert. Der überwiegende Teil der Bevölkerung hat meiner Ansicht nach (die durch den Wohnort Köln durchaus nicht repräsentativ sein mag) heutzutage kein Problem mit Homosexualität, in dem Sinne, dass sie die Sexualität eines Menschen als dessen Privatsache betrachten. In Köln sind händchenhaltende und küssende Pärchen keine Seltenheit. Diejenigen die tatsächlich der Meinung sind das Homosexualität eine zu heilende Krankheit sei bilden eine absolute Minderheit. Solange diese ihren Worten jedoch keine Taten folgen lassen sollte eine demokratische Gesellschaft auch solche Minderheiten aushalten können.

Was nun gesellschaftspolitische Fragen wie Homoehe, Adoptionsrecht oder auch den Umfang der Bahndlung des Themas im staatlichen Schulunterricht angeht, so kann man hier durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Selbst innerhalb der politischen Lager (und vermutlich in besonderem Maße bei den Liberalen) gehen hier die Meinungen auseinander. Gerade für eine Demokratie ist eine Debatte um das Für und Wider eines Themas essentiell. Eine Demokratie mit einer anerzogenen Einheitsmeinung ist eine Diktatur. Der Staat sollte durchaus für Toleranz werben, da dies dem sozialen Frieden innerhalb der Gesellschat dient. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Staates das Denken seiner Bürger zu vereinheitlichen.

Zuletzt noch ein Punkt der mich ebenfalls in solchen Debatten immer stört, nämlich das der entsprechenden Gruppe von ihren "Fürsprechern" in großem Maße Narrenfreiheit eingeräumt wird, da jede Kritik an Handlungsweisen als Angriff gegen eben diese Gruppe gewertet wird, selbst wenn ähnliche Handlungen in anderem Kontext verurteilt würden. So bin ich in Kölner Klubs im Laufe meines Lebens ab und zu von Homosexuellen angebaggert worden und dies teilweise auch "handgreiflich". Ich habe in den entsprechenden Situationen mein Desinteresse kundgetan und mich entfernt, womit die Sache für mich erledigt war. Ich möchte mir nicht vorstellen, welchen Vorwürfen ich mich ausgesetzt sähe wenn ich mich (so es mir denn möglich wäre) auf Laura Himmelreich'sche Weise in der Öffentlichkeit über dieses Verhalten echauffieren würde. Der Pranger der politischen Korrektheit wäre mir sicher.

Viele Grüße
Nikosch

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”If it tastes good you should sequence it.” Wang Jun

FrancisoDAnconia Offline



Beiträge: 74

17.02.2014 09:57
#10 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Danke, danke und noch mal danke.

Wirklich Akzeptanz zu "fordern" hat doch sehr ein Geschschmack nach "Gesinnungsjustiz" und nein, das brauchen wir ganz bestimmt nicht.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

17.02.2014 10:31
#11 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #1
Muss man in einer liberalen Gesellschaft alles, was nicht rechtlich verboten ist, auch akzeptieren?
Kurze Antwort: Nein, muss man nicht.


Bitte denken Sie an die Umwelt bevor Sie diesen Kommentar ausdrucken

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

17.02.2014 13:14
#12 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Nikosch im Beitrag #9
Desweiteren finde ich an dieser Debatte wieder einmal bezeichnend, dass die zuvor genannten Wortführer etwas einfordern was sie selber nicht bereit sind zu gewähren, nämlich Toleranz (von Akzeptanz ganz zu schweigen).

Ganz richtig. Es läßt tief blicken, wenn jemand Akzeptanz statt (oder zusätzlich zu) Toleranz einfordert, denn es ist Anzeichen einer Geisteshaltung, die nicht fähig oder willens ist, etwas zu tolerieren, das sie nicht selbst übernehmen (akzeptieren) würde.

Im Grunde verstehen diese Leute unter "Toleranz" immer "Akzeptanz" und sind bei Vertretern solcher Meinungen, wo man tolerieren müßte, ohne zu akzeptieren, schnell mit Ausgrenzung, Maulkörben und Redeverboten bei der Hand, um dem, was sie nicht akzeptieren wollen, "keine Plattform zu bieten".
Dieses Mißverständnis bzw. der Sprachmißbrauch erklärt vielleicht, warum sie bei allem Toleranzgerede selbst so intolerant sein können.

Es gibt übrigens zwischen dem Tolerieren und dem Akzeptieren noch ein Drittes, das Respektieren.

Krischan Offline




Beiträge: 641

17.02.2014 13:22
#13 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #12


Es gibt übrigens zwischen dem Tolerieren und dem Akzeptieren noch ein Drittes, das Respektieren.



Respektieren kommt für mich aber dem Tolerieren deutlich näher - auch hier schwingt ja mit, dass die Meinung des anderen zwar nicht für einen selbst akzeptabel ist, aber sich noch im tolerierbaren Wertespektrum bewegt, mithin also akzeptiert werden muss. Da denke ich immer an das schöne englische "Let's agree to disagree" - wir haben zwar nicht die gleiche Meinung, können aber trotzdem noch ein Bier trinken gehen.

Freundlichst,
Krischan

Deutsche Wurst - alles andere ist Käse.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

17.02.2014 13:25
#14 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Die Gesinnungspolizei entsteht durch den Umstand, dass man sein eigenes Weltbild allen anderen Menschen verbindlich vorschreiben möchte und damit manifestiert sich nichts anderes als die Ausübung von Macht.

Die wichtige Erkenntnis aus der Tatsache, dass es nur 5 – 10% „liberal affin“ denkende Menschen in unserem Land gibt sollte in erster Linie nicht sein, dass es eine liberale Partei immer schwer haben wird, sondern dass 90% der Menschen es durchaus legitim finden „Andersdenkende“ soweit möglich „gesellschaftlich auszugrenzen“, um die eigene Machtposition zu stärken. Ob die gesellschaftliche Ausgrenzung dabei mehr von „linker“ oder „rechter“ Seite erfolgt, ist dabei völlig unerheblich und letztendlich austauschbar, will man den Zustand der Gesellschaft beschreiben.

Für die Protagonisten ist dies natürlich ein ganz erheblicher Unterschied, da ihr Ideal nicht die persönliche Freiheit sondern das eigene Empfinden ist. Unrecht wird in ihrer Sicht nicht am effektivsten durch persönliche Freiheit, sondern durch die richtige, nämlich Ihrer Gesinnung verhindert. Daher wird ein Herr Niggemeier auch niemals verstehen, dass er sich von denen die ihm den Schaum vor den Mund treiben im Kern nicht unterscheidet. Dazu müsste er zu den 5 - 10% gehören für die persönliche Freiheit das Maß ist, nicht die (richtige / persönliche) Gesinnung.

Letzten Endes ist genau dies der Kern dessen was mich so frustriert, wütend macht, entsetzt oder auch ankotzt – je nach Tagesstimmung. Weil sich unsere Gesellschaft über die letzten Jahrzehnte im Kern nicht verändert hat. Die reaktionären Tendenzen werden nun eben eher von linker als von rechter Seite ausgelebt, weil das aktuelle Konsensempfinden mehr links als rechts ist, dieser Tage. Die „Unterdrücker“ und „Unterdrückten“ vertauschen die Rollen und die neuen "Unterdrücker" glauben die Welt sei nun objektiv eine bessere; weil sie sich als Teil einer zahlenmäßigen Mehrheit sehen (zumindest in medialer Wahrnehmumg). Gefahr erkannt, Gefahr gebannt sozusagen -- und das lediglich durch schließen der Augen.

Solange 90% der Menschen „persönliches Empfinden“ mit „richtig“ und „falsch“ verwechseln, werden wir von Gesinnungspolizisten wie Niggemeier drangsaliert werden -- und keiner wird sich über sie wundern -- Je nach politischer Couleur werden sie nur mehr oder weniger öffentlichen Zuspruch erfahren.
Über dieses öffentlich, medial wahrgenommene "richtige Handeln" und seine Majoritäten, bildet sich nun ein gesellschaftliches Bewußtsein heraus, dass die Welt obektiv eine bessere geworden sei. Dabei ist die Welt "gleich schlecht" geblieben. Die gesellschaftlichen Majoritäten (möglicherweise auch nur in ihrer medialen Manifestation) hinsichtlich der politischen Couleur haben nur neu darüber entschieden, wer die gekniffenen sind und wer die kneifenden.

Leider sehe ich aktuell nur wenig Tendenzen, dass sich diese Gesinnungspolizisten bei Zeiten überleben werden.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.423

17.02.2014 13:33
#15 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Krischan im Beitrag #13
Zitat von Fluminist im Beitrag #12


Es gibt übrigens zwischen dem Tolerieren und dem Akzeptieren noch ein Drittes, das Respektieren.



Respektieren kommt für mich aber dem Tolerieren deutlich näher


Das ist die alte Bedeutung dieser Vokabel.
Im gegenwartsdeutschen Neusprech bedeutet "respektieren" hingegen, daß ich, wenn mich ein Toleranzbürger mit der Formulierung "Isch f**k deine Mutta" darauf hinweist, daß ihm meine Gegenwart das Wohlbefinden verleidet, ihm durch umstandslose Erfüllung seines Begehrens zur Wellness verhelfe.

Krischan Offline




Beiträge: 641

17.02.2014 13:45
#16 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #15

Das ist die alte Bedeutung dieser Vokabel.
Im gegenwartsdeutschen Neusprech bedeutet "respektieren" hingegen, daß ich, wenn mich ein Toleranzbürger mit der Formulierung "Isch f**k deine Mutta" darauf hinweist, daß ihm meine Gegenwart das Wohlbefinden verleidet, ihm durch umstandslose Erfüllung seines Begehrens zur Wellness verhelfe.


Lieber Ulrich,

damit erweist sich das neudeutsche "Respektieren" als ebenbürtig zum Worte Islam, das ja bekanntlich die vollkommene Unterwerfung (unter das Wort Gottes) bedeutet. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Freundlichst,
Krischan

Deutsche Wurst - alles andere ist Käse.

Christoph Offline




Beiträge: 241

17.02.2014 13:48
#17 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #7

Auch formulierte ich nie "ich toleriere den Krieg in Syrien", wenngleich ich akzeptiere (=hinnehmen muß), daß er stattfindet. So gesehen ist Toleranz der sehr viel stärker zustimmende Begriff als Akzeptanz. Akzeptanz heißt doch oft, mit einer innerlich möglichst zustimmenden Haltung Tatsachen hinzunehmen, die ohnehin nicht zu ändern sind,


Lieber Andreas Döding,

Ich denke erstens, daß nur die wenigsten Menschen einen klaren Begriff von Akzeptanz und Toleranz haben und von der Nuance, die beide voneinander trennt. Zweitens glaube ich jedoch, daß sie meistens genau umgekehrt gebraucht werden. Ich persönlich übersetze tolerieren mit erdulden, was vom erleiden nicht weit entfernt liegt, dagegen akzeptieren mit annehmen, was einen Hauch mehr an innerer Zustimmung verlangt, als das erdulden.

Toleranz und Akzeptanz sind Fremdworte im Deutschen und wäre ich böswillig, so könnte ich sagen: das ist wohl kein Zufall, denn der Deutsche flüchtet sich immer dann zu diesen Worten, wenn er ihm fremde Haltungen des Geistes charakterisiert, von denen er einen bloß verschwommenen Begriff hegt.

Wenn ich nicht böswillig genug bin, diese Aussage für die meisten Deutschen zu treffen, so scheint sie mir doch für viele Linke angemessen. Ich beobachte, daß diese die Worte Akzeptanz und Toleranz fast synonym gebrauchen oder behaupten, Toleranz ohne Akzeptanz könne es langfristig nicht geben. Den Freisinnigen wundert das, denn ihm bedeutet Toleranz: etwas zu erdulden, das ihm mißfällt, das er ändern könnte, das er aber bewusst so belässt und eben erduldet – das klassische «laissez faire, laissez passer».

Den Linken, den meisten Deutschen und vielen Menschen überhaupt, ist das eine ganz fremde Regung. Sie können nur das im Kern gute tolerieren, können nur das hinnehmen (akzeptieren), was ihnen ohnehin wünschenswert ist. Alles andere muß dagegen zum Wohl der Gemeinschaft, im Einklang mit dem großen Plan geändert oder ausgemerzt werden; mit Zuckerbrot (nudge) oder Peitsche. Etwas zu «erdulden» kommt ihnen überhaupt nur dann in den Sinn, wenn es unvermeidlich ist, wenn sie im Moment nicht die Macht besitzen, es zu ändern (noch nicht).

Der Freisinnige übt Toleranz zugleich aus Großmut (gegenüber denen, die er im Irrtum sieht) und aus Demut (denn er erkennt, daß er sich selbst im Irrtum befinden könnte). Den linken und rechten Weltverbesserern ist Toleranz dagegen nur ein Symptom der Schwäche. Sie können nur das tolerieren, was sie ohnehin akzeptieren.

Viele Grüße,
Christoph

Krischan Offline




Beiträge: 641

17.02.2014 14:10
#18 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Christoph im Beitrag #17

Der Freisinnige übt Toleranz zugleich aus Großmut (gegenüber denen, die er im Irrtum sieht) und aus Demut (denn er erkennt, daß er sich selbst im Irrtum befinden könnte). Den linken und rechten Weltverbesserern ist Toleranz dagegen nur ein Symptom der Schwäche. Sie können nur das tolerieren, was sie ohnehin akzeptieren.



Lieber Christoph,

danke für Ihren sehr eloquent dargebrachten Beitrag. Mit anderen Worten, eine Toleranz des Akzeptierten ist, nunja, ein Lippenbekenntnis, Gratismut, eine Binsenweisheit. Sie, die sich achso tolerant gebärden, sind es in Wahrheit, macht man die Nagelprobe, nur gegenüber ihresgleichen, gegenüber den eigenen Meinungen, gegenüber den eigenen "Leuten". Wehe, es kommt jemand in die Nähe mit einer divergierenden Meinung, hei, was fliegen da die Geiferfetzen aus den Lefzen, hei, wie wird da der Konsens mobilisiert.
Für die Rückenmarksliberalen gilt dann eben: Toleranz ist gesellschaftliche Pflicht, Akzeptanz ist individuelles Recht (und auch das Recht, eben nicht zu akzeptieren).

Freundlichst,
Krischan

Deutsche Wurst - alles andere ist Käse.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

17.02.2014 15:06
#19 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #15
Im gegenwartsdeutschen Neusprech bedeutet "respektieren" hingegen, daß ich, wenn mich ein Toleranzbürger mit der Formulierung "Isch f**k deine Mutta" darauf hinweist, daß ihm meine Gegenwart das Wohlbefinden verleidet, ihm durch umstandslose Erfüllung seines Begehrens zur Wellness verhelfe.


So lustig sich Ihre Bermerkung liest, ist einigen damit garnicht zum Spaßen. Die meinen das ernst, ehrlich und gut:

http://www.sueddeutsche.de/politik/neues...kampf-1.1711942

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

17.02.2014 15:33
#20 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

In einem der Beiträge hier las ich das, was man bei diesem Thema nicht selten so liest/hört:

LEBENSENTWURF

Hört sich liberal an, nur leider gibt's da 'ne ganz schlechte Nachricht: Im Hinblick auf das sexuelle Begehren is nix mit "entwerfen", vielmehr umso mehr mit entworfen sein.

Das sollte man bei der Debatte immer bedenken.

Was küssende Hetero-/Homo-/Sonstwas-Liebespaare im "öffentlichen Raum" betrifft (wurde ja auch angesprochen), gibt's erforderlichenfalls ein ganz einfaches Mittel: Weggucken. Man kann natürlich auch zu Studienzwecken ganz intensiv hingucken, damit man was zum Indignieren hat - so wie die Leut' in den 60ern massenhaft sich für andertalb Stunden den cineastischen Schinken "Das Schweigen" angetan haben - wegen gewisser 15 Sekunden, die da vorkamen - äh…ich meine aus cineastischem Interesse natürlich.

Vielleicht trägt es zur Beruhigung bei, hier mal auf ein allseits bekanntes internationales Unternehmen hinzuweisen (habe meinerseits zufällig 'n bissle mit denen "zu tun"), das gemeinhin nicht als sozialistisch, links, oder rot-grün konnotiert wird:

http://www-07.ibm.com/employment/au/diversity/glbt.html

……wer hätte das gedacht; und die key people bei Big Blue (ganz zu schweigen vom IBM-Normalo) jenseits des großen Teichs und anderswo around the globe haben mit Sicherheit noch nie was von Kretschmann gehört und gucken auch keine deutschen Talkschaus. Welche Gründe mögen da also maßgeblich sein? (Quizfrage )

Ich sach mal so: Liberal hat halt nix mit Wortgedrechsel zu tun, sondern mit tatsächlichem day-to-day Verhalten, das von Respekt und Wohlwollen geprägt ist. Das geht ganz ohne deutschen etymologisch-semantischen Tiefsinn und dient dem entspannten Miteinander-Auskommen UND - im internationalen Unternehmen, in dem alle Ethnien und sonstwas dieser Welt, also Diverses, vertreten sind - der Produktivität. Diversity ist nicht irgendwie ganz, ganz links sondern schlicht: Fakt.



...tschuldigung...gehört zu den offiziellen Forum-smileys.

Ich interpretiere die beiden einfach mal als total schwul

Flaccus Offline



Beiträge: 31

17.02.2014 16:49
#21 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Liebe Zimmerleute,

beim besten Willen, was lesen Sie denn alles in Niggemeiers Text hinein...

Zitat von Rayson
Wer zu irgendeinem von diesen propagierten Vorhaben [...] Widerspruch äußert, zeigt damit seine mangelnde Akzeptanz. Und diese ihrerseits ist dann eben Zeichen rückständiger Homophobie, nur in Nuancen besser als der Verzicht auf eine strafrechtliche Verfolgung.



Wann wurde in letzter Zeit in der innerdeutschen Debatte einem Gegner der homosexuellen Gleichstellung unterstellt, er sei für die Wiedereinführung des Paragraphen 175? Dass insbesondere Niggemeier meint, eine "homophobe" Einstellung sei so gut wie die Forderung nach strafrechtlicher Verfolgung, sehe ich nirgends. Er sagt in seinem Beitrag über Birgit Kelle ausdrücklich das Gegenteil und präsentiert sie mitnichten als potentielle Verfolgerin.

Zitat von Rayson
ein auch bei Niggemeier vorkommender Trick ist es, den einzelnen homosexuellen Menschen gleichzusetzen mit der Behandlung der von ihm eingegangenen Partnerschaften



Ein "Trick"? Dass diese beiden Dinge nicht auseinanderzudividieren sind, das seht Ihr Heteros doch an Euch selbst. Bleibt fair und messt nicht mit zweierlei Maß. Der einzige Trick, den ich hier sehe, ist das Aufblasen dieser Light-Version von "Love the sinner, hate the sin" zu einem Argument, welches die meisten von Euch auf Euch selbst gemünzt mit Recht nicht durchgehen lassen würden.

Zitat von Rayson
Ja, es gibt Menschen, die die Zuschaustellung von schwulen und lesbischen Pärchen nicht sehen wollen. Es gibt aber auch Menschen, die die Zurschaustellung von heterosexuellen Pärchen nicht sehen wollen.



In erstgenanntem Fall liegt dies typischerweise an der Ablehnung von Homosexualität als solcher, in letztgenanntem Fall steckt dagegen selten ein "Igitt, Heteros!" dahinter. Beide Begründungen der Ablehnung sind völlig unterschiedlicher Natur. Niggemeier thematisiert diese Ungleichheit der Maßstäbe in der zweiten, lesenswerten Hälfte seines Beitrags.

Zitat von Rayson
Ein Problem wird es dann, wenn es zur staatlichen Norm erhoben werden soll (wieder ein Trick Niggemeiers, diesen Übergang zu ignorieren und persönliche Einstellungen mit staatlichen Maßnahmen gleichzusetzen).



An diesem Punkt freilich wäre ich ganz bei Ihnen. Nur, an welcher Stelle genau fordert Niggemeier die Etablierung irgendeiner "staatlichen Norm"? Tut mir leid, ich lese in diesem Text nirgendwo eine Aufforderung zu staatlichem Handeln.

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Zitat von Doeding
Was Niggemeier et. al. doch eigentlich meinen ist, daß man alle anderen als heterosexuelle Lebensentwürfe toll und großartig und vor allem erstrebenswert finden solle, immer verbunden mit der impliziten Annahme, daß das Heterosexuelle langweilig, dröge und eben nicht erstrebenswert sei, sondern bestenfalls zu tolerieren (sic!).



Wo finden Sie bei Niggemeier die "eigentlich" gemeinte, "implizite Annahme", dass "das Heterosexuelle" in irgendeiner Weise an sich negativ oder gegenüber 'dem Homosexuellen' defizitär sei?

Zitat von Doeding
Meine oppositionellen Reflexe regen sich bei mir persönlich erst, seit es eben nicht mehr um Toleranz/Akzeptanz geht, sondern um die Aufwertung eines Lebensentwurfes, indem andere Lebensentwürfe, u. a. meiner, abgewertet werden. Das nehme ich zunehmend persönlich.



Ihre oppositionellen Reflexe sind sicher verständlich, wenn Sie die Sache so wahrnehmen. Nur, wer wertet Ihren "Lebensentwurf" denn ab? Warum muss unsere "Aufwertung" mit Ihrer "Abwertung" einhergehen? Wo haben Sie das her? Sicher nicht von Niggemeier.

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Zitat von Calimero
Aber ich will um Gottes willen nicht ständig mit der auch möglichen Lebensweise anderer, mir völlig fremder Menschen behelligt werden!



Herrje, wo werden Sie denn "ständig behelligt"?

Zitat von Calimero
obwohl sie [die Homosexualität, Flaccus] dem stinknormalen Hetero wohl absolut fremd bleiben wird.



Ich kenne dutzende heterosexuelle Menschen, von denen ich guten Gewissens sagen kann, dass sie beim Blick auf meine Partnerschaft keinerlei Fremdheitsgefühle entwickeln, schon gar keine "absolut[en]". Dieses Problem, das Sie da haben, lieber Calimero, kommt nicht von Ihrer Heterosexualität, das ist viel individueller.

Zitat von Calimero
Wir Heterosexuellen machen uns um unsere triebliche Ausrichtung ja gar keine Gedanken.



Au backe...

Zitat von Calimero
Und wir sollen nun lediglich dazu gebracht werden, ein explizit wohlgesonnenes Begrüßungsumfeld für potentiell neu sich Outende zu schaffen?



Ja, genau, wir wollen freundliche Aufnahme ohne Drangsal, wenn wir mit unserem Raumschiff auf Eurem Planeten landen.

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Zitat von Nikosch
Ich bin daher sicher, dass viele Schwule von der Debatte genauso angenervt sind wie die meißten Heterosexuellen.



Ich persönlich kenne keinen Schwulen, der von dieser Debatte "angenervt" wäre. Und diejenigen Heteros, dies es sind, sind leider typischerweise eigentlich nicht von der Debatte, sondern von den Schwulen an und für sich angenervt.

Mit besten Grüßen, aber kopfschütttelnd,

Flaccus

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.423

17.02.2014 17:22
#22 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #20
(Quizfrage )


Ich rate jetzt mal ganz heftig, aus welcher Weltecke Akronyme wie LGBT & CSD stammen, der Ausdruck 'political correctness' und 'gender studies', die Aktivist_Innen Gloria Steinem, Shulamith Firestone und Judith Butler...

patzer Offline



Beiträge: 359

17.02.2014 17:32
#23 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

http://www.cicero.de/salon/homosexualita...-maschine/57036

Es wird einem aber das korrekte Verhalten auch nicht leicht gemacht.Schlage neues Unterrichtsfach statt Naturwissenschaften vor.(In BW schon in Planung:http://www.welt.de/kultur/article1249385...-gegen-Bio.html)

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

17.02.2014 17:39
#24 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #20
In einem der Beiträge hier las ich das, was man bei diesem Thema nicht selten so liest/hört:

LEBENSENTWURF

Hört sich liberal an, nur leider gibt's da 'ne ganz schlechte Nachricht: Im Hinblick auf das sexuelle Begehren is nix mit "entwerfen", vielmehr umso mehr mit entworfen sein.


Der Lebensentwurf ist das, was wir aus unserer sexuellen Orientierung machen, lieber Dennis. Heterosexuell zu sein bedeutet ja nicht gleich verheiratet oder sonst in einer Beziehung zu sein. Das Gleiche gilt sinngemäß für Homosexuelle.

Zitat
Was küssende Hetero-/Homo-/Sonstwas-Liebespaare im "öffentlichen Raum" betrifft (wurde ja auch angesprochen), gibt's erforderlichenfalls ein ganz einfaches Mittel: Weggucken.



Genau. Das ist die Toleranz, in der ich mich übe. Ich schaue ja gerade weg, weil ich das, was ich sonst sähe, nicht supertoll finde. Aber ich möchte nicht dazu genötigt werden, es supertoll zu finden (oder dies jedenfalls zu behaupten). Es muss reichen, wenn ich wegschaue und schweige.

Zitat
Ich sach mal so: Liberal hat halt nix mit Wortgedrechsel zu tun, sondern mit tatsächlichem day-to-day Verhalten, das von Respekt und Wohlwollen geprägt ist. Das geht ganz ohne deutschen etymologisch-semantischen Tiefsinn und dient dem entspannten Miteinander-Auskommen UND - im internationalen Unternehmen, in dem alle Ethnien und sonstwas dieser Welt, also Diverses, vertreten sind - der Produktivität. Diversity ist nicht irgendwie ganz, ganz links sondern schlicht: Fakt.



Ja, Diversity schon. Schlimm wird es meistens erst dann, wenn der Diversity-Manager kommt und ein Gedöns um Dinge macht, die für die meisten Menschen eh selbstverständlich sind.

Zitat


...tschuldigung...gehört zu den offiziellen Forum-smileys.

Ich interpretiere die beiden einfach mal als total schwul



Wurde nicht weiland in Universitäten über das Geschlecht der Engel diskutiert? Vielleicht sollten wir hier ja einmal ein Web-Symposion über das Geschlecht der Smileys machen ...

alteseuropa Offline



Beiträge: 259

17.02.2014 17:53
#25 RE: Toleranz und Akzeptanz Antworten

Zitat von Noricus

Zitat
Nicht gefordert werden kann dagegen, dass jemand alles akzeptiert, was ein anderer tut und auch tun darf.



wenn derjenige, der dies fordert, der Staat ist, dann liegen Sie damit vollkommen richtig und Niggemeiers Ansatz geht zu weit. Der Staat darf von einem Individuum niemals verlangen, über das Befolgen der Regeln des Rechtsstaates hinaus aktiv eine bestimmte innere Haltung zu irgendwelchen Dingen einzunehmen oder auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung zu verzichten. Wer Schwule und Lesben unmoralisch, eklig, bösartig oder minderwertig findet, muss dies insbesondere frei und ohne Furcht vor staatlicher Repression äußern dürfen.



Das bahnt sich aber an. Im Europäischen Parlament wurde der Lunacek-Bericht verabschiedet. Er hat zwar keine rechtlich bindende Wirkung, aber wer die Wühlarbeit dieser Gruppen kennt, weiß, daß irgendwann die nationalen Parlamente nachziehen.
http://www.blu-news.org/2014/02/05/lunac...cht-angenommen/
Interessant ist diese Passage: "Unter den aufgelisteten Forderungen steht beispielhaft, dass die Kommission innerhalb der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weiterhin daran arbeiten solle, Störungen der Geschlechtsidentität von der Liste der psychischen Störungen und der Verhaltensstörungen zu streichen (Bericht Seite 8 – E (ii) )." Das heißt für mich, daß jemand, der unter seiner Geschlechtsidentität leidet, auch keine psychologische Hilfe bekommen soll.
Und richtig bedenklich wird es, wenn in dem Bericht offenbar gefordert wird, Beleidigungen von Lesben, Homosexuellen etc. (ich weiß z. B. nicht, was der Unterschied zwischen Trans- und Intersexuellen ist) als Haßkriminalität zu verfolgen. Unsere Gesetze schützen aber schon jetzt Menschen vor Beleidigungen, von tätlichen Angriffen ganz zu schweigen. Hier soll es also Sonderrechte geben und auch noch ein Gesinnungsstrafrecht eingeführt werden. Es steht zwar noch in den Sternen, aber am Ende steht womöglich wirklich die staatliche Repression.

Mir geht es wie einigen Mitdiskutanten hier: Es vergeht fast kein Tag, an dem uns nicht suggeriert wird, wie erstrebenswert es doch sei, homosexuell zu sein oder zu werden. Stand ich in früheren Jahren dem Thema ziemlich gleichgültig gegenüber, so erzeugt es bei mir inzwischen Überdruß, vor allem weil ich die Forderungen der Buchstaben-Lobby als ziemlich aggressiv gestellt empfinde.
Insofern war ich über den ersten Text dieses Themenstrangs recht froh.

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