Zitat von Doeding im Beitrag #49Sie haben insofern recht, lieber Llarian, als mein Argument mit Blick auf die vornehmlich zivilen Opfer schwächelt; ich hatte dabei eher die kriegsverkürzende Wirkung der Bombardierungen im Sinn. Sie haben aber m. E. überhaupt nicht recht, wenn Sie hier ein besonderes Menschheitsverbrechen konstatieren. Aus meiner Sicht gibt es zwischen Hiroshima/Nagasaki weder einen qualitativen noch einen quantitativen Unterschied zu Dresden und Hamburg (wo durch das Phänomen des Feuersturms ganz ähnliche Verheerungen aufgetreten sind). Wenn, dann müßte man also die Flächen- und Städtebombardierungen des 2. Weltkriegs, in die sich Hiroshima nahtlos einfügt, insgesamt bewerten, und diese Bewertung finde ich ausgesprochen schwierig (und das meine ich wirklich so).
Lieber Andreas, Ihre Argumentation mag vielleicht noch für den ersten Abwurf (Hiroshima) gelten, der zweite allerdings war bereits unnötig, da das Kaiserreich schon nach dem ersten Abwurf kapitulationswillig war (letztlich ging es bei der Kontroverse über die Bedingungen genau um eine: Beibehaltung des Kaiserhauses - die einzige Bedingung, die das Kaiserreich Groß-Japan für seine Kapitulation forderte).
Fakt ist aber, dass sowohl beide A-Bombenabwürfe, als auch Dresden, Hamburg, Köln, Coventry, London Blitz, Warschau, der Feuersturm über Japanischen Städten durch Brandbomben (der mehr Tote gefordert hat als beide Nukes) - das alles dieses Kriegsverbrechen sind, die nur deshalb nicht einheitlich und massiv verfolgt wurden, weil fast keine Staaten die Aerial Warfare-Ergänzung zur Haager Landkriegsordnung unterschrieben hatten.
Zitat Städtebombardierungen fingen ja bereits in WKI an; man war nur technisch noch nicht so weit (leicht entflammbare Zeppeline; Flugzeuge konnten noch keine hinreichenden Lasten tragen), um dies auf die Spitze zu treiben. In WKII war man dann so weit, und keine der Seiten hat gezögert, dieses Mittel einzusetzen (angefangen hat, glaube ich, Hitler in Coventry?).
Hitler ist richtig - je nach Zählweise war die erste coventrierte Stadt aber Guernica (wenn man den spanischen Bürgerkrieg mitzählt) oder Warschau (da war die Zerstörung nicht unbedingt geplant) oder Rotterdam (hier war die Zerstörung durch die Nazi-Größen und Luftwaffe gewollt, das Heer war eher geneigt, die Kapitulation der Niederländer anzunehmen).
Zitat Man kann es sich moralisch leicht machen und sagen, das sei generell verbrecherisch, Terror usw und Punkt. Ich denke aber eher, daß der Bombenkrieg eine ganz "normale" Eskalation ebenjener Perversion war, die Kriegsführung ohnehin und generell innewohnt (und wegen der, ich denke da sind wir uns einig, die Verhinderung von Kriegen eine zentrale Maxime von Politik sein muß).
Aus Sicht der Alliierten bedrohte ein hochaggressives Deutschland mir einer bis an die Zähne bewaffneten Wehrmacht ganz Europa. Es ging, zumindest für die Europäer, insbesondere für die Briten, um die Wurst, und die Eskalationslogik von Krieg scheint mir zu sein: je höher der Preis einer Niederlage desto mehr moralische Schranken fallen. So gesehen kann ich Churchill verstehen und gleichzeitig sehe ich Dresden, Hamburg oder auch Nagasaki als grausame Aktionen gegen die Zivilbevölkerung an. Ich bin aber sehr vorsichtig, hier den Begriff des "Verbrechens" zu verwenden. Und natürlich kann man fragen, inwieweit die USA 1945 durch Japan noch bedroht waren, um die Atombombenabwürfe zu erklären/rechtfertigen. Oder ob man einen vielleicht noch mehrere Jahre währenden Krieg im Pazifik hätte in Kauf nehmen müssen. Ich kann aber umgekehrt verstehen, daß die Amis damals endlich den "Sack zumachen" wollten.
Die USA argumentiert eigentlich immer, dass durch die Nukes die Invasion der japanischen Hauptinseln unnötig wurde, und so Millionen Leben gerettet wurden. Allerdings wird dabei vergessen, dass der Kaiser auch ohne Nukes irgendwann den Schlussstrich gezogen hätte. Hirohito war nicht bereit, sein Volk sinnlos zu verheizen, wo der Krieg doch ganz klar verloren war. Alle Quellen deuten darauf hin, dass er bereits die Entmachtung der Generalität geplant hatte und auch ohne Nukes noch im gleichen Monat kapituliert hätte.
Zitat Wie gesagt, schwieriges Thema, zu dem es mir schwer fällt, eine abschließende Meinung zu formulieren. Ich finde es einfach superschwierig, moralische Kategorien für Kriegszeiten zu formulieren, die universelle Gültigkeit, unabhängig von der konkreten Situation, haben.
Genau aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich auch für den Luftkrieg an den Regeln der Haague Agreements on Land Warfare zu orientieren. Leider tut das nur kaum jemand.
Zitat von adder im Beitrag #51Hitler ist richtig - je nach Zählweise war die erste coventrierte Stadt aber Guernica (wenn man den spanischen Bürgerkrieg mitzählt) oder Warschau (da war die Zerstörung nicht unbedingt geplant) oder Rotterdam (hier war die Zerstörung durch die Nazi-Größen und Luftwaffe gewollt, das Heer war eher geneigt, die Kapitulation der Niederländer anzunehmen).
Die erste Stadt, die aus der Luft angegriffen wurde, war Venedig, 1848 durch einen österreichischen Ballon. Schäden gab es allerdings so gut wie keine. Auch schon davor wurden Städte durch Artillerie beschossen. Jeder kennt die Bilder der Zeppeline über London, kaum einer kennt die Angriffe der deutschen Schlachtkreuzerflotte 1914/1915 auf englische Küstenstädte. Der Beschuss von Paris 1918, immerhin von über 100km weit, und perfide, da die Granaten bis zu Einschlag überschall schell waren, ist da schon bekannter. Paris wurde auch schon 1870 beschossen. Oder Wien 1683, oder so gut wie jede andere europäische Stadt mindestens einmal in ihrer Geschichte. Also nichts neues im Westen.
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Zitat von adder im Beitrag #51 Lieber Andreas, Ihre Argumentation mag vielleicht noch für den ersten Abwurf (Hiroshima) gelten, der zweite allerdings war bereits unnötig, da das Kaiserreich schon nach dem ersten Abwurf kapitulationswillig war (letztlich ging es bei der Kontroverse über die Bedingungen genau um eine: Beibehaltung des Kaiserhauses - die einzige Bedingung, die das Kaiserreich Groß-Japan für seine Kapitulation forderte). [...]
Lieber adder,
vielen Dank für die historische Einordnung; sehr informativ. Insbesondere daß Japan bereits nach Hiroshima kapitulationswillig gewesen ist, war mir neu .
Zitat Genau aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich auch für den Luftkrieg an den Regeln der Haague Agreements on Land Warfare zu orientieren. Leider tut das nur kaum jemand.
Das wiederum halte ich für wenig überraschend. Ich glaube, die Haager Konvention ist zur Hälfte der ehrliche Versuch, bestimmte Zivilisationsbrüche in Kriegszeiten zu verhindern oder wenigstens ahnden zu können, zur anderen Hälfte ist sie aus meiner Sicht jedoch ein globales Sedativum, indem sie die beruhigende Idee, man könne Kriegsverläufe kontrollieren oder sogar zivilisieren, in den Köpfen der Menschen zu platzieren sucht. Opium fürs Volk also, denn ich behaupte daß, wenn es wirklich um die physische Existenz geht, keine Nation und kein Volk sich vernichten lassen wird, wenn es dies durch Brechen der Haager Konvention verhindern könnte. Israel und die USA (und viele andere) sind nur so ehrlich, das auch zuzugeben (und entsprechend z. B. die Streubombenächtung nicht zu ratifizieren). Mir scheint, daß immer gerade die Nationen am beharrlichsten auf die Einhaltung der Haager Konvention drängen, die gerade selbst am wenigsten bedroht sind, und das erscheint mir a bissel (in memoriam Zettel) wohlfeil. Deutschland, wie in diesen Dingen oft, auch hier ganz vorne mit dabei.
Wie gesagt: je höher der Preis einer Niederlage für die kriegführende Nation, desto größer die Bereitschaft zur Eskalation. Daran ändert keine Haager oder sonstige Konvention irgend etwas. Alles andere ist aus meiner Sicht Wunschdenken.
Zitat von R.A. im Beitrag #18Es wäre nett wenn die Eingeweihten mal kurz erklären würden, was es mit der zitierten Filmszene auf sich hat. Was soll uns das mit dem Krapfen sagen?
In der Szene wird gezeigt wie Kollektivbestrafung funktioniert. ...
Vielen Dank für die Erläuterung. Bestärkt mich übrigens in der Meinung, daß ich mir diesen Film nicht anschauen werde.
Mir scheint diese Darstellung des Drill Sergeants mit der Implikation, nur eine unmenschlich harte Ausbildung würde Soldaten wirklich kampffähig machen, eine typische US-Sichtweise zu sein. Die Amis sind ja auch bis heute absurd fasziniert von ihren deutschen Weltkriegsgegnern, speziell vom SS-Mythos.
Wenn ich so Beispiele aus der Militärgeschichte anschaue, dann halte ich diese Einstellung für weitgehend falsch. Natürlich gehört zur Soldatenausbildung eine gewisse Härte. Gerade Neulinge müssen sich dabei einiges zumuten lassen.
Aber eine unmenschliche Behandlung, eine Überhärte, die bis zum Selbstmord führt - das ist nicht nötig und oft sogar kontraproduktiv.
Es gibt genug Beispiele von Truppen, die in einer unglaublich harten Ausbildung gedemütigt und schikaniert wurden - und dann in der ersten Schlacht moralisch zerbröselt sind. Und umgekehrt viele Elitetruppen, die ihre Leute hart, aber fair trainieren.
Es gibt eben nicht nur die Wahl zwischen einer völlig weichen Ausbildung, die für den Kampf unbrauchbare Softies produziert, und der Methode wie im Kubrick-Film. Die richtig guten Armeen liegen dazwischen.
Zitat von Florian im Beitrag #20Betriebswirtschaftlich ist es ja absolut sinnvoll, die Anforderungen stellenspezifisch zu formulieren und nicht von allen Beschäftigten das gleiche zu verlangen.
Das ist schon richtig. Aber umgekehrt ist es auch nicht sinnvoll und nötig, daß alle für die Bundeswehr Tätigen auch Soldaten sind. Wahrscheinlich könnte man noch ein gutes Stück mehr an Logistik- und Verwaltungsarbeiten an Spezialisten übergeben, die nicht selber kämpfen (können). Für die kämpfenden Einheiten (und ihre Unterstützer direkt im Einsatzgebiet) wird aber wohl gelten, was hier schon dargestellt wurde: Man braucht eine gewisse Gemeinsamkeit in Eignung und Ausbildung. Und damit auch entsprechende Einstellungsvoraussetzungen.
Zitat von R.A. im Beitrag #54 Es gibt eben nicht nur die Wahl zwischen einer völlig weichen Ausbildung, die für den Kampf unbrauchbare Softies produziert, und der Methode wie im Kubrick-Film. Die richtig guten Armeen liegen dazwischen.
Das sehe ich auch so. Die Frage ist, wo in diesem Bild die Bundeswehr in der Vorstellung von v. d. Leyen zu verorten ist?
Zitat von Doeding im Beitrag #49Aus meiner Sicht gibt es zwischen Hiroshima/Nagasaki weder einen qualitativen noch einen quantitativen Unterschied zu Dresden und Hamburg
Da sehe ich schon einen Unterschied. Der größte Teil des alliierten Bomberkriegs war m. E. ein Kriegsverbrechen, weil es nicht wirklich um militärische Ziele ging, sondern nur um die Ermordung einer möglichst großen Zahl von Zivilisten. Und dies wurde auch noch fortgeführt als sich längst herausgestellt hatte, daß die ursprüngliche Idee einer "Demoralisierung" Deutschlands und damit einer Abkürzung des Krieges falsch war.
Bei Hiroshima hat sich diese Idee aber als richtig bewiesen. Weil die Botschaft ja auch eine andere war. Es ging nicht darum den Japanern zu drohen, daß man viele Zivilisten töten würde (es war ja klar, daß die USA das auch konventionell hätten schaffen können). Sondern es ging um die Demonstration, daß man eine völlig neue Waffentechnik zur Verfügung hatte, denen das japanische Militär überhaupt nichts entgegensetzen konnte. Und das hat zur Kapitulation geführt.
Zitat von Doeding im Beitrag #56Die Frage ist, wo in diesem Bild die Bundeswehr in der Vorstellung von v. d. Leyen zu verorten ist?
Das war eigentlich das untere Extrem in meiner Skala.
Es gibt in der Historie diverse Beispiele von Bürgermilizen etc., die eben aus Amateuren bestanden und noch weniger Wert auf Eignung und Drill legten.
Aber mir ist ad hoc aus der Weltgeschichte keine hauptberufliche (!) Armee bekannt, die so "soft" laufen soll wie offenbar von der neuen Ministerin gedacht.
Zitat von adder im Beitrag #51Allerdings wird dabei vergessen, dass der Kaiser auch ohne Nukes irgendwann den Schlussstrich gezogen hätte. Hirohito war nicht bereit, sein Volk sinnlos zu verheizen, wo der Krieg doch ganz klar verloren war. Alle Quellen deuten darauf hin, dass er bereits die Entmachtung der Generalität geplant hatte und auch ohne Nukes noch im gleichen Monat kapituliert hätte.
Hätte der Tenno wirklich den Schlußstrich gezogen, ohne alle zu verheizen? Wäre es nicht auch für den Tenno ein unerträglicher Gesichtsverlust gewesen, um Frieden zu verhandeln, solange noch Kämpfer vorhanden sind? Wenn nicht, wäre eine Entmachtung der Generalität unnötig gewesen, weil die sich wahrscheinlich gefreut hätten, daß der Tenno ihnen die Bürde abgenommen hätte, bis zum Tode kämpfen zu müssen. Das hätte ich gedacht. Auch hätte ich gefolgert:
Zitat von R.A. im Beitrag #57Sondern es ging um die Demonstration, daß man eine völlig neue Waffentechnik zur Verfügung hatte, denen das japanische Militär überhaupt nichts entgegensetzen konnte. Und das hat zur Kapitulation geführt.
Diese völlig neue Waffentechnik hat dem Tenno sozusagen die Brücke gebaut, zu kapitulieren, ohne alle Mann vorher verheizt zu haben.
Die japanische politische Mentalität ist nicht so leicht von Europa aus zu verstehen.
Zitat von Doeding im Beitrag #49Aus meiner Sicht gibt es zwischen Hiroshima/Nagasaki weder einen qualitativen noch einen quantitativen Unterschied zu Dresden und Hamburg
Da sehe ich schon einen Unterschied. Der größte Teil des alliierten Bomberkriegs war m. E. ein Kriegsverbrechen, weil es nicht wirklich um militärische Ziele ging, sondern nur um die Ermordung einer möglichst großen Zahl von Zivilisten. Und dies wurde auch noch fortgeführt als sich längst herausgestellt hatte, daß die ursprüngliche Idee einer "Demoralisierung" Deutschlands und damit einer Abkürzung des Krieges falsch war.
Bei Hiroshima hat sich diese Idee aber als richtig bewiesen. Weil die Botschaft ja auch eine andere war. Es ging nicht darum den Japanern zu drohen, daß man viele Zivilisten töten würde (es war ja klar, daß die USA das auch konventionell hätten schaffen können). Sondern es ging um die Demonstration, daß man eine völlig neue Waffentechnik zur Verfügung hatte, denen das japanische Militär überhaupt nichts entgegensetzen konnte. Und das hat zur Kapitulation geführt.
Hm, ich bin nicht sicher, ob das ganz konsistent argumentiert ist, lieber R.A.
Wenn ich das richtig verstehe, dann gibt es eine Art a posteriori-Legitimation militärischer Maßnahmen. Soll heißen wenn die Deutschen sich früher demoralisiert gezeigt hätten, dann wäre der Bombenkrieg (Teil)legitimiert gewesen. Da dies bis zu einem bestimmten Zeitpunkt aber nicht passiert war, wurde der gestern sozusagen noch fraglich legitime Angriff heute, gleichsam durch einen magischen Prozeß, delegitimiert? Und weil es umgekehrt in Japan funktioniert hat, waren die Bombenabwürfe gleichsam durch den Erfolg im Nachhinein legitimiert? Das finde ich aus zwei Gründen schwierig.
Erstens, welche Handlungshinweise soll man daraus für die Zukunft ableiten, wenn man das Ergebnis bzw. den Erfolg einer militärischen Strategie naturgemäß nicht vorhersehen kann? Ich finde, so kann man das nicht machen. Entweder solche Angriffe sind verwerflich, dann sind sie es unabhängig von ihrem Erfolg, oder sie sind es eben nicht.
Zweitens finde ich (als Nichthistoriker ) zumindest gewagt zu sagen, die Flächenbombardements auf deutsche Städte hätten Kriegsverlauf und -dauer nicht erheblich beeinflußt. Nehmen wir Hamburg. Neben den enormen zivilen Schäden wurden ja auch der kriegswichtige Hafen und die Werften sowie nachschubrelevante Infrastruktur zerstört bzw. schwer beschädigt. Ich denke schon, daß dieses Vorgehen die Fronten im Osten wie im Westen schneller haben zusammenbrechen lassen. Und man hatte ja nunmal noch keine Marschflugkörper, die das ganze "chirurgischer" hätten machen können (bzw. die einzigen, die im Besitz der ersten Marschflugkörper waren, waren bekanntlich die Deutschen mit ihren noch sehr unzuverlässigen V1/V2). Die klarste Ausnahme hiervon sehe ich in Dresden. Das war eindeutig Terror ohne jeden militärischen Wert.
Zitat von Doeding im Beitrag #49Aus meiner Sicht gibt es zwischen Hiroshima/Nagasaki weder einen qualitativen noch einen quantitativen Unterschied zu Dresden und Hamburg
Da sehe ich schon einen Unterschied. Der größte Teil des alliierten Bomberkriegs war m. E. ein Kriegsverbrechen, weil es nicht wirklich um militärische Ziele ging, sondern nur um die Ermordung einer möglichst großen Zahl von Zivilisten. Und dies wurde auch noch fortgeführt als sich längst herausgestellt hatte, daß die ursprüngliche Idee einer "Demoralisierung" Deutschlands und damit einer Abkürzung des Krieges falsch war.
Bei Hiroshima hat sich diese Idee aber als richtig bewiesen. Weil die Botschaft ja auch eine andere war. Es ging nicht darum den Japanern zu drohen, daß man viele Zivilisten töten würde (es war ja klar, daß die USA das auch konventionell hätten schaffen können). Sondern es ging um die Demonstration, daß man eine völlig neue Waffentechnik zur Verfügung hatte, denen das japanische Militär überhaupt nichts entgegensetzen konnte. Und das hat zur Kapitulation geführt.
Wer nicht lesen mag und des Englischen mächtig ist, kann sich hier eine Meinung in Form eines Audiobooks oder Podcasts (je nachdem wie man es genau bezeichnen möchte) anhören: http://www.dancarlin.com//disp.php/hharc...rld%20War%20One
Zitat von Doeding im Beitrag #60Nehmen wir Hamburg. Neben den enormen zivilen Schäden wurden ja auch der kriegswichtige Hafen und die Werften sowie nachschubrelevante Infrastruktur zerstört bzw. schwer beschädigt. Ich denke schon, daß dieses Vorgehen die Fronten im Osten wie im Westen schneller haben zusammenbrechen lassen.
Das so zu sehen, stellt das ganze Schema vom militärisch sauberen und zulässigen Bombenangriff, der militärische Ziele angreift und zivile Opfer als Kollateralschaden inkaufnimmt, auf den Kopf! (Die Absicht wird schon Terrorbombardement der Zivilbevölkerung gewesen sein, aber wurde das auch damals schon offiziell so deklariert? Waren die Aliierten hinsichtlich der Möglichkeit, selbst Kriegsverbrechen zu begehen, so abgebrüht? Oder wurden Hamburg, Dresden etc. nicht doch irgendwie als militärische Ziele definiert, in denen nur dummerweise Zivilisten -- im Falle Dresdens auch Verwundete und Flüchtlinge -- herumliefen?)
(Im Film "Memphis Belle" wird die Sache ganz squeaky clean und chirurgisch dargestellt; da überlegt die Bomberbesatzung noch mitten im Flakfeuer, ob sie den bomb run nicht lieber abbrechen (!) sollten, weil wegen schlechter Sicht nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Ladung statt über dem legitimen militärischen Ziel doch auch teilweise über einem Wohngebiet abgehen könnte und Zivilisten zu Schaden kommen könnten. Nun gut, ich war nicht dabei, aber das scheint mir doch eine dicke historische Lüge zu sein und damit der Film ein übles Propagandamachwerk.)
Zitat von Noricus im Beitrag #41Offen gesagt habe ich die Standards der BW noch nie verstanden: Bei Begegnungen mit Gebirgsjägern hat mich bisweilen schon sehr verwundert, wie schlecht manche dieser Soldaten Schi fahren. Das wird sich zwar im Laufe der Dienstzeit verbessern, bleibt dann aber häufig noch hinter dem zurück, was der leidlich ambitionierte Bergsportler gemeinhin draufhat. Ich frage mich also, warum nicht ein gewisses bergsportliches Können Voraussetzung für den Zugang zu den Gebirgsjägern ist.
* Interessanterweise haben die Finnen aus dem Winterkrieg von 1940/1 gg. die Sowjets die Lehre gezogen, dass alle - absolut alle - Soldaten Ski fahren können müssen, und im Kampf in Schnee und Eis und der Fortbewegung mit Waffe und Skiern trainiert werden.
Lieber Adder, wenn es hier in den Alpen mal richtig Winter wird - was in dieser Saison an der Nordseite zugegebenermaßen nicht wirklich der Fall war - ist der Tourenski im nicht fahrzeugtauglichen Gelände das einzige sinnvolle Hilfsmittel für die Fortbewegung. Schneeschuhe haben den Nachteil, dass sich bei ihnen das Gewicht auf eine kleinere Fläche konzentriert und somit die Lawinenauslösewahrscheinlichkeit durch eine einzelne Person höher ist. Außerdem ist das Queren sehr steiler Hänge mit Schneeschuhen eine unangenehme bis unmögliche Sache. Für eine Fortbewegung im winterlichen Gebirge sind einigermaßen gute Fähigkeiten im Skifahren folglich unabdingbar.
Zitat von Noricus im Beitrag #41Offen gesagt habe ich die Standards der BW noch nie verstanden: Bei Begegnungen mit Gebirgsjägern hat mich bisweilen schon sehr verwundert, wie schlecht manche dieser Soldaten Schi fahren. Das wird sich zwar im Laufe der Dienstzeit verbessern, bleibt dann aber häufig noch hinter dem zurück, was der leidlich ambitionierte Bergsportler gemeinhin draufhat. Ich frage mich also, warum nicht ein gewisses bergsportliches Können Voraussetzung für den Zugang zu den Gebirgsjägern ist.
Seine Sie mir nicht böse lieber Noricus, aber mit dem Lift auf einen Berg hinauf und über die präpariete Piste hinunterzufahren, würde ich nicht unbedingt als Bergsport bezeichnen.
Lieber Xanopos, das meinte ich auch nicht. Meine Überlegungen zielten auf den Tourenskilauf ab. Manche Gebirgsjäger sind ja schon mit dem Befahren einer Piste überfordert. Wie sollen die dann einen bruchharschigen Steilhang hinunterkommen, ohne sich zu verletzen?
Zitat von Doeding im Beitrag #60Wenn ich das richtig verstehe, dann gibt es eine Art a posteriori-Legitimation militärischer Maßnahmen.
So hatte ich das nicht gemeint.
Nochmal anders angesetzt: Grundsätzlich ist der Schutz von Zivilisten kein absoluter Wert, sondern es geht "nur" darum, "unnötige Opfer" zu vermeiden. Deswegen ist es (auch wenn viele US- und Israel-Basher das gerne vergessen) grundsätzlich akzeptabel, wenn beim Angriff auf ein militärisches Ziel auch Zivilisten ums Leben kommen. Aber die Opferzahl sollte unter Berücksichtigung des zu erreichenden militärischen Ziels und der zur Verfügung stehenden Waffen möglichst gering sein.
Angenommen es gäbe tatsächlich nur die Wahl zwischen a) 100.000 feindliche Zivilisten sterben und b) 100.000 eigene Soldaten sterben, um ein Ziel wie "Kapitulation der feindlichen Kräfte" und damit Kriegsende und Vermeidung weiterer Opfer zu erreichen - dann ist die Option a) wahrscheinlich zulässig. Wobei ich mir da nicht ganz sicher bin. Aber schließlich sind Soldaten auch Menschen. Und es ist legitim, eher die eigenen Leute zu schonen als die feindlichen - insbesondere in einem Fall, wo man die angegriffene Nation ist. Keine Regierung könnte ihrem Volk zumuten, eigene Soldaten zu opfern, nur weil die vielleicht völkerrechtlich weniger wert wären als die gegnerischen Zivilisten.
Insofern könnten die ersten Angriffe auf deutsche Städte oder der Atombombenangriff auf Japan gerechtfertigt sein.
Was aber bestimmt nicht mehr gerechtfertigt war, das war das andauernde Fortführen des alliierten Luftkriegs nachdem längst klar war, daß damit der Krieg nicht beendet werden kann. Also dem Abschlachten von Zivilisten kein echter militärischer Sinn entgegenstand.
Zitat Zweitens finde ich (als Nichthistoriker ) zumindest gewagt zu sagen, die Flächenbombardements auf deutsche Städte hätten Kriegsverlauf und -dauer nicht erheblich beeinflußt.
Ich habe ja auch nur von einem Teil des Bombenkriegs gesprochen. Nämlich dem, der bewußt nicht gegen militärische Ziele gerichtet war.
Die Angriffe auf den Hamburger Hafen (oder auch die Bahnhöfe in Dresden) waren gerechtfertigt. Und auch durch mangelnde Präzision entstandene Kollateralschäden.
Aber daneben gab es ja auch vorsätzlich und flächendeckend Bombardements, die nur die Zivilbevölkerung treffen sollten. Auch mit einer ausgeklügelten Waffentechnik, einer Kombination von Spreng- und Brandbomben, die für eine maximale Zahl von Opfern sorgen sollte. Diesen Teil des Luftkriegs kann man wohl als Kriegsverbrechen einstufen.
Zitat von Fluminist im Beitrag #62Die Absicht wird schon Terrorbombardement der Zivilbevölkerung gewesen sein, aber wurde das auch damals schon offiziell so deklariert?
Zitat da überlegt die Bomberbesatzung noch mitten im Flakfeuer, ob sie den bomb run nicht lieber abbrechen (!) sollten, weil wegen schlechter Sicht nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Ladung statt über dem legitimen militärischen Ziel doch auch teilweise über einem Wohngebiet abgehen könnte und Zivilisten zu Schaden kommen könnten.
Das mag in Einzelfällen vorgekommen sein, vielleicht bei US-Bombern - bei den Briten wäre das ja direkte Befehlsverweigerung gewesen. Auf jeden Fall ist das keine seriöse Darstellung des typischen alliierten Luftkriegs.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nichtIch gewinne an immer mehr Stellen den Eindruck, dass unsere Politik, ja unsere ganze Gesellschaft, nur noch glaubt, dass das Leben eine einzige Wohlstandverwaltung sei.
Schon Zettel hat sich damals über das Bismarckzitat "Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verkommt." amüsiert. Ich hätte nur nicht gedacht, daß so schnell so deutlich würde, zu welcher Generation die heutige zählt.
Zitat von Doeding im Beitrag #60Zweitens finde ich (als Nichthistoriker ) zumindest gewagt zu sagen, die Flächenbombardements auf deutsche Städte hätten Kriegsverlauf und -dauer nicht erheblich beeinflußt.
Eigentlich hat der Bombenkrieg den Kriegsverlauf nicht erheblich - schon gar nicht im Verhältnis zum eingesetzten Material - beeinflusst. Die deutsche Kriegswirtschaft war 1944 trotz massiver Bombardements deutlich größer als 1941. Der Durchhaltewille der Bevölkerung wurde eher positiv als negativ beeinflusst.
Zitat Nehmen wir Hamburg. Neben den enormen zivilen Schäden wurden ja auch der kriegswichtige Hafen und die Werften sowie nachschubrelevante Infrastruktur zerstört bzw. schwer beschädigt. (...) Und man hatte ja nunmal noch keine Marschflugkörper, die das ganze "chirurgischer" hätten machen können (bzw. die einzigen, die im Besitz der ersten Marschflugkörper waren, waren bekanntlich die Deutschen mit ihren noch sehr unzuverlässigen V1/V2). Die klarste Ausnahme hiervon sehe ich in Dresden. Das war eindeutig Terror ohne jeden militärischen Wert.
Präzise Bombardements waren möglich und wurden zum Teil sogar bevorzugt durchgeführt. Immerhin konnte jedes "Close Air Support"-Kampfflugzeug (d.h. auf allierter Seite vor allem die Dauntless- und Mustang-Baureihen), jede Stuka mit erheblicher Präzision zuschlagen - ansonsten wären Panzerabschüsse auch nicht möglich gewesen. Aber auch taktische Bomber konnten enorm präzise (für die damalige Zeit) treffen - die Angriffe auf militärische Ziele wie Brücken (v.a. außerhalb von Ortschaften), Flugzeuglandeplätze und Nachschub-Kolonnen belegen auch das. Wer nicht präzise bombardieren konnte, waren große, schwere "strategische Bomber" wie die Avro Lancaster oder die B-29, aber auch die kleineren B-17 und B-24. Das lag vor allem daran, dass dieses meist wegen der Flak als Höhenbombardement durchgeführt werden musste, wohingegen CAS/Stuka Sturzflug- oder Tiefflugangriffe mit deutlich erhöhter Präzision (auch schon rein physikalisch) durchführen konnten, und daran, dass adequate Zielhilfen nicht vorlagen. Beides zusammen führte auch zu taktischen Änderungen, die eben das "Dead Reckoning Bombing", also gigantische Flächenbombardements, bevorzugten. Der zweite Grund lag im Timing: die US-Bomber waren tagestauglich, führten sehr häufig Tiefflugangriffe und Präzisionsbombardements aus, während die britischen der Allierten Strategie gemäß vor allem nachts agieren sollten. Nachts war aufgrund der miserablen Nachtsichttechnologie, die damals zur Verfügung stand, kein Präzisionsangriff möglich. Was nicht heißt, dass US-Bomber nicht auch "dead reckoning" betrieben haben oder britische Maschinen präzise Schläge durchführten.
Trotzdem wird - wie auch schon damals - die Effektivität von massiven Bombardements deutlich überschätzt. Die Ausnahme ist - wie so häufig - Japan. Der Feuersturm über Japan, den MjGen. Curtis LeMay seine Maschinen entfachen liess, zerstörte nicht nur ganze Städte, sondern auch effektiv die Industriekapazitäten Japans. Hier liegt der Grund darin, dass der Großteil Japanischer Nachschubproduktion aus kleinteiligen Kleinfabriken verteilt über die Wohnviertel stammte - anders als in Deutschland, wo der Nachschub an leicht wieder aufbaubaren Stellen konzentiert wurde, oder gleich "unter Tage" verlegt wurde.
Dieser Feuersturm war auch der eigentlich Grund, warum Hirohito kapitulationswillig war. [quote=http://en.wikipedia.org/wiki/Surrender_of_Japan]On June 22, the Emperor summoned the Big Six to a meeting. Unusually, he spoke first: "I desire that concrete plans to end the war, unhampered by existing policy, be speedily studied and that efforts made to implement them."[/quote]
Wie gesagt, Hirohito hatte eine Bedingung - und dieses war nicht akzeptabel für die Allierten (d.h. sie bestanden, wie in Cairo und noch einmal in Jalta vereinbart, auf eine "bedingungslose Kapitulation").
Zitat Security concerns dominated Soviet decisions concerning the Far East. Chief among these was gaining unrestricted access to the Pacific Ocean. The year-round ice-free areas of the Soviet Pacific coastline—Vladivostok in particular—could be blockaded by air and sea from Sakhalin island and the Kurile Islands. Acquiring these territories, thus guaranteeing free access to the Soya Strait, was their primary objective. Secondary objectives were leases for the Chinese Eastern Railway, Southern Manchuria Railway, Dairen, and Port Arthur.
To this end, Stalin and Molotov strung out the negotiations with the Japanese, giving them false hope of a Soviet-mediated peace. At the same time, in their dealings with the United States and Britain, the Soviets insisted on strict adherence to the Cairo Declaration, re-affirmed at the Yalta Conference, that the Allies would not accept separate or conditional peace with Japan. The Japanese would have to surrender unconditionally to all the Allies. To prolong the war, the Soviets opposed any attempt to weaken this requirement.
Das passt auch mit dem zusammen, was ich an anderer Stelle bereits gelesen oder gesehen habe.
Zitat von Doeding im Beitrag #49 Sie haben aber m. E. überhaupt nicht recht, wenn Sie hier ein besonderes Menschheitsverbrechen konstatieren. Aus meiner Sicht gibt es zwischen Hiroshima/Nagasaki weder einen qualitativen noch einen quantitativen Unterschied zu Dresden und Hamburg (wo durch das Phänomen des Feuersturms ganz ähnliche Verheerungen aufgetreten sind). Wenn, dann müßte man also die Flächen- und Städtebombardierungen des 2. Weltkriegs, in die sich Hiroshima nahtlos einfügt, insgesamt bewerten, und diese Bewertung finde ich ausgesprochen schwierig (und das meine ich wirklich so).
Ich will nicht den Feuersturm von Dresden kleinreden, aber er ist im Verhältnis schon tatsächlich kleiner und es war auch keine 40 Jahre Verstrahlung die Folge. In Hiroshima starben alleine 90.000 Menschen in weniger als einer Minute, an den Spätfogen nochmal so viele verteilt über Jahre. Zu keinem (!) Zeitpunkt der Menschheit, hat es jemals eine so obszöne Vernichtung menschlichen Lebens gegeben, es ist eine Singularität der Geschichte und bei allem Respekt vor den Opfern von Dresden, eine Nummer grösser. Die Flächenbombardierungen in Deutschland sind ohne Zweifel ebenso Kriegsverbrechen, aber es sind verteilte die zumindest nicht in einem so singulären Ereignis betrachtet werden können.
Zitat Man kann es sich moralisch leicht machen und sagen, das sei generell verbrecherisch, Terror usw und Punkt. Ich denke aber eher, daß der Bombenkrieg eine ganz "normale" Eskalation ebenjener Perversion war, die Kriegsführung ohnehin und generell innewohnt (und wegen der, ich denke da sind wir uns einig, die Verhinderung von Kriegen eine zentrale Maxime von Politik sein muß).
Nein, das glaube ich nicht. Es ist ein Unterschied zwischen Krieg und Terror gegen Zivilisten. Im Krieg bekämpfen sich Soldaten. Und Soldaten wissen auch, dass sie legitime Ziele sind, zumindest so lange sie bewaffnet sind und sich nicht ergeben. Die Zivilbevölkerung ist kein legitimes Ziel. Nun gibt es den Effekt des Kollateralschadens. Der kann auch sehr gross sein, aber er ist von seinem Ziel her militräischer Natur. Die reine Bombardierung von Zivilisten dient nur einem Zweck: Dem Terror. Und das ist ein Kriegsverbrechen. Ich finde das auch tatsächlich überhaupt nicht schwierig.
Zitat Aus Sicht der Alliierten bedrohte ein hochaggressives Deutschland mir einer bis an die Zähne bewaffneten Wehrmacht ganz Europa. Es ging, zumindest für die Europäer, insbesondere für die Briten, um die Wurst, und die Eskalationslogik von Krieg scheint mir zu sein: je höher der Preis einer Niederlage desto mehr moralische Schranken fallen. So gesehen kann ich Churchill verstehen und gleichzeitig sehe ich Dresden, Hamburg oder auch Nagasaki als grausame Aktionen gegen die Zivilbevölkerung an.
Die Begründung ist hier nicht stichhaltig, lieber Herr Döding. Die größten Kriegsverbrechen, wie eben Hiroshima, Nagasaki, Dresden, sind allesamt passiert als der Krieg schon lange gewonnen war. Sie kamen nicht aus der Eskalation, die der drohenden Niederlage innewohnt, sie hatten ein ganz simples Motiv: Rache. Und egal wie sich jemand auch rechtfertigen möchte, wenn ich jemanden aus Rache heraus umbringe, dann bin ich ein Mörder. Das gilt auch für einen Herr Churchill, unabhängig von dem Respekt, den ich vor ihm habe.
Zitat Ich bin aber sehr vorsichtig, hier den Begriff des "Verbrechens" zu verwenden.
Ich nicht. Ich finde sogar wir sind es den Opfern schuldig die Dinge beim Namen zu nennen. Die fast 200.000 von Hiroshima sind nicht in einem Krieg "gefallen", sie wurden ermordet.
Zitat Oder ob man einen vielleicht noch mehrere Jahre währenden Krieg im Pazifik hätte in Kauf nehmen müssen. Ich kann aber umgekehrt verstehen, daß die Amis damals endlich den "Sack zumachen" wollten.
Der Wille ist naheliegend. Auch der Wille den Japanern mal so richtig zu zeigen wo der Hammer hängt (nach Pearl Harbor war da sicher so mancher sehr geknickt). Aber das ist keine Rechtfertigung für Massenmord. Persönlich glaube ich nicht, dass es noch einen langen Krieg gegeben hätte, weil die Japaner auch und gerade durch den Kriegseintritts Russlands an seiner Front ohnehin schon lange besiegt war. Unabhängig davon ist hunderttausendfacher Zivilistenmord zum Zwecke des Terrors kein legitimes Mittel einen Krieg zu beenden.
Zitat Ich finde es einfach superschwierig, moralische Kategorien für Kriegszeiten zu formulieren, die universelle Gültigkeit, unabhängig von der konkreten Situation, haben.
Das verlangt ja auch keiner. Ich habe hier einen Einzelfall beurteilt. Ich denke auch, dass es durchaus Grenzfälle geben kann, wo es schwer wird, eine solche Beurteilung zu finden. Ich finde nur die Atombombenwürfe sind weit, sehr weit davon entfernt auch nur als Grenzfall betrachtet zu werden.
Zitat von Doeding im Beitrag #49 Sie haben aber m. E. überhaupt nicht recht, wenn Sie hier ein besonderes Menschheitsverbrechen konstatieren. Aus meiner Sicht gibt es zwischen Hiroshima/Nagasaki weder einen qualitativen noch einen quantitativen Unterschied zu Dresden und Hamburg (wo durch das Phänomen des Feuersturms ganz ähnliche Verheerungen aufgetreten sind). Wenn, dann müßte man also die Flächen- und Städtebombardierungen des 2. Weltkriegs, in die sich Hiroshima nahtlos einfügt, insgesamt bewerten, und diese Bewertung finde ich ausgesprochen schwierig (und das meine ich wirklich so).
Ich will nicht den Feuersturm von Dresden kleinreden, aber er ist im Verhältnis schon tatsächlich kleiner und es war auch keine 40 Jahre Verstrahlung die Folge. In Hiroshima starben alleine 90.000 Menschen in weniger als einer Minute, an den Spätfogen nochmal so viele verteilt über Jahre. Zu keinem (!) Zeitpunkt der Menschheit, hat es jemals eine so obszöne Vernichtung menschlichen Lebens gegeben, es ist eine Singularität der Geschichte und bei allem Respekt vor den Opfern von Dresden, eine Nummer grösser. Die Flächenbombardierungen in Deutschland sind ohne Zweifel ebenso Kriegsverbrechen, aber es sind verteilte die zumindest nicht in einem so singulären Ereignis betrachtet werden können.
Lieber Llarian, bei den Brandbomben-Bombardements auf den japanischen Hauptinseln sind deutlich mehr Japaner ums Leben gekommen als bei Nuke-Abwürfen. Ich glaube, man muss hier nicht eine "Eskalation" annehmen oder eine Singularität. Die Hiroshima-Bombe war technisch eine Neuheit in Kampf gegen Japan, von der Vernichtungskraft her aber nicht. (siehe auch unten)
Zitat
Zitat Aus Sicht der Alliierten bedrohte ein hochaggressives Deutschland mir einer bis an die Zähne bewaffneten Wehrmacht ganz Europa. Es ging, zumindest für die Europäer, insbesondere für die Briten, um die Wurst, und die Eskalationslogik von Krieg scheint mir zu sein: je höher der Preis einer Niederlage desto mehr moralische Schranken fallen. So gesehen kann ich Churchill verstehen und gleichzeitig sehe ich Dresden, Hamburg oder auch Nagasaki als grausame Aktionen gegen die Zivilbevölkerung an.
Die Begründung ist hier nicht stichhaltig, lieber Herr Döding. Die größten Kriegsverbrechen, wie eben Hiroshima, Nagasaki, Dresden, sind allesamt passiert als der Krieg schon lange gewonnen war. Sie kamen nicht aus der Eskalation, die der drohenden Niederlage innewohnt, sie hatten ein ganz simples Motiv: Rache. Und egal wie sich jemand auch rechtfertigen möchte, wenn ich jemanden aus Rache heraus umbringe, dann bin ich ein Mörder. Das gilt auch für einen Herr Churchill, unabhängig von dem Respekt, den ich vor ihm habe.
Für alle drei Ereignisse kommt noch ein weiterer Punkt hinzu: die Allierten hatten (zumindest was die britische Seite und das US-Militär betraf, nicht unbedingt Roosevelt) schon den nächsten Feind vor Augen - nämlich Stalin und die Sowjetunion. Dresden wurde speziell deshalb ausgewählt, weil es noch unzerstört war und weil die Rote Armee kurze Zeit später dort einmarschieren würde. Man wollte den Sowjets zeigen, zu welcher Zerstörung man (damals konventionell, später im Fall von Hiroshima und Nagasaki atomar) in der Lage war. Es war in diesem Sinne ein durchaus erfolgreiches Signal der Abschreckung. Trotzdem war der Bombenkrieg ein Kriegsverbrechen - und speziell diese drei Ereignisse stehen exemplarisch für die Barbarei dieser Kriegsführung.
In Bezug auf "Verstehen": ich kann die britische Kriegsführung in soweit verstehen, wie es um die Jahre 1940-43 geht. In dieser Zeit war zumindest die britische Wahrnehmung des Feindes die eines unbezwingbaren Molochs, der mit riesigen Kriegsheeren eben auch das blanke Überleben bedrohte. Allerdings hätte man - und die Briten wussten, dass ihre Strategie des "terror bombings" fehlgeschlagen war - dieses mit diesem Wissen beenden müssen. Alleine schon aus bloßer strategischer Überlegung: die Menge an Material und Menschen, die für die Produktion der notwendigen Bomben und Maschinen und die Bemannung und Durchführung der Bombing runs notwendig war, war enorm. Man schätzt, dass der periodische Wiederaufbau von betroffenen Rüstungsbetrieben und die Reduktion des Waffenausstoßes dieser Fabriken, die ja in keinem Verhältnis zum eingesetzten Material standen, faktisch überhaupt keinen Einfluss auf den Verlauf des Krieges hatten. Wie viele Churchill-Panzer oder Zerstörer die Briten dafür hätten bauen können...
Zitat von adder im Beitrag #69 Eigentlich hat der Bombenkrieg den Kriegsverlauf nicht erheblich - schon gar nicht im Verhältnis zum eingesetzten Material - beeinflusst. Die deutsche Kriegswirtschaft war 1944 trotz massiver Bombardements deutlich größer als 1941. Der Durchhaltewille der Bevölkerung wurde eher positiv als negativ beeinflusst.
Einschränkend sollte man hier allerdings berücksichtigen, dass die deutsche Wirtschaft 1941 noch nicht komplett auf eine Kriegswirtschaft umgestellt war. Das erfolgte erst ab 1942. Die Vergleiche sind hier in der Regel von einer "normalen" Wirtschaft mit einer durch Bombenkrieg beeinträchtigeten Kriegswirtschaft. Ich würde deswegen nicht unbedingt davon ausgehen, dass der Bombenkrieg "nicht erheblich" die deutsche Wirtschaft oder den Kriegsverlauf beeinträchtigt hat. Wenn man bedenkt wieviel Zeit, Geld und Ressourcen der Wiederaufbau zerstörter Produktionsanlagen gekostet hat, wie hoch der Produktionsausfall und die notwendige Verlagerung von Ressourcen zur Sicherung der Anlagen benötigte, dann wird der Einfluss doch höher liegen als allgemein angenommen. Ob die Kosten (der Alliierten) mit dem Nutzen in Einklang standen ist allerdings offen. Die Vergleichsdaten sind hierfür einfach nicht vorhanden.
Zitat von Llarian im Beitrag #70es ist eine Singularität der Geschichte
Ich bin etwas vorsichtig mit solchen Hervorhebungen. Jedes historische Ereignis ist singulär, und die beiden Atombombenabwürfe sind es natürlich besonders.
Für die moralische Beurteilung finde ich es aber recht nebensächlich, ob die Opfer in zwei Minuten starben oder über mehrere Stunden verteilt. Und selbst die Zahl der Opfer ist eigentlich zweitrangig - in erster Linie steht das Problem, daß gezielt Zivilisten getötet wurden. Obwohl diese eigentlich besonderen Schutz genießen sollten. In diesem Sinne ist die Beurteilung von Hiroshima oder Dresden gar nicht so viel anders wie die von Coventry. Denn daß dort nur verhältnismäßig wenige Menschen starben, das lag ja nur daran, daß die Luftwaffe wesentlich weniger Bombenvolumen zum Einsatz bringen konnte. Die Absicht war dagegen ziemlich dieselbe.
Zitat Die reine Bombardierung von Zivilisten dient nur einem Zweck: Dem Terror. Und das ist ein Kriegsverbrechen.
Wahrscheinlich schon. Die Frage ist halt: Wenn man die Wahl hat zwischen einem Kriegsverbrechen und dem Opfern eigener Soldaten - ist dann nicht vielleicht entschuldbar, daß man die eigenen Leute schonen möchte?
Zitat Die größten Kriegsverbrechen, wie eben Hiroshima, Nagasaki, Dresden, sind allesamt passiert als der Krieg schon lange gewonnen war. Sie kamen nicht aus der Eskalation, die der drohenden Niederlage innewohnt, sie hatten ein ganz simples Motiv: Rache.
Das würde ich nicht so sehen. Der Krieg war zwar im wesentlichen schon entschieden - aber das hilft ja wenig, wenn die Unterlegenen das nicht einsehen und weiterkämpfen. Und damit beständig weitere Opfer produziert werden. Ich verweise noch einmal auf den Blog "USA erklärt". Das ist m. E. eine sehr überzeugende Darstellung der Problemlage. Und danach standen die USA vor dem sehr realen Risiko, daß die Schlußphase eines eigentlich schon entschiedenen Krieges sie ganz erhebliche Verluste kosten würde. Und um die zu vermeiden, haben sie zur Atombombe gegriffen - da ging es nicht um Rache.
Zitat von Llarian im Beitrag #70Die Begründung ist hier nicht stichhaltig, lieber Herr Döding. Die größten Kriegsverbrechen, wie eben Hiroshima, Nagasaki, Dresden, sind allesamt passiert als der Krieg schon lange gewonnen war. Sie kamen nicht aus der Eskalation, die der drohenden Niederlage innewohnt, sie hatten ein ganz simples Motiv: Rache.
Also jetzt muss ich doch einmal für Churchill Partei ergreifen.
Erstens: Wenn denn der Krieg schon lange entschieden war, dann wäre es eigentlich an der unterlegenen Seite gelegen, dies einzugestehen und zu kapitulieren. Hat Deutschland aber nicht gemacht. Zumindest aus deutscher Sicht war der Krieg also noch nicht entschieden. Und man kann es wohl kaum den Engländern vorwerfen, dass sie in einem Krieg, in dem die Gegenseite weiter verbissen kämpfte (und ihrerseits auch weiter an Plänen zur Bombardierung englischer Städte arbeitete), nicht einseitig auf Eskalationsstufen verzichteten.
Zweitens: Aus heutiger Sicht gibt es starke Indizien dafür, dass die Bombardierung deutscher Städte die deutsche Kriegswirtscahft nicht entscheidend schwächte. Aber selbst heutzutage ist diese Frage unter Historikern noch umstritten. Aus damaliger Sicht war es England wohl kaum möglich, eine präzise Beurteilung der kriegswirtschaftlichen Folgen der Bombardierung zu bekommen. Die vielen schönen Statistiken, die heutzutage Historiker einsehen können, standen den Kriegsparteien damals ja nicht zur Verfügung. Als militärischer Laie (aber immerhin betriebswirtschaftlich denkender Mensch) erschiene es mir eigentlich schon SEHR plausibel, mit den Bombenangrifen bei der Waffenproduktion anzusetzen: eine Bombe auf einen Panzer zerstört ggf. einen Panzer. Eine Bombe auf eine Panzerfabrik verhindert oder verzögert die Produktion von vielen Panzern.
Zitat von Florian im Beitrag #74Wenn denn der Krieg schon lange entschieden war, dann wäre es eigentlich an der unterlegenen Seite gelegen, dies einzugestehen und zu kapitulieren. Hat Deutschland aber nicht gemacht.
Richtig. Daher war es auch legitim, daß die Alliierten mit allen Mitteln weitergekämpft haben.
Zitat Aus damaliger Sicht war es England wohl kaum möglich, eine präzise Beurteilung der kriegswirtschaftlichen Folgen der Bombardierung zu bekommen.
Präzise nicht. Aber es gab ja zwei Strategien (die auch beide verfolgt wurden): a) Das Bombardement kriegswichtiger Ziele (bei dem vergleichsweise wenige Zivilisten als Kollateralschaden getroffen wurden) b) Der flächendeckende Angriff auf Wohngebiete - bei dem es in erster Linie darum ging, möglichst viele Zivilisten zu töten.
Und es war den Briten natürlich klar, daß mit b) die Kriegswirtschaft nur marginal beeinträchtigt wurde. Trotzdem haben sie ganz erhebliche Kapazitäten dafür aufgewendet.
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