Drei Jahre ist das schon her? Die Zeit rast, die Dinge ändern sich.
Zettel hat mit seinem kleinen Zimmer damals für mich einen Ort der Vernunft, der aufrichtigen Debatte dargestellt. Ich lese auch heute noch immer wieder in Zettels kleinem Zimmer und viele Beiträge und Kommentare inspirieren mich. Vieles regt mich an, einiges verstärkt meine Aufregung.
Die Zeiten haben sich geändert. Vieles was Zettel damals als wahrscheinlich undenkbar abgewiesen hätte ist heute Realität. Wie Doeding so treffend schrieb hat sich das Verhältnis vieler Bürger zum eigenen (!) Staat geändert. "Eigenem Staat", "mein Land", "meine Heimat", das alles hat sich geändert. Hätte ich nie gedacht, hätte Zettel nie (unterstelle ich) für möglich gehalten. Ob er dem Ganzen eine optimistische Seite abgewonnen hätte? Braucht es mehr Optimismus? "Wird schon gutgehen"......
Stranger in a strange land, das Land, viele Mitmenschen, viele Freunde sind einem durch die Krise (Karthasis) fremd geworden. Viele Dinge die man für selbstverständlich genommen hatte sind Geschichte.
Es regiert die Dummheit, die Ideologie, der Gesinnungswahn, der Moralismus, der eigentlich nur Zerstörungswut ist. Lust an der Zerstörung einer Nation treibt die Ränder. Das Bildungsgutmenschentum, das leider keine Bildung hat, keine Bindung, keine Identität, daher alles was die Gesellschaft zusammenhalten will auf dem Altar der Humanität opfert. Die saturierten, arivierten Kreise, die mit Teddybären werfen und im Vorbeigehen die Welt retten wollen, sie befeuern den Kampf, den Untergang, sie haben nicht begriffen, dass man für Freiheit kämpfen muss, dass man Freiheit verteidigen muss, dass man manchmal nicht gut sein kann, um etwas Gutes zu erhalten.
Zettel. Was hätte er gedacht, geschrieben? Müßig sich darüber Gedanken zu machen. Er hätte auch keine Antwort gefunden, er wäre auch nur Mensch gewesen mit Ängsten, Zweifeln und Trauer. Trauer über den Verlust von Selbstverständlichkeiten.
Zitat Trauer über den Verlust von Selbstverständlichkeiten.
Nun soll man denen, die sich nicht mehr wehren können, nichts in den Mund legen - aber da habe ich meine Zweifel. Denn was für mich, der ich 40 Jahre (oder genau eine Bonner Republik lang) jünger ist als er, selbstverständlich ist, nämlich in Frieden, Wohlstand, Freiheit und geradezu unverschämtem Wohlstand zu leben, war es für ihn keineswegs. Er hat Luftangriffe miterlebt, Hunger, und er hat gelernt, Feinde als Befreier zu empfinden. Und das wichtigste: Er hat nie seinen Anstand verloren, und ich glaube nicht, mich weit aus dem Fenster zu lehnen, wenn ich aus tiefster Überzeugung sage: Er hätte es jetzt auch nicht getan.
Nun soll man denen, die sich nicht mehr wehren können, nichts in den Mund legen - aber da habe ich meine Zweifel. Denn was für mich, der ich 40 Jahre (oder genau eine Bonner Republik lang) jünger ist als er, selbstverständlich ist, nämlich in Frieden, Wohlstand, Freiheit und geradezu unverschämtem Wohlstand zu leben, war es für ihn keineswegs. Er hat Luftangriffe miterlebt, Hunger, und er hat gelernt, Feinde als Befreier zu empfinden. Und das wichtigste: Er hat nie seinen Anstand verloren, und ich glaube nicht, mich weit aus dem Fenster zu lehnen, wenn ich aus tiefster Überzeugung sage: Er hätte es jetzt auch nicht getan.
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Hier kann man nachlesen, wie Zettel über den Islam dachte bzw. wie wenig er sich damit befassen wollte. Das war noch zu einer Zeit (vor etwa 7 Jahren) in der man vom Islam ausschließlich als Religion sprach, während man heute sehr wohl den Islam als allumfassende Gesetzesgrundlage für die Ummah begreift, egal wo die Ummah sich niederläßt und egal in welchem Land sie sich befindet. Die Gemeinschaft der "Rechtgläubigen" also die Ummah ist staatsübergreifend zuallererst dem Koran verpflichtet und dessen Vorschriften (Suren) sie sind das Gesetz. Genauso wie die Scharia. Außerdem vermittelte Erdogan zu der Zeit noch einen Türkischen Säkularen Staat mit allen für uns kompatiblen Merkmalen.
Zitat von Hajo -------------------------------------------------------------------------------- Es ist schön, natürlich, wenn sich liberale und, wie ich finde, zeitgemäße Interpretationen des Islam entwickeln, die mit unserem kulturellen Erbe kompatibel sind, allein mir fehlt der Glaube daran, dass sich dieser wirklich in Europa durchzusetzen vermag. Evidenz scheint sich da eher für das Gegenteil finden zu lassen... --------------------------------------------------------------------------------
Zitat von Zettel Ich glaube nicht, lieber Hajo, daß wir vorhersagen können, wie sich der Islam entwickeln wird. Es gibt Tendenzen in die eine und in die andere Richtung; sie müssen ja auch nicht zu einem homogenen Ergebnis führen.
Der starke Einfluß, den der Islamismus im Augenblick hat, ist ja noch gar nicht so alt. Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts waren die Islamisten fast überall kleine Sekten; wie die Moslembrüder in Ägypten. Die meisten arabischen Länder schienen damals auf dem Weg in die Moderne zu sein. Es herrschte der säkulare, teils sogar atheistische Arabische Sozialismus. In Persien, wir haben gerade darüber diskutiert, versuchte der Schah sein Land zu modernisieren; auch er ja nicht gerade ein Islamist.
Ebenso war es in Nordafrika, wo in Algerien die sozialistische FLN und in Tunesien der die säkulare Neodestur-Partei auf die Macht zustrebten. Dasselbe Bild in Pakistan, in Bangla Desh, in Indonesien.
Wie es seither zu der momentanen Welle des Islamismus gekommen ist, das müßte man im einzelnen untersuchen. Das Scheitern des Arabischen Sozialismus hatte einen zentralen Anteil; darüber habe ich schon in anderen Diskussionen geschrieben. Wenn man Heinsohn folgt, dürfte auch die demographische Explosion eine Rolle gespielt haben. Der Islamismus ist ja ein typisches Unterschicht-Phänomen.
Dann spielte die Wanderung nach Europa sicherlich eine Rolle. Auswanderer stehen immer vor der Frage, sich zu assimilieren oder gerade ihre alte Kultur zu betonen. Viele haben sich für das Letztere entschieden; auch da müßte man wieder die Gründe aufdröseln.
Also, lieber Hajo, mir scheint diese Welle des Islamismus ein historisches Phänomen zu sein, von dem ich denke, daß es damit bald wieder vorbei ist. Auch Moslems wollen gut leben. Auch sie wollen in ihrere Mehrheit so wenig vom Klerus geknechtet werden, wie in der DDR die Bürger von den Bonzen geknechtet werden wollten.
Herzlich, Zettel
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Vielleicht stand Zettel auch so über den Dingen, dass er gar nicht pessimistisch oder optimistisch sein musste. Hinzu kam seine strenge Disziplin, sowohl im Stil als auch der dem Verstand. Er war die Eiche an dem sich so manches 'Wildschwein' reiben konnte. So weit ich vermute, hatte er aber auch keine Kinder.
Was kommt mir aber in den Sinn zum Thema Optimismus? Für die Generation meines Vaters mag es eine Zeitlang einen kollektiven Optimismus gegeben haben, für sehr viele dieser Generation war das Ergebnis aber früher Tod. Im Gegensatz zu den USA haben die Deutschen zwei Weltkriege verloren. Auch wenn die Verluste der USA enorm waren, so blieb die Heimat immer intakt. Auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass Optimismus in den 30er Jahren in den USA weit verbreitet war, wohl eher Verzweiflung.
Ich bin Nachkriegsgeneration. Ich kann mich nicht erinnern, jemals optimistisch gewesen zu sein. Ich habe mir schlicht wenig Gedanken über die Zukunft gemacht, mich nur Studium und Job gewidmet. Eine recht geradlinige Karriere, die mir zeitweise sehr viel Spaß bereitet hat. Pessimismus im Allgemeinen hat sich erst spät eingeschlichen, mit der Erkenntnis, wie Staat und Regularien zuvor gewährte Freiräume Schritt für Schritt eingeengt haben, und im Gegenzug der Staat Verpflichtungen gegenüber den Bürgern vernachlässigt, und - im Hinblick auf eigene Kinder - die Zukunft mehr und mehr verfrühstückt hat. In manchen Bereichen scheitert Optimismus an Adam Riese, was bleibt ist Realismus. Als Einzelner muss man sich dann auch die Frage stellen, ob man ähnlich den Juden im dritten Reich die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkennen kann, und notfalls das Weite sucht. Am Ende zählt der Überlebensinstinkt, das ist kein Widerspruch zum Optimismus, höchstens dem kollektiven.
Was für ein schöner Text. Danke dafür lieber Andreas. Danke für das angemessene Gedenken an Zettel.
Zitat von diese GedankenMeine größte Sorge ist, dass die Menschen in diesem Land den Glauben an ihr Land und an ihre eigene Zukunft verlieren, den Glauben an sich selbst, an ihre Fähigkeit zu Erneuerung und Veränderung;
Auch diese Sorge mag unbegründet sein, da auch diese Sorge Deutschland wohl schon immer kennt und die Empirie trotzdem immer den Weg ins Licht fand.
Was beunruhigen könnte, sind vielleicht die singulären Ereignisse die deutscher Größenwahn und Eigensinn in der Geschichte immer wieder heraufbeschwor und deren Entstehung den Deutschen immer nur in der Retroperspektive klar wird, ohne dass sie daraus zu lernen scheinen. Mit solchen singulären Ereignissen ist möglicher Weise immer mal wieder zu rechnen und ich sehe da im Moment ein Problem, welches das Zeug dazu hat, sich zu so etwas auszuwachsen:
Die wachsende Neigung der Deutschen sich in Europa wieder zu isolieren, wie es seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr der Fall war und dabei die anderen Länder Europas immer wieder und immer heftiger vor den Kopf zu stoßen. In Verbindung mit dem sozialen Unfrieden, den man sich durch die aktuelle, katastrophale Politik auf Jahrzehnte einkauft, könnte dies in der Tat wieder einmal den Frieden in Europa bedrohen. -- Muß natürlich nicht, aber meiner Meinung nach spielen hierzulande viele leichfertig mit dem Feuer, ohne es zu merken.
Beim Rest haben Sie Recht: Ob Energiewende (solange man die europäischen Nachbarn damit in Frieden lässt), Genderwahn, Quotenzirkus, Demographie oder sonstige Katastrophen - das vernichtet Wohlstand aber nicht die Nation. Natürlich ärgert mich maßlos, dass diejenigen welche das dem Land bescheren diese Rechnung wohl nie werden zahlen ode sonst wie verantworten müssen. Ganz zu schweigen von deren Selbstgefälligkeit und Selbstgerechtigkeit. Aber so ist das Leben schon immer und die Welt dreht sich trotzdem weiter. Ob mir persönlich das gefällt oder nicht.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat -------------------------------------------------------------------------------- Hier kann man nachlesen, wie Zettel über den Islam dachte bzw. wie wenig er sich damit befassen wollte. --------------------------------------------------------------------------------
Ja stimmt und ich habe mich all zu gern darin gut aufgehoben gefühlt. Ich habe damals gedacht, wenn Zettel so abgeklärt an die Problematik rangeht, dann gibt's keinen Grund zur Sorge. Da, habe ich mich leider geirrt.
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Zitat von Nola im Beitrag #8Ich habe damals gedacht, wenn Zettel so abgeklärt an die Problematik rangeht, dann gibt's keinen Grund zur Sorge. Da, habe ich mich leider geirrt.
Zettels Abgeklärtheit ist jedenfalls ein schönes Beispiel, wie man mit seinen Sorgen auch umgehen kann. Die "kollektive Besoffenheit" wird ihn ja nicht kaltgelassen haben...
Ja, wirklich ein sehr schöner Text. Und im Ton eben genau in der wohltuenden Tradition von Zettel. Danke, Andreas.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #3Nun soll man denen, die sich nicht mehr wehren können, nichts in den Mund legen
Wobei: ich habe das Gefühl, daß ich einigermaßen zu wissen meine, was ich wahrscheinlich gesagt hätte, wenn zum Beispiel dies in der Diskussion erschienen wäre (ich war ja vor 7 Jahren noch nicht dabei), und, salva venia, sehr genau, was Zettel darauf geantwortet hätte.
Zitat Der Islamismus ist ja ein typisches Unterschicht-Phänomen.
Ich hätte vielleicht eingewendet, daß Mohammed Atta, bin Laden und viele derer, die heute zum Islamischen Staat strömen, nicht der Unterschicht entstammen, sondern den gebildeten, studierten. Und Zettel hätte mich ruhig und besonnen darauf hingewiesen, daß das genau jenes Phänomen ist, das in den sechziger und siebziger Jahren so viele radikalisierte Studenten auch im Westen in die Arme des Terrorismus getrieben hat - und daß im Nahen und Mittleren Osten, den ja 90 Prozent oder mehr des Islamismus betreffen, das doch genau jenes Phänomen der so mittel- wie hoffnungslosen Schichten darstellt. Zettels Stimme war ja sehr stark in ihrer Nachdrücklichkeit, auch in in der Zurückhaltung, das Argument wirken & einsinken zu lassen. Und das, wenn die Standpunkte dann doch zu konträr waren, auf sein berühmtes agree to disagree auslaufen zu lassen. Und dieser Ton, diese Zurücknahme (ich will jetzt nicht "sokratisch" sagen, das hätte er sicher nicht gemocht, aber ein anderes Wort fällt mir auf-die-Schnelle nicht ein), ist mir wieder schlagartig präsent, auch wenn ich nur einen solchen kurzen Abschnitt sehe wie den von Nola zitierten.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Martin im Beitrag #6Vielleicht stand Zettel auch so über den Dingen, dass er gar nicht pessimistisch oder optimistisch sein musste. Hinzu kam seine strenge Disziplin, sowohl im Stil als auch der dem Verstand. Er war die Eiche an dem sich so manches 'Wildschwein' reiben konnte. So weit ich vermute, hatte er aber auch keine Kinder.
Mein Eindruck war im Gegenteil, daß Zettel mit viel, auch emotionalem, Herzblut bei der Sache gewesen ist. Aber das hat sicher jeder ein wenig anders empfunden.
Zitat Was kommt mir aber in den Sinn zum Thema Optimismus? Für die Generation meines Vaters mag es eine Zeitlang einen kollektiven Optimismus gegeben haben, für sehr viele dieser Generation war das Ergebnis aber früher Tod. Im Gegensatz zu den USA haben die Deutschen zwei Weltkriege verloren. Auch wenn die Verluste der USA enorm waren, so blieb die Heimat immer intakt. Auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass Optimismus in den 30er Jahren in den USA weit verbreitet war, wohl eher Verzweiflung.
Es geht ja nicht um einen naiven "Alles wird gut-Optimismus" (oder neuerdings auch Wir schaffen das ohne Sinn und Verstand, als problemnegierende rosarote Brille). Es geht mir eher um die Frage, ob man bei Herausforderungen eher die Möglichkeiten und die Machbarkeit betont -oder eben nicht. Für die Große Depression in den USA haben Sie sicher recht. Man sollte aber nicht vergessen, daß wir in der Bundesrepublik Vergleichbares noch überhaupt nicht erlebt haben; dennoch erscheint mir die Stimmung im Land so, als wäre genau das jetzt unsere Situation. Das erscheint mir unangemesssen und übertrieben. Fakt ist, wir wissen nicht, wie es in der Eurokrise weitergeht, in der Flüchtlingskrise, mit der Energiewende. Dazu auch Vince Ebert aktuell auf achgut. Und wenn Experten so systematisch danebenliegen, wer sind wir, daß wir in Diskussionen oft so tun als wäre die Zukunft durch gegenwärtige Politik vollständig determiniert? Für mich bin ich zu dem Schluß gekommen, daß ich z. T. einer insgesamt aufheizenden, zunehmend polarisierten Stimmung im Land sozialpsychologisch erlegen bin und will versuchen, mich daraus wieder zu lösen. Nicht mehr -aber auch nicht weniger. Nichts gesundbeten, aber positive Veränderung wieder für möglich halten und freundlich bleiben, auch zu politischen Gegnern; trotzdem man sich mit einer solchen Haltung in diesem Land momentan vermutlich am ehesten lächerlich macht.
Zitat von diese GedankenMeine größte Sorge ist, dass die Menschen in diesem Land den Glauben an ihr Land und an ihre eigene Zukunft verlieren, den Glauben an sich selbst, an ihre Fähigkeit zu Erneuerung und Veränderung;
Auch diese Sorge mag unbegründet sein, da auch diese Sorge Deutschland wohl schon immer kennt und die Empirie trotzdem immer den Weg ins Licht fand.
Zitat Was beunruhigen könnte, sind vielleicht die singulären Ereignisse die deutscher Größenwahn und Eigensinn in der Geschichte immer wieder heraufbeschwor und deren Entstehung den Deutschen immer nur in der Retroperspektive klar wird, ohne dass sie daraus zu lernen scheinen. Mit solchen singulären Ereignissen ist möglicher Weise immer mal wieder zu rechnen und ich sehe da im Moment ein Problem, welches das Zeug dazu hat, sich zu so etwas auszuwachsen:
Die wachsende Neigung der Deutschen sich in Europa wieder zu isolieren, wie es seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr der Fall war und dabei die anderen Länder Europas immer wieder und immer heftiger vor den Kopf zu stoßen. In Verbindung mit dem sozialen Unfrieden, den man sich durch die aktuelle, katastrophale Politik auf Jahrzehnte einkauft, könnte dies in der Tat wieder einmal den Frieden in Europa bedrohen. -- Muß natürlich nicht, aber meiner Meinung nach spielen hierzulande viele leichfertig mit dem Feuer, ohne es zu merken.
Ja, lieber n_s_n, das ist auch eine meiner größeren Sorgen. Gleichwohl höre ich auch hier schon wieder Unkenrufe, die Krieg! inmitten von Europa vorhersehen wollen; gestern las ich sogar von einem neuen deutsch-französischen Krieg, der am Horizont auftauche. Gehts noch? das ist genau das,was ich meine. Bis ein solches Ereignis überhaupt denkbar würde, müßten noch ungefähr 10 Millionen Dinge schiefgehen; eine unwahrscheinlicher als die andere. Unmöglich ist freilich wenig, aber eine solche Denke ist eben keinen Millimeter realistischer als das Anti-Atom-Theater. Es ist die gleiche angstgeleitete kognitive Struktur, die handlungswirksam wird, und am Ende zu einer Art Scheinbestätigung für die Ängste wird. Wenn alle KKW abgeschaltet sind, ist der sichere Betrieb eben nicht mehr empirisch belegbar, und die zugrundeliegenden Ängste scheinbar bestätigt. Die Menschen erleben sich zunehmend als handlungsunfähig (weil völlig risikofixiert), und manche resignieren. Oder gehen in die "Innere Kündigung gegenüber diesem Staat" (Werner Patzelt gestern auf Welt Online). Eine klassische "Selbsterfüllende Prophezeihung", und gegen die sollte man sich wenden, finde ich. Das versuche ich, zuallererst bei mir selbst .
Ja, lieber n_s_n, das ist auch eine meiner größeren Sorgen.
Herzliche Grüße, Andreas
Sorgen machen sich nur diejenigen, die ohne Handlungsoption sind. Natürlich wäre es unangenehm, wenn Deutschland, Europa zerbrächen, nur hat unsereins darauf minimalen Einfluss. Wir können höchstens Augen und Optionen offen halten, und gegebenenfalls schnell und konsequent agieren. Das europäische Konzept setzt auf Gier, sowohl seitens der Akteure in Brüssel und Straßburg, als auch seitens der Akteure in den Nationalstaaten, und auf sozialistisches Ruhigstellen für die allgemeine Bevölkerung. Ein brüchiges Konzept. Was nach einem Bruch passiert ist schwer vorherzusagen.
Weniger Vereinheitlichung und eine Konkurrenz nationaler Konzepte hätte Europa besser getan. Hätte, sollte, könnte zählen aber nicht.
Immerhin, plötzlich zeigen sich Lichtblicke oder Leuchttürme in der Krise: http://www.tagesschau.de/ausland/intervi...tlinge-101.html Neben Kurz verblassen die eingetrockneten, verknöcherten und bellenden deutschen Politiker, Politikerinnen und Funktionäre durch die Bank. Vielleicht gibt das neue Orientierung bei der Auswahl des künftigen Personals.
Zitat von Doeding im Beitrag #12Gleichwohl höre ich auch hier schon wieder Unkenrufe
Als solchen haben sie meine Aussage hoffentlich nicht verstanden.
Ich glaube, ich verstehe die Intention Ihres Textes, die ich zumindest sehr gut nachvollziehen kann: Dass die innere Haltung ganz wesentlich die Möglichkeiten determiniert, das Bestmögliche aus der Situation zu machen.
Ein Punkt in hier diskutiertem Beispiel ist aber auch, dass lange bevor es zum Krieg kommt, bereits große Schäden angerichtet werden und es kann mitunter notwendig sein, die Konsequenz auf die das ganze im Extremfall zuläuft aufzuzeigen, um klar zu machen auf welchem Weg man sich befindet.
Die Neigung zum Destruktivismus macht aus solchen Argumentationsfiguren dann etwas, was sie nicht sein sollen. Auf der anderen Seite, scheinen mir viele nicht erkennen zu können, auf welchem Weg sie sind, wenn Sie nicht auch das Ende sehen können. Es ist ein schmaler Grat.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Doeding im Beitrag #1Heute vor drei Jahren ist Zettel verstorben. Dies und die allgemeine Stimmung im Land waren Anlaß für diese Gedanken.
Herzlichen Gruß, Andreas
Ein Artikel, der mich sehr zum Nachdenken gebracht hat, Herr Doering.
Ich habe seit dem dieser Wahnsinn losgebrochen ist, schon oft gedacht: "Was hätte Zettel dazu gesagt?"
Zettelsraum war für mich immer ein Refugium geistiger Vernunft und sein Optimismus war gerade zu ansteckend und war einer der Gründe, die mich stets davon abgehalten haben, ins wohltuende und verführerische Nirwana des Unpolitischen abzugleiten.
Ich will mir nicht anmaßen, Behauptungen darüber aufzustellen, was er zu dieser Krise gesagt hätte. Ich kann nur Vermutungen anstellen.
Ich glaube, er wäre maßlos enttäuscht gewesen - von der Person Merkel, die er trotz ihrer Fehler stets für eine verantwortungsbewusste und kompetente Politikerin hielt. Von der CDU, die ihr kadavergehorsam die Treue hielt. Und von der FDP, die sich mal wieder kriecherisch an den linken Mainstream anpasst und sich dessen Verblödungsritualen unterwirft, anstatt die Dinge beim Namen zu nennen.
Ich glaube aber auch, dass er Hoffnung empfunden hätte - angesichts aufgeklärter, mutiger Bürger, die die inkompetenten Eliten massenhaft und offensiv kritisieren und bereit sind, dieses Volk und seine Zukunft gegen den Wahnsinn zu verteidigen. Mit all den persönlichen Konsequenzen, die das haben kann.
Wir erleben Zeiten konservativen Bürgermuts. Wir erleben Eliten, die sich vor dem Volk fürchten müssen - weil der Michel eben doch nicht jeden Blödsinn akzeptiert, nur weil er von oben kommt.
Ich glaube, dieses Gefühl hätte die Enttäuschung überwogen.
Und sehr passend zum Anlaß. Auch Zettel hätte sich bestimmt sehr geärgert über diverse Entwicklungen der letzten Jahre - ohne deswegen in Verzweiflung zu verfallen. Es wurde hier ja schon gesagt: Er hat halt noch echte Krisen erlebt (um nicht zu sagen: "Krise" ist noch zu wenig für die Katastrophen seiner Zeit). Deutschland hat das damals überstanden und wird auch die aktuellen Probleme überstehen. Dies festzustellen heißt ja nicht diese Probleme kleinzureden - an die muß man natürlich dran.
Optimistischer bin ich in diesem Punkt:
Zitat Meine größte Sorge ist, dass die Menschen in diesem Land den Glauben an ihr Land und an ihre eigene Zukunft verlieren, den Glauben an sich selbst, an ihre Fähigkeit zu Erneuerung und Veränderung; an eine lebenswerte Zukunft.
Die Deutschen sind historisch ganz gut ohne zuviel Glauben dieser Art ausgekommen. Man könnte eher sagen: Wenn sie ungewohnterweise zu stark in so einen Glauben verfielen, machten sie anschließend im Übermut die ganz massiven Fehler.
Ansonsten gehört Kritik bis hin zum kleinlichen Meckern zu unserer mentalen Grundausstattung. Der Deutsche ist ungern einfach so zufrieden, alles was nicht 150% perfekt in seinem Sinne ist stört ihn. Genau das ist wohl auch die Grundlage dafür, daß vieles bei uns so viel besser läuft als in anderen Ländern. Aber dieses "besser laufen" wird ungern gesehen, man konzentriert sich lieber auf die Defizite. In der stärksten Ausprägung findet sich das z. B. bei Linken oder Grünen, die selbst bei wachsenden Massenwohlstand das Land in Armut versinken sehen und selbst in den besten Lebensmitteln noch winzige Spuren von vielleicht riskanten Stoffen bejammern.
Dieses ganze Jammern hält die Deutschen aber nicht davon ab, tatkräftig an ihrer Zukunft zu arbeiten. Man jammert und tut sich nach Feierabend gerne etwas leid, sieht sich auch grundsätzlich als "kleiner Mann" und Opfer böser Machenschaften. Aber das ist bei den meisten eben nur Jammern auf hohem Niveau - parallel bringen sie vollen Einsatz im Beruf und ehrenamtliches Engagement danach.
Sieht man ja auch im Berufsalltag. Wenn ich die Kollegen täglich so höre, dann ist unsere Firma ein Desaster. Die Prozesse funktionieren nicht, die Technik hat Fehler, das Management besteht aus Volltrotteln, die täglich mindestens drei Fehlentscheidungen treffen. Aber irgendwie schafft es dieser desorganisierte Saftladen, jährlich einen satten Gewinn zu erwirtschaften und sehr gute Löhne und Nebenleistungen zu bezahlen. Ähnlichkeiten zur "Deutschland AG" sind offensichtlich.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #7Was beunruhigen könnte, sind vielleicht die singulären Ereignisse die deutscher Größenwahn und Eigensinn in der Geschichte immer wieder heraufbeschwor und deren Entstehung den Deutschen immer nur in der Retroperspektive klar wird, ohne dass sie daraus zu lernen scheinen.
Das ist in der Tat immer ein Risiko. Und nachdem Merkel in der Ukraine-Krise sehr gut reagiert hat und gegen den dumpfen Vulgär-Pazifismus des deutschen Mainstreams eine gemeinsame Linie mit den EU-Partnern durchgehalten hat, hat sie im letzten Jahr wirklich die Geisterfahrerin gegeben.
Und anfangs war ich auch besorgt, wie unisono die veröffentlichte Meinung das unterstützt hat und Ungarn und Polen als zurückgebliebene Ostmenschen abgetan hat.
Inzwischen ist das aber deutlich differenzierter. Die Isolierung Deutschlands in dieser Frage wird von vielen als Problem gesehen und das spiegelt sich auch inzwischen in den Berichten und Kommentaren. Also auch wenn die alte Überheblichkeit noch da ist und ebenfalls die Blindheit gegenüber der Befindlichkeit von Partnern - im Gegensatz zu früher ist es den Leuten doch klar, daß Deutschland nicht im Alleingang handeln sollte.
Zitat von R.A. im Beitrag #16 ... Sieht man ja auch im Berufsalltag. Wenn ich die Kollegen täglich so höre, dann ist unsere Firma ein Desaster. Die Prozesse funktionieren nicht, die Technik hat Fehler, das Management besteht aus Volltrotteln, die täglich mindestens drei Fehlentscheidungen treffen. Aber irgendwie schafft es dieser desorganisierte Saftladen, jährlich einen satten Gewinn zu erwirtschaften und sehr gute Löhne und Nebenleistungen zu bezahlen. Ähnlichkeiten zur "Deutschland AG" sind offensichtlich.
Vielleicht erklärt das einen Teil unserer unterschiedlichen Stimmungslage.
Ich arbeite in einem großen Konzern, aber entscheidend für mich und meinen Arbeitsplatz ist die Subgesellschaft - das Profitcenter, wenn man denn so einen abgegriffenen Begriff verwenden will. Seit Jahren beklage ich haarsträubende Fehlentscheidungen des mittleren und oberen Managements unserer Einheit. Entscheidungen, die jeglichen Sachverstand missen lassen, die völlige Beratungsresistenz des Managements belegen und die Vermutung stärken, diese "Top-Leute" würden notfalls die ganze Belegschaft über die Klinge springen lassen nur um einen Fehler nicht zugeben zu müssen. Eine Zeitlang beherrschte das Management die Kunst hervorragend, die Zahlen nach Außen zu schönen und selbst krasseste Fehlentscheidungen als Erfolg zu verkaufen. Dabei machen wir schon seit 5 Jahren fettes Minus und werden von der Mutter zähneknirschend mitgeschleppt. Die Umsätze haben sich halbiert, Auftragspipeline ist bei Null und außer heisser Luft kommt nichts vom Management. Inzwischen leuchten überall die roten Lampen, was der Mutterkonzern bezüglich des Standorts und der Einheit unternehmen wird, erfahren die kleinen Angestellten natürlich wieder mal als Letzte. Das die noch mal fünf Jahre bereit sind, zweistellige Millionenbeträge in diesem schwarzen Loch zu verlieren, bezweifle ich.
Ähnlichkeiten zur "Deutschland AG" sind offensichtlich.
Vielleicht wäre ich gnädiger und optimistischer, wenn ich nicht jeden Tag diesen geldverbrennenden Wahnsinn hier erleben würde. Und versprochen: wenn ich "haarsträubend" schreibe, dann meine ich das auch so. Wenn jemand interessiert ist, bringe ich gern mal ein anonymisiertes Beispiel. Wäre interessant zu sehen, ob irgendjemand hier bereit wäre, das Beispiel nicht als "haarsträubend" zu klassifizieren...
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Ähnlichkeiten zur "Deutschland AG" sind offensichtlich.
Vielleicht wäre ich gnädiger und optimistischer, wenn ich nicht jeden Tag diesen geldverbrennenden Wahnsinn hier erleben würde. Und versprochen: wenn ich "haarsträubend" schreibe, dann meine ich das auch so. Wenn jemand interessiert ist, bringe ich gern mal ein anonymisiertes Beispiel. Wäre interessant zu sehen, ob irgendjemand hier bereit wäre, das Beispiel nicht als "haarsträubend" zu klassifizieren...
Der Unterschied zur 'Deutschland AG' ist der, dass am Ende notfalls ein geordnetes Konkursverfahren steht. Ansonsten ist die Finanzlage der 'Deutschland AG' nicht gut, sondern höchstens relativ gut, vor allem wenn man die 'Bürgschaften' unter den Tisch fallen lässt. Verdanken tut die 'Deutschland AG' dies aber nicht ihrem politischen Management, sondern dem der freien Wirtschaft.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #18Vielleicht wäre ich gnädiger und optimistischer, wenn ich nicht jeden Tag diesen geldverbrennenden Wahnsinn hier erleben würde.
Das kann ich völlig nachvollziehen. Und ich brauche auch gar nicht die konkreten Beispiele - die kenne ich durchaus aus anderen Firmen.
Selbstverständlich gibt es schlecht laufende Firmen und es gibt katastrophale Manager. Die gab es aber schon immer. Und unterm Strich beweist das deutsche Wirtschaftswachstum, daß diese Fälle nicht typisch sind.
Der Knackpunkt für mich ist nun: Das Gemecker ist bei den erfolgreichen Firmen fast dasselbe wie bei denen, die wirklich Anlaß hätten. Das brauchen wir einfach, Zufriedenheit ist keine deutsche Tugend.
Zitat von R.A. im Beitrag #20Der Knackpunkt für mich ist nun: Das Gemecker ist bei den erfolgreichen Firmen fast dasselbe wie bei denen, die wirklich Anlaß hätten. Das brauchen wir einfach, Zufriedenheit ist keine deutsche Tugend.
Ich kenne sowohl die deutschen als auch die US-amerikanischen Arbeitsverhältnisse, und ich sehe keinen großen Unterschied.
Zitat von augustin im Beitrag #15Wir erleben Zeiten konservativen Bürgermuts.
Sehen Sie, lieber Augustin, so unterscheiden sich die Erlebnisse. Ich erlebe Zeiten konservativer Larmoyanz, Selbstgerechtigkeit, Staatshörigkeit (die nicht dem Merkelhass widerspricht, sondern seine Ursache ist), Wut, die in Fremdenfeindlichkeit umschlägt, Hass auf den Westen, der den Putinismus hervorbringt, eine groteske Verzerrung der aktuellen Verhältnisse bei gleichzeitiger Verklärung der Vergangenheit, und nicht zuletzt eine Adaption der "Debattenkultur" des politischen Gegners, die man ehedem und zu Recht kritisiert hat..
Wenn ich auch so etwas wie einen liberalkonservativen Vermittlungsausschuss im Sinne von Zettel habe, dann schlägt er bei mir diesmal eindeutig nicht zu den Konservativen aus.
Um kurz an Doeding anzuknüpfen, der ja seinen Grund genannt hat, warum er nicht mehr geschrieben hat. Ich habe mich seit einiger Zeit ebenso rar gemacht - aus oben genannten Gründen heraus. Aber innere Emigration macht auch nicht glücklich...
Zitat von augustin im Beitrag #15Wir erleben Zeiten konservativen Bürgermuts.
Sehen Sie, lieber Augustin, so unterscheiden sich die Erlebnisse. Ich erlebe Zeiten konservativer Larmoyanz, Selbstgerechtigkeit, Staatshörigkeit (die nicht dem Merkelhass widerspricht, sondern seine Ursache ist), Wut, die in Fremdenfeindlichkeit umschlägt, Hass auf den Westen, der den Putinismus hervorbringt, eine groteske Verzerrung der aktuellen Verhältnisse bei gleichzeitiger Verklärung der Vergangenheit, und nicht zuletzt eine Adaption der "Debattenkultur" des politischen Gegners, die man ehedem und zu Recht kritisiert hat..
Wenn ich auch so etwas wie einen liberalkonservativen Vermittlungsausschuss im Sinne von Zettel habe, dann schlägt er bei mir diesmal eindeutig nicht zu den Konservativen aus.
Um kurz an Doeding anzuknüpfen, der ja seinen Grund genannt hat, warum er nicht mehr geschrieben hat. Ich habe mich seit einiger Zeit ebenso rar gemacht - aus oben genannten Gründen heraus. Aber innere Emigration macht auch nicht glücklich...
Gruß Petz
Ich sehe beides, lieber Petz. Beides, leider ineinander verdreht, sich wechselseitig hemmend und damit letztlich vermutlich unbrauchbar. Nun steht die Machtübernahme durch die AfD ja nicht unmittelbar bevor. Entscheidend, und so verstehe ich den Beitrag von augustin, ist, daß ein NEIN zum Durchregieren gegenwärtiger weitgehender Inkompetenz formuliert wird, das nicht mehr zu überhören ist. Damit ist noch nichts über alternative Politik gesagt (die man bei der Afd mMn insgesamt wohl nicht finden wird), damit ist nichts über die Appetitlichkeit und den Körpergeruch derjenigen gesagt, die dieses Nein artikulieren. Die realistische Alternative ist aber nicht ein feiner ziseliertes Nein liberaler Provenienz, sondern die Alternative ist gar kein Nein.
Und ja, was Du schreibst ist richtig; es ist eine Quelle jener Polarisierung und vergifteter Stimmung im Land unter der auch ich leide. Aber wenn die Alternative ist, daß man zurückkehrt zur Konsenssoße Merkelscher Prägung, in der sie oder auch die EU wieder durchregieren könnten, dann entschiede ich mich vermutlich doch für die oft unappetitliche Gegenwart.
Oder ist es vielleicht noch ganz anders? Erleben wir mit dem, was man momentan als "Polarisierung", "Vergiftung" oder "schlimme Stimmung" erleben kann vielleicht nur den Phantomschmerz der Kuscheligkeit vergangener Konsenspolitik? Ist das, was wir momentan erleben, vielleicht einfach nur die Normalisierung politischer Debatte im internationalen Vergleich? Wie erbittert werden politische Debatten eigentlich im Ausland geführt? Wie hart sind die Bandagen traditionell, z. B. in den USA oder GB? Wie tief der Graben zwischen den politischen Lagern?
Zitat von R.A. im Beitrag #16 Optimistischer bin ich in diesem Punkt:
Zitat Meine größte Sorge ist, dass die Menschen in diesem Land den Glauben an ihr Land und an ihre eigene Zukunft verlieren, den Glauben an sich selbst, an ihre Fähigkeit zu Erneuerung und Veränderung; an eine lebenswerte Zukunft.
Die Deutschen sind historisch ganz gut ohne zuviel Glauben dieser Art ausgekommen. Man könnte eher sagen: Wenn sie ungewohnterweise zu stark in so einen Glauben verfielen, machten sie anschließend im Übermut die ganz massiven Fehler.
Interessanter Punkt. Ist das so? So etwas wie einen konsensuellen "Spirit" haben wir nicht, oder? Wenn man die "Kernsätze" des Selbstverständnisses der Amerikaner suchen wollte, müßte man wohl zu dem pursiut of happiness der Unabhängigkeitserklärung kommen. Ein Aspekt, der die Freiheit, aber auch die Eigenverantwortung jedes einzelnen betont. Für Deutschland wäre dies wohl am ehesten Art. 1 GG zur Menschenwürde. Und der ist natürlich keineswegs in unserer "kollektiven DNA" verwurzelt; gerade 65 Jahre alt und bekanntlich unter ziemlich speziellen Umständen formuliert. Interessant auch, wie der Satz zur Menschenwürde sich über die Jahrzehnte konkretisiert hat. Man hätte ihn ja z. B. so nehmen können, daß jeder einzelne das Recht hat, seine Menschenwürde selbst zu verteidigen (wie die Israelis es aus ebenjener historischen Erfahrung zweifellos betreiben). Dann hätten wir ein deutlich liberaleres Waffenrecht . Real gelebt wird der Satz aber so, daß der Staat und seine Insitutionen die Aufgabe für sich reklamieren, und zwar ausschließlich. Das ganze paternalistische Gedöns der Gegenwart steckt da im Grunde bereits drin. Das wäre dann also unser spirit
Zitat von Doeding im Beitrag #24Interessanter Punkt. Ist das so? So etwas wie einen konsensuellen "Spirit" haben wir nicht, oder? Wenn man die "Kernsätze" des Selbstverständnisses der Amerikaner suchen wollte, müßte man wohl zu dem pursiut of happiness der Unabhängigkeitserklärung kommen. Ein Aspekt, der die Freiheit, aber auch die Eigenverantwortung jedes einzelnen betont. Für Deutschland wäre dies wohl am ehesten Art. 1 GG zur Menschenwürde.
Das amerikanische Gegenstück zur Menschenwürde ist, daß Grundfreiheiten eingeborene Naturrechte sind, die nicht verliehen oder gewährt werden, sondern höchstens verletzt werden können, und auch nicht am (staatlichen) Konsens hängen, ob man nun Mensch, Jude oder Neger sei.
Bei der Menschenwürde ist es anders. Der Staat befindet im GG, daß Menschenwürde nicht zu verletzen sei und faktisch macht er da eine Einschränkung, wer alles Mensch sei (steht im BGB, nämlich muß man rechtsfähig sein).
Man kann da tatsächlich eine Verbindung zum pursuit of happiness sehen: Dieses ist genau wie die Naturrechte etwas außerstaatliches, persönliches. Mit der Menschenwürde als Normbegründung (ihrerseits paradoxerweise mit gesetzlich zu definierender Reichweite) kommt man hingegen aus einem gewissen Rechtspositivismus und einer Staatsgläubigkeit nicht hinaus. In der WRV kommt die Würde gar nicht vor und in der Paulskirchenverfassung nur als Amtswürde des Kaisers. Die war staatlich zu verleihen, nicht durch Gottes Gnaden empfangen. Dies war auch der wesentliche dogmatische Punkt, warum es keinen "Kaiserkandidaten" unter den Fürsten gab.
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