Zitat von Doeding im Beitrag #22Daß die AfD nun wirklich "weiter nach rechts" gerückt sei, ist dem Tonfall und Inhalt der Berichterstattung kaum anzumerken.
Richtig. Gegen den braven Lucke wurde schon so heftig im Tonfall eskaliert, daß gegen die nun wirklich deutlich nach rechts gerutsche AfD kaum noch eine Steigerung möglich war. Im Gegenteil wird die Kritik eher schwächer. Einerseits weil doch manche Journalisten merken, daß sie überzogen haben und außerdem mit diesen Übertreibungen die AfD nur gestärkt haben. Und andererseits gibt es halt einen Gewöhnungseffekt.
Für Lucke ist die ganze Entwicklung zutiefst ungerecht. Aber ihm fehlte halt von Anfang an das politische Gespür und das taktische Geschick.
Zitat von Florian im Beitrag #24Die Kritik am "System Washington" ist zu einem großen Teil daher auch gar nicht, dass dort falsche Entscheidungen gefällt werden. Sondern dass da überhaupt Entscheidungen gefällt werden. (Statt dass man die Entscheidungen den Bundesstaaten überließe oder - noch besser - dem einzelnen Bürger).
Richtig. Das sieht man besonders an der Diskussion um die Krankenversicherung (Obamacare). Da geht es eigentlich fast nicht inhaltlich um das Thema Versicherung. Sondern um die Frage, ob das ein Bundesthema ist oder ob die Einzelstaaten da die Kompetenz haben sollten.
Das kapieren europäische Journalisten fast nie. Deswegen auch häufig der Vorwurf an diverse republikanische Politiker, sie wären "Heuchler", weil sie Obamacare bekämpfen, während sie selber in ihren Bundesstaaten ähnliche Maßnahmen durchführen.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #15Natürlich gab es die, sogar eine einigermaßen wählbare - die Lucke AfD.
Das "einigermaßen wählbar" ist eher eine nachträgliche Betrachtung. Zum Zeitpunkt damals galt sie als genauso unwählbar rechtsaußen wie die heutige AfD. Das war teilweise eine ungerechte Fehlbeurteilung der Medien, aber eben nur teilweise - denn Höcke, Petry, Storch, Gauland waren ja Gründungsmitglieder der AfD und bildeten immer einen starken Flügel. Und daß es damals "nur" 4,8% waren hatte m. E. auch deutlich mit den organisatorischen und medialen Schwächen zu tun - Lucke hatte sich viel zu spät entschlossen, zu dieser Bundestagswahl anzutreten.
Das ist eine persönliche Betrachtung von mir, die lediglich auf Deine Behauptung gemünzt war, es hätte keine Alternative gegeben. Und ich fand auch, dass sich Lucke in den Medien ganz wacker geschlagen hat - jedenfalls nicht schlechter als Petry und Meuthen und deutlich besser als Poggenburg und Junge.
Und überhaupt frage ich mich, was die mediale Darstellung für eine Bedeutung für die Wählbarkeit hat. Demokratie ist doch kein Schulhof, wo man zu dem halten muss, der die meisten Prügel kassiert?
Zitat von Meister Petz im Beitrag #15 Natürlich gab es die, sogar eine einigermaßen wählbare - die Lucke AfD. Und die hat ein Muttilstilprotestpotenzial von sagenhaften 4,8 Prozent abgeräumt.
Also ich finde, dass 4,7 Prozent bei einer Bundestagswahl quasi aus dem Stand heraus sehr ordentlich ist. Ich zitiere hier mal den Wikipedia-Beitrag über die AfD: Wahlergebnisse der AfD
Zitat Bei der Bundestagswahl 2013 erzielte die AfD mit 4,7 % das stärkste Ergebnis einer neuen Partei auf Bundesebene seit der Bundestagswahl 1953.
Die AfD wurde schließlich erst im Februar 2013 gegründet. Da sind 4,7% beachtlich, zumal die AfD meines Wissens davor ja noch nicht bei einer Wahl angetreten war und noch nicht unter Beweis gestellt hatte, dass sie den Einzug in ein Parlament schaffen könnte. Hinzu kommt, dass viele Leute, die bereits bei der Bundestagswahl 2013 damit geliebäugelt haben, die AfD als Alternative zu den etablierten Parteien zu wählen, es dann doch gelassen haben, weil sie befürchtet haben, dass die AfD unter der 5%-Hürde bleiben würde und ihre Stimme dann verloren wäre. Womit sie wahrscheinlich zur Bestätigung dieser Befürchtung beigetragen haben. Diese Befürchtung gibt es immer wieder bei Anhängern von Parteien, bei denen der Einzug ins Parlament nicht sicher erscheint, vor allem bei FDP-Wählern. Vielleicht ja demnächst auch bei Anhängern der SPD.
Political Correctness ist nichts anderes als betreutes Denken.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #15Natürlich gab es die, sogar eine einigermaßen wählbare - die Lucke AfD.
Das "einigermaßen wählbar" ist eher eine nachträgliche Betrachtung. Zum Zeitpunkt damals galt sie als genauso unwählbar rechtsaußen wie die heutige AfD. Das war teilweise eine ungerechte Fehlbeurteilung der Medien, aber eben nur teilweise - denn Höcke, Petry, Storch, Gauland waren ja Gründungsmitglieder der AfD und bildeten immer einen starken Flügel. Und daß es damals "nur" 4,8% waren hatte m. E. auch deutlich mit den organisatorischen und medialen Schwächen zu tun - Lucke hatte sich viel zu spät entschlossen, zu dieser Bundestagswahl anzutreten.
Das ist eine persönliche Betrachtung von mir, die lediglich auf Deine Behauptung gemünzt war, es hätte keine Alternative gegeben. Und ich fand auch, dass sich Lucke in den Medien ganz wacker geschlagen hat - jedenfalls nicht schlechter als Petry und Meuthen und deutlich besser als Poggenburg und Junge.
Und überhaupt frage ich mich, was die mediale Darstellung für eine Bedeutung für die Wählbarkeit hat. Demokratie ist doch kein Schulhof, wo man zu dem halten muss, der die meisten Prügel kassiert?
Gruß Petz
Der Vergleich der heutigen Lage mit der Bundestagswahl 2013 ist doch Äpfel und Birnen. Die damalige AfD war erst wenige Wochen vor der Wahl auf der Bühne erschienen und ganz spezifisch auf das Problem Euro ausgerichtet: eine typische 1-Thema-Partei, die zu sonstigen Fragen (z.B. zur ebenfalls einiges Protestpotential haltenden "Energiewende") nur desinteressierte und lauwarme Wischiwaschistatements zu bieten hatte; wir haben das ja damals schon diskutiert. Auch die Luckeschen Lösungsvorschläge zur Euro-Frage (etwa Aufteilung der Zone, Austritt - aber bitteschön der Anderen u. dgl.) waren wohl nicht für unmittelbare Wirkung in der breiten Bevölkerung geeignet. Außerdem war trotz Krise das Europroblem ein immer noch als sehr abstrakt wahrgenommenes Problem; über irgendwelche Zahlungsverpflichtungen und Bürgschaften in Phantastillionenhöhe, fällig am St. Nimmerleinstag, macht sich der Normalbürger keinen Kopf, solange die Euros aus dem Automaten kommen und man damit nach Herzenslust einkaufen kann. Der einzige Grund diese AfD zu wählen war, daß sie neu und vielleicht irgendwie anders war und das Merkelsche Alternativlosigkeitsprinzip schon im Namen in Frage stellte; unter diesen Bedingungen waren die 4,8% ein sehr beachtliches Ergebnis.
Aber seither ist viel passiert. Als Dauerthema in den Medien ist die AfD als ernstzunehmende Partei in die Aufmerksamkeit auch des politisch mittelmäßig interessierten Bürgers aufgerückt; als andere Partei, die einen Gegenpol zur grünen Standardphilosophie repräsentiert. Lucke oder Essen spielen da nur eine sehr untergeordnete Rolle, was da parteiintern passiert ist, wird nur die Minderheit, die sich etwas eingehender für Politik interessiert, überhaupt wahrgenommen haben. Und vor allem ist es Frau Merkel jetzt gelungen, eine Situation anzurichten, die nicht nur in abstrakten Befürchtungen und ggf. ein paar Preisaufschlägen (die sich unter dem wohltuenden Stichwort "europäische Solidarität", "Wohlstand teilen", "Rettung der Welt" u. dgl. leicht und gern hinnehmen lassen) besteht, sondern beginnt ganz praktisch die alltägliche Lebenswirklichkeit zu verändern. Dann wählen eben schon ein paar mehr eine scheinbare Alternative, selbst wenn sie bei genauerem Hinsehen keine wirklich akzeptable Alternative bieten sollte.
Zitat Also ich finde, dass 4,7 Prozent bei einer Bundestagswahl quasi aus dem Stand heraus sehr ordentlich ist.
Natürlich ist es ordentlich, aber darum ging es nicht. Sondern um die Frage, ob das Anti-Merkel-Wählerpotenzial schon ohne Flüchtlingsthema bestanden hat. Und ich behaupte, dass nein. Denn wenn Sie sagen, dass die AfD nur ein halbes Jahr Zeit gehabt hat, sich auf die Wahlen vorzubereiten, entspricht das ungefähr dem Zeitpunkt zwischen Merkels Grenzöffnung und jetzt. Die AfD war zu dem Zeitpunkt, zwei Monate nach dem Lucke-Austritt, am Boden. Trotzdem hat es gereicht, mit ausreichend markigen Sprüchen und Präsenz auf Pegidaveranstaltungen das Wählerpotenzial zu aktivieren. Noch deutlicher wird es, wenn man auf die Länderergebnisse von 2013 schaut (Zweitstimmen): Baden-Württemberg 5,2 Bayern 4,3 Berlin 4,9 Brandenburg 6,0 Bremen 3,7 Hamburg 4,2 Hessen 5,6 Mecklenburg-Vorpommern 5,6 Niedersachsen 3,7 Nordrhein-Westfalen 3,9 Rheinland-Pfalz 4,8 Saarland 5,2 Sachsen 6,8 Sachsen-Anhalt 4,2 Schleswig-Holstein 4,6 Thüringen 6,2
Von den drei Ländern, die jetzt gewählt haben, war die AfD nur in BW über dem Bundesschnitt (was auch logisch ist, da dort viele Wähler leben, die Interesse an wirtschaftsliberaler Politik haben)., in RP ungefähr drauf und in SA deutlich drunter Trotzdem: Ergebnis BW fast verdreifacht. In Rheinland-Pfalz verdoppelt, in Sachsen-Anhalt mehr als verfünffacht. Das ist der Effekt des Rechtsrucks und der Flüchtlingskrise, und nicht die "schon immer bestehende Unzufriedenheit mit dem Politikbetrieb".
Zitat von Meister Petz im Beitrag #28... lediglich auf Deine Behauptung gemünzt war, es hätte keine Alternative gegeben.
Das habe ich dann vielleicht zu verkürzt formuliert. Natürlich gab es diese Alternative. Die gibt es bei Wahlen aber eigentlich immer - und sei es bei den chancenlosen Splitterparteien. Aber viele der unzufriedenen Wähler haben die AfD damals eben nicht als Alternative wahrgenommen. Das hat schlicht mit Bekanntheit zu tun, mit Zweifeln an der politischen Linie oder mit den vermuteten Erfolgschancen.
Gerade die Nichtwählerschichten, bei denen die AfD in den Landtagswahlen besonders erfolgreich war, nämlich die Leute in den sozial schwachen Vierteln, sind politisch oft nicht besonders gut informiert. Die sind 2013 wahrscheinlich alleine schon deswegen weiter zu Hause geblieben, weil sie von der neuen Partei noch gar nichts mitbekommen hatten.
Zitat die Frage, ob das Anti-Merkel-Wählerpotenzial schon ohne Flüchtlingsthema bestanden hat.
Eins ist klar: Keiner von uns kann das klar beantworten. Weil es einfach keine Beweise dafür gibt. Sowohl Deine Einschätzung wie meine konträrer beruht auf sehr indirekten Informationen und Bauchgefühl. Es ist aber schon so, daß "Politikverdrossenheit" schon länger ein Thema ist, daß Merkels Art zu Regieren solche Gefühle eher befördert hat und daß vor allem die Zahl der Nichtwähler imm weiter gestiegen ist. Die Frage ist halt, wann so eine latente Unzufriedenheit so umschlägt, daß sie auch bei Wahlergebnissen spürbar ist. Und da hat die Flüchtlingskrise selbstverständlich eine wichtige Rolle gespielt. Es wurde hier in der Diskussion schon der Begriff "Katalysator" gebracht. Den halte ich für sehr passend.
zu #31: Das hängt wohl von der Definition ab, ab wann es ein Anti-Merkel-Wählerpotential ist. Meiner Meinung nach ist es das bei knapp 5% oder auch etwas darüber, wenn man unterstellt, dass auch die FDP-Wähler der Bundestagswahl 2013 eher Anti-Merkel eingestellt waren. Dass sie seitdem noch mächtig nachgelegt und weiteres Anti-Merkel-Potential geschaffen hat, ist unbestritten.
Political Correctness ist nichts anderes als betreutes Denken.
Zitat von R.A. im Beitrag #32Gerade die Nichtwählerschichten, bei denen die AfD in den Landtagswahlen besonders erfolgreich war, nämlich die Leute in den sozial schwachen Vierteln, sind politisch oft nicht besonders gut informiert. Die sind 2013 wahrscheinlich alleine schon deswegen weiter zu Hause geblieben, weil sie von der neuen Partei noch gar nichts mitbekommen hatten.
Schau mal hier: https://wahl.tagesschau.de/wahlen/2013-0...wanderung.shtml 1 Mio Nichtwähler für Mutti, eine halbe Million FDP-Wähler für die AfD, eine weitere halbe Million FDP-Wähler ist daheim geblieben (edit: in den sozial schwachen Vierteln? ). Die Wahlbeteiligung war zwar niedrig, aber etwas besser als 2009.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #31 Das ist der Effekt des Rechtsrucks und der Flüchtlingskrise, und nicht die "schon immer bestehende Unzufriedenheit mit dem Politikbetrieb".
Lieber Petz,
Ich glaube nicht, dass das eine das andere ausschließt. Es ist in meinen Augen sogar nicht einmal zu trennen.
Ich bin ganz bei dir, dass die Flüchtlingskrise und die Projektionsfläche, die die AFD dafür als vermeintliche Lösung bietet, maßgeblich für ihren Erfolg sind. Aber ich denke noch immer, dass dieser Erfolg nicht so deutlich ausgefallen wäre, wenn vor der Flüchtlingskrise nicht schon eine recht hohe Frustration bestanden hätte.
Ich nehme jetzt mich als Beispiel, auch wenn ich nicht weiß ob das repräsentativ ist.
„Klimapolitik“ hat mich zum Beispiel schon immer aufgeregt. Aber das ist 1) ein Thema, wo ich mit meiner Aufregung eher alleine bin und 2) ist sein „Bedrohungsszenario“ auch überschaubar. Man steckt das weg und ärgert sich.
So werden viele Menschen, viele ähnliche Erfahrungen mit anderen Themen gemacht haben. Der eine mit Gender, der andere mit Quoten, wieder andere mit Mindestlohn, Energiewende oder Währungspolitik. Alles Themen zu denen es bei uns keine parlamentarische Alternative gibt. Das sind jedoch „Nischenprobleme“. Zwar mit Frustfaktor aber ohne echtes, akutes gesellschaftliches Sprengpotential. Das ist einfach zu weit weg für die meisten und es fehlt so die kritische Masse. Und insgesamt, da machen wir uns nichts vor, läuft es ja auch ganz gut. Da wählt man im Zweifel was man immer wählt oder bleibt zuhause im stillen Protest. "Potentielle Schmuddelkinder", wie die AfD damals (Es gab immerhin schon Gauland), wählt man eher nicht.
Was bei der aktuellen Krise nun geschehen ist, beschreibst du völlig richtig in meinen Augen. Ich glaube nur, dass diese aufgestaute Unzufriedenheit bei vielen Wählern, die eben eigentlich nicht die AfD wählen wollen, dann genau diesen „Schubs“ dahin gegeben hat. Wäre die Zufriedenheit größer gewesen, hätten (nach meiner Einschätzung) viele nicht zur AfD "gegriffen". Viele dieser Wähler wären auch sofort wieder weg, wenn eine der anderen Parteien sich den CSU Kurs aneignen würde. Die FDP zähle ich da einmal nicht, da sie derzeit wohl nicht als verlässlich wahrgenommen wird. Da wurde einfach in den vergangenen Jahren zu viel Porzellan zerschlagen. Das bemerke ich ja an mir selbst – auch wenn ich durch die Diskussionen hier, wieder immer mehr in ihre Nähe komme. Ich hoffe, das wird R.A. freuen zu hören.
Ja, die AFD ist in nicht unwesentlichen Teilen getragen von Fremdenfeindlichkeit. Ja, es gibt einen Bodensatz an prinzipieller Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. Ja, diese Fremdenfeinde werden gerade lauter in Deutschland. Nein, ich glaube nicht, dass der Anteil der Fremdenfeinde durch die aktuelle Krise nachhaltig größer geworden ist. Nein, ich glaube nicht, dass Fremdenfeindlichkeit das ist, was die Wahlerfolge der AfD trägt.
Was die Wahlerfolge der AfD trägt ist Angst. Eine Angst die ich verstehe, weil ich sie selbst kenne. Angst ist ein schlechter Ratgeber aber ein starker Antrieb. Ganz gleich, ob sie berechtigt oder unberechtigt ist - worüber ich hier gar nicht befinden will.
Seine Angst zu zivilisieren ist eine große Herausforderung. Ob die AfD dazu ein nachhaltiges Mittel ist, darf, ja muß, unbedingt bezweifelt werden.
Unsere Gesellschaft sollte wohl zu einem unverkrampfteren Umgang mit Angst finden, um ihr den Stachel zu ziehen. Entweder die Angst wird gepflegt, z.B. beim Atom oder den Genen, oder verpönt, z. B. (lange Zeit) beim Fremden, wo sie jetzt wieder immer mehr gepflegt wird. Angst ist ein reales Gefühl, mit realen Auswirkungen und weder Infantilisierung noch Überhöhung der Angst, zieht ihr den Stachel. Die Parteien, die aktuell Lösungen anbieten, begreifen das noch nicht und lassen nur die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub.
Die Wahlerfolge der AfD haben das Vorhandensein einer bestimmten Angst geäußert. Es bleibt nun spannend ob es nur infantilisierende und überhöhende, oder auch vernunftsorientierte Reaktionen darauf aus der Politik gibt, die glaubwürdig genug sind, dass die Wähler sie akzeptieren.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat Nein, ich glaube nicht, dass der Anteil der Fremdenfeinde durch die aktuelle Krise nachhaltig größer geworden ist. Nein, ich glaube nicht, dass Fremdenfeindlichkeit das ist, was die Wahlerfolge der AfD trägt.
Was die Wahlerfolge der AfD trägt ist Angst. Eine Angst die ich verstehe, weil ich sie selbst kenne. Angst ist ein schlechter Ratgeber aber ein starker Antrieb. Ganz gleich, ob sie berechtigt oder unberechtigt ist - worüber ich hier gar nicht befinden will.
Aber ist es nicht so, dass - schon evolutionär bedingt - Angst das Hauptmotiv für Fremdenfeindlichkeit ist? Was soll es denn sonst sein, ich glaube auch nicht, dass ein nennenswerter Anteil der AfD-Wähler ideologische Rassisten sind. Vielleicht Kulturpessimisten, aber das kann man auch schon wieder mit gewissen Ängsten begründen.
Das Problem ist doch das: Wir befinden ständig über Ängste. Über die, die wir nicht teilen - sei es vor der Kernenergie, vor Glyphosat oder sonstwas. Da fällt es uns leicht. Ich spreche mich da gar nicht frei davon, ich halte die Angst vor steigender Terrorgefahr durch offene Grenzen auch für überzogen (der Großteil aller Terrorverdächtigen ist irgendwann mal kontrolliert worden, Atta war ordentlich beim Einwohnermeldeamt Hamburg registriert).
Wenn wir also die Ängste zum handlungsleitenden Motiv der Politik machen, dürfen wir den Atomausstieg und das Gentechnikverbot nicht mehr kritisieren und der sowieso schon grassierenden Verbotsorgie zuschauen und selber daran teilnehmen.
Zitat Nein, ich glaube nicht, dass der Anteil der Fremdenfeinde durch die aktuelle Krise nachhaltig größer geworden ist. Nein, ich glaube nicht, dass Fremdenfeindlichkeit das ist, was die Wahlerfolge der AfD trägt.
Was die Wahlerfolge der AfD trägt ist Angst. Eine Angst die ich verstehe, weil ich sie selbst kenne. Angst ist ein schlechter Ratgeber aber ein starker Antrieb. Ganz gleich, ob sie berechtigt oder unberechtigt ist - worüber ich hier gar nicht befinden will.
Aber ist es nicht so, dass - schon evolutionär bedingt - Angst das Hauptmotiv für Fremdenfeindlichkeit ist? Was soll es denn sonst sein, ich glaube auch nicht, dass ein nennenswerter Anteil der AfD-Wähler ideologische Rassisten sind. Vielleicht Kulturpessimisten, aber das kann man auch schon wieder mit gewissen Ängsten begründen.
Ich glaube nicht, daß es hier mehrheitlich um echte Fremdenfeindlichkeit geht. Es ist eine Sache, ob man in den vergangenen 40 Jahren NPD-Rassismus gewählt und unterstützt hat (Du kennst deren "Wahlerfolge" und Zustimmungsraten zu "Ausländer raus!") oder ob man innerhalb eines Jahres eine Zuwanderung aus ziemlich fremden Kulturen in Größenordnungen erlebt, die die Republik in so kurzer Zeit noch nicht erlebt hat. Daß dies Unsicherheit, ja Ängste heraufbeschwört, sollte man nicht in den Bereich des "neurotischen" verschieben, wie man das im Falle "echter" Fremdenfeindlichkeit sicher machen kann. Tatsächlich weiß jedoch niemand, was aus den 1,5 Mio plus x werden wird und wie sie das Land verändern werden, und da sind weiß Gott nicht alle denkbaren Szenarien ermutigend. Hier völlig sorgen- oder angstfrei zu sein wäre naiv. Umgekehrt sehe ich überhaupt keine Hinweise, daß ein -so würde SpOn-Diez vermutlich argumentieren- großes Potential an Rassisten und Fremdenfeinden gleichsam in der Bevölkerung angelegt ist und lediglich getriggert werden muß.
Zum anderen glaube ich, daß es hier mindestens so sehr um Ärger und Wut geht wie um Angst. Während letztere affektives Ergebnis einer Situationsbewertung als bedrohlich ist, entsteht Ärger u. a. aus Frustration (sog. Frustrations-Aggressions-Hypothese, wobei Frustration die Blockierung von Handlungstendenzen und -zielen durch äußere Faktoren und Einflüsse meint). "Wut", als Steigerung von Ärger, entsteht v. a. wenn diese äußeren Faktoren als nicht beeinflußbar erlebt werden, so daß ein Zustand der Macht- und Hilflosigkeit entsteht. Ich glaube, das ist ein wichtiger Unterschied, mindestens mit Blick auf den Adressaten der Gefühle. Während sich Ängste tendenziell auf die Zuwanderer richten (oder richtiger: auf die erwarteten Konsequenzen ihrer schieren Anzahl), richtet sich der Ärger auf die Regierung Merkel. Beides muß keineswegs mit dem Begriff der Fremdenfeindlichkeit richtig beschrieben sein, auch wenn dies für einen gewissen Prozentsatz mit Sicherheit gilt. Diesen Anteil "echter" Fremdenfeinde halte ich aber für weitgehend invariant und für sehr viel kleiner als die momentanen Zustimmungsraten zur AfD.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Meister Petz im Beitrag #36Aber ist es nicht so, dass - schon evolutionär bedingt - Angst das Hauptmotiv für Fremdenfeindlichkeit ist? Was soll es denn sonst sein, ich glaube auch nicht, dass ein nennenswerter Anteil der AfD-Wähler ideologische Rassisten sind. Vielleicht Kulturpessimisten, aber das kann man auch schon wieder mit gewissen Ängsten begründen.
Ich verstehe nicht, was da evolutionär sein soll. Zuallererst ist es Mensch und vielen Tieren evolutionär gemeinsam, dass sie ihre Reviere verteidigen. Das hat nichts mit Angst, sondern mit Überlebenswillen zu tun. Wenn da nun Leute angelaufen kommen und Ideale predigen, die gegen diese Urinstinkte gerichtet sind, dann ist Abwehr die natürlichste Reaktion. Und vor Angst kommt Vorsicht, auch vor den Predigern. Da hilft dann die Geschichtsschreibung, die der Mensch den Tieren voraus hat, dass nämlich Prediger eine gefährliche Spezies sein können. Vorsicht und Sicherheitsdenken sind ganz rational. Mit 'Angst' wird nur von denen argumentiert, die selbst um ihre Reviere (vom Staat subventioniertes Dasein) fürchten! sic.
Prediger, die die Menschen überzeugen wollen müssen sehr viel tun, um Akzeptanz zu finden. Das Volk aber an der Nase herum führen, Information vorenthalten, seinen Job nicht können und auch nicht tun, sind denkbar schlechte Voraussetzungen für Akzeptanz. Da Prediger aber halt nur Wasser predigen und selbst Wein trinken können gibt es ein grundlegendes Problem, das die Menschen zwar nicht immer mit harten Fakten artikulieren können, wofür sie aber doch ganz gut ausgeprägte Instinkte haben, um es zu erfassen. Für das Urteil, dass die Menschen nicht fremdenfeindlich sind, genügt es tagtäglich auf der Straße und in Geschäften unterwegs zu sein. In vielen Fällen, in denen sich die Fremden anständig benehmen beobachte ich eher einen sehr zuvorkommenden, fast unterwürfigen Umgang. Man darf gerne seinen eigenen Augen trauen und muss sich nichts einreden lassen.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #36Aber ist es nicht so, dass - schon evolutionär bedingt - Angst das Hauptmotiv für Fremdenfeindlichkeit ist? Was soll es denn sonst sein, ich glaube auch nicht, dass ein nennenswerter Anteil der AfD-Wähler ideologische Rassisten sind.
Mal abgesehen davon, daß ein Teil davon durch die Putin-Medien aufgehetzte Rußland-Deutsche sind - gerade die Leute, die selber noch mit Sprach- und Qualifikationsschwierigkeiten zu kämpfen haben, fürchten natürlich besonders die Konkurrenz um Jobs und Wohnungen, die sich durch die Zuwanderer drastisch verschärfen wird. Es geht hier also nicht um diffuse Ängste oder gar Fremdenfeindlichkeit, sondern um ganz klare Interessen.
Bei der deutschen Bevölkerung spielt m. E. ein anderer Aspekt eine wesentliche Rolle: Die Angst davor, daß der Staat die Zuwanderung überhaupt nicht mehr unter Kontrolle hat und die Regierung die Konsequenzen selber nicht absehen kann. Diverse Zitate deutscher Regierungsmitglieder haben diese Ängste ja durchaus bestärkt. Selbst wer grundsätzlich für Einwanderung ist und keine Angst vor ein paar hunderttausend neuen Zuwanderern hat (weil er in seinem akademischen Job und seiner guten Wohnlage auch keine Konkurrenz von diesen fürchten muß) wurde doch überrascht von Merkels Aussagen der Art, die Leute würden halt einfach so kommen, da könne man nichts machen und das wäre auch nicht regulierbar. Und diese Verunsicherung geht wohl deutlich über das AfD-Ergebnis hinaus und dürfte je nach konkreter Fragestellung und Abgrenzung durchaus eine Mehrheit im Lande umfassen.
Zitat Ich glaube nicht, daß es hier mehrheitlich um echte Fremdenfeindlichkeit geht. Es ist eine Sache, ob man in den vergangenen 40 Jahren NPD-Rassismus gewählt und unterstützt hat (Du kennst deren "Wahlerfolge" und Zustimmungsraten zu "Ausländer raus!") oder ob man innerhalb eines Jahres eine Zuwanderung aus ziemlich fremden Kulturen in Größenordnungen erlebt, die die Republik in so kurzer Zeit noch nicht erlebt hat. Daß dies Unsicherheit, ja Ängste heraufbeschwört, sollte man nicht in den Bereich des "neurotischen" verschieben, wie man das im Falle "echter" Fremdenfeindlichkeit sicher machen kann. Tatsächlich weiß jedoch niemand, was aus den 1,5 Mio plus x werden wird und wie sie das Land verändern werden, und da sind weiß Gott nicht alle denkbaren Szenarien ermutigend. Hier völlig sorgen- oder angstfrei zu sein wäre naiv. Umgekehrt sehe ich überhaupt keine Hinweise, daß ein -so würde SpOn-Diez vermutlich argumentieren- großes Potential an Rassisten und Fremdenfeinden gleichsam in der Bevölkerung angelegt ist und lediglich getriggert werden muß.
Zum anderen glaube ich, daß es hier mindestens so sehr um Ärger und Wut geht wie um Angst. Während letztere affektives Ergebnis einer Situationsbewertung als bedrohlich ist, entsteht Ärger u. a. aus Frustration (sog. Frustrations-Aggressions-Hypothese, wobei Frustration die Blockierung von Handlungstendenzen und -zielen durch äußere Faktoren und Einflüsse meint). "Wut", als Steigerung von Ärger, entsteht v. a. wenn diese äußeren Faktoren als nicht beeinflußbar erlebt werden, so daß ein Zustand der Macht- und Hilflosigkeit entsteht. Ich glaube, das ist ein wichtiger Unterschied, mindestens mit Blick auf den Adressaten der Gefühle. Während sich Ängste tendenziell auf die Zuwanderer richten (oder richtiger: auf die erwarteten Konsequenzen ihrer schieren Anzahl), richtet sich der Ärger auf die Regierung Merkel. Beides muß keineswegs mit dem Begriff der Fremdenfeindlichkeit richtig beschrieben sein, auch wenn dies für einen gewissen Prozentsatz mit Sicherheit gilt. Diesen Anteil "echter" Fremdenfeinde halte ich aber für weitgehend invariant und für sehr viel kleiner als die momentanen Zustimmungsraten zur AfD.l
Ich glaube, es ist auch eine Frage, wo man die "echte Fremdenfeindlichkeit" anfangen lässt, und das unterliegt wohl der persönlichen Beurteilung - mir fällt dabei Broders Diktum ein "Alles unter 6 Millionen Toten ist kein Antisemitismus".
Ich denke schon, dass es weitverbreitete Ressentiments gibt, die getriggert werden können. Nicht dass einer losmarschiert und Gewalt gegen Ausländer ausübt, sondern dass sich die Einstellungen verändern, eher pauschale Urteile gefällt werden, eine selektive Wahrnehmung stattfindet. Das nehme ich in meinem Umfeld durchaus wahr.
Zwei anekdotische Beispiele: Bei uns in der Firma gibt es eine Art Sozialbudget, das jedes Jahresende für wohltätige Zwecke ausgegeben wird. Die Einreichung von Vorschlägen fand ungefähr zum Höhepunkt der Refugees welcome-Phase statt, die Ausschüttung nach den Weihnachtsferien (also kurz nach Köln). Und da ist die Stimmung wirklich gekippt, der Betriebsrat (der für die Aktion zuständig ist) bekam Hassmails von einigen Kollegen, was diese Aktion denn sollte.
In meinem Freundes- und Kollegenkreis fällt mir auf, dass gerade diejenigen die ausfälligsten Kommentare gegen Migranten machen, die früher stramme Linke waren und zum Teil in sozialen Berufen (allerdings nicht in direktem Kontakt mit Migranten). Ein guter Bekannter von mir, der Mitarbeiter einer Bahnhofsmission ist, hätte mich mal fast rausgeschmissen, weil ich nicht in seine Tiraden eingestimmt habe.
Die Beobachtung Angst->Migranten und Wut->Merkel hat was für sich, auch wenn ich im Gegensatz zu Dir durchaus "neurotische Züge" erkennen kann - nicht umsonst erfreuen sich Verschwörungstheorien in AfD- und Pegida-Fan-Kreisen großer Beliebtheit. Genauso der Pfeffersprayumsatz - da schaukelt sich durchaus kollektiv etwas hoch.
Die von Dir angesprochene Macht- und Hilflosigkeit ist auch ein interessanter Punkt. Ich glaube nämlich, dass sich unsere Gesellschaft in der Macht- und Hilflosigkeit bisher sehr bequem eingerichtet hat - Stichwort Vollkaskomentalität. Solange alles so läuft, wie man es haben will, gibt man die Verantwortung bereitwillig ab und lässt die 90%-Sozialdemokratie gerne wirtschaften. Jetzt kommen die bösen Invasoren und man spürt die Ohnmacht. Es wäre durchaus interessant zu wissen, ob der AfD-Programmpunkt "Mehr direkte Demokratie" auch ziehen würde, wenn Merkel eine Politik nach deren Gusto machen würde, ich glaube deutlich weniger. Die Ohnmacht an sich ist also weniger das Problem - sondern dass die Regierung die Macht nicht in die Richtung ausübt, in die man es gerne hätte. Und da hat Diez durchaus einen Punkt: Es wird ja gewünscht, dass der Staat Stärke zeigt - nach außen.
Ui, ausgerechnet im grünen Mekka Freiburg, das ist interessant. Aber du musst bedenken, dass da auch sämtliche anderen Spätaussiedler drunter fallen (aus Ungarn, Rumänien etc), die durchaus im Schnitt eher nationalbewusst unterwegs sind. Aber ich kann mir schon auch vorstellen, dass an dem Thema "Verteilungskampf" was dran ist:
Zitat Migranten sind nicht automatisch die Freunde anderer Migranten, ganz im Gegenteil. Die einen grenzen sich gegen andere ab, viele sind dagegen, dass noch mehr Migranten kommen. Das hat einen handfesten Hintergrund: der schärfste Konkurrent des Zuwanderers auf dem Arbeitsmarkt ist der neue Zuwanderer, der womöglich für (noch) weniger Geld arbeitet. Alteingesessene Deutsche werden kaum verdrängt. Warum sollten da Einwanderer selbstloser sein als andere Menschen?
Zitat von Meister Petz im Beitrag #41 Zwei anekdotische Beispiele: Bei uns in der Firma gibt es eine Art Sozialbudget, das jedes Jahresende für wohltätige Zwecke ausgegeben wird. Die Einreichung von Vorschlägen fand ungefähr zum Höhepunkt der Refugees welcome-Phase statt, die Ausschüttung nach den Weihnachtsferien (also kurz nach Köln). Und da ist die Stimmung wirklich gekippt, der Betriebsrat (der für die Aktion zuständig ist) bekam Hassmails von einigen Kollegen, was diese Aktion denn sollte.
Ich vermute mal, diese Betriebsratsaktion sollte Flüchtlingen zukommen (geht nicht aus dem Text hervor). Die Reaktionen müssen aber nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun haben, sondern ganz einfach mit dem Ärger über die über das Land hereingebrochene Migrantenflut und der Aussage der Politik, diese mehr oder weniger unbegrenzt akzeptieren zu wollen. Jemand, der verärgert ist über einen Wasserrohrbruch ist nicht wasserfeindlich. Der will nur schlicht das Wasser nicht in seinem Keller haben.
Zitat von Martin im Beitrag #43Ich vermute mal, diese Betriebsratsaktion sollte Flüchtlingen zukommen (geht nicht aus dem Text hervor). Die Reaktionen müssen aber nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun haben, sondern ganz einfach mit dem Ärger über die über das Land hereingebrochene Migrantenflut und der Aussage der Politik, diese mehr oder weniger unbegrenzt akzeptieren zu wollen. Jemand, der verärgert ist über einen Wasserrohrbruch ist nicht wasserfeindlich. Der will nur schlicht das Wasser nicht in seinem Keller haben.
Wie gesagt, wann die Fremdenfeindlichkeit anfängt, ist eine Frage der persönlichen Beurteilung. Wenn es danach geht, war auch der Madagaskarplan nicht antisemitisch.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #41 Ich glaube, es ist auch eine Frage, wo man die "echte Fremdenfeindlichkeit" anfangen lässt, und das unterliegt wohl der persönlichen Beurteilung - mir fällt dabei Broders Diktum ein "Alles unter 6 Millionen Toten ist kein Antisemitismus".
Natürlich. Ich selbst habe da immer eher konservative Entscheidungskriterien, weil ich den "falsch-positiven" Fall fürchte. Berufskrankheit, ich bin immer auch sehr vorsichtig mit meinen Diagnosestellungen. Aber das Broder-Zitat hat natürlich auch etwas für sich.
Zitat Ich denke schon, dass es weitverbreitete Ressentiments gibt, die getriggert werden können. Nicht dass einer losmarschiert und Gewalt gegen Ausländer ausübt, sondern dass sich die Einstellungen verändern, eher pauschale Urteile gefällt werden, eine selektive Wahrnehmung stattfindet. Das nehme ich in meinem Umfeld durchaus wahr.
Naja, das ist jetzt ein wenig ein Widerspruch, scheint mir. Entweder es gibt triggerbare Ressentiments (i. S. überdauernder Eigenschaften oder traits) oder die Einstellungen ändern sich, i. S. volatiler Zustände oder states. Ich neige letzterem zu, aber das geht ja schon aus meinem Text über Diez hervor.
Zitat Die Beobachtung Angst->Migranten und Wut->Merkel hat was für sich, auch wenn ich im Gegensatz zu Dir durchaus "neurotische Züge" erkennen kann - nicht umsonst erfreuen sich Verschwörungstheorien in AfD- und Pegida-Fan-Kreisen großer Beliebtheit. Genauso der Pfeffersprayumsatz - da schaukelt sich durchaus kollektiv etwas hoch.
Natürlich. Ebenso neurotisch ist es jedoch, wenn alle besorgten Bürger als Besorgte Bürger, also wiederum als neurotische Spinner und latente Rechte, abgekanzelt werden. Es ist momentan einfach sauschwer eine moderate Position (also z. B. wegen der Flüchtlingskrise deutlich besorgt, aber nicht hysterisch) zu vertreten, weil man dann letztlich von allen Seiten Dampf bekommt.
Zitat Die von Dir angesprochene Macht- und Hilflosigkeit ist auch ein interessanter Punkt. Ich glaube nämlich, dass sich unsere Gesellschaft in der Macht- und Hilflosigkeit bisher sehr bequem eingerichtet hat - Stichwort Vollkaskomentalität. Solange alles so läuft, wie man es haben will, gibt man die Verantwortung bereitwillig ab und lässt die 90%-Sozialdemokratie gerne wirtschaften. Jetzt kommen die bösen Invasoren und man spürt die Ohnmacht. Es wäre durchaus interessant zu wissen, ob der AfD-Programmpunkt "Mehr direkte Demokratie" auch ziehen würde, wenn Merkel eine Politik nach deren Gusto machen würde, ich glaube deutlich weniger. Die Ohnmacht an sich ist also weniger das Problem - sondern dass die Regierung die Macht nicht in die Richtung ausübt, in die man es gerne hätte.
Ja, Zustimmung.
Zitat Und da hat Diez durchaus einen Punkt: Es wird ja gewünscht, dass der Staat Stärke zeigt - nach außen.
Wie meinst Du das? Diez wünscht sich doch zunächst mal, zumindest insinuiert das sein Text (und auch der Tenor seiner sonstigen Artikel zum Thema) daß der Staat nach innen Stärke zeigen solle, um mit diesen Rechten kurzen Prozeß zu machen? Oder meinst Du die Sicherung der Grenzen? Das halte ich nicht für Stärke sondern für eine Selbstverständlichkeit, so wie ich auch meine Haustür geschlossen halte und Leute, die ihre Tür immer auf haben, für buchstäblich nicht ganz dicht.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Jetzt die 1-Million-Euro-Frage: Ist das keine Fremdenfeindlichkeit, nur weil sie von anderen Zuwanderern ausgeht?
Gruß Petz
NEIN !
Und zwar deshalb nicht, weil es gar nicht um Fremdenfeindlichkeit geht. Das Deutschland nicht fremdenfeindlich ist, hat es außerdem seit 60 Jahren bewiesen. Einwanderung ist niemals leicht und wird von der Gesellschaft kritisch beäugt, allenfalls arrogant behandelt, das ist überall ähnlich, gleich wer der Einwanderer ist. Kommt man als Kind in eine andere Schulklasse, muß man sich eingewöhnen und eben auch durchsetzen und durch seine Leistung überzeugen, am Anfang erntet man zwar ein paar dumme Sprüche und dann gibt sich das. Nicht so im Folgenden weil es eben nicht um Fremdenfeindlichkeit geht.
Das hier im Forum immer mehr der Sprachgebrauch des Mainstream und der PC verwendet wird ist nicht nur verwirrend sondern auch falsch. Es soll Tatsachen in appetitliche mundgerechte Häppchen servieren, die zudem noch den Vorteil der umgekehrten Schuldzuweisung bieten. Feindlichkeit ist perse schon mal schlecht, Fremdenfeindlichkeit ist nicht nur schlecht sondern unmoralisch in einer aufgeklärten globalen Gesellschaft. Genauso verhält es sich mit diffusen Angst-Debatten, die gleichzeitig den eigenen Verlust des Arbeitsplatzes oder des Einkommens unterstellen. Wir haben ja auch so viele "minderqualifizierte Arbeitsplätze" auf die sich hunderttausende "minderqualifizierte Einwanderer" jetzt stürzen wollen. Also diese Ängste gibt es bei den jetzigen Bürgern sicher nicht. Auch als Neid-Debatte taugt das Thema nicht, wohl eher um finanzielle materielle Gerechtigkeit für alle und zwar auch für die angestammten Bürger.
Jetzt aber zur Fremdenfeindlichkeit. Politiker und Journalisten, deren Tenor in den Ansprachen an die Bürger ähnlich um nicht zu sagen gleich ist, benutzen diese Aussage gern um den Bürger "mundtot" zu machen. Wie viele andere Begriffe, die bei Bedarf aus dem Hut gezaubert werden. Es verfälscht den Ursprung einer Debatte, es verhindert auf die Problemstellung eine adäquate Antwort geben zu müssen.
Ich für mich sehe das Problem wo ganz anders verortet und ganz sicher weiß jeder hier wo. Auch die Politiker wissen es, auch die Journalisten wissen es. Aber so lange dem Volk erzählt wird, "du bist ein Rassist" kann man so weiter machen und es funktionierte ja auch viele Jahre so. Das ist jetzt vorbei und die Bürger verlangen Antworten, Aufklärung über die zukünftige Entwicklung der kulturellen Gestaltung. Es ist ja nicht einmal geklärt, welchen Status der Bürger hat, Europäer oder Deutscher, Spanier oder Franzose. Leise pfeifend wurde nationales Denken aberzogen ohne deutlich zu machen, wir wollen oder sollen keine eigene Nation mehr sein. Ganz npormales Nationaldenken (nicht etwa verwechseln oder gleich unterstellen "Nazidenken") ist ja schon verpönt und wird mit Geringschätzigkeit bedacht bzw. belächelt. Dennoch, deutsche Politiker haben niemals die Frage an das Volk gestellt, was es will. Das aber, denke ich, wäre doch einer Demokratie würdig gewesen.
Zurück zum eigentlichen Problem. Dazu möchte ich gern einige Fragen loswerden: 1. ist Flüchtling eine Rasse? 2. ist Migrant eine Rasse? 3. ist Einwanderer eine Rasse 4. ist Einheimischer eine Rasse 5. ist Religion eine Rasse 6. ist nur eine bestimmte Religion eine Rasse? 7. sind Mondsüchtige bis hin zum Kaninchenzüchterverein eine Rasse?
Nein, eben nicht, auch "Fremde" sind nicht zwangsläufig eine Rasse. Es geht eben auch gar nicht um Rassen, es geht nicht um diffuse Ängste und dümmliche Fremdenfeindlichkeit, es geht schlicht um ein Sicherstellen der bisher gekannten Lebensweise, die sich ja bestens bewährt hatte (mindestens seit den letzten 70 Jahren). Diese bisher bekannte Lebensweise wird zunehmend mit einer total kontroversen Kultur des Islam (incl. Recht- und Gesetzessprechung der Scharia) zwangszusammengeführt. Das alte Europa soll sich gefälligst anstrengen, eine islamische Sichtweise/Religion europäisch moderat aufzubereiten und herauskommen soll: allen Menschen ein Wohlgefallen. Das das nicht funktioniert, ist ja nicht weiter schlimm. Das man es aber erzwingen will, auf Kosten von Sicherheit der bis dato im Land lebenden Bürgern, das verunsichert den Bürger, das läßt ihn rebellisch werden in seiner Ohnmacht, was da als Rundumpaket mitten in sein Leben plaziert wird.
Die Einführung und Umsetzung des § 130 (im Volksmund Hassparagraph) ist auch keine plötzlich aus dem Nichts entstandene Unterstützung für o. g. Kulturzusammenführung, er lag schon seit mindestens 2001 in der Schublade und wurde erst als es mit den pöhsen Bürgern der EU nicht mehr so einfach zu machen war als Trumpf aus dem Ärmel gezogen. Konzipiert übrigens auch wieder vom EUROPARAT (also dem, mit den 57 Mitgliedsstaaten). Das nur zum besseren Verständnis, welche Einflußnahme uns zum besseren Menschen machen soll und zu einer besseren Religion führen soll.
Nochmal, es geht nicht um Fremdenfeindlichkeit, es geht um ein Miteinander, welches sich im wirklichen Leben nur als Gegeneinander darstellt und was auch durch eine sehr eng an ein Büchlein gebundene Erziehung manifestiert wird. Auch ist die Überlegenheit gegenüber dem authochtonen ungläubigen Bürger, die im Kindesalter anerzogen wird Pflicht in jeder muslimischen Erziehung. Das könnte man Fremdenfeindlichkeit nennen, aber so weit will ich gar nicht gehen.
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Zitat von Doeding im Beitrag #45Ich selbst habe da immer eher konservative Entscheidungskriterien, weil ich den "falsch-positiven" Fall fürchte. Berufskrankheit, ich bin immer auch sehr vorsichtig mit meinen Diagnosestellungen.
Das stimmt, das finde ich auch sehr gut - Du schaffst das selbst bei Frau Merkel Wir schafften das nicht (28) Ich denke, wir bewegen uns so in einem Feld aus Pathologisierung der Gegenseite und Rationalisierung der eigenen Seite.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #41Ich denke schon, dass es weitverbreitete Ressentiments gibt, die getriggert werden können. Nicht dass einer losmarschiert und Gewalt gegen Ausländer ausübt, sondern dass sich die Einstellungen verändern, eher pauschale Urteile gefällt werden, eine selektive Wahrnehmung stattfindet. Das nehme ich in meinem Umfeld durchaus wahr.
Naja, das ist jetzt ein wenig ein Widerspruch, scheint mir. Entweder es gibt triggerbare Ressentiments (i. S. überdauernder Eigenschaften oder traits) oder die Einstellungen ändern sich, i. S. volatiler Zustände oder states. Ich neige letzterem zu, aber das geht ja schon aus meinem Text über Diez hervor.
Ich denke, es gibt beides, und man kann es nicht so ohne weiteres festmachen. Was ich jedenfalls feststelle, ist, dass mir gelegentlich die Kinnlade runterfällt, weil ich wirklich hasserfüllte Statements von Leuten höre, von denen ich sie nicht erwartet hätte (und die gehen nicht gegen Frau Merkel, sondern gegen ihre angeblichen "Günstlinge").
Zitat Die Beobachtung Angst->Migranten und Wut->Merkel hat was für sich, auch wenn ich im Gegensatz zu Dir durchaus "neurotische Züge" erkennen kann - nicht umsonst erfreuen sich Verschwörungstheorien in AfD- und Pegida-Fan-Kreisen großer Beliebtheit. Genauso der Pfeffersprayumsatz - da schaukelt sich durchaus kollektiv etwas hoch.
Natürlich. Ebenso neurotisch ist es jedoch, wenn alle besorgten Bürger als Besorgte Bürger, also wiederum als neurotische Spinner und latente Rechte, abgekanzelt werden. Es ist momentan einfach sauschwer eine moderate Position (also z. B. wegen der Flüchtlingskrise deutlich besorgt, aber nicht hysterisch) zu vertreten, weil man dann letztlich von allen Seiten Dampf bekommt.
Erzähl mir was Neues . Aber weißt Du was das schwierigste ist? Zu sagen, dass man gar nicht besorgt ist - weder wegen der Flüchtlinge noch wegen der Rechten.
Zitat Und da hat Diez durchaus einen Punkt: Es wird ja gewünscht, dass der Staat Stärke zeigt - nach außen.
Wie meinst Du das? Diez wünscht sich doch zunächst mal, zumindest insinuiert das sein Text (und auch der Tenor seiner sonstigen Artikel zum Thema) daß der Staat nach innen Stärke zeigen solle, um mit diesen Rechten kurzen Prozeß zu machen?
Wo schreibt er das denn?
Zitat Oder meinst Du die Sicherung der Grenzen? Das halte ich nicht für Stärke sondern für eine Selbstverständlichkeit, so wie ich auch meine Haustür geschlossen halte und Leute, die ihre Tür immer auf haben, für buchstäblich nicht ganz dicht.
Du bist also seit 1985 Gegner des Schengener Abkommens? Übrigens neige ich tatsächlich dazu, mein Auto eher selten abzusperren. Aber ich bin auch wahrscheinlich wirklich nicht ganz dicht.
Aber darauf wollte ich nicht hinaus. Die AfD will deutlich mehr als Grenzkontrollen. Sie will eine im Grundsatz homogene Gesellschaft. Und ja, das halte ich für autoritär.
Aber darauf wollte ich nicht hinaus. Die AfD will deutlich mehr als Grenzkontrollen. Sie will eine im Grundsatz homogene Gesellschaft. Und ja, das halte ich für autoritär.
Gruß Petz
Sind die USA eine homogene Gesellschaft? Nur weil sie klare Regeln hat, wenn Leute unkontrolliert einwandern wollen? Ich halte diese Etiketten eher für absurd.
Zitat von Martin im Beitrag #48Sind die USA eine homogene Gesellschaft? Nur weil sie klare Regeln hat, wenn Leute unkontrolliert einwandern wollen? Ich halte diese Etiketten eher für absurd.
Der Unterschied ist der, dass die USA keine Assimilation an irgendeine "Leitkultur" verlangen, wie es das AfD-Programm an unzähligen Stellen tut. Das Konzept des nativism hat sich nie durchgesetzt, nicht einmal eine einheitliche Amtssprache (Englisch nur in 31 von 50 Staaten). Die Tea Party (bzgl. Latinos) und Trump (bzgl. Islam) gehen jetzt in diese Richtung, aber ich sehe da eher wenig Chancen.
Zitat von Martin im Beitrag #48Sind die USA eine homogene Gesellschaft? Nur weil sie klare Regeln hat, wenn Leute unkontrolliert einwandern wollen? Ich halte diese Etiketten eher für absurd.
Der Unterschied ist der, dass die USA keine Assimilation an irgendeine "Leitkultur" verlangen, wie es das AfD-Programm an unzähligen Stellen tut. Das Konzept des nativism hat sich nie durchgesetzt, nicht einmal eine einheitliche Amtssprache (Englisch nur in 31 von 50 Staaten). Die Tea Party (bzgl. Latinos) und Trump (bzgl. Islam) gehen jetzt in diese Richtung, aber ich sehe da eher wenig Chancen.
Gruß Petz
Die USA fordern ein klares Bekenntnis zu der US-Verfassung, darüber hinaus werden Zuwanderer nicht sozial gepampert (man selektiert, um die Wahrscheinlichkeit einer Transferleistung gering zu halten). Allein das ist angewandte Leitkultur. M.W. sperrt sich die AfD nicht gegen ein System USA.
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