Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212Dann nehmen wir mal das Skript auseinander ohne Sätze aus ihrem Zusammenhang zu reißen:
Wenn das nur möglich wäre. Man entstellt den Sinn dieses Beitrags, wenn man einzelne Sätze herausgreift.
Na wenn es nicht geht, dann gehts halt nicht. Aber ich denke es geht.
Und ich denke, es geht eben nicht. Weil es im wahrsten Sinne des Wortes ein Gesamtkunstwerk ist.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212 Ich bin wirklich gespannt wie weit der Satirebegriff gedehnt wird. Wenn es Satire ist, weil jemand sagt: Das ist keine Satire, dann ist Satire alles und nichts.
Lieber Erling, niemand hat behauptet, dass etwas allein deshalb Satire ist, weil es angibt, keine Satire zu sein. Aber es ist auch nicht so, dass etwas zweifellos keine Satire ist, wenn es angibt, keine Satire zu sein.
Im vorliegenden Fall konstruiert Böhmermann bewusst den Gegensatz zwischen Extra3 = Satire = Art. 5 GG und seinem exemplarischen Schmähgedicht = Schmähkritik = nicht Art. 5 GG. Wenn er gesagt hätte: "Jetzt kommt Satire", dann hätte er doch seine ganze Inszenierung zerstört. Denn isoliert betrachtet ist durchaus fraglich, ob das Schmähgedicht erlaubte Satire ist oder nicht. Ich würde zwar dazu tendieren, dass selbst bei einem isolierten Vortrag dieses Gedichts - der Kontext war dem Medienkonsumenten ohnehin bewusst und der wahllose Griff in die unterste Schublade legt dies nahe - die Satire immer noch erkennbar ist (erinnern sich einige hier noch an Lisa Fitz' Lied "Mein Mann ist Perser"?), aber eingebettet in den schon mehrmals genannten Kontext und den Ko-Text der Vor- und der Nachrede ist für mich völlig klar, dass es sich bei dem Gedicht um eine uneigentliche Rede handelt.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212Mit Beginn der Erläuterung des Kontextes wendet sich Böhmermann erst direkt an die Türken und dann direkt an Erdogan selbst. Ab da erklärt Böhmermann Erdogan etwas und nicht mehr den Zuschauern. Die sitzen da und hören zu wie Böhmermann eine belehrende Adresse an Erdogan richtet. Sein Sidekick Kabelka wirft ab und zu was ein, aber mit ihm spricht er nicht. Er spricht zu Erdogan.
Genau, denn der Subtext ist ja gerade der: "Nachdem ich Ihnen, Herr Erdogan, gerade erklärt habe, was von Art. 5 GG geschützte Kunst ist, zeige ich Ihnen jetzt, was Schmähkritik ist." Es geht um eine Belehrung nicht der Zuschauer, sondern Erdogans.
Das ist nur die Antwort auf Deine Behauptung es gäbe keinen Bezug zu Erdogan. Die finde ich am unzutreffendsten.
Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die wahllos genannten Paraphilien auf einem Tatsachensubstrat beruhten. Hier wird gerade nicht an irgendwelche bekannten Eigenschaften Erdogans angeknüpft. Diese Zuschreibungen sind rein fiktional, wie häufig die rituellen Schmähungen in einem Diss unter Rappern. Hier wird eben nicht auf etwas angespielt, was mit Erdogan in Verbindung zu bringen wäre, sondern hier werden primitivste Klischees über Orientalen/Türken über den Äther geschickt. Mit der Biographie Erdogans hat dies genau gar nichts zu tun.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #215Und, nur um zu verdeutlichen was Schmähkritik bedeutet, also die Erklärung hätte er keinesfalls notwendigerweise eine Person direkt ansprechen müssen, schon gar nicht Erdogan. Er hätte eine Kunstfigur aus einem Film nehmen können, eine historische...
Böhmermann hätte auch die einschlägige Definition des BVerfG und Beispiele aus dessen Rechtsprechung zitieren können. Dann wäre sein Auftritt aber wirklich die Sendung für die bildungsbürgerliche Maus geworden. Böhmermann ging es darum, einen Kontrast zwischen der ohne jeden Zweifel durch Art. 5 GG gedeckten Extra-3-Satire über Erdogan und einer unerlaubten Schmähkritik plakativ darzustellen. Und zu diesem Zweck ist es natürlich höchst ratsam, das Satire-Objekt beizubehalten, weil dann die Unterschiede besonders plastisch ins Auge fallen.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #215Dein Argument zu dem vorherigen Punkt überzeugt mich, aber was denkst Du warum sagt er dann "nicht Präsident sagen?
Das weiß ich nicht, lieber Erling. Ich werde aus vielem, was Kabelka sagt, nicht so richtig schlau.
Zitat von Fluminist im Beitrag #217So ganz überzeugt mich das Argument nicht, und zwar nicht in puncto Diffamierung, sondern Beleidigung. Eine Beleidigung wird durch den Griff in die unterste Schublade nicht abgeschwächt, im Gegenteil lebt Beleidigung von Metapher und Übertreibung. Sonst wäre es ja auch nie eine Beleidigung, wenn man jemanden als "Drecksau" bezeichnet, bei dem es sich augenscheinlich um einen gewaschenen Hominiden handelt.
Nicht der Griff in die unterste Schublade, sondern der wahllose Griff in die unterste Schublade schwächt die Beleidigung ab. Vergleichen Sie doch mal folgende Äußerungen miteinander:
1. A über B: "B ist pädophil."
2. A über B: "B ist pädophil, zoophil, gerontophil, nekrophil, Fetischist, Domina-Stammkunde, er hat verkümmerte Genitalien und Rechtspopulist und Steuerhinterzieher ist er auch noch."
Bei welcher dieser Aussagen würden Sie nachfragen, bei welcher würden Sie abwinken?
Zitat Und das mit der Belehrung und Veranschaulichung ist auch eher eine Ausrede. Die Sendung hieß ja nicht "Die Staatsanwaltschaft informiert", sondern hatte den Charakter einer Witzsendung. Wenn nun ein Possenreißer sagt "das folgende darf man nicht", dann spricht er damit eine ironische Empfehlung aus und deutet an, daß etwas formal Illegales durchaus moralisch gerechtfertigt sein könnte; sonst wäre es ja kein Witz. Ginge es nur um die Belehrung des (in- und ausländischen) Publikums, dann wäre auch eine indirekte Rede ausreichend: etwa "... aber Erdoğan als Zoophilen mindern Gemächts bezeichnen, das darf man nicht". Der semantische Zusammenhang der Sendung macht aber klar, daß hier à la Infotainment die juristische Sachinformation nun auch mit einer Publikumsbelustigung komplementiert werden soll: also wird das Gedicht in voller Länge dargeboten, damit die Zuschauer auch noch mal auf Kosten Erdoğans so richtig lachen können.
Genau, es ist eine Witzsendung und keine juristische Lehrveranstaltung, deshalb bespricht Böhmermann keine Entscheidungen des BVerfG, sondern demonstriert ad oculos bzw. ad aures, was Schmähkritk ist. Ich sehe - offen gesagt - nicht ganz den Unterschied zwischen Ihrem Vorschlag und dem, was Böhmermann gemacht hat. Die Distanzierung ist dieselbe. Die Zuschauer hätten in beiden Fällen gelacht. Und wollen Sie es einem Satiriker/Witzsendungsmoderator verdenken, dass er versucht, sein Publikum zum Lachen zum bringen? Das gehört wohl zu seinen Kernaufgaben.
Zitat Die Verunglimpfung ist schon da und wird durch die Einrahmung nicht geheilt.
Doch. Durch die Einrahmung wird das, was man sonst vielleicht als Verunglimpfung missverstehen könnte (wenn man das hyperbolische Invektiven-Staccato ignoriert), jedenfalls geheilt und auf die Ebene der uneigentlichen Rede gehoben.
Zitat Ohne Appell an die Kunstfreiheit kriegen Sie Böhmermann nicht vom Haken; mit aber voraussichtlich schon.
Zitat von Fluminist im Beitrag #220Es würde mich übrigens interessieren, ob die Bundesregierung bei ihrem neuen Vorstoß einer Abschaffung des §103 auch an die Streichung (oder Verkürzung auf den Nötigungsfall) dieses §90 gedacht hat, der ja der eigentliche Paragraph laesae majestatis für Deutschland ist, aus dem der andere nur analog abgeleitet wurde?
Die Bundesregierung wohl nicht, aber Dietmar Bartsch von der Linkspartei hat die Streichung des § 90 StGB in einem TV-Interview gefordert.
Und da ich ja nicht den Fehler begehen möchte, etwas Richtiges abzulehnen, nur weil es der Falsche sagt, muss ich gestehen: Einmal, ein einziges Mal, bin ich mit der Linkspartei einer Meinung.
Die Nötigung des Bundespräsidenten ist nicht im 90er, sondern im 106er verpönt. Verunglimpfung und Nötigung sind zwei Paar Stiefel.
Zitat von Noricus im Beitrag #226Ich würde zwar dazu tendieren, dass selbst bei einem isolierten Vortrag dieses Gedichts - der Kontext war dem Medienkonsumenten ohnehin bewusst und der wahllose Griff in die unterste Schublade legt dies nahe - die Satire immer noch erkennbar ist (erinnern sich einige hier noch an Lisa Fitz' Lied "Mein Mann ist Perser"?), aber eingebettet in den schon mehrmals genannten Kontext und den Ko-Text der Vor- und der Nachrede ist für mich völlig klar, dass es sich bei dem Gedicht um eine uneigentliche Rede handelt.
Der das öffentliche Zeigen und Rezitieren ist am 15.04. vom Berliner Verwaltungsgericht untersagt worden.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #212Mit Beginn der Erläuterung des Kontextes wendet sich Böhmermann erst direkt an die Türken und dann direkt an Erdogan selbst. Ab da erklärt Böhmermann Erdogan etwas und nicht mehr den Zuschauern. Die sitzen da und hören zu wie Böhmermann eine belehrende Adresse an Erdogan richtet. Sein Sidekick Kabelka wirft ab und zu was ein, aber mit ihm spricht er nicht. Er spricht zu Erdogan.
Genau, denn der Subtext ist ja gerade der: "Nachdem ich Ihnen, Herr Erdogan, gerade erklärt habe, was von Art. 5 GG geschützte Kunst ist, zeige ich Ihnen jetzt, was Schmähkritik ist." Es geht um eine Belehrung nicht der Zuschauer, sondern Erdogans.
Das ist nur die Antwort auf Deine Behauptung es gäbe keinen Bezug zu Erdogan. Die finde ich am unzutreffendsten.
Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die wahllos genannten Paraphilien auf einem Tatsachensubstrat beruhten. Hier wird gerade nicht an irgendwelche bekannten Eigenschaften Erdogans angeknüpft. Diese Zuschreibungen sind rein fiktional, wie häufig die rituellen Schmähungen in einem Diss unter Rappern. Hier wird eben nicht auf etwas angespielt, was mit Erdogan in Verbindung zu bringen wäre, sondern hier werden primitivste Klischees über Orientalen/Türken über den Äther geschickt. Mit der Biographie Erdogans hat dies genau gar nichts zu tun.
Doch es wird an bekannte Eigenschaften angeknüpft und sogar in einem Satz:
Zitat Am liebsten mag er Ziegen ficken und Minderheiten unterdrücken,
Hier auch wieder:
Zitat Kurden treten, Christen hauen und dabei Kinderpornos schauen.
Noch was zu Rappern: Nach einem Diss ist der eine oder andere einfach hingerichtet worden - auf offener Strasse. Kein guter Vergleich.
Zitat von Noricus im Beitrag #226Ich würde zwar dazu tendieren, dass selbst bei einem isolierten Vortrag dieses Gedichts - der Kontext war dem Medienkonsumenten ohnehin bewusst und der wahllose Griff in die unterste Schublade legt dies nahe - die Satire immer noch erkennbar ist (erinnern sich einige hier noch an Lisa Fitz' Lied "Mein Mann ist Perser"?), aber eingebettet in den schon mehrmals genannten Kontext und den Ko-Text der Vor- und der Nachrede ist für mich völlig klar, dass es sich bei dem Gedicht um eine uneigentliche Rede handelt.
Der das öffentliche Zeigen und Rezitieren ist am 15.04. vom Berliner Verwaltungsgericht untersagt worden.
Zitat von Noricus im Beitrag #214 Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die wahllos genannten Paraphilien auf einem Tatsachensubstrat beruhten. Hier wird gerade nicht an irgendwelche bekannten Eigenschaften Erdogans angeknüpft. Diese Zuschreibungen sind rein fiktional, wie häufig die rituellen Schmähungen in einem Diss unter Rappern. Hier wird eben nicht auf etwas angespielt, was mit Erdogan in Verbindung zu bringen wäre, sondern hier werden primitivste Klischees über Orientalen/Türken über den Äther geschickt. Mit der Biographie Erdogans hat dies genau gar nichts zu tun.
Doch es wird an bekannte Eigenschaften angeknüpft und sogar in einem Satz:
Lieber Erling, ich habe von "wahllos genannten Paraphilien" gesprochen. Ist für Dich das, was über das Minderheiten-Unterdrücken, Kurden-Treten, Christen-Hauen gesagt wird, auch ein Angriff auf Erdogans Menschenwürde und Ehre? Oder ist dies Deiner Ansicht nach zulässige Kritik?
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #215Noch was zu Rappern: Nach einem Diss ist der eine oder andere einfach hingerichtet worden - auf offener Strasse. Kein guter Vergleich.
Was das mit Böhmermann zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Der japanische Übersetzer der "Satanischen Verse" wurde ermordert, und Westergaard ist nur knapp diesem Schicksal entronnen. Auch kein guter Vergleich, nicht wahr?
Zitat von Noricus im Beitrag #226Ich würde zwar dazu tendieren, dass selbst bei einem isolierten Vortrag dieses Gedichts - der Kontext war dem Medienkonsumenten ohnehin bewusst und der wahllose Griff in die unterste Schublade legt dies nahe - die Satire immer noch erkennbar ist (erinnern sich einige hier noch an Lisa Fitz' Lied "Mein Mann ist Perser"?), aber eingebettet in den schon mehrmals genannten Kontext und den Ko-Text der Vor- und der Nachrede ist für mich völlig klar, dass es sich bei dem Gedicht um eine uneigentliche Rede handelt.
Der das öffentliche Zeigen und Rezitieren ist am 15.04. vom Berliner Verwaltungsgericht untersagt worden.
Zitat von Noricus im Beitrag #214 Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die wahllos genannten Paraphilien auf einem Tatsachensubstrat beruhten. Hier wird gerade nicht an irgendwelche bekannten Eigenschaften Erdogans angeknüpft. Diese Zuschreibungen sind rein fiktional, wie häufig die rituellen Schmähungen in einem Diss unter Rappern. Hier wird eben nicht auf etwas angespielt, was mit Erdogan in Verbindung zu bringen wäre, sondern hier werden primitivste Klischees über Orientalen/Türken über den Äther geschickt. Mit der Biographie Erdogans hat dies genau gar nichts zu tun.
Doch es wird an bekannte Eigenschaften angeknüpft und sogar in einem Satz:
Lieber Erling, ich habe von "wahllos genannten Paraphilien" gesprochen. Ist für Dich das, was über das Minderheiten-Unterdrücken, Kurden-Treten, Christen-Hauen gesagt wird, auch ein Angriff auf Erdogans Menschenwürde und Ehre? Oder ist dies Deiner Ansicht nach zulässige Kritik?
Davon hast Du gesprochen: "Hier wird eben nicht auf etwas angespielt, was mit Erdogan in Verbindung zu bringen wäre,..." und die Zitate waren die Antwort. Das macht keinen Spaß wenn man den Diskussionspartner an seine Worte erinnern muss.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #215Noch was zu Rappern: Nach einem Diss ist der eine oder andere einfach hingerichtet worden - auf offener Strasse. Kein guter Vergleich.
Was das mit Böhmermann zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Der japanische Übersetzer der "Satanischen Verse" wurde ermordert, und Westergaard ist nur knapp diesem Schicksal entronnen. Auch kein guter Vergleich, nicht wahr?
Hab ich den Rappervergleich gebracht oder Du??? Natürlich hat der nichts mit Böhmermann zu tun, jedenfalls nicht von Deinem Standpunkt aus gesehen.
Zitat von Fluminist im Beitrag #217So ganz überzeugt mich das Argument nicht, und zwar nicht in puncto Diffamierung, sondern Beleidigung. Eine Beleidigung wird durch den Griff in die unterste Schublade nicht abgeschwächt, im Gegenteil lebt Beleidigung von Metapher und Übertreibung. Sonst wäre es ja auch nie eine Beleidigung, wenn man jemanden als "Drecksau" bezeichnet, bei dem es sich augenscheinlich um einen gewaschenen Hominiden handelt.
Nicht der Griff in die unterste Schublade, sondern der wahllose Griff in die unterste Schublade schwächt die Beleidigung ab. Vergleichen Sie doch mal folgende Äußerungen miteinander:
1. A über B: "B ist pädophil."
2. A über B: "B ist pädophil, zoophil, gerontophil, nekrophil, Fetischist, Domina-Stammkunde, er hat verkümmerte Genitalien und Rechtspopulist und Steuerhinterzieher ist er auch noch."
Bei welcher dieser Aussagen würden Sie nachfragen, bei welcher würden Sie abwinken?
Deshalb schrieb ich ja "Beleidigung", nicht "Diffamierung". Bei 2. ist die Beleidigung durch Kumulation größer, nicht wahr?
Zitat von Noricus im Beitrag #227Genau, es ist eine Witzsendung und keine juristische Lehrveranstaltung, deshalb bespricht Böhmermann keine Entscheidungen des BVerfG, sondern demonstriert ad oculos bzw. ad aures, was Schmähkritk ist. Ich sehe - offen gesagt - nicht ganz den Unterschied zwischen Ihrem Vorschlag und dem, was Böhmermann gemacht hat. Die Distanzierung ist dieselbe.
Der Unterschied liegt im Umfang - ein kurzes, klares Beispiel in einem Satzzusammenhang im Gegensatz zu einer fortgesetzten, mehrmals unterbrochenen Tirade, die zuletzt nur noch Selbstzweck sein kann - da verschwindet die Distanzierung. Analog zum Notwehrexzeß.
Zitat von Noricus im Beitrag #227Die Zuschauer hätten in beiden Fällen gelacht. Und wollen Sie es einem Satiriker/Witzsendungsmoderator verdenken, dass er versucht, sein Publikum zum Lachen zum bringen? Das gehört wohl zu seinen Kernaufgaben.
Völlig richtig. Daß er Leute zum Lachen bringen wollte, wird ihm niemand übelnehmen. Es geht allein um die Frage, ob er einen geeigneten Gegenstand dafür gewählt hat.
Zitat von Noricus im Beitrag #228Die Nötigung des Bundespräsidenten ist nicht im 90er, sondern im 106er verpönt. Verunglimpfung und Nötigung sind zwei Paar Stiefel.
Stimmt, tut mir leid, das hatte ich falsch in Erinnerung.
Zitat von Noricus im Beitrag #226Ich würde zwar dazu tendieren, dass selbst bei einem isolierten Vortrag dieses Gedichts - der Kontext war dem Medienkonsumenten ohnehin bewusst und der wahllose Griff in die unterste Schublade legt dies nahe - die Satire immer noch erkennbar ist (erinnern sich einige hier noch an Lisa Fitz' Lied "Mein Mann ist Perser"?), aber eingebettet in den schon mehrmals genannten Kontext und den Ko-Text der Vor- und der Nachrede ist für mich völlig klar, dass es sich bei dem Gedicht um eine uneigentliche Rede handelt.
Der das öffentliche Zeigen und Rezitieren ist am 15.04. vom Berliner Verwaltungsgericht untersagt worden.
Danke. Ja, Du hast Recht, ich hätte googeln können. (Und wenn ich jetzt provozieren wollte, würde ich sagen, dass das Entscheidungsdatum der 14.4. und nicht der 15.4. war.) Schön, das VG Berlin sieht das so. Muss ich die Meinung des VG Berlin teilen? Außerdem dürfte Dir die sehr vorsichtige Formulierung der entsprechenden Passage meines Kommentars nicht entgangen sein ("Ich würde zwar dazu tendieren").
Zitat von Noricus im Beitrag #214 Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die wahllos genannten Paraphilien auf einem Tatsachensubstrat beruhten. Hier wird gerade nicht an irgendwelche bekannten Eigenschaften Erdogans angeknüpft. Diese Zuschreibungen sind rein fiktional, wie häufig die rituellen Schmähungen in einem Diss unter Rappern. Hier wird eben nicht auf etwas angespielt, was mit Erdogan in Verbindung zu bringen wäre, sondern hier werden primitivste Klischees über Orientalen/Türken über den Äther geschickt. Mit der Biographie Erdogans hat dies genau gar nichts zu tun.
Doch es wird an bekannte Eigenschaften angeknüpft und sogar in einem Satz:
Lieber Erling, ich habe von "wahllos genannten Paraphilien" gesprochen. Ist für Dich das, was über das Minderheiten-Unterdrücken, Kurden-Treten, Christen-Hauen gesagt wird, auch ein Angriff auf Erdogans Menschenwürde und Ehre? Oder ist dies Deiner Ansicht nach zulässige Kritik?
Davon hast Du gesprochen: "Hier wird eben nicht auf etwas angespielt, was mit Erdogan in Verbindung zu bringen wäre,..." und die Zitate waren die Antwort. Das macht keinen Spaß wenn man den Diskussionspartner an seine Worte erinnern muss.
Ich sprach von "wahllos genannten Paraphilien", "Diese Zuschreibungen", "Hier wird nicht auf etwas angespielt". Es ging immer nur um diese Teile des Gedichts. Du musst mich nicht an meine Worte erinnern, ich wäre Dir schon dankbar, wenn Du sie so zur Kenntnis nehmen würdest, wie ich sie geäußert habe.
Leider hast Du meine Frage, ob die politischen Passagen in Böhmermanns Gedicht Deiner Meinung nach auch ein Angriff auf Erdogans Ehre und Menschenwürde sind, nicht beantwortet. Das würde mich nun wirklich interessieren.
Zitat von Fluminist im Beitrag #217So ganz überzeugt mich das Argument nicht, und zwar nicht in puncto Diffamierung, sondern Beleidigung. Eine Beleidigung wird durch den Griff in die unterste Schublade nicht abgeschwächt, im Gegenteil lebt Beleidigung von Metapher und Übertreibung. Sonst wäre es ja auch nie eine Beleidigung, wenn man jemanden als "Drecksau" bezeichnet, bei dem es sich augenscheinlich um einen gewaschenen Hominiden handelt.
Nicht der Griff in die unterste Schublade, sondern der wahllose Griff in die unterste Schublade schwächt die Beleidigung ab. Vergleichen Sie doch mal folgende Äußerungen miteinander:
1. A über B: "B ist pädophil."
2. A über B: "B ist pädophil, zoophil, gerontophil, nekrophil, Fetischist, Domina-Stammkunde, er hat verkümmerte Genitalien und Rechtspopulist und Steuerhinterzieher ist er auch noch."
Bei welcher dieser Aussagen würden Sie nachfragen, bei welcher würden Sie abwinken?
Deshalb schrieb ich ja "Beleidigung", nicht "Diffamierung". Bei 2. ist die Beleidigung durch Kumulation größer, nicht wahr?
Nein, nach meinem Dafürhalten nicht. Der Rundumschlag unter 2 ist derart over the top, dass ich ihn ohne weiteres in die Schmarrn-Kategorie relegieren würde. Wer mit der Gießkanne beleidigt, trifft nicht. Wer mit dem Gartenschlauch beleidigt, trifft sehr wohl.
Zitat von Noricus im Beitrag #227Genau, es ist eine Witzsendung und keine juristische Lehrveranstaltung, deshalb bespricht Böhmermann keine Entscheidungen des BVerfG, sondern demonstriert ad oculos bzw. ad aures, was Schmähkritk ist. Ich sehe - offen gesagt - nicht ganz den Unterschied zwischen Ihrem Vorschlag und dem, was Böhmermann gemacht hat. Die Distanzierung ist dieselbe.
Der Unterschied liegt im Umfang - ein kurzes, klares Beispiel in einem Satzzusammenhang im Gegensatz zu einer fortgesetzten, mehrmals unterbrochenen Tirade, die zuletzt nur noch Selbstzweck sein kann - da verschwindet die Distanzierung. Analog zum Notwehrexzeß.
Den Vergleich mit dem Notwehrexzess finde ich interessant, lieber Fluminist. Ich werde ihn mir durch den Kopf gehen lassen. Aber wird Satire nicht umso mehr als solche erkennbar, wenn sie exzessiv ist?
sowas provoziert mich nicht. Ich hab nur noch das Pressemitteilungsdatum im Kopf gehabt und bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass die einen Tag später kam. Und das das wichtig ist, schon mal gar nicht, eben weil ich nicht annahm, das noch mal raussuchen zu müssen.
Auf "die wahllos genannten Paraphilien" bin ich doch schon im Zusammenhang mit der von Dir hergestellten Verknüpfung mit dem Rechtsradikalismus eingegangen und hab da schon geantwortet, dass ich sie nicht für wahllos halte und warum. Das war in meiner Antwort #212 und #215. Also, bei allem Respekt, ich dachte das wäre geklärt? Im übrigen sprichst Du von Klischees und ich meine es sind alle mit Böhmermannscher Gründlichkeit herausgefischt worden. Ich frag mich: Welche hat er weiterschwimmen lassen? Mir fallen keine ein. Im übrigen ist ja Dein Satz:
"Hier wird gerade nicht an irgendwelche bekannten Eigenschaften Erdogans angeknüpft."
viel interessanter, weil ich diesen nun mal mit meinen Zitaten aus Böhmermanns "Gedicht" widerlegt habe. Und wenn ich die Zitate lese, dann gibt es eben diese Verknüpfung zwischen den von Dir so gern diskutierten Paraphilien und bekannten Eigenschaften Erdogans. Wozu das Minderheiten-Unterdrücken, Kurden-Treten, Christen-Hauen gehören. Böhmermann tut also genau das, was Du mit o.g. Satz bestreitest. Er verknüpft bekannte Eigenschaften Erdogans mit den Paraphilien. Und stellt den persönlichen Bezug her wodurch auch die Paraphilien ihm ohne weiteres zugeschrieben werden können. Darum drehte sich unsere Diskussion die ganze Zeit. Und ich denke, dass genau darum das Gericht das Rezitieren und Zeigen verboten hat.
Im übrigen möchte ich mich bei Dir bedanken, denn ohne Deine Argumente hätte sich mir die rechtliche Bedeutung der von Dir thematisierten Zusammenhänge gar nicht erschlossen.
Deine letzte Frage habe ich für eine rhetorische gehalten und deshalb nicht beantwortet. Aber dass die Antwort Nein heißt, geht aus meinen gesamten Ausführungen hervor. Ich habe überhaupt kein Problem damit, Erdogan einen Verbrecher zu nennen (was ich hier während der Diskussion tat) und trotzdem die Ansicht zu vertreten, die ich zu dem Fall nun mal habe.
Zitat von Noricus im Beitrag #234Aber wird Satire nicht umso mehr als solche erkennbar, wenn sie exzessiv ist?
Stimmt auch wieder, sowohl Beleidigung als auch Satire leben von der Übertreibung. Auf der Übertreibungsskala liegen sie in der gleichen Richtung und können daher leicht miteinander verwechselt werden. Wenn ich Sie recht verstehe, dann rechnen Sie der Satire den weit draußen liegenden Teil der Skala zu, während die Beleidigung auf einen beschränkten Bereich konzentriert wäre. Aber ist es nicht umgekehrt so, daß Satire, um zu wirken und richtig verstanden zu werden, eine feine Linie treffen muß (was eine Kunst ist), wohingegen Beleidigung ziemlich grob auch aus dem Vollen schöpfen kann? Ein Chirurg muß sein Skalpell viel sorgfältiger und überlegter führen als ein Gangster sein Messer.
Meiner natürlich völlig unmaßgeblichen Meinung nach ist "Beleidigung" generell kein sinnvoller Straftatbestand, weil die Frage, ob er überhaupt vorliegt, viel zu sehr von der Persönlichkeitsstruktur des Klägers abhängt. Bei Körperverletzung beispielsweise habe ich den Schmerz und den Schaden unabhängig davon, wie ich sie ansehe, aber wenn mir einer verbal krumm kommt, dann liegt es ganz an mir, ob ich darüber lache, ihn für einen Idioten halte oder zum Kadi laufe. Im Englischen gibt es ja den treffenden Ausdruck "to take offence", der die aktive Mitwirkung des Beleidigten deutlicher macht. Ein so schwammiges Delikt hat im Strafrecht keinen Platz, meine ich, und das ganze Konzept (auch im weiteren Bereich z.B. der immer aktueller werdenden Frage, wer wessen Propheten beleidigt hat usw.) vergiftet nur die Gesellschaft. In einer aufgeklärteren Zeit würden wir darüber so verständnislos den Kopf schütteln wie heute über die noch vor 200 Jahren grassierende Duellkultur, bei der sich ansonsten ganz vernünftige, intelligente und gebildete Leute wegen eines scheelen Blicks gegenseitig totschossen.
Aber so wie die Lage nun ist, steht das im StGB, und so kann jeder, dessen Minderwertigkeitskomplex mit den Worten eines anderen resoniert, zum Ankläger werden. Und da ist nun, um auf Ihr Beispiel von 1. einer Einzelinvektive vs. 2. einer langen Liste zurückzukommen, bei 2. doch die Wahrscheinlichkeit, daß etwas dabei ist, das den Adressaten "in seinen Gefühlen verletzt" (wie üblicherweise das Subjektive und Nebulöse metaphorisch zum Justiziablen konkretisiert wird), viel größer. Eine Maschinengewehrsalve trifft eben eher als ein einzelner Schuß. (Ich persönlich würde wie Sie das ganze in die Schmarrn-Kategorie einstufen, so wie alles, was ich bisher von Herrn B. gesehen habe - aber das heißt eben nichts anderes als daß wir nicht leicht beleidigt werden können. Leute wie Erdoğan ticken offenbar anders.)
Zitat von Noricus im Beitrag #234Aber wird Satire nicht umso mehr als solche erkennbar, wenn sie exzessiv ist?
Stimmt auch wieder, sowohl Beleidigung als auch Satire leben von der Übertreibung. Auf der Übertreibungsskala liegen sie in der gleichen Richtung und können daher leicht miteinander verwechselt werden. Wenn ich Sie recht verstehe, dann rechnen Sie der Satire den weit draußen liegenden Teil der Skala zu, während die Beleidigung auf einen beschränkten Bereich konzentriert wäre. Aber ist es nicht umgekehrt so, daß Satire, um zu wirken und richtig verstanden zu werden, eine feine Linie treffen muß (was eine Kunst ist), wohingegen Beleidigung ziemlich grob auch aus dem Vollen schöpfen kann? Ein Chirurg muß sein Skalpell viel sorgfältiger und überlegter führen als ein Gangster sein Messer.
Meiner natürlich völlig unmaßgeblichen Meinung nach ist "Beleidigung" generell kein sinnvoller Straftatbestand, weil die Frage, ob er überhaupt vorliegt, viel zu sehr von der Persönlichkeitsstruktur des Klägers abhängt. Bei Körperverletzung beispielsweise habe ich den Schmerz und den Schaden unabhängig davon, wie ich sie ansehe, aber wenn mir einer verbal krumm kommt, dann liegt es ganz an mir, ob ich darüber lache, ihn für einen Idioten halte oder zum Kadi laufe. Im Englischen gibt es ja den treffenden Ausdruck "to take offence", der die aktive Mitwirkung des Beleidigten deutlicher macht. Ein so schwammiges Delikt hat im Strafrecht keinen Platz, meine ich, und das ganze Konzept (auch im weiteren Bereich z.B. der immer aktueller werdenden Frage, wer wessen Propheten beleidigt hat usw.) vergiftet nur die Gesellschaft. In einer aufgeklärteren Zeit würden wir darüber so verständnislos den Kopf schütteln wie heute über die noch vor 200 Jahren grassierende Duellkultur, bei der sich ansonsten ganz vernünftige, intelligente und gebildete Leute wegen eines scheelen Blicks gegenseitig totschossen.
Aber so wie die Lage nun ist, steht das im StGB, und so kann jeder, dessen Minderwertigkeitskomplex mit den Worten eines anderen resoniert, zum Ankläger werden. Und da ist nun, um auf Ihr Beispiel von 1. einer Einzelinvektive vs. 2. einer langen Liste zurückzukommen, bei 2. doch die Wahrscheinlichkeit, daß etwas dabei ist, das den Adressaten "in seinen Gefühlen verletzt" (wie üblicherweise das Subjektive und Nebulöse metaphorisch zum Justiziablen konkretisiert wird), viel größer. Eine Maschinengewehrsalve trifft eben eher als ein einzelner Schuß. (Ich persönlich würde wie Sie das ganze in die Schmarrn-Kategorie einstufen, so wie alles, was ich bisher von Herrn B. gesehen habe - aber das heißt eben nichts anderes als daß wir nicht leicht beleidigt werden können. Leute wie Erdoğan ticken offenbar anders.)
Da möchte ich ausdrücklich zustimmen, mich treffen Beleidigungen so gut wie gar nicht. Ich sehe es grundsätzlich als intellektuelle Schwäche an, auf so etwas zurückzugreifen. Wenn das jemand tut der unterhalten will, wird er natürlich sein Publikum finden - und sei es nur deshalb, weil es durch permanente Befolgung staatlicher Bevormundung ein politisch korrektes Ablassventil sucht und bei Böhmermanns findet. Es ist ja gerade die Humorlosigkeit bzw. die Unfähigkeit zum Wortwitz welche meint, üble Beleidigungen und Zoten°) könnten auch zum guten Geschmack gehören, wenn sie nur den "richtigen" Geschmack treffen und satirisch eingekleidet sind. "Beleidigung" ist m.E. dann kein sinnvoller Straftatbestand wenn eine Beleidigung üblicherweise keine weiteren Straftaten zur Folge hat. Wenn es in einer Gesellschaft jedoch auf eine Beleidigung hin regelmäßig zu Körperverletzungen kommt, ist es durchaus eine Überlegung wert, ob man letztere vermeidet in dem man den Beleidigten die Möglichkeit zur Klage einräumt, anstatt dieser mangels einer solchen Möglichkeit zu anderen Formen des Ausgleichs greift. Wenn Justizminister Maas allerdings Beleidigung als einen mildernden Umstand im Falles eines Mordes einführen will, frag ich mich schon wie das dann zusammenpasst. Und ob nicht mal wieder mit zweierlei Maas gemessen wird. Nun kann man argumentieren dass Staatsoberhäupter und Politiker generell ein höheres Maß an Spott, Häme und auch Beleidigungen ertragen müssen - als öffentliche Person. Nur fürchte ich abermals dass die Praxis von zweierlei Maas das in bestimmten Fällen gar nicht so sieht. Und die gesamte Böhmi-Fan-Freiheitskämpferbewegung auch nicht. Jedenfalls nicht bei diesem Beispiel: http://www.deutschlandfunk.de/politik-em...ticle_id=331279 Und jetzt bin ich genau an dem Punkt angelangt, wo die ganze Bigotterie deutlich wird, gegen die sich mein Einsatz in dieser Diskussion richtet. Wir schauen immer nur zum Rosinenpicken nach Amerika oder der Schweiz oder irgendwo anders hin, wenn mal wieder etwas "abgeschafft" oder "gekippt" werden soll, was angeblich aus der Zeit gefallen ist. Bei Erdogan ist es Majestätsbeleidigung und bei Mutlu (den ich übrigens auch nicht gern in Schutz nehme) "ein unerträglicher Angriff auf die Menschenwürde". Amerika kennt keinen Angriff auf die Menschenwürde, nicht mal den Begriff. Also nehme ich zur Kenntnis, dass die deutsche Gesellschaft noch nicht soweit ist um auf ihn verzichten zu können. Und auf den Straftatbestand der Beleidigung.
Zitat von Fluminist im Beitrag #236Meiner natürlich völlig unmaßgeblichen Meinung nach ist "Beleidigung" generell kein sinnvoller Straftatbestand, weil die Frage, ob er überhaupt vorliegt, viel zu sehr von der Persönlichkeitsstruktur des Klägers abhängt.
Ich glaube, lieber Fluminist, das das schon berücksichtigt ist, indem es ein Antragsdelikt ist. Wer sich nicht beleidigt fühlt, wird keine Anzeige erstatten.
Die entscheidende Frage ist: Was wird - im Fall einer Anzeige - als Beleidigung gewertet und was nicht. Das hängt von einer gesellschaftlichen Konvention ab, die natürlich einem Wandel unterliegt. Ein schönes Beispiel ist die berühmte Gerichtsposse "Die Dachserin" von Ludwig Thoma, wo es um die Frage geht, ob "Leck mich am Arsch" (bairisch umschrieben mit "auf Kirchweih laden") eine Beleidigung ist. http://gutenberg.spiegel.de/buch/onkel-p...chichten-703/14
Zitat von Fluminist im Beitrag #236Meiner natürlich völlig unmaßgeblichen Meinung nach ist "Beleidigung" generell kein sinnvoller Straftatbestand, weil die Frage, ob er überhaupt vorliegt, viel zu sehr von der Persönlichkeitsstruktur des Klägers abhängt.
Ich glaube, lieber Fluminist, das das schon berücksichtigt ist, indem es ein Antragsdelikt ist. Wer sich nicht beleidigt fühlt, wird keine Anzeige erstatten.
Berücksichtigt vielleicht schon, aber nicht so wie ich das berücksichtigt sehen wollen würde. Die Tatsache, daß es ein Antragsdelikt ist, ist ja gerade ein Eingeständnis der Subjektivität und unterstreicht meiner Meinung nach die Einschätzung, das es im Strafrecht nichts verloren hat. Die Frage, was als Beleidigung gilt und was nicht, stellte sich dann, jedenfalls strafrechtlich, nicht mehr. Dann wäre eben wirklich alles Satire.
Anders liegt der Fall übrigens bei Verleumdung, aber da ist die Beweislage auch besser, da es ja nicht allein um Gefühle des Klägers geht, sondern wohl nachgewiesen werden muß, daß die verbreiteten Gerüchte unwahr sind, zumindest von einigen Personen geglaubt werden (könnten) und dem Kläger Schaden zufügen (könnten). Das ergibt schon eher einen konkreten Tatbestand.
Zitat von Fluminist im Beitrag #239Berücksichtigt vielleicht schon, aber nicht so wie ich das berücksichtigt sehen wollen würde. Die Tatsache, daß es ein Antragsdelikt ist, ist ja gerade ein Eingeständnis der Subjektivität und unterstreicht meiner Meinung nach die Einschätzung, das es im Strafrecht nichts verloren hat. Die Frage, was als Beleidigung gilt und was nicht, stellte sich dann, jedenfalls strafrechtlich, nicht mehr. Dann wäre eben wirklich alles Satire.
Aber selbst wenn ich die Beleidigung entsprechend USA aus dem Strafrecht rausnehme, bleibt die Frage immer noch zivilrechtlich relevant, wenn es darum geht, einen objektiven Schaden festzustellen. Damit ist auch nicht viel gewonnen.
Zitat von Fluminist im Beitrag #239Berücksichtigt vielleicht schon, aber nicht so wie ich das berücksichtigt sehen wollen würde. Die Tatsache, daß es ein Antragsdelikt ist, ist ja gerade ein Eingeständnis der Subjektivität und unterstreicht meiner Meinung nach die Einschätzung, das es im Strafrecht nichts verloren hat. Die Frage, was als Beleidigung gilt und was nicht, stellte sich dann, jedenfalls strafrechtlich, nicht mehr. Dann wäre eben wirklich alles Satire.
Aber selbst wenn ich die Beleidigung entsprechend USA aus dem Strafrecht rausnehme, bleibt die Frage immer noch zivilrechtlich relevant, wenn es darum geht, einen objektiven Schaden festzustellen. Damit ist auch nicht viel gewonnen.
Da bin ich nicht so überzeugt. Im Zivilrecht gibt es keine Freiheitsstrafen. Und ich glaube nicht, daß es (hier und sonst) die große Diskussion um Böhmermann gäbe, wenn Erdoğan nichts anderes als eine Zivilklage gegen ihn anbringen könnte, mit der er sich nur noch einmal selber lächerlich machen würde.
Zitat von Fluminist im Beitrag #239Berücksichtigt vielleicht schon, aber nicht so wie ich das berücksichtigt sehen wollen würde. Die Tatsache, daß es ein Antragsdelikt ist, ist ja gerade ein Eingeständnis der Subjektivität und unterstreicht meiner Meinung nach die Einschätzung, das es im Strafrecht nichts verloren hat. Die Frage, was als Beleidigung gilt und was nicht, stellte sich dann, jedenfalls strafrechtlich, nicht mehr. Dann wäre eben wirklich alles Satire.
Aber selbst wenn ich die Beleidigung entsprechend USA aus dem Strafrecht rausnehme, bleibt die Frage immer noch zivilrechtlich relevant, wenn es darum geht, einen objektiven Schaden festzustellen. Damit ist auch nicht viel gewonnen.
Da bin ich nicht so überzeugt. Im Zivilrecht gibt es keine Freiheitsstrafen. Und ich glaube nicht, daß es (hier und sonst) die große Diskussion um Böhmermann gäbe, wenn Erdoğan nichts anderes als eine Zivilklage gegen ihn anbringen könnte, mit der er sich nur noch einmal selber lächerlich machen würde.
Natürlich wäre es insgesamt ein Gewinn. Ich habe in dem Zusammenhang nur auf die Ausgangsfrage geantwortet, und da bleibt es der Fall, dass eine Gericht über den beleidigenden Gehalt einer Äußerung entscheiden muss. Nicht um den Beleidiger zu bestrafen, sondern um einen eventuellen Anspruch des Beleidigten zu begründen.
Am elegantesten (wenn auch nicht in lyrischer Form) hat das Jonathan Carroll in seinem ersten Roman, The Land of Laughs von 1980, versteckt. Wo der Protagonist seiner Liebsten von Kindheitsmißverständnissen erzählt:
- "When I first heard about China, I thought the people there were really made of porcelain - brittle and small." - "I'm not going to ask you what you thought when you heard about Turkey."
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Meister Petz im Beitrag #242Natürlich wäre es insgesamt ein Gewinn. Ich habe in dem Zusammenhang nur auf die Ausgangsfrage geantwortet, und da bleibt es der Fall, dass eine Gericht über den beleidigenden Gehalt einer Äußerung entscheiden muss. Nicht um den Beleidiger zu bestrafen, sondern um einen eventuellen Anspruch des Beleidigten zu begründen.
Das ist wahr, die Frage der genauen Abgrenzung bleibt bestehen. Sie wäre aber dadurch sehr entschärft, daß viel weniger auf dem Spiel steht. Bei Beleidigung (im Gegensatz zur Verleumdung, wo ggf. Schadensersatz fällig wäre) geht es ja allenfalls um ein Schmerzensgeld. Im vorliegenden Fall wäre sogar zu hoffen, daß ein vernünftiger Richter die Zivilklage mit dem Hinweis, daß eine Person in exponierter Position wie ein Staatspräsident aufgrund ihrer Prominenz mit einer höheren Inzidenz von Schmähung rechnen und umgehen können muß als eine Privatperson und dementsprechend die Entschädigung für allfälligen Seelenschmerz schon in dem nicht unerheblichen Präsidentensalär einkalkuliert ist, abweist.
Zur Staatsaffäre wird das ja nur, weil Böhmermann die Kunst- und Meinungsfreiheit, Erdoğan die Ehre seines Staates und Merkel das Wohlergehen der Menschheit als Trumpfkarten halten, hier also mit den ganz großen Jetons gepokert wird. Wäre Beleidigung generell eine rein zivilrechtliche Angelegenheit zwischen Einzelpersonen, dann wäre die Sache von vornherein auf ein realistischeres Maß zurechtgestutzt, Böhmermann zum Hanswurst, Erdoğan zur Mimose und der ganze Skandal zur Posse, die vermutlich nicht einmal aufgeführt würde.
Vor einigen Tagen war ich bei der sehr schönen Veranstaltung "Die Deutschen und ihr Humor" mit Jan Fleischhauer und Henryk Broder. Und da wurde der komplette Videoclip Böhmermanns gezeigt, incl. Anmoderation.
Da ich sehr ungern Videos im Internet anschaue, hatte ich mich bis dahin mit der Transkription begnügt. Und mußte feststellen, daß das hier ein Fehler war - der reine Text gibt den Sachverhalt einfach nur unzureichend wieder.
Und jetzt muß ich sagen: Unerwarteterweise würde ich die ganze Aktion durchaus als Kunst einstufen und damit in der Abwägung mit den Persönlichkeitsrechten Erdogans auf Freispruch plädieren. Die ganze Präsentation und die Art des Vorlesens der Schmähkritik zeigt ganz klar, daß der Inhalt in keiner Weise ernst gemeint ist. Da braucht es also gar nicht den (m. E. unwirksamen) Disclaimer "was jetzt kommt ist verboten". Es würde mich sehr überraschen, wenn das vor Gericht zu einer Verurteilung reichen sollte.
Zitat von R.A. im Beitrag #245Die ganze Präsentation und die Art des Vorlesens der Schmähkritik zeigt ganz klar, daß der Inhalt in keiner Weise ernst gemeint ist. Da braucht es also gar nicht den (m. E. unwirksamen) Disclaimer "was jetzt kommt ist verboten".
Sehe ich nicht. Es geht ja nicht um Verleumdung, sondern um Beleidigung. Das zur Lächerlich- und Verächtlichmachung Gesagte ist doch nie ernst gemeint. Aber die Beleidigungsabsicht liegt auf der Hand. Aus der vorhergehenden Diskussion ergibt sich keinerlei Grund, ein solches Gedicht in aller Länge vorzutragen, eher, wie die Künstler selbst betonen, ein Grund, es nicht vorzutragen. Außerdem: die Türkeifahne im Hintergrund, die türkischen Untertitel... hier geht es ganz eindeutig darum, dem Türken, der sich schon an dem harmlosen Song vorher gestört hatte, richtig eins reinzuwürgen und ihn für diese Dünnhäutigkeit lächerlich zu machen. So hat es das applaudierende Publikum ja offenbar auch verstanden.
Als Kunst kann man das mit Phantasie natürlich trotzdem einstufen, wenn man will. Wir werden sehen, ob der Richter das auch so sieht.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #246Lieber R.A., vor zehn Tagen habe ich hier unter #202 das komplette Video plus Skript verlinkt.
Ich weiß. Es gab überall im Internet irgendwelche Links dazu - aber wie schon gesagt: Normalerweise schaue ich mir das nie an. Und wenn ich nicht "wehrlos" im Zuschauersaal gesessen hätte, hätte ich auch bei der Fleischhauer/Broder-Diskussion das Video weggeklickt.
Aber es war halt mal ein Beispiel, wo der gedruckte Text nicht reicht und man tatsächlich die komplette Szene braucht, um urteilen zu können.
Viva §103! Ein großartiger Student aus Österreich weitet die Bestimmung jetzt sogar auf potenzielle Staatsoberhäupter aus:
Zitat Nach einem Bericht der Zeitung "Hannoversche Allgemeine" sind jedoch inzwischen bei der Staatsanwaltschaft Mainz zwei Strafanzeigen eingegangen, eine aus Deutschland und eine aus Österreich.
Die österreichische Strafanzeige stammt von einem Tiroler Jura-Studenten und ehemaligen FPÖ-Mitglied, wie die "Tiroler Tageszeitung" berichtet. Laut dem Bericht bezieht sich der Student unter anderem auf den Strafrechtsparagrafen 103, bei dem es um die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes geht. Demnach soll auch die FPÖ eine Klage erwogen haben. Da es sich bei Norbert Hofer derzeit aber nur um einen Bundespräsidentschaftskandidaten handelt, habe die Partei davon abgesehen, berichtet die "Tiroler Tageszeitung".
Hätte man auch nicht für möglich gehalten, dass der Rentnersender vom Lerchenberg mal die freigewordene Sturmgeschützposition besetzen wird. Was kommt als nächstes? Nordkorea zeigt Kiewi vom ZDF-Fernsehgarten an? Ist Klaus Kleber deshalb so vorsichtig beim Interview mit den Mullahs? Weil er eine internationale Kampagne gegen das ZDF vermutet? Ma waas es net.
Jedenfalls sollte die Mainzer Justiz dringend mehr Personal einstellen, wenn das weiter so ausufert.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #249Wie man sieht, so schlau ist nicht mal die FPÖ.
Die FPÖ scheint in diesem Fall sehr schlau zu agieren. Den Beleidigten zu spielen kann ihr im Moment nur schaden.
Zitat Hätte man auch nicht für möglich gehalten, dass der Rentnersender vom Lerchenberg mal die freigewordene Sturmgeschützposition besetzen wird. Was kommt als nächstes?
South Park war mal vielleicht lustig, warum ein öffentlicher Sender krampfhaft mit Fäkalhumor versucht lustig zu sein, verstehe ich nicht. Eigentlich ist es nur peinlich.
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