Zitat von Meister Petz im Beitrag #73Die demokratischen Wahlkämpfer haben nicht kapiert, wie die potenziellen Clinton-Wähler ticken.
Das glaube ich nicht. Die demokratischen Wähler kannten sie ja aus erster Hand. Und es war klar, daß es da (alleine schon wegen des Vorwahlkampfs) enorme Ressentiments gegen Clinton gab. Gegen die man direkt nicht ankam (weil sie Substanz hatten) - deswegen wurde versucht diese Wähler über Dämonisierung Trumps zu motivieren. Gescheitert ist diese Strategie m. E. nicht nur an den neu aufgekochten Clinton-Affären, sondern auch an der allgemeine Zuversicht, die Wahl wäre bereits zugunsten von Clinton gelaufen.
Zitat Die Schwarzen und Latinos haben ja nicht mehr Trump als Romney gewählt, sondern weniger Clinton als Obama.
Beides. Man muß ja auch die absoluten Zahlen sehen - und Trump hat neue Wähler gewonnen, gerade auch bei den Minderheiten.
Zitat von R.A. im Beitrag #76Man muß ja auch die absoluten Zahlen sehen - und Trump hat neue Wähler gewonnen, gerade auch bei den Minderheiten.
Zitat The national exit polls show that Mrs. Clinton drew 65 percent of the Latino vote compared with 29 percent for Mr. Trump. That is a landslide by any measure, and it is about the same margin in the exit polls for 2008 (67 percent vs. 31 percent). The disappointment sets in when you compare the outcome to 2012. President Barack Obama took 71 percent of the Latino vote in the exit polls that year compared with 27 percent for Mitt Romney.
. Natürlich sind da "neue" Wähler dabei, weil der Latinoanteil größer geworden ist. Aber Fakt ist doch: Wenn man die 2 Punkte der Überläufer abzieht, hat Clinton immer noch doppelt so viele verloren, die einfach daheim geblieben sind oder was anderes gewählt haben.
Zitat von R.A. im Beitrag #76Trump hat neue Wähler gewonnen, gerade auch bei den Minderheiten.
Besonders bei den Latinos in Florida. Das nämlich sind vor allem Exilcubaner, denen die "Normalisierung" des Verhältnisses zu Cuba durch Obama eben gerade nicht gefallen hat. Interessant war da in der Wahlnacht in der ARD ein Interview mit einer Funktionärin dieser Gruppe, die sich maximal begeistert zum Wahlsieg von Trump äußerte und auf Befragen die Vorwürfe gegen Trump wegen Frauenfeindlichkeit in Bausch und Bogen als Unsinn abtat.
Die Gruppe der (Ex-)Mexikaner hat mehrheitlich Clinton gewählt. Aber eben nicht so stark wie die Clinton Wahlkämpfer sich das vorgestellt haben. Diese Leute sind ja stark katholisch-religiös geprägt und eigentlich eher der konservativ-republikanischen Seite zugeneigt. Und von denen haben eben auch einige die Auffassung, daß illegale Einwanderung nichts ist worauf man so ohne weiteres stolz sein könnte. Und genau die folgen der Meinung von Trump, daß die Illegalen eben nicht immer die besten Menschen dieser Welt sind und sich auch häufig mit Rauschgifthandel u.ä. beschäftigen. Das Trump bei seinen Baumaßnahmen auch schon mal mexikanische Schwarzarbeiter beschäftigt hat, wird ihm bei dieser Gruppe kaum angekreidet werden.
Genau so haben die Mormonen (und anderen streng religösen) zu ca. 81% weit überwiegend Trump gewählt. Diese haben die vielen Ehen von Trump und seine angeblichen/tatsächlichen sexuellen Verfehlungen eben nicht als Grund sehen können ihn nicht zu wählen. Wenn überhaupt haben sie wohl eher Hillarys entschiedene Bekämpfung Bill Clintons sexueller Opfer als ausschlaggebend betrachtet. UND: Bei den Religiösen (und dazu zählen ja auch die Latinos/Ex-Mexikaner) zählen die Bevorzugungen der sog. LBQT Communities eben nicht als Vorzug. Genau so wenig wie bei den weißen Unterschichtlern.
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Zitat von Meister Petz im Beitrag #78Natürlich sind da "neue" Wähler dabei, weil der Latinoanteil größer geworden ist.
Was aber nicht automatisch heißt, daß die neuen Latinos (die ja wirklich zum Teil "neu" im Sinne von "frisch eingewandert" sind) automatisch so wählen wie die "alten" vor vier Jahren. Trump hat m. E. genau an den Stellen die entscheidenden Wähler gewonnen, wo es keiner erwartet hat.
Zitat Wenn man die 2 Punkte der Überläufer abzieht, hat Clinton immer noch doppelt so viele verloren, die einfach daheim geblieben sind oder was anderes gewählt haben.
Völlige Zustimmung. Clinton hatte ein Mobilisierungsproblem. Das der Parteiführung m. E. auch vorher bewußt war und dem sie mit der "Trump verhindern"-Kampagne gegensteuern wollten. Das hat aber nur zum Teil funktioniert, und hat wohl auch der Gewinnung neuer Wähler im Weg gestanden. Auf die Punkte, die Trump (mehr über den Bauch als über den Kopf) addressiert hat, haben die Demokraten keine Antwort gehabt, sie sind auf diese nicht einmal eingegangen.
Die sind ja regelmäßig bei jeder Präsidentenwahl gestiegen, auf 2012 etwas über eine Milliarde pro Kandidat. Gewonnen hat in der Regel der Kandidat mit dem größeren Etat (was nicht automatisch heißt, daß er deswegen gewonnen hat).
Diesmal hat Hillary 1,3 Milliarden ausgegeben, Trump aber nur 800 Millionen.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel; & deshalb werden uns für die nächsten zwei Monate die Schattenkabinettigkeiten begleiten, bei denen alle Krempelastrologen fröhlich weiterzocken können. Da wird im Wasserglas gerührt, daß es staubt. Es wird hoffentlich niemand erwarten, daß diese Spezies lernfähig ist. Die eingetretene Gegenwart ist ja per definitionem nicht mehr Teil der prophezeiten Zukunft. Deutsches Musterexemplar war Jürgen Kuczynski, so etwas wie der Star-Wirtschaftshistoriker der Real-DDR (Englische Arbeiterklasse zu Marxens Zeiten; einer der fleißigsten Reisekader) & ab den 70ern ND-Wochenorakel: der 30 Jahre lang jede Woche den Untergang des Kapitalismus an untrüglichen Zeichen unmittelbar vor sich ausmachte. Das letzte Mal eine Woche vor seinem eigenen finalen Untergang Anfang August 1997.
Zitat von Flurfunk, Nov 9, 2016Meanwhile, a person who spoke to the Trump campaign told POLITICO that the aides have also discussed tapping Sarah Palin for Interior secretary. Trump has said he’d like to put Palin in his cabinet, and Palin has made no secret of her interest.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Erstens: In absoluten Zahlen hat Trump weniger Stimmen geholt als Romney vor 4 Jahren. Clinton allerdings DEUTLICH weniger als Obama. Es war also in erster Linie ein Mobilisierungsversagen von Clinton.
Zweitens: Trump hat die regionale Verteilung der Wählerwanderungen in die Hände gespielt. Speziell die Verteilung von (a) der Latinos und (b) der weißen Arbeiterklasse. zu a: Natürlich hat Trump da viele mexikanische Einwanderer verprellt. Das hat ihm aber keine Wahlmänner-Stimmen gekostet. Denn die mexikanischen Einwanderer sind konzentriert in Staaten, die ohnehin schon blau wählen (wie New Mexico und Kalifornien), oder bei denen der republikanische Vorsprung groß genug ist, dass die Latinos das nicht kippen konnten (wie Texas). Einziger Wackelstaat in dieser Hinsicht war Arizona. Und das hat dann ja auch gewackelt (Auszählung m.W. noch nicht abgeschlossen). Und dann gibt es noch einen anderen Sonderfall auf der Latino-Karte. Nämlich Florida. In Florida dominieren allerdings weniger die Einwanderer aus Mexiko (die Trump vor den Kopf gestoßen hat), sondern eher die Einwanderer aus Kuba (die Außenministerin Clinton mit ihrer neuen Kuba-Politik vor den Kopf gestoßen hat). Daher das interessante Phänomen, dass Trump in Florida sogar bei der Latino-Vote hinzugewinnen konnte. Was ihm letztlich diesen superwichtigen Staat knapp gesichert hat.
zu b: die eigentliche historische Wahlkampfleistung von Trump sind seine Erfolge im Mittleren Westen. Michigan und Pennsylvania haben zuletzt 1988 republikanisch gestimmt, Wisconsin und Iowa letztmals 1984. Trump hat sie alle geholt.
Die Region "Mittlerer Westen" ist die traditionelle amerikanische Industrie- und Arbeiter-Region. Es gibt dort kaum große, kulturell bedeutende Städte (einzige Ausnahme vielleicht Philadelphia). Auf Deutschland übertragen: vielleicht am ehesten NRW (ohne Rheinland. Also nur Ruhrgebiet und Westfalen). Diese Region war jahrzehntelang in der Hand der sozialdemkratischeren der beiden US-Parteien, also der Demokraten. Und die Arbeiter scheinen den Demokraten dieses Mal massiv von der Fahne gegangen zu sein. Das ist letztlich der Grund für Trumps Sieg. Denn in diesen Staaten hat er die entscheidenden Stimmen für seinen Sieg geholt. Und da er diese Staaten (mit Ausnahme von Iowa) nur knapp geholt hat, reichte letztlich ein nur recht geringer Stimmen-Umschwung, um ihm eine große Zahl an Electoral Votes zu sichern.
Ich bin mir nicht 100% sicher, warum die Arbeiter die Demokraten abgestraft haben. Objektiv war die US-Wirtschaftspolitik unter Obama ja eigentlich nicht katastrophal schlecht. (Speziell wenn man das mit der Situation in Europa vergleicht). Meine Interpretation (die aber falsch sein kann): die Demokraten scheinen sich zu sehr um "Ostküsten-Themen" gekümmert zu haben. Also Themen, die die gebildete urbane Mittelschicht interessieren. Klima- und Umweltschutz, liberale Einwanderungspolitik, Genderpolitik, Schwulenehe, liberales Abtreibungsrecht, Drogenliberalisierung, gun control, solche Sachen. Und das sind halt alles Themen, die die nicht-studierte "normale" Bevölkerung nicht besonders spannend bzw. zum Teil sogar als Bedrohung ihres eigenen Lebensstils empfinden.
[Auf Deutschland übertragen: Die Schwäche der SPD hat m.E. eine ähnliche Ursache. Man achtet immer weniger auf die Bedürfnisse der eigenen Arbeiter-Stamm-Klientel. Und orientiert sich mehr an grünen Themen. Das findet dann vielleicht die Hauptstadtpresse spannend. Aber nicht unbedingt der traditionelle SPD-Wähler in der Provinz. Das macht diesen SPD-Wähler dann anfällig für die AfD. Und den traditionellen Demokraten-Wähler für Trump. Wobei es hier gar nicht um links-rechts geht. Sondern eher um Kultur und Lebensstil: die Grüne Intelligenzia in den Großstädten bzw. die Liberals an der Ostküste haben einfach die kulturelle Verbindung zum "einfachen" Volk verloren].
Zitat von R.A. im Beitrag #80Völlige Zustimmung. Clinton hatte ein Mobilisierungsproblem. Das der Parteiführung m. E. auch vorher bewußt war
Ein US-Mitarbeiter des Unternehmens, dem ich gerade Rechnungen schreibe, meinte, es wäre ein großer Fehler Clintons gewesen, Staaten, die zu gewinnen sie sich sicher gewesen sei, gar nicht mehr besucht zu haben. Sein Beispiel: Wisconsin.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Florian im Beitrag #84Die Schwäche der SPD hat m.E. eine ähnliche Ursache. Man achtet immer weniger auf die Bedürfnisse der eigenen Arbeiter-Stamm-Klientel. Und orientiert sich mehr an grünen Themen. Das findet dann vielleicht die Hauptstadtpresse spannend. Aber nicht unbedingt der traditionelle SPD-Wähler in der Provinz. Das macht diesen SPD-Wähler dann anfällig für die AfD. Und den traditionellen Demokraten-Wähler für Trump. Wobei es hier gar nicht um links-rechts geht. Sondern eher um Kultur und Lebensstil: die Grüne Intelligenzia in den Großstädten bzw. die Liberals an der Ostküste haben einfach die kulturelle Verbindung zum "einfachen" Volk verloren
Nailed it. Das Problem der Linken überhaupt ist, dass sie seit der offenichtlichen Unwirksamkeit des Vulgär-Keynesianismus (nachdem auch die Verheißung des großen Plans längst beerdigt war) wirtschaftlich keine Perspektive mehr zu bieten haben. Stattdessen konzentrieren sie sich auf Themen, in denen sie unmittelbar mit herkömmlichen Moralvorstellungen in Konflikt geraten, und das kann nur zu einem führen: Spaltung. Et voilà.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Florian im Beitrag #84In absoluten Zahlen hat Trump weniger Stimmen geholt als Romney vor 4 Jahren.
Ups, tatsächlich. Gestern war noch die Rede davon, die Wahlbeteiligung wäre deutlich gestiegen. Was wohl komplett falsch war, und damit auch die entsprechenden Schlußfolgerungen.
Zitat Und dann gibt es noch einen anderen Sonderfall auf der Latino-Karte.
Richtig. Überhaupt ist "Latino" ein eigentlich untauglicher Sammelbegriff. Es macht einen Riesenunterschied, ob jemand aus Mexiko, aus Kuba oder aus Puerto Rico kommt. Ganz anderer Hintergrund, ganz andere politische Einstellung. Und es macht vor allem einen Unterschied, wann die Familie gekommen ist und mit welchem Rechtsstatus. Ein etablierter US-Bürger mexikanischen Ursprungs hat nicht unbedingt viel Sympathie für illegal nachdrängende "Landsleute".
Zitat Und die Arbeiter scheinen den Demokraten dieses Mal massiv von der Fahne gegangen zu sein.
Richtig. Das ist wohl einer der wenigen Fälle, wo die Entwicklung in Deutschland schneller war als die in den USA. Denn die entsprechenden Wählerschichten hat die SPD schon längst verloren. Das hat wohl einerseits mit der stärkeren Regionalisierung in den USA zu tun - die lokalen demokratischen Parteien in den Arbeitergebieten können stärker die klassische Agenda verfolgen, egal was die Parteifreunde an der Ostküste machen. Und andererseits mit dem bipolaren Parteiensystem. Bei der SPD haben sich die Grünen abgespalten. Der linke SPD-Flügel ist zwar stark genug, um oft grüne Inhalte durchzubringen, aber er ist noch in der Minderheit. Die Demokraten sind längst von "Grünen" übernommen. Ähnlich hat sich die AfD rechts von der Union abgespalten. Sonst wäre da mittelfristig auch eine "Übernahme" der Union denkbar, wie das Trump vorgeführt hat.
Man stelle sich mal eine Wahl in Deutschland mit nur zwei relevanten Optionen vor: Die SPD mit ihrer Kanzlerkandidatin Göring-Eckardt, und die Union mit Alexander Gauland. Wahlkampf und Ergebnis wären wohl ähnlich wie in den USA ... Wobei eigentlich Robert Geissen das deutsche Trump-Pendant wäre. Aber Millionäre gehen in Deutschland nicht so gut wie drüben.
Zitat Objektiv war die US-Wirtschaftspolitik unter Obama ja eigentlich nicht katastrophal schlecht.
Schlecht genug für die, die jetzt zu Trump übergelaufen sind. Für US-Verhältnisse waren Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt unter Obama ziemlich schwach. Die Probleme im rust belt gibt es natürlich schon länger, insbesondere bei der Auto-Industrie. Aber die waren halt bisher für keine der beiden großen Parteien ein Thema. Trump hat das offensiv angesprochen und das in Aussicht gestellt (Importverbote etc.), was dort schon länger gewünscht wurde.
Zitat die Demokraten scheinen sich zu sehr um "Ostküsten-Themen" gekümmert zu haben. Also Themen, die die gebildete urbane Mittelschicht interessieren. Klima- und Umweltschutz, liberale Einwanderungspolitik, Genderpolitik, Schwulenehe, liberales Abtreibungsrecht, Drogenliberalisierung, gun control, solche Sachen.
Bingo.
Und der Gag ist: Das sind eigentlich gar nicht die Schwerpunkte einer Hillary Clinton. Die ist eher klassische SPD (incl. Filz) und hat sich diese Themen vom linken Flügel aufdrücken lassen. Und daß hat sie die Wahl gekostet. Sozusagen die Rache von Bernie Sanders.
Zitat von R.A. im Beitrag #87Die ist eher klassische SPD (incl. Filz) und hat sich diese Themen vom linken Flügel aufdrücken lassen.
Ist das nicht so etwas wie eine Grundbefindlichkeit der Politik? Was bei uns als grüne Agenden mittlerweile das gesamte etablierte Politikspecktrum grundiert, sind ja Fundi-Themen, von Genderei bis Zerknalltreiblingsverbot. Obwohl die über die Realoschiene den Fuß in die Tür gekriegt haben.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von R.A. im Beitrag #87Man stelle sich mal eine Wahl in Deutschland mit nur zwei relevanten Optionen vor: Die SPD mit ihrer Kanzlerkandidatin Göring-Eckardt, und die Union mit Alexander Gauland. Wahlkampf und Ergebnis wären wohl ähnlich wie in den USA ... Wobei eigentlich Robert Geissen das deutsche Trump-Pendant wäre. Aber Millionäre gehen in Deutschland nicht so gut wie drüben.
Guter Vergleich.
So ganz klar ist mir aber nicht, warum sich die USA zu einer so gespaltenen Gesellschaft entwickeln.
Politökonomisch wäre ja eigentlich zu erwarten, dass beide großen Parteien versuchen, den Median-Wähler anzusprechen. Also sich in der Mitte treffen.
In der Vergangenheit hat das auch so funktioniert. Bill Clinton hat z.B. eine recht "mittige" Politik gemacht. So in etwa das, was gleichzeitig Blair und Schröder in Europa versucht haben und was ihnen auch Wahlerfolge brachte. Und auch George W. Bush war "mittig". (Ich weiß, dass das in den deutschen Medien nicht so rüberkam. Aber er war ein sehr um sozialen Ausgleich bemühter Präsident. Und er hatte in seinen ersten Amtsjahren lagerübergreifend sehr hohe Zustimmungswerte. Ähnlich wie bei uns Merkel).
Mittlerweile scheint das aber zu kippen. Obama hat sehr deutlich linke Politik für die eigenen Leute gemacht. Obamacare war z.B. ein rein linkes Projekt das gegen große Teile der Bevölkerung durchgedrückt wurde. Und sowohl bei den Republikanern als auch bei den Demokraten wurden jetzt Kandidaten aufgestellt, bei denen klar war, dass sie "im anderen Lager" als rotes Tuch empfunden werden würden. Politökonomisch ergibt das eigentlich keinen Sinn. Die rationale Strategie ist bei einem Zweiparteiensystem ein mittiger Kandidat, kein spaltender.
Zitat von Florian im Beitrag #84Ich bin mir nicht 100% sicher, warum die Arbeiter die Demokraten abgestraft haben.
Dazu habe ich noch etwas gefunden. In dieser ausführlichen Analyse der demokratischen Wahlkampagne bzw. der Probleme dort heißt es u.a.:
Zitat But in general, Bill Clinton’s viewpoint of fighting for the working class white voters was often dismissed with a hand wave by senior members of the team as a personal vendetta to win back the voters who elected him, from a talented but aging politician who simply refused to accept the new Democratic map.
Eine Gruppe der Demokraten mit Bill Clinton an der Spitze waren also durchaus dafür, die klassischen Wählerschichten anzusprechen. Und hätten damit vielleicht die Wahl gewonnen. Aber durchgesetzt haben sich die Ostküsten-Demokraten mit ihren grünen Themen.
Zitat von Florian im Beitrag #89So ganz klar ist mir aber nicht, warum sich die USA zu einer so gespaltenen Gesellschaft entwickeln.
Ich glaube gar nicht, daß es so eine Entwicklung gibt. Das scheint mir eher so ein Mythos der Art "die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auf" zu sein.
Natürlich sind die USA viel heterogener als Deutschland. Die Leute sind weiter voneinander weg, die Unterschiede zwischen den Regionen und vor allem zwischen Stadt und Land sind viel größer, die sozialen Milieus viel unterschiedlicher, dazu noch die ethnischen Gegensätze. Da konnte man eigentlich schon immer von "gespaltener Gesellschaft" sprechen, es ist eher erstaunlich, daß doch so viel zusammengeht.
Zitat Politökonomisch wäre ja eigentlich zu erwarten, dass beide großen Parteien versuchen, den Median-Wähler anzusprechen. Also sich in der Mitte treffen.
Was sie in der Regel ja auch tun. Bill Clinton oder George Bush waren durchaus "mittig".
Aber Obama nicht. Der ist politisch ganz linksaußen - aber das fällt den meisten Wählern nicht auf, weil er sich als netter Typ gibt und nur Blubber-Reden ohne klare politische Konturen hält. Deswegen gibt es diesen Kontrast, daß er immer noch sehr hohe persönliche Sympathiewerte hat, aber die Politik seiner Regierung extrem unbeliebt ist.
Dazu kommt noch dieser Trend zur PC, der jetzt zu so einer krassen Abwehrreaktion geführt hat - das hat eigentlich mit klassischen politischen Themen und Positionierungen gar nicht viel zu tun.
Und eigentlich sind Hillary Clinton und Donald Trump beide ziemlich "mittig". Clinton sowieso, ihre Linksthemen hat sie sich von Obama und Sanders aufdrücken lassen. Und auch Donald Trump galt über Jahrzehnte eher als Demokrat, bestens mit dem Establishment dort vernetzt, und bei den meisten Themen ist er wohl auch eher Mitte. Das fällt nur wegen seiner extremen Anti-PC-Pöbeleien nicht so auf. Er gab sich gerade noch rechts genug, um die Unterstützung der entsprechenden Rep-Gruppen zu bekommen. Aber er ist eben kein eifernder Evanglikaler, er ist nicht so rechts wie diverse Konkurrenten in den Vorwahlen - und deswegen konnte er in der entscheidenden Mitte die Wahl gewinnen.
Zitat von Florian im Beitrag #89So ganz klar ist mir aber nicht, warum sich die USA zu einer so gespaltenen Gesellschaft entwickeln.
Politökonomisch wäre ja eigentlich zu erwarten, dass beide großen Parteien versuchen, den Median-Wähler anzusprechen. Also sich in der Mitte treffen.
Das ist zur Zeit so ein Ding. Auch in Großbritannien sah die Lage noch vor anderthalb Jahren sehr mittig aus: mit Cameron und Milliband standen sich zwei sehr in der politischen Mitte angesiedelte Kandidaten gegenüber, die sich so ähnlich waren, daß zur Unterscheidung die größere Grazie herangezogen werden mußte, mit der der eine im Vergleich zum anderen seine Sandwiches verzehrte. Jetzt hat Labour schon seit gut einem Jahr einen reichlich abgedrehten Linksaußen zum Vorsitzenden, und die neue Führerin der Konservativen hat jüngst auf dem Parteitag Sprüche geklopft, die genausogut von BNP, Britain First o. ä. hätten kommen können.
Ob da nun wirklich eine allgemeine Entwicklung dahintersteht, eine neuerliche Neigung des Weltgeists zum Extremismus, oder ob es doch nur zufällige Fluktuationen sind, wage ich nicht zu beurteilen. Jedenfalls haben hier oft kleine Effekte große Wirkung. Zwo Prozent mehr für "Remain" beim EU-Referendum, und wir hätten in Großbritannien nach wie vor den mittigen Cameron, und dann würde voraussichtlich auch die Labourpartei, nachdem sich die Trotskisten gründlich ausgetobt hätten und die Umfragewerte so richtig im Keller wären, noch rechtzeitig vor der nächsten Wahl einen präsentierbareren Kandidaten als Corbyn auftreiben.
Aber so wie die Sache jetzt steht, geht die Spaltung der Gesellschaft und die politische Polarisierung munter voran, mit wenig Aussicht darauf, bald wieder zur Mitte zurückzukehren.
Zitat von Florian im Beitrag #89Politökonomisch wäre ja eigentlich zu erwarten, dass beide großen Parteien versuchen, den Median-Wähler anzusprechen. Also sich in der Mitte treffen.
Trump ist beim Thema Einwanderung rechts. Seine Annaeherung an Putin, seine Ablehnung von Handelsabkommen, sein Wettern gegen das Establishment sind dagegen durchaus links. Im "Durchschnitt" ist Trump ein durchaus mittiger Kandidat, ebenso wie Clinton. Allerdings ist die Extrempositionierung in Einzelfragen moeglicherweise besser geeignet um Wahler zu mobilisieren.
Zitat von R.A. im Beitrag #77Angeboten wird das Seminar von den Politikwissenschaftlern.
Weiteres aus der Generation Schneeflocke.
Zitat von Münstersche Zeitung, 9.11.Münster - Die US-Wahlnacht im Institut für Politikwissenschaft hatte so fröhlich begonnen. Fast 1000 Schüler und Studierende waren gekommen. In zwei Hörsälen lauschten sie Vorträgen, Live-Kommentaren und Musik. Fast 100 hielten die Nacht durch, schauten Fernsehen, diskutierten.
Dann folgte am frühen Morgen die Überraschung: Donald Trump hat die Wahl gewonnen. „Es war pures Entsetzen im Saal“, beschreibt Professor Klaus Schubert die Reaktionen. Viele Studierende seien weinend aus der Hörsaal gelaufen. Aus Trauer über die verlorene Chance, aus Entsetzen, dass ein Mann, der auf Lügen und Hass seinen Wahlkampf baute, zum Präsident der einzig verbliebenen Weltmacht USA wird.
Erklärt aber, wie so was passieren kann. Die Medien rekrutieren sich daher & hören darauf & "die Politik" hört auf die Medien. Und die greifen das von der Politik ab. Fataler Rückkopplungseffekt.
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Wenn in einem deutschen Studiengang Politikwissenschaft die USA als einzig verbliebene Supermacht bezeichnet wird, dann zeugt allein das schon von einer völlig verzerrten Realitätswahrnehmung.
Die einzig verbliebene Macht des westlichen Kulturkreises, das wäre richtig. In 50 Jahren werden die verbliebenen dekadenten Westler dankbar sein, wenn mit der USA überhaupt noch ein westlicher Staat mit am Tisch der Mächtigen sitzt.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Markus Somm, Basler Zeitung, 9.11.Das Volk entscheidet, nicht die Elite. Es ist die grösste Ohrfeige aller Zeiten. Man muss weit zurückgehen, bis man einen ähnlichen demokratischen Aufbruch erlebt hat. 1989? Vielleicht. ... Dass Jahre später Grossbritannien den Austritt aus der EU beschliesst, dass die Niederlande der EU mit dem Ukraine-Referendum in diesem Frühjahr einen Denkzettel verpassen, dass schliesslich die Amerikaner Donald Trump, den Schrecken aller Internationalisten, zum Präsidenten machen: Es ist kaum ein Zufall. Die Schweiz, Grossbritannien, die Niederlande, die USA: Diese Länder zählen zu den ältesten Demokratien des Westens. Je reifer und etablierter die demokratische Tradition eines Landes, desto eher regt sich Widerstand im Volk, desto mehr muss die Elite zittern. So gesehen ist es durchaus denkbar, dass die nächste Revolution schon im kommenden Frühjahr anlässlich der Präsidentschaftswahlen in Frankreich vor sich geht. Marine Le Pen, die ich mit grosser Skepsis betrachte, hat Donald Trump fast als erste französische Politikerin gratuliert.
Wird Donald Trump ein guter Präsident oder ein katastrophaler?
Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen: Die Welt wird nie mehr so sein, wie sie vor ihm war.
Da wird recht überzeugend argumentiert, dass man in das Wahlergebnis besser nicht zu viel hineininterpretieren sollte. Sehr guter Beitrag.
Ich könnte den ganzen Artikel zitieren, weil mir praktisch jede Aussage gefällt. Aber hier nur ein kurzer Teaser:
Zitat If a Trump victory tomorrow would convince you that X is true, I suggest that you believe X is true regardless of whether or not Trump wins, because Trump’s victory almost certainly will depend more on noise than on X. (...) If there’s some Z that you will believe only if Trump wins but not if Hillary wins, then I suggest you seriously reconsider what thought process has led you to decide that you will flip your views on politics and society depending on whether or not there’s a rainstorm or a 2% polling error or whatever.
Zitat von Florian im Beitrag #97Zur Interpretation des Wahlergebnisses hier übrigens noch ein wunderbar entspannter Artikel (geschrieben einen Tag VOR der Wahl):
Da wird recht überzeugend argumentiert, dass man in das Wahlergebnis besser nicht zu viel hineininterpretieren sollte.
Es ist doch anders. Selbst wenn Hillary gewonnen hätte, hätte man nicht von dem anfangs erwarteten Spaziergang sprechen können (Chanpagner geöffnet nachdem Trump der republikanische Gegenkandidat wurde und so). Tatsache ist nun mal, daß Trump gegen so gut wie den gesamten Medienzirkus und im Grund gegen beide Parteien aus dem Stand auf 45+x Prozent gekommen ist. Auch wenn er verloren hätte, wäre das beachtlich gewesen. Und dazu kommt eben der Verstoß gegen so gut wie alle politisch-korrekten Gewißheiten, der bis vor kurzem auch in den USA noch den Kopf gekostet hätte. Es ist also mindesten sein Dammbruch wenn nicht sogar ein mit ´89 vergleichbarer Zusammenbruch der linken Herrschaft über die Stammtische derer wir hier beiwohnen dürfen.
Es wird halt NUR ein Dammbruch sein, wenn sich die Sache nicht ins Jahr 2017 fortsetzen läßt. Bislang ist aber nicht erkennbar wie die linke Schickeria hier kurzfristig eine Strategie dagegen entwickeln will.
Scott Alexander irrt oder pfeift im Wald, um sich selber Mut zu machen.
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Zitat von R.A. im Beitrag #87Man stelle sich mal eine Wahl in Deutschland mit nur zwei relevanten Optionen vor: Die SPD mit ihrer Kanzlerkandidatin Göring-Eckardt, und die Union mit Alexander Gauland. Wahlkampf und Ergebnis wären wohl ähnlich wie in den USA ... Wobei eigentlich Robert Geissen das deutsche Trump-Pendant wäre. Aber Millionäre gehen in Deutschland nicht so gut wie drüben.
Guter Vergleich.
So ganz klar ist mir aber nicht, warum sich die USA zu einer so gespaltenen Gesellschaft entwickeln.
Politökonomisch wäre ja eigentlich zu erwarten, dass beide großen Parteien versuchen, den Median-Wähler anzusprechen. Also sich in der Mitte treffen.
In der Vergangenheit hat das auch so funktioniert. Bill Clinton hat z.B. eine recht "mittige" Politik gemacht. So in etwa das, was gleichzeitig Blair und Schröder in Europa versucht haben und was ihnen auch Wahlerfolge brachte. Und auch George W. Bush war "mittig". (Ich weiß, dass das in den deutschen Medien nicht so rüberkam. Aber er war ein sehr um sozialen Ausgleich bemühter Präsident. Und er hatte in seinen ersten Amtsjahren lagerübergreifend sehr hohe Zustimmungswerte. Ähnlich wie bei uns Merkel).
Mittlerweile scheint das aber zu kippen. Obama hat sehr deutlich linke Politik für die eigenen Leute gemacht. Obamacare war z.B. ein rein linkes Projekt das gegen große Teile der Bevölkerung durchgedrückt wurde. Und sowohl bei den Republikanern als auch bei den Demokraten wurden jetzt Kandidaten aufgestellt, bei denen klar war, dass sie "im anderen Lager" als rotes Tuch empfunden werden würden. Politökonomisch ergibt das eigentlich keinen Sinn. Die rationale Strategie ist bei einem Zweiparteiensystem ein mittiger Kandidat, kein spaltender.
Nö, Trump ist/war eigentlich eher Demokrat - aber bei denen hätte er die Vorwahlen nicht gewinnen können. Ein traditioneller Konservativer ist er jedenfalls nicht gerade. Und "rotes Tuch" war er nur für den Teil des gegnerischen Lagers, der der politischen Korrektheit verfallen ist.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #94Weiteres aus der Generation Schneeflocke.
Zitat von New York Post, Nov 11. 2016But for pure pathos crossing into the absurd, we turn (as usual) to the college campus. Consider:
- The University of Michigan offered its traumatized students coloring books and Play-Doh to calm them. (Are its students in college or kindergarten?) - The University of Kansas reminded its stressed-out kids that therapy dogs, a regular campus feature, were available. - Cornell University, an Ivy League school, held a campus-wide “cry-in,” with officials handing out tissues and hot chocolate. - Tufts University offered its devastated students arts and crafts sessions. (OK, not kindergarten — more like summer camp.) - At campuses from elite Yale to Connecticut to Iowa and beyond, professors canceled classes and/or exams — either because students asked or because instructors were too distraught to teach.
Cornell. Ich stelle fest, daß die Uni Münster den Standard amerikanischer Elite-Unis erreicht hat. Dank endloser safe spaces & trigger warnings. Und was machen die, wenn sie ins RL losgelassen werden & es mal in echt knallt?
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