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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 565 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

19.01.2017 16:33
Insel im Nebel Antworten

Unabhängig von der allgemeinen Wetterlage - die britische Regierung steuert ohne klare Sicht.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

19.01.2017 18:54
#2 RE: Insel im Nebel Antworten

Klare Sicht? Wurde nicht vor gar nicht so langer Zeit in diesem Forum (von wem noch gleich?) vorhergesagt, den Briten bliebe jetzt gar nichts mehr anderes übrig als das Norweger- oder Schweizermodell anzunehmen, d.h. sie müssten weiter zahlen und hätten keine Rechte mehr?

Und ist es nicht gerade Inhalt der jetzigen Rede, die genau diesem eine Abfuhr erteilt? Ist es nicht eine ausgesprochen deutliche Aussage, dass man gerade kein Interesse mehr daran hat im europäischen Binnenmarkt zu bleiben? Ist es nicht ausgesprochen deutlich, dass man weniger Zuwanderung will (was ja die europäischen Vorstellungen an Freizügigkeit eineindeutig ablehnt)? Ist es nicht ausgesprochen deutlich klar zu sagen, dass man sich in Zukunft nicht mehr dem europäischen Gerichtshof beugen will? Ich habe die Rede nicht im Wortlaut durchgearbeitet, aber zumindest das was ziemlich unwidersprochen veröffentlicht wurde, ist weit deutlicher als das allermeiste was unsere Kanzlerdarstellerin in einem Jahr von sich gibt. Das man vor einer Verhandlung nicht jeden kleinen Pflock einhaut ist doch naheliegend, welche Verhandlungsmasse hätte man sonst noch anzubieten? Ich kann jedenfalls sehen, dass Frau May auf jeden Fall schonmal drei dicke Blöcke in den Boden gerammt hat, von denen ich zumindest zwei sehr erstaunlich und durchaus neu finde.

Übrigens eine (zumindest für mich) interessante Randnotiz, dass die britische Premierministerin verkündet, dass man aus dem europäischen Binnenmarkt raus will (derweilen die Konsequenz genau dessen auch und gerade im kleinen Zimmer als eine Art von Ragnarök light erklärt wurde) und die Reaktion der Börse ist nichtmal ein Schulterzucken? Entweder glauben die nicht daran (durchaus denkbar) oder die nehmen das wirklich nicht allzu ernst oder die haben das bereits eingepreist.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

19.01.2017 20:29
#3 RE: Insel im Nebel Antworten

Lieber R.A.,

waren Sie nicht bisher ein Verfechter der nicht öffentlichen TTIP-Verhandlungen? Wegen der öffentlichen Kakophonie, die den ganzen Prozess begleiten würde? jetzt sehe ich Ihren Punkt .

Ihren kritischen Blick in Ehren, aber wenden wir den Blick mal ab von GB und schauen in Richtung Türkei. Obwohl die Türkei heute kein Vollmitglied ist werden dortige Produktzulassungen, Akkreditierungen usw. denen innerhalb der EU gleichwertig gesetzt. Im Warenverkehr werden die unter der jeweiligen nationalen Autorität angebrachten CE-Zeichen anerkannt, zugelassen in der Türkei heißt zugelassen in der EU, und umgekehrt.

Das ist einmal ein großes Privileg, auf der anderen Seite kann man sich in Anbetracht der türkischen Politik fragen, wie gut die EU die dafür gelisteten Behörden und Benannte Stellen unter Kontrolle haben kann. Immerhin: Ein in der Türkei zugelassenes kritisches Medizinprodukt kann EU-weit vertrieben werden und unterliegt keiner weiteren Kontrolle.

Es gibt aber beispielsweise keine Personenfreizügigkeit mit der Türkei uvam.. Die EU kann auf der anderen Seite mit der Gewährung von Privilegien ohne all die verpflichtenden Beigaben leben, auf der anderen Seite - gegenüber den austretenden Briten - geht überhaupt kein Zwischenstadium. Das sieht nach zweierlei Maß aus. Vielleicht spielt da die Hauptrolle, dass in Brüssel ein paar beleidigte Leberwürste sitzen. Was wäre nun, wenn die USA den Briten den freieren Handel anböten, der EU aber dafür ein paar Zölle?

Gruß, Martin

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.542

19.01.2017 20:38
#4 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #2
oder die nehmen das wirklich nicht allzu ernst oder die haben das bereits eingepreist.


Letzteres im Sinne von ersterem. Die arbeiten ja nicht konzertiert, sondern völlig individuell; das Schwanken der Börsenindikatoren bildet nur das Grundrauschen ab. "Einpreisen" im Sinn von "Zukunftsoptionen abwägen" oder "schon vorwegnehmen" o.ä. ist da völlig unmöglich. Dennoch gibt es da so etwas wie Lerneffekte & entsprechendes Verhalten. Die haben gesehen, daß die Juni-Entscheidung nicht Landunter war; zudem, daß die USA-Wahl keine Turbulenzen im Kielwasser hatte. Die Kabbeleffekte der "schnellen elektronischen Horde" (Thomas Friedman seine Formulierung, ja ich weiß ), die die Indikatoren pendeln lassen, haben eine Wirkung von höchstens 2 Monaten; danach zeigt sich, ob das nur Bangemachen war. Erst wenn danach ein über mindestens sechs Monate anhaltender negativer Trend wird, zieht das "richtige Kapital", da, wo das wirkliche Geld geparkt ist, nach.

Ist halt so in komplexen Systemen, deren Ergebnisse, zeitversetzt, wieder ins System einfließen. Das wird, wenn es genügend stabilitätsgepuffert aufgehängt ist, um alt zu werden, über kurz oder lang immer so etwas wie "Zukunftsabwägung" entwickeln; auch wenn die einzelnen Komponenten bzw. Mitspieler, Module, Subsysteme pp. davon gar nix wissen & im Blindflug agieren. Wie beim menschlichen Tun, wo auch keinerlei Willen dahintersteckt (& "freier" erst recht nicht) & keine "Zukunftserwartung" oder "-abwägung". (Bei Menschen kommt hinzu, daß da, stets nachgeordnet, eine neurotransmittergefütterte Belohnungsspirale in Gang gesetzt wird, deren Funktionieren wohl analog zum erhöhten Adrenalinausstoß im muskulären System zu denken ist; das erzeugt die Illusion eines "Willensaktes", obwohl realiter nichts dergleichen vorliegt; denkbar wäre, daß hier ein Rückkopplungseffekt wirksam wird: besonders viel "Gewille" zeigt verstärktes Ablaufen neuronalen Darwinismus an & verstärkt deren Konkurrenz; würde als Epi-Effekt sichtbar. Bei näherem Nachdenken: eher nicht & umgekehrt, weil "heftige Entscheidungen", gerade in Notsituationen & dgl., ganz subkutan & ohne irgendwelches Kalkül abzulaufen pflegen. Ist aber Nebengleis & ganz OT.)



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.430

19.01.2017 23:52
#5 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #3
Lieber R.A.,

...Obwohl die Türkei heute kein Vollmitglied ist werden dortige Produktzulassungen, Akkreditierungen usw. denen innerhalb der EU gleichwertig gesetzt. Im Warenverkehr werden die unter der jeweiligen nationalen Autorität angebrachten CE-Zeichen anerkannt, zugelassen in der Türkei heißt zugelassen in der EU, und umgekehrt.



Man könnte bösartig denken, dass da ein System hinter ist. Eine menschenfeindliche Diktatur wie die Türkei wird wie irre hofiert und eingeschwungene Demokratien wie GB und die USA werden bespuckt.

Ist aber bestimmt nur Zufall. Die EU-Adelshäuser haben einen Plan. Wir kennen den Plan nicht, aber es gibt ihn, ganz sicher.

___________________
Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

20.01.2017 00:45
#6 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #5
Ist aber bestimmt nur Zufall.

Ich weiss das war rethorisch, aber Zufall ist es natürlich nicht. Es ist etwas sehr simples: Die ganze westliche Gesellschaft (lange Zeit auch die amerikanische, aber eben speziell die europäische) hat ein goldenes Prinzip verinnerlicht: Leg Dich nur mit denen an, die sich nicht wehren. So schimpfen die Europäer auf amerikanische Drohnen, russische Faßbomben sind ein Nebenthema. Die gezielte Tötung von Zivilisten durch Hamas und Fatah ist kaum ein Thema wert, aber wenn Israel evakuierte Wohnhäuser plättet ist es ein Aufschrei. Wenn in Moscheen der Hass auf die Ungläubigen gepredigt wird, dann ist das etwas "wo wir dringend mal was tun müssten", aber erst mal müssen wir was gegen die Kirchensteuern und dieses Glockengebimmel tun. Man könnte auch sagen: Für umso ziviliserter man den Gegenüber hält, umso lauter reisst man das Maul auf (das Umgekehrte gilt analog). Wir hatten ja gerade wieder ein schönes Beispiel wo jemand meinte unbedingt im Namen der Kunst Liegestützen auf einem Altar machen zu müssen. Oder Torten auf die AfD wirft. Sowas soll sich mal einer in einer Moschee erlauben.
Kirchen (oder überhaupt Christen), Amerikaner (oder Israelis), Kapitalisten, Konzerne, Spiessbürger, "Stammtische". Kann man soviel drauf hauen wie man will. Im Zweifelsfall wehren die sich kaum und wenn dann schimpfen sie allenfalls. Aber Mullahs im Iran, Türken in der Türkei, Chaoten in Berlin, damit legt man sich nicht an. Die könnten sehr unangenehm zurück hauen.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

20.01.2017 00:50
#7 RE: Insel im Nebel Antworten

Werter R. A.,

ich bin leicht schockiert; es klingt ja fast so, als hätte der unsägliche - mit Verlaub - Widerling Guy Verhofstadt sich Ihres Accounts bemächtigt.

Zitat
Man tritt das Erbe der großen Margret Thatcher mit Füßen


Im Ernst jetzt?

Ich habe Thatchers Autobiographie im Original gelesen - sie hat ganz klar geschrieben, dass sie sich nie und nimmer für den EG-Eintritt eingesetzt hätte, wäre ihr klar gewesen, wie sehr von Seiten der EU-Verherrlicher gelogen und betrogen wurde. Und sie hatte den Eintritt damals so schon nur aus politischer Loyalität heraus unterstützt. Frau Thatcher war ganz klar das, was man heutzutage eine Euroskeptikerin nennen würde - sie dürfte mit ihrem Schöpfer auf das Votum der Briten angestossen haben.

Edit: Es waren übrigens die EU-Verherrlicher, die Thatcher wegen ihrer EU-kritischen Positionen seinerzeit aus dem Amt gekegelt hatten.

Die Rede Mays war klar:

Raus aus der EU - und so die Eurokraten es wollen eben auch auf die harte Tour. Keine halben Sachen mit partieller Unterwerfung wie es bei Norwegen und der Schweiz praktiziert wird.

Und das EU-Irrenhaus wird natürlich versuchen, das Vereinigte Königreich zu bestrafen - kristallisiert sich heraus, dass der Brexit eine Erfolgsstory werden wird (und danach sieht es m. E. aus), wird sich die Implosion der EU noch beschleunigen.

Nebenbei:

Auf Stratfor, dem von Zettel geschätzten geopolitischen Nachrichten- und Informationsportal, ist übrigens schon seit geraumer Zeit nicht mehr fraglich, ob die EU zerfallen wird, sondern lediglich wann und wie dieser Zerfallsprozess ablaufen wird. Und das wurde dort schon lange vor dem Brexit-Votum diskutiert, obwohl Stratfor erwartete, dass es noch nicht zu einer Mehrheit für den Austritt kommen würde.

Schlimm, dass so viele Liberale die sozialistisch-parasitäre Missgeburt namens EU verherrlichen. Gut, dass die Briten den Mut haben, diese Atrozität vor den Augen der Völker Europas entschlossen zu demaskieren.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.542

20.01.2017 01:16
#8 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von R.A., ZR
Die ganze Rede ist schlicht ein großer "Blubb". Wie jeder Politiker will May selbstverständlich das Beste fürs Land und verspricht eine bessere Zukunft. Aber ohne jedes Detail.



Da haben wir doch genau die richtige Lektüre für die Zeit zwischen Jetzt & Dann.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

20.01.2017 01:41
#9 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat
Kirchen (oder überhaupt Christen), Amerikaner (oder Israelis), Kapitalisten, Konzerne, Spiessbürger, "Stammtische". Kann man soviel drauf hauen wie man will. Im Zweifelsfall wehren die sich kaum und wenn dann schimpfen sie allenfalls.


Alte G'schicht. Schon 2007 hat Miersch in "Schöner Denken" die Beobachtung aufgestellt: "Warum empören sich edle Seelen über Pelz, aber Kaum über Lederbekleidung? Antwort: Weil man ältere Damen risikoloser anpöbeln kann als Motorradrocker."

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.01.2017 09:19
#10 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #2
Wurde nicht vor gar nicht so langer Zeit in diesem Forum (von wem noch gleich?) vorhergesagt, den Briten bliebe jetzt gar nichts mehr anderes übrig als das Norweger- oder Schweizermodell anzunehmen, ...

Ja, aber dazu gehörte eine Voraussetzung: WENN die Briten (wie damals von den Brexiteers behauptet) vollen Zutritt zum Binnenmarkt haben wollen, DANN müssen sie auch Gegenleistungen bringen. Und Norwegen/Schweiz sind die naheliegenden Modelle, ähnliche Varianten sind natürlich möglich.

Zitat
Und ist es nicht gerade Inhalt der jetzigen Rede, die genau diesem eine Abfuhr erteilt?


Auch dies blieb im Nebel. May hat abgelehnt, dem Beispiel anderer Staaten zu folgen (da waren wohl Schweiz/Norwegen gemeint). Sie will aber möglichst viel Marktzugang erhandeln. Und ist auch bereit, dafür Gegenleistungen zu bringen. Das kann also am Ende durchaus bei einem Modell landen, das Norwegen-ähnlich bis zur Verwechslung ist.

Zitat
Ist es nicht eine ausgesprochen deutliche Aussage, dass man gerade kein Interesse mehr daran hat im europäischen Binnenmarkt zu bleiben?


Es ist die uralte Aussage: Man will Handel treiben, aber keine Leute reinlassen. Dieselbe Rede hätte sie vor einem halben Jahr halten können. Und dann wäre es auch nicht peinlich gewesen anzukündigen, man wolle für Klarheit sorgen. Jetzt aber ist es peinlich, daß die Klarheit immer noch nicht da ist.
Und wohlgemerkt: Ich meine nicht die Klarheit, wie das Verhandlungsergebnis am Ende aussehen wird. Das kann sie nicht prognostizieren. Sondern die Klarheit darüber, wie die britische Regierung die innerhalb des UK offenen Fragen entscheiden will. Fängt mit dem §50 an.

Zitat
Ist es nicht ausgesprochen deutlich, dass man weniger Zuwanderung will ...


Natürlich ist das und die übrigen von Dir angesprochenen Beispiele deutlich. Aber die sind uralt und trivial. Selbstverständlich wird GB nach dem Brexit nicht mehr dem RU-Gerichtshof unterstehen. Hat auch niemand behauptet und verlangt.

Zitat
... ist weit deutlicher als das allermeiste was unsere Kanzlerdarstellerin in einem Jahr von sich gibt.


Aber nein. Auch Merkel bringt in jeder Rede eine ganze Menge sehr konkreter Sachen. Nämlich die Sachen, die unstrittig bis trivial sind. Auf die entscheidenden Punkte bleibt sie dagegen grundsätzlich jede Antwort schuldig. Wie jetzt May.

Zitat
Entweder glauben die nicht daran (durchaus denkbar) oder die nehmen das wirklich nicht allzu ernst oder die haben das bereits eingepreist.


Eine "Neuigkeit" hat May gebracht: Sie ist jetzt doch bereit anzuerkennen, daß es beim Brexit einen Parlamentsvorbehalt gibt.
Es gibt die Theorie, daß die Börsenreaktion (oder der Kursanstieg des Pfunds) alleine damit zu tun hat - die Märkte würden davon ausgehen, daß der Brexit ohnehin nicht durchs Parlament käme.
Ich bin da etwas skeptisch. Mein Eindruck ist eher, daß die weitere Entwicklung so unklar ist, daß auch keiner auf irgendeine Variante Geld setzen möchte.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.01.2017 09:26
#11 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #3
waren Sie nicht bisher ein Verfechter der nicht öffentlichen TTIP-Verhandlungen?

Ja selbstverständlich.
Ich erwarte auch nicht, daß May die Brexit-Verhandlungen öffentlich führt oder in ihrer Rede ihre Verhandlungstaktik ankündigt.

Der "Nebel" bezieht sich auf die Punkte, die innerhalb des UK zu klären sind und immer dringlicher werden:
Was ist denn nun mit dem §50?
Wie steht die britische Regierung zu den Forderungen der Schotten?
Wie will sie die irische Frage lösen?
Nichts davon wird von Brüssel beeinflußt, sondern im Gegenteil muß May diese Punkte geklärt haben, bevor sie überhaupt in sinnvolle Verhandlungen eintreten kann.

Und daß ihr zur wirtschaftlichen Zukunft des ausgetretenen UK immer noch nur der üblicher Blubber einfällt ist auch kein Beleg dafür, daß die britische Spitzenverwaltung in den letzten sechs Monaten konstruktive Arbeit geleistet hätte.

Was natürlich auch damit zu tun hat, daß dem Vernehmen nach ziemlich alle Spitzenbeamten und Experten der britischen Regierung den Brexit für Unsinn halten und daran nicht wirklich mitarbeiten wollen.

Zitat
Ihren kritischen Blick in Ehren, aber wenden wir den Blick mal ab von GB und schauen in Richtung Türkei.


Da können sie gerne hinschauen, ist aber hier nicht Thema.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.01.2017 09:43
#12 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #7
Ich habe Thatchers Autobiographie im Original gelesen - ...

Mit Verlaub: Solche nachträglichen Betrachtungen sind mit Vorsicht zu genießen. Unbestritten ist, daß Thatcher diversen Aspekten der EU-Politik, insbesondere der Schaffung eines Bundesstaats, ablehnend gegenüber stand. Daß sie von diesen Ideen erst nach dem Beitritt erfahren haben will halte ich aber gelinde gesagt für eine "Schutzbehauptung".

Es ging hier aber konkret um den Binnenmarkt. Und der ist im wesentlichen von Thatcher geschaffen worden. Ich empfehle dazu den Experten Bökenkamp, der als dezidierter Brexit-Anhänger unverdächtig sein sollte:

Zitat
In der Tat kam dem Vereinigten Königreich eine Schlüsselrolle bei der Schaffung des Herzstückes der Europäischen Integration, dem europäischen Binnenmarkt, zu. Für Margaret Thatcher war das das zentrale europapolitische Anliegen. Sie stand damit in einer Tradition der britischen Europapolitik, für die europäische Integrationspolitik immer schon Freihandelspolitik gewesen war.



Für die Kontinentaleuropäer ging es bei "Freihandel" im wesentlichen nur um Waren, um französtische Agrarprodukte und deutsche Autos.
Die Briten und Thatcher bestanden dagegen darauf, daß der Binnenmarkt die "vier Freiheiten" umfassen sollte, also freier Verkehr nicht nur für Waren, sondern auch für Kapital, Dienstleistungen und Personen.

Im Sinne Thatchers wäre es also durchaus verständlich, wenn GB die politischen Strukturen der EU verlassen würde, aber auf jeden Fall Mitglied des Binnenmarkts bliebe. Das entspräche auch der britischen Wirtschaftsstruktur, die ja ganz wesentlich auf Kapital und Dienstleistungen beruht.

Es ist daher ziemlich grotesk, was derzeit abgeht: Die Kontinentalen verteidigen das Thatcher-Modell mit den vier Freiheiten. Und bieten GB an, trotz Austritt im Binnenmarkt zu bleiben (analog zu Norwegen).
Aber die Brexiteers und May wollen nur den klassischen Freihandel mit Fokus auf den Warenverkehr und Zollfragen.

Aus Sicht der deutschen Wirtschaft sollte man das durchaus unterstützen. Es könnte uns eigentlich pekuniär nichts Besseres passieren, als das sich die Wirtschaftsbeziehungen zur Insel auf Warenaustausch beschränken. Whiskey gegen BMW.
Während die Londoner City ihre Funktion als europäisches Hauptquartier für Finanzen und Dienstleistungen an Frankfurt abtreten muß.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

20.01.2017 10:19
#13 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #10
Ja, aber dazu gehörte eine Voraussetzung: WENN die Briten (wie damals von den Brexiteers behauptet) vollen Zutritt zum Binnenmarkt haben wollen, DANN müssen sie auch Gegenleistungen bringen.

Und ist es nicht umso erstaunlicher, dass diese allseits als selbstverständlich betrachtete WENN nun gar nicht mehr so wahrscheinlich ist? Soviel dann eben zur Genauigkeit von Prognosen.

Zitat
Und Norwegen/Schweiz sind die naheliegenden Modelle, ähnliche Varianten sind natürlich möglich.


Nicht unter Frau May und das ist ja genau der Punkt. Sie hat recht deutlich gesagt, dass man solche halben Modelle eben nicht wolle. Das was Du und auch andere schon als selbstverständlich abgehandelt habt, wird gerade jetzt von ihr grundsätzlich abgelehnt. Damit ist das selbstredend nicht erreicht, aber eine (recht unerwartete) Ankündigung ist das schon.

Zitat
Sie will aber möglichst viel Marktzugang erhandeln. Und ist auch bereit, dafür Gegenleistungen zu bringen. Das kann also am Ende durchaus bei einem Modell landen, das Norwegen-ähnlich bis zur Verwechslung ist. Zitat:
Nein, kann es nicht. Das würde ja genau dem widersprechen was sie jetzt gerade ausgeführt hat. Und Zugang zum europäischen Markt haben auch Amerikaner und Chinesen. Deswegen sind die nicht "halb" in der EU.
Zitat: Es ist die uralte Aussage: Man will Handel treiben, aber keine Leute reinlassen. Dieselbe Rede hätte sie vor einem halben Jahr halten können. Und dann wäre es auch nicht peinlich gewesen anzukündigen, man wolle für Klarheit sorgen. Jetzt aber ist es peinlich, daß die Klarheit immer noch nicht da ist.


Natürlich ist die da. Man will Handel treiben. Okay. Und man will "keine Leute reinlassen". Im Rahmen des Binnenmarktes hat die EU klar gestellt, dass das nicht geht. Entsprechend nehmen ja Norwegen und die Schweiz (letztere mit größtem Widerwillen) die Migration erst einmal hin. Wenn Frau May ausführt, dass man das nicht will, ist damit eine klare Aussage dazu getroffen, dass man eben nicht Teil des europäischen Binnenhandels mehr sein wird. Wie klar soll es denn noch werden? Damit ist freilich nichts darüber ausgesagt was für Zollverträge man abschliessen wird. Das ist eben Teil der Verhandlung.

Zitat
Sondern die Klarheit darüber, wie die britische Regierung die innerhalb des UK offenen Fragen entscheiden will. Fängt mit dem §50 an.


Warum sollen die Briten sich denn selber hier ohne Not unter Druck setzen? Haben sie doch gar keinen Grund zu. Das "schöne" für die Briten am §50 ist, dass sie das jederzeit tun können. Heute, morgen, in einem Jahr. Die Eurokraten mögen sehr unglücklich darüber sein, dass sie es nicht von sich aus machen können, aber genau diesen Teil der Verhandlung bestimmt einzig und alleine Großbritannien selbst. Sprich: Der Zeitplan, wann es opportun ist, zu gehen, ist einzig Sache der Briten. So ist nun einmal der Vertrag.

Zitat
Selbstverständlich wird GB nach dem Brexit nicht mehr dem RU-Gerichtshof unterstehen. Hat auch niemand behauptet und verlangt.


Aber selbstverständlich wird das verlangt. Die Unterwerfung unter den Gerichtshof ist Grundvorraussetzung für den Zugang zum Binnenmarkt. Guckst Du zum Beispiel hier.

Zitat
Eine "Neuigkeit" hat May gebracht: Sie ist jetzt doch bereit anzuerkennen, daß es beim Brexit einen Parlamentsvorbehalt gibt.
Es gibt die Theorie, daß die Börsenreaktion (oder der Kursanstieg des Pfunds) alleine damit zu tun hat - die Märkte würden davon ausgehen, daß der Brexit ohnehin nicht durchs Parlament käme.


Ihr könnts echt nicht lassen. :)
Ich verstehe eigentlich nicht wo dieses ständige Gegreife nach Strohhalmen herkommt. Das ging schon einen Tag nach der Abstimmung los. Ist alles nicht bindend. Die werden sich das überlegen. Die stimmen noch einmal ab. Die werden wieder zur Vernunft kommen, wenn die Wirtschaft einbricht. Etc. pp. Alles bis jetzt nicht passiert. Haben wir auch alles nach der Wahl von Trump erlebt. Die werden nachzählen und dann kommt was ganz andere heraus. Die Wahlmänner können sich frei entscheiden und könnten Hillary wählen. Die erleben jetzt ihr wirtschaftliches Waterloo. Etc. pp.
Alles möglich. Und doch ziemlich unwahrscheinlich. Ich will nicht sagen, dass der Parlamentsvorbehalt (und damit die Abstimmung) eine Formsache ist. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass sich das britische Parlament offen gegen das eigene Volk stellt?

Zitat
Ich bin da etwas skeptisch. Mein Eindruck ist eher, daß die weitere Entwicklung so unklar ist, daß auch keiner auf irgendeine Variante Geld setzen möchte.


Wenn ich an der Börse eins gelernt habe, dann das Unsicherheit zu Kapitalflucht führt. Das ist bis jetzt ausgeblieben. Die wahrscheinlichste Erklärung ist schlicht, dass die meisten Investoren sich weniger Gedanken darum machen ob ein Brexit kommt oder nicht, sondern eher darum, dass der gar nicht so viel ändern wird. Die strukturellen Problem der britischen Wirtschaft waren schon vor dem Brexit vorhanden und werden auch nicht durch die EU geheilt. Sie waren tatsächlich schon eingepreist.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.01.2017 11:22
#14 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #13
Und ist es nicht umso erstaunlicher, dass diese allseits als selbstverständlich betrachtete WENN nun gar nicht mehr so wahrscheinlich ist?

Es ist genauso wahrscheinlich bzw. unwahrscheinlich wie vorher.
Die Behauptung der Brexiteers war immer, daß sie den vollen Freihandel ohne Gegenleistungen kriegen würden.
Und darauf kam dann der Verweis, daß das selbstverständlich etwas kosten würde (siehe Norwegen et al) und das wäre auch keine anti-britische Gemeinheit der EU.
Und das ist immer noch der Stand.

Zitat

Zitat
Und Norwegen/Schweiz sind die naheliegenden Modelle, ähnliche Varianten sind natürlich möglich.


Nicht unter Frau May ...



Das ist völlig offen. Selbstverständlich wäre das britische Agreement keine 1:1-Kopie des norwegischen. Es gibt ja schon einige Unterschiede zwischen Schweiz und Norwegen.
Aber ein Abkommen, daß 90% Norwegen kopiert wäre noch voll im Bereich von Mays Rede. Letztlich betreibt sie nur Wortgeklingel, weil "halbe Mitgliedschaft" etc. völlig undefinierte Begriffe sind.

Zitat
Das was Du und auch andere schon als selbstverständlich abgehandelt habt, wird gerade jetzt von ihr grundsätzlich abgelehnt.


Nur das Etikett. Inhaltlich sagt sie weiterhin, daß sie ein Freihandelsabkommen haben will und daß sie dafür auch Gegenleistungen bringen würde. Wie das genau ausgehen wird, kann selbstverständlich erst nach Abschluß der Verhandlungen beurteilt werden. Völlig verständlich, daß sie dazu nichts sagt. Aber ein Norwegen-Modell ist immer noch im Spiel und angesichts der britischen Wirtschaftsstruktur fast zwingend.

Zitat
Das würde ja genau dem widersprechen was sie jetzt gerade ausgeführt hat.


Du überraschst mich mit Deinem Vertrauen in solche vagen politischen Aussagen. JEDES Abkommen, daß nicht 1:1 vom norwegischen abgekupfert wurde, kann von May als zu ihrer Rede passend verkauft werden.

Zitat
Und Zugang zum europäischen Markt haben auch Amerikaner und Chinesen.


Aber im wesentlichen nur mit waren, etwas mit Kapital, fast nicht mit Dienstleistungen. Und die Briten sind sehr schwach bei den Waren und ganz stark abhängig von den Dienstleistungen.

Zitat
Warum sollen die Briten sich denn selber hier ohne Not unter Druck setzen?


Weil die Briten ohne Not die Sache angefangen haben. Außer ihnen hat doch niemand überhaupt ein Interesse, über Brexit zu verhandeln. Und ohne §50 wird es auch keine Verhandlungen geben, sondern weiterhin nur informeller Austausch von Stellungnahmen in den Medien.

Zitat
Die Eurokraten mögen sehr unglücklich darüber sein, dass sie es nicht von sich aus machen können ...


Ganz im Gegenteil. Solange Brexit nicht stattfindet, weil die Briten sich nicht entschließen können, sind die Eurokraten völlig zufrieden. Die haben keinerlei Zeitdruck.

Zitat
Die Unterwerfung unter den Gerichtshof ist Grundvorraussetzung für den Zugang zum Binnenmarkt.


Aber nur noch für die Binnenmarktaspekte. Da wäre der Gerichtshof eigentlich nur noch ein Handels-Schiedsgericht. Für die restlichen EU-Bestimmungen wäre er in Bezug auf GB nicht mehr zuständig.

Zitat
Ich verstehe eigentlich nicht wo dieses ständige Gegreife nach Strohhalmen herkommt.


Ich verstehe nicht, wo Du hier irgendeinen Strohhalm siehst.
Ich stelle einfach nur fest, daß Mays Truppe keine Hausaufgaben gemacht hat und der Brexit keinen Millimeter weiter ist als vor einem halben Jahr. Es müßten eigentlich in erster Linie die Brexit-Fans sein, die sich über den mangelnden Fortschritt ärgern - mir ist das recht egal.

Zitat
Aber wie wahrscheinlich ist es, dass sich das britische Parlament offen gegen das eigene Volk stellt?


Keine Ahnung. Ich habe diese Thesen auch nur zitiert und mir nicht zu eigen gemacht.
Meine Vermutung wäre, ein "gegen das eigene Volk stellen" ist unwahrscheinlich. Aber ein schlechtes Verhandlungsergebnis abzulehnen wäre nicht "gegen das Volk gestellt". Und was nun ein gutes oder schlechtes Ergebnis wäre, das werden die weiteren politischen Diskussionen zeigen.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

20.01.2017 14:57
#15 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #14
Die Behauptung der Brexiteers war immer, daß sie den vollen Freihandel ohne Gegenleistungen kriegen würden.

Nee, das war der Popanz, der gerne aufgestellt wurde.

Zitat
Und darauf kam dann der Verweis, daß das selbstverständlich etwas kosten würde (siehe Norwegen et al) und das wäre auch keine anti-britische Gemeinheit der EU.


Und darauf widerum kam der Hinweis , dass eine solche Gegenleistung nur dann so einseitig funktioniert, wenn man entsprechenden Druck ausüben kann. Deutschland hat am Freihandel mit GB mindestens ebenso grosses Interesse wie umgekehrt. Warum dann etwas extra zahlen? Die Gegenleistung des Freihandels ist Freihandel. Es ist vor allem die EU die meint für ihre Eurokraten Extrageld kassieren zu können und auch noch anderen Regeln aufdrücken zu können. Das kann Sinn machen, vor allem wenn der Gegenüber so schwach ist wie die Schweiz, muss aber nicht. Die Amis zahlen für TTIP auch nix. Und unterwerfen sich auch sonst Brüssel nicht. Aber vielleicht sollte Herr Schulz mal drüber nachdenken.

Zitat
Aber ein Abkommen, daß 90% Norwegen kopiert wäre noch voll im Bereich von Mays Rede.


Nein, das wäre es nicht. Und ich glaube weder, dass sich die britischen Wähler von Frau May derartig veralbern lassen, noch dass sie ihre Wähler derart veralbern will. Raus heisst raus. D.h. nicht Norwegen, nicht Schweiz, nicht Türkei.

Zitat
Nur das Etikett. Inhaltlich sagt sie weiterhin, daß sie ein Freihandelsabkommen haben will und daß sie dafür auch Gegenleistungen bringen würde.


So wie die Amis auch. Und die Chinesen. Und bestimmt hundert andere Nationen auch. Die Gegenleistung von Freihandel ist Freihandel. Keine Mitgliedschaft. Kein Assoziation. Keine Anwartschaft. Ob das durchkommt, ist nicht sicher. Man wird sehen, und wie ja auch schon hier etliche Male stand, Schulz, Juncker, Brock und Konsorten werden alles unternehmen, damit das nicht passiert. D.h. aber nicht, dass die Briten bereit sind einen anderen Preis zu bezahlen. Ich strebe auch vieles an und bekomme das nicht, weil ich nicht bereit bin mehr zu zahlen.

Zitat
Aber ein Norwegen-Modell ist immer noch im Spiel und angesichts der britischen Wirtschaftsstruktur fast zwingend.


Sind wir jetzt wieder bei den Vorhersagen ? Oder steckt da wieder ein wenn dahinter, dass ich gerade nicht sehe.

Zitat
Du überraschst mich mit Deinem Vertrauen in solche vagen politischen Aussagen.


Habe ich nicht. Ich glaube nur nicht mehr an die Logik der Notwendigkeit einer Binnenmarktzugehörigkeit. Und wenn man sich von diesem Zwang einmal löst, dann ist es für Frau May durchaus möglich das ganze so durchzuführen, wie sie das auch sagt. Ich finde das bei weitem nicht so nebulös wie Du. Vielleicht sind wir es nur von Merkel zu sehr gewohnt erst einmal Nebel zu reden und danach das Gegenteil durchzuführen. Aber das ist nicht typisch britisch.

Zitat
Aber im wesentlichen nur mit waren, etwas mit Kapital, fast nicht mit Dienstleistungen. Und die Briten sind sehr schwach bei den Waren und ganz stark abhängig von den Dienstleistungen.


Aber nicht vom Export davon. Dienstleistungen bieten sich im Vergleich zu Waren nicht wirklich als gute Exportgüter an. Klar, Standardargument, das Bankwesen. Wobei man sehen wird wieviel davon am Ende hängenbleibt. So oder so, wenn die Briten den normalen Warenverkehr mit der EU herstellen können, tut ihnen der Wegfall der Dienstleistungen im Export nicht so weh, denn gleichzeitig werden ja auch keine Dienstleistungen mehr importiert. Das strukturelle Problem der britischen Wirtschaft, dass es eben bei weitem zu wenig Produktion gibt, ist natürlich trotzdem vorhanden. Aber das ist es auch mit Binnenmarkt.

Zitat
Weil die Briten ohne Not die Sache angefangen haben. Außer ihnen hat doch niemand überhaupt ein Interesse, über Brexit zu verhandeln.


Beides ist falsch. Zum einen: Die Not ist gewaltig. Es mag dramatisiert sein, aber die Merkel-EU implodiert gerade lustig vor sich hin. Die EU kennt derzeit nur eine Richtung, die nicht umsonst schwer an Erich Honnecker erinnert: Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Da auszusteigen ist nicht nur für die Briten interessant. Sollten die Briten einen Ausstieg hinbekommen ohne dabei völlig auf der Schnauze zu landen, dann ist das, das ist jetzt meine Prophezeiung, das Ende der EU in der heutigen Form. Und ebenso hat die EU Interesse an der Verhandlung. Denn die Unsicherheit ist für die Gemeinschaft auch ganz großer Käse. Wenn die EU derzeit eins hat, dann ein gewaltiges wirtschaftliches Problem. Und Wirtschaft mag keine Unsicherheiten. Es ist ja nicht nur, dass keine europäische Firma derzeit weiss, ob sie von ihrem britischen Standort in ein paar Jahren noch in die EU liefern kann, es ist ebenso unsicher wie groß der Markt in ein paar Jahren tatsächlich ist. Zudem ist den Eurokraten daran gelegen, dass der Brexit möglichst brutal wird. Wenn es Frau May mit ihrer Mannschaft hinbekommt erst ein paar Abkommen mit der halben Welt zu produzieren und damit die wirtschaftlichen Folgen mehr und mehr abzufedern, ist das nicht im Interesse von Brüssel. Die Verhandlungsposition von Brüssel wird mit jedem Abkommen, dass Frau May abschliessen kann, schlechter. Da ist schon ein gewaltiges Interesse. Was die üblichen Verdächtigen ja auch klar bekunden.

Zitat
Ganz im Gegenteil. Solange Brexit nicht stattfindet, weil die Briten sich nicht entschließen können, sind die Eurokraten völlig zufrieden. Die haben keinerlei Zeitdruck.


Das merkt man.

Zitat

Zitat
Die Unterwerfung unter den Gerichtshof ist Grundvorraussetzung für den Zugang zum Binnenmarkt.


Aber nur noch für die Binnenmarktaspekte. Da wäre der Gerichtshof eigentlich nur noch ein Handels-Schiedsgericht. Für die restlichen EU-Bestimmungen wäre er in Bezug auf GB nicht mehr zuständig.



Der Gerichtshof ist Grundlage für den Binnenmarkt. Und zwar nicht für Binnenmarktaspekte sondern generell. Was typisch für das Denken der Eurokraten ist. Wenn die Briten sich dem nicht unterwefen wollen, können sie nicht Teil des Binnenmarktes sein. Was ist jetzt daran falsch?

Zitat
Meine Vermutung wäre, ein "gegen das eigene Volk stellen" ist unwahrscheinlich. Aber ein schlechtes Verhandlungsergebnis abzulehnen wäre nicht "gegen das Volk gestellt".


Aber natürlich wäre es das. Die Volksabstimmung stand nicht unter der Prämisse "Brexit, wenn gutes Verhandlungsergebnis erzielt werden kann". Und auch Frau May und ihre Leute haben sich da sehr eindeutig positioniert. Brexit heisst Brexit war ja das übliche Schlagwort. Würde das Parlament, auch mit einem noch so schlechten Verhandlungsergebnis, den Brexit dann revidieren, würde GB innerlich vollständig zerrissen und bei den irgendwann folgenden Wahlen würden die Abgeordneten in der Luft zerrissen.
Und nebenbei glaube ich, auch wenn das ein anderer Aspekt ist, mit jedem Monat Merkel-EU werden die Briten mehr Notwendigkeit sehen sich aus der EU zu verabschieden. Die Zeit arbeitet ganz klar für die Brexiteers. Hier in unserem Zimmer hat gerade jemand von Stratfor berichtet, dass die inzwischen nicht mehr darüber diskutieren, ob die EU zerfällt, sondern wann sie das tut.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.01.2017 15:52
#16 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #15
Zitat von R.A. im Beitrag #14
Die Behauptung der Brexiteers war immer, daß sie den vollen Freihandel ohne Gegenleistungen kriegen würden.

Nee, das war der Popanz, der gerne aufgestellt wurde.

Das war der Popanz, den die Brexiteers selber konstruiert haben. Von wegen 350 Millionen pro Woche gesparter Beiträge für den NHS.

Zitat
Die Gegenleistung des Freihandels ist Freihandel.


Wir reden hier NICHT von reinen Zollfragen wie im 19. Jahrhundert. Wir reden von den nicht-tarifären Handelshindernissen und der automatischen Anerkennung von Produkten. Was einen Organisationsaufwand voraussetzt, dessen Kosten natürlich ALLE beteiligten Seiten zu tragen haben.

Zitat
Die Amis zahlen für TTIP auch nix.


Das sind ganz andere Rahmenbedingungen (und ein viel kleinerer abgedeckter Bereich). Da funktioniert auch die gegenseitige Anerkennung gewisser Prozesse, weil beide Seiten ungefähr gleich groß sind und ähnlichen Aufwand auf ihrer Seite betreiben.

Zitat
Und ich glaube weder, dass sich die britischen Wähler von Frau May derartig veralbern lassen, noch dass sie ihre Wähler derart veralbern will.


Die britischen Wähler haben sich von den Brexiteers nach Strich und Faden veralbern lassen und diverse geradezu blödsinnige Lügen geglaubt. Wie Wähler halt so sind.
Und wenn May nicht weiteres Veralbern vorhätte, dann hätte sie in einigen Punkten ja mal reinen Wein einschenken können.

Zitat
Raus heisst raus. D.h. nicht Norwegen, nicht Schweiz, nicht Türkei.


Alle drei Staaten sind "raus", d.h. keine EU-Mitglieder. Haben aber diverse Abkommen mit der EU. Wie es GB auch vorhat.

Zitat

Zitat
Aber ein Norwegen-Modell ist immer noch im Spiel und angesichts der britischen Wirtschaftsstruktur fast zwingend.


Sind wir jetzt wieder bei den Vorhersagen ?



Im wesentlichen betreibst Du Vorhersage mit der Behauptung, ein Norwegen-Modell wäre ausgeschlossen. Ich halte das noch für offen.
Daß die Wirtschaftsinteressen GBs mit einem Norwegen-Modell besser bedient wären als mit einem reinen Warenfreihandel ist keine Vorhersage, sondern Fakt.

Zitat
Ich glaube nur nicht mehr an die Logik der Notwendigkeit einer Binnenmarktzugehörigkeit.


So eine Logik hat auch keiner behauptet. Nichts ist notwendig, eine Regierung kann ziemlich beliebig schädliche Sachen beschließen.
Aber die Logik sagt, daß der Verzicht auf den Dienstleistungsteil des Binnenmarkts gerade die Briten am härtesten trifft.

Zitat
Dienstleistungen bieten sich im Vergleich zu Waren nicht wirklich als gute Exportgüter an.


Ich weiß nicht mehr, wo man diese Aufstellung findet, aber meiner Erinnerung nach verdient GB fast 80% seiner Exporterlöse mit Dienstleistungen. Wie auch immer der Anteil genau ist - er ist deutlich höher als in jedem anderen EU-Staat.

Zitat
Das strukturelle Problem der britischen Wirtschaft, dass es eben bei weitem zu wenig Produktion gibt, ist natürlich trotzdem vorhanden. Aber das ist es auch mit Binnenmarkt.


Nein. Mit Binnenmarkt können die Briten Dienstleistungen gegen Waren tauschen. London ist de facto Finanzhauptquartier der europäischen Wirtschaft.
Wenn nur noch waren getauscht werden, wird es ziemlich trübe.

Zitat
Es mag dramatisiert sein, aber die Merkel-EU implodiert gerade lustig vor sich hin.


Es ist nicht dramatisiert, sondern schlicht falsch. In keinem einzigen EU-Land gibt es eine mehrheitsfähige Austritts-Bewegung.
Und vor allem: Gerade wenn das stimmen würde, müßten die Eurokraten ja darum beten, daß die Briten weiterhin mit dem §50 trödeln.

Zitat
Sollten die Briten einen Ausstieg hinbekommen ohne dabei völlig auf der Schnauze zu landen ...


Konjunktiv ...
Aber in diesem Kontext nur interessant: Einen Ausstieg werden sie nur hinbekommen, wenn sie überhaupt mal damit anfangen. Deswegen ist doch Mays bisherige Verzögerungstaktik und Erfolglosigkeit gerade für EU-Gegner ein Ärgernis.

Zitat
Denn die Unsicherheit ist für die Gemeinschaft auch ganz großer Käse.


Die Unsicherheit ist für Kontinentaleuropa deutlich lockerer zu nehmen als für GB selber. Es sind nicht die hiesigen Firmen die jetzt einen Umzug überlegen ...

Zitat
Es ist ja nicht nur, dass keine europäische Firma derzeit weiss, ob sie von ihrem britischen Standort in ein paar Jahren noch in die EU liefern kann, es ist ebenso unsicher wie groß der Markt in ein paar Jahren tatsächlich ist.


So viel kleiner ist der Markt ohne England nicht. Aber richtig: In die Standorte auf der Insel wird man erst einmal nicht investieren. Das wirkt sich nicht schnell aus, macht aber die Verzögerung für die Briten unangenehm.

Zitat
Zudem ist den Eurokraten daran gelegen, dass der Brexit möglichst brutal wird.


Spekulation. Viel Spielraum haben sie jedenfalls nicht, brutaler als das Schweiz-Modell können sie nicht verhandeln. Und das wäre recht kommod für GB, ist aber dort wegen der ideologischen Bornierheit der Brexiteers innenpolitisch nicht gewünscht.

Zitat
Wenn es Frau May mit ihrer Mannschaft hinbekommt erst ein paar Abkommen mit der halben Welt zu produzieren ...


Konjunktiv. Derzeit hat sie ja nicht einmal Leute, die so etwas verhandeln könnten. Alle britischen Experten dazu sitzen nämlich in Brüssel.
Und wie schon an anderer Stelle diskutiert ist es ziemlich unwahrscheinlich, daß GB alleine irgendwo in der Welt wesentlich bessere Handelskonditionen bekäme als die EU. Und die Abkommen alleine nützen sowieso wenig, solange die britische Wirtschaft nichts Interessantes zu verkaufen hat.

Zitat
Die Verhandlungsposition von Brüssel wird mit jedem Abkommen, dass Frau May abschliessen kann, schlechter.


Vielleicht. Nur: Warum schließt May dann keine solchen Abkommen ab? Da sind wir wieder beim generellen Thema: Kein Fortschritt seit dem Referendum.

Zitat
Der Gerichtshof ist Grundlage für den Binnenmarkt. Und zwar nicht für Binnenmarktaspekte sondern generell.


Nein. Außerhalb der Binnenmarktaspekte ist er für die Schweiz nicht zuständig.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

20.01.2017 15:58
#17 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #15
Hier in unserem Zimmer hat gerade jemand von Stratfor berichtet, dass die inzwischen nicht mehr darüber diskutieren, ob die EU zerfällt, sondern wann sie das tut.


Und das bereits lange vor dem Brexit und unter der Annahme, dass es 2016 noch keine Mehrheit für den Brexit geben würde!

R.A. Offline



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20.01.2017 16:18
#18 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #17
Und das bereits lange vor dem Brexit und unter der Annahme, dass es 2016 noch keine Mehrheit für den Brexit geben würde!

Lange vor dem Brexit, und irgendwie zerfällt die EU immer noch nicht.

Ich will niemand den Spaß nehmen, sich in solchen Ragnarök-Szenarien zu suhlen. Für besonders spannend halte ich solche Spekulationen aber nicht.


In meinen Artikel ging es auch nicht um Sinn oder Unsinn des Brexits selber, sondern darum, daß die britische Regierung ein halbes Jahr lang nichts entschieden oder erreicht hat und die Rede von May dazu nichts Neues gebracht hat.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

20.01.2017 17:03
#19 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #18
Zitat von Frankenstein im Beitrag #17
Und das bereits lange vor dem Brexit und unter der Annahme, dass es 2016 noch keine Mehrheit für den Brexit geben würde!

Lange vor dem Brexit, und irgendwie zerfällt die EU immer noch nicht.

Werter R. A.,

Sie haben meinen Beitrag komplett falsch verstanden. Nicht die EU löst sich lange vor dem Brexit auf, sondern der Forecast datiert auf von vor dem Brexit (der Forecast galt für einen längerfristigen Zeitraum, ca. eine Dekade, und ging sogar von einem Scheitern des Brexits aus, was bedeutet, dass die Auflösung sich möglicherweise schneller vollziehen wird, als von Stratfor prognostiziert).

Hier der aktuelle Forecast für 2017 seitens Stratfor (vom 27.12.2016, Hervorhebungen von mir):

"This will be a critical year for Europe. Elections in the pillars of the European Union — France and Germany — as well as potential elections in the third largest eurozone economy — Italy — will affect one another and threaten the very existence of the eurozone. As we have been writing for years, the European Union will eventually dissolve. The question for 2017 is to what degree these elections expedite its dissolution. Whether moderates or extremists claim victory in 2017, Europe will still be hurtling toward a breakup into regional blocs."

Solange man davon ausgeht, dass sich außerhalb Deutschlands in der normalen Bevölkerung EU-Wahn/-Fanatismus/-Verherrlichung in Grenzen halten, scheint mir diese Prognose durchaus schlüssig.

Nebenbei: Deutschland kann vielleicht dauerhaft auf Kosten seiner Bevölkerung halb Europa durchfüttern, aber sicherlich nicht bei gleichzeitig unbegrenzter Invasion von Muslimen in Millionenhöhe.

max Offline



Beiträge: 150

20.01.2017 17:24
#20 RE: Insel im Nebel Antworten

Mittlerweile zeigt sich für jedermann aber klar, dass die EU ein reines Schönwetterprojekt ist. Sobald der Wind auch nur schwach von vorne kommt, ist es mit den selbstgewählten Regeln vorbei. Das hat sich bereits im Jugoslawienkonflikt gezeigt, als deutlich wurde, dass die EU unfähig zu einer gemeinsamen Aussenpolitik und zusätzlich militärisch impotent ist, das hat sich anhand der Euro- bzw. Schuldenpolitik gezeigt und natürlich auch bei der illegalen Einwanderung.

Generell erstaunt es mich, dass die selben Leute (Dir persönlich will ich nichts unterstellen), die bei Ankündigungen von Trump, den Freihandel zu begrenzen, beinahe hysterische Anfälle bekommen, den Briten aber Freihandel ums verrecken verweigern wollen. Denn die sind ja schliesslich "nicht mehr dabei".

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.01.2017 17:43
#21 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #19
Sie haben meinen Beitrag komplett falsch verstanden. Nicht die EU löst sich lange vor dem Brexit auf, sondern der Forecast datiert auf von vor dem Brexit ...

Das war schon klar.
Aber die Stratfor-Prognosen gibt es ja auch schon einige Zeit und die EU hat bisher gut überlebt (und der Brexit ist bisher auch nur eine Variante am Horizont).

Zitat
As we have been writing for years, the European Union will eventually dissolve.


"Eventually" ist genau die Prognose-Qualität, bei der ich dann beruhigt abschalte. Die Zeugen Jehovas waren besser, die haben ihren Weltuntergängen wenigstens präzise Daten unterlegt.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.01.2017 17:46
#22 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von max im Beitrag #20
... den Briten aber Freihandel ums verrecken verweigern wollen.

Niemand will den Briten Freihandel verweigern, und ich schon gar nicht.
Ich habe es mehrfach geschrieben: Es geht schlicht nur darum, daß sie für die dafür nötigen Arbeiten auch einen fairen Kostenanteil übernehmen.
Ansonsten ist es eigene Blödheit der Briten und keine EU-Verweigerung, wenn May auf den Thatcher-Binnenmarkt verzichten und nur etwas Warenverkehr haben möchte.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

20.01.2017 18:04
#23 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von max im Beitrag #20
Generell erstaunt es mich, dass die selben Leute (Dir persönlich will ich nichts unterstellen), die bei Ankündigungen von Trump, den Freihandel zu begrenzen, beinahe hysterische Anfälle bekommen, den Briten aber Freihandel ums verrecken verweigern wollen.
Da muß man sich mal die Verhandlungspositionen vor Augen halten. Grundsätzlich ist in der Handelspolitik das große Land im Vorteil. Wenn z.B. das große Land bestimmte Handelshemmnisse schafft, verliert der Exporteur aus dem kleinen Land einen riesigen Markt, bei der Retorsionsmaßnahme verlieren die Exporteure des großen Landes aber fast nichts. So etwas schlägt sich auf die Verhandlungsposition durch. Das ist übrigens auch der Grund, warum Trump nicht den Freihandel einschränken will, sondern von multilateralen Abkommen zu bilateralen Abkommen mit kleineren Partnern wechseln will. Fast alle Wirtschaftsräume sind gegenüber den USA klein, also können da die USA ihre Macht ausspielen. "Make America great again".

Dem wird auch das UK ausgesetzt sein. Als Teil der EU konnten sie auf Augenhöhe mit den USA verhandeln. Als einfaches WTO/OECD-Mitglied haben sie eine sehr schwache Position gegenüber größeren Ländern. Das ist übrigens mit einer der Gründe, warum der Europäische Zusammenschluß sich für die Europäer lohnt, gewissermaßen auf Kosten Nichteuropas. Die Brexiteers haben keinen Grund für die Erwartung, daß die Trump-Regierung dem UK etwas in ihrer Verhandlungsmacht schenken werde. Trumps Parole ist nicht "make the UK great again".

Nicht viel anders sieht die Situation des UK gegenüber der EU aus. Nur gibt es hier noch das unschöne Detail, daß ein Handelsabkommen des kleinen UK mit der großen EU nahtlos mit dem Austritt aus dem Binnenmarkt in Kraft treten muß. Ansonsten liegen in der Zwischenzeit die Wirtschaftsverbindungen, die in der EU-Zeit gewachsen sind und für die einfache WTO-Regeln nicht ausreichen, auf dem Trockenen. Wenn man bedenkt, wie lange die CETA oder TTIP-Verhandlungen dauern, dann kann man nur zu dem Schluß kommen, daß ein Brexit ein Projekt über Jahrzehnte sein wird.

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

20.01.2017 18:07
#24 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #16
Da funktioniert auch die gegenseitige Anerkennung gewisser Prozesse, weil beide Seiten ungefähr gleich groß sind und ähnlichen Aufwand auf ihrer Seite betreiben.

Nee. Tun die Amis auch nicht. Der einzige Grund warum das funktioniert (wenn es das irgendwann tut) ist vor allem, dass die Verhandlung auf Augenhöhe stattfindet. Die EU kann die Amis nicht erpressen, wie sie das mit Norwegen oder der Schweiz tun kann. Im Vergleich zu Brüssel treiben die Amerikaner kaum einen Bruchteil an Aufwand für Normung, Vereinheitlichung und Organisation (das ist eine typisch europäische Sicht der Dinge). Nur können die Europäer den Amis die Kosten dafür nicht abverlangen. Weil die das schlicht nicht machen würden. China normt noch einmal deutlich weniger. Und hat überhaupt keine Probleme mit dem europäischen Markt.

Zitat
Im wesentlichen betreibst Du Vorhersage mit der Behauptung, ein Norwegen-Modell wäre ausgeschlossen. Ich halte das noch für offen.


Ausgeschlossen nicht. Aber zunehmend unwahrscheinlich.

Zitat
Daß die Wirtschaftsinteressen GBs mit einem Norwegen-Modell besser bedient wären als mit einem reinen Warenfreihandel ist keine Vorhersage, sondern Fakt.


Nein. Das ist kein Fakt. Das ist deine(!) persönliche(!) Meinung. Nichts anderes. Ich erlaube mir den Luxus einer anderen Meinung. Ich nenne es aber nicht Fakt.

Zitat
Ich weiß nicht mehr, wo man diese Aufstellung findet, aber meiner Erinnerung nach verdient GB fast 80% seiner Exporterlöse mit Dienstleistungen.


Nicht mal in der Nähe. Allein die (nun wirklich schwache) britische Industrie zeichnet für 57% aller Exporte. Dazu kommen noch einmal erhebliche Mengen an Gas und Öl. Nimmt man das zusammen können Dienstleistungen selbst im güntigsten Falle 20% der Einnahmen ausmachen. Bei einem Gesamtexport in die Union von nicht ganz 200 Milliarden Euro sind das knappe 40 Milliarden Euro. Im besten Fall. Das ist kein Pappenstil. Aber vermutlich immer noch weniger als uns Merkels Gäste im Jahr kosten.

Zitat
Wie auch immer der Anteil genau ist - er ist deutlich höher als in jedem anderen EU-Staat.


Das mag wohl sein. Es sagt ja auch niemand das es nicht weh tut, nur die Katastrophe ist es nicht, die so gezeichnet wird. Die britische Wirtschaft hat generell ein Problem, das kann man schlecht wegdiskutieren, aber es hängt nicht am Dienstleistungsexport sondern vor allem an einer viel zu schwachen Industrie.

Zitat
Es ist nicht dramatisiert, sondern schlicht falsch. In keinem einzigen EU-Land gibt es eine mehrheitsfähige Austritts-Bewegung.


Jetzt weiss ich echt nicht, wie ich das jetzt noch sinnvoll rüber bringe. Das glaubst Du doch wohl selbst nicht. Es knarzt derzeit an allen (!) Ecken und Enden. Wenn die EU vor einem Angst hat, dann vor Volksentscheiden. Frankreich hat eine ganz gewaltige Exit Stimmung. Italien auch. Osteuropa? Wenn mal kein Geld mehr sprudelt können die gar nicht schnell genug austreten. Selbst in Deutschland, dem Musterschüler der EU, gibt es massive Bewegungen in diese Richtung. Ist natürlich auch ein Konjunktiv, aber wenn wir morgen Abstimmung in allen Ländern der EU durchführen, dann ist die Veranstaltung übermorgen ein Viertel kleiner. Ich schrieb es selber vor einem Jahr als Frage in Zettels Raum. Ist Merkel die Totengräberin von Europa? Und heute muss man dazu kommen und konstatieren: Ja, genau das ist sie.

Zitat
Aber in diesem Kontext nur interessant: Einen Ausstieg werden sie nur hinbekommen, wenn sie überhaupt mal damit anfangen.


Ich glaube die fangen schon deutlich an. Aber das dauert tatsächlich. Sieh mal wie lange TTIP gebraucht hat, da kann man nicht von jetzt auf gleich gigantische bilaterale Verträge generieren. Das braucht seine Zeit und die Briten haben keinen gigantischen Zeitdruck.

Zitat
Es sind nicht die hiesigen Firmen die jetzt einen Umzug überlegen ...


Mit solchen Aussagen wäre ich sehr, sehr vorsichtig. Ein Beispiel hatten wir vor gar nicht so langer Zeit hier im Raum. Und die Nervosität in Europa das da jemand auf die Idee kommen könnte Firmen durch niedrige Steuern zu locken, ist auch nicht wegzudiskutieren.

Zitat
So viel kleiner ist der Markt ohne England nicht.


Großbritannien ist eine der weltweit größten Volkswirtschaften und Nummer zwei in Eruopa. Hast recht: Völlig unwichtig. Aber vergiss nicht das den deutschen Autobauern zu sagen, wenn die ihre Wagen nicht mehr los werden. Man kann aber auch anders sagen: Dat is ne Katastrophe. Und zwar für nahezu jeden Beteiligten. Wenn der harte Brexit kommt und danach keine vernünftige Handelsregelung gefunden wird (Junckers Traum), dann wird das schon alleine in Deutschland deutlichst zu spüren sein. Wir werden das alle merken. Das Gleichgewicht in der Union wird sich noch mehr Richtung Umverteilung und Etatismus verschieben und gleichzeitig wird deutlich weniger da sein, dass man verteilen kann. Da gibts ein Wort für, aber das gehört nicht in die Schriftsprache.

Zitat
Nur: Warum schließt May dann keine solchen Abkommen ab?


Warum schliesst Frau Merkel nicht endlich TTIP oder CETA ab?

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

20.01.2017 23:03
#25 RE: Insel im Nebel Antworten

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