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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 565 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Llarian Offline



Beiträge: 7.107

17.03.2017 01:29
#51 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #48
Mag ja sein, lieber Llarian, daß Sie das entnehmen möchten, aber dastehen tut es nicht. Ich habe weder von "den Briten" geschrieben, schon gar nicht von "allen", und auch nicht von "doof".

Nein, Sie sprechen von Knallchargen, Knalltüten, Vogelscheuchen und Wahnwitz. Großer Unterschied. Da finde ich doof noch sehr harmlos gegen.

Zitat
Daß Sie hier munter mit 65 Millionen Strohmännern um sich werfen, läßt allerdings darauf schließen, daß Sie die Parallele zwischen Merkel und May, der deutschen und der britischen Regierung, die beide ohne nennenswerte Opposition am Rande der Verfassungslegalität operieren, geflissentlich ignorieren.


Man kann alles vergleichen und sicher haben May und Merkel ihre Gemeinsamkeiten. Ich denke nur, dass May im Unterschied zu Merkel ihren Job deutlich besser macht und das ist kein Strohmann, sondern auch nichts weiter als ein Vergleich. Oder um es simpel zu sagen: Wenn man May und ihre Mannen als Knalltüten und Knallchargen bezeichnet, ist es schwer noch Begriffe für das Kabinett Merkel zu finden, die noch druckfähig sind.

Zitat
Doof ist hier nur Ihr non sequitur.


Das würde ich eher auf eine Aussage anwenden, die Großbritanniens internationalen Status mit Nordkorea gleichziehen möchte.

Zitat
Ja was? Was wird wohl größeres Gewicht haben, der Beschluß des britischen Parlaments, May völlig freie Hand zu geben, oder eine vor Monaten in Zettels hehrem Kleinen Zimmer geäußerte Meinung?


Darum geht es doch an dem Punkt gar nicht. Das war ein Seitenhieb auf ihre Mitstreiter, die die Richtigkeit einer alten Aussage belegen wollten, die sich aber nun schwer mit der ihren beisst. Die Grundargumentation ist ja die folgende: Seit der Brexit im Volksvotum "beschlossen" wurde, jagt sowohl in der deutschen Presse, und ausstrahlend eben auch in diesem unseren kleinen Zimmer, eine Untergangsnachricht die nächste. Ich will mich dem gar nicht grundsätzlich verweigern, denn mir fehlt es an der Fähigkeit die Zukunft vorherzusagen. Aber ich nehme diese Prognosen durchaus wahr. Und die sind bis heute nicht eingetroffen. Viele werden auch nicht mehr eintreffen können. Und an der Stelle ist es natürlich schon sinnvoll genau darauf hinzuweisen. Es ist nicht nur bisher nicht passiert, es wurde auch falsch vorhergesagt. Und das ist ein Faktum für sich.

Zitat
Es ist aber in der Tat erstaunlich. Ich hätte auch eher auf den traditionellen britischen Pragmatismus und Geschäftssinn gesetzt; daß die Regierung ungehindert so weit gehen würde wie sie jetzt schon gegangen ist, nämlich auch den mit Sicherheit die wirtschaftliche Position des Landes auf Jahre hinaus schädigenden Totalausstieg billigend in kauf zu nehmen, ohne auch nur eine Kosten-/Nutzenabwägung durchgeführt oder sich einen Überblick über die erheblichen juristischen Komplikationen verschafft zu haben (wie das Armutszeugnis des Brexit-Ministers David Davis gestern vor der Parlamentskommission nach immerhin knapp 9 Monaten "Arbeit" nur zu deutlich gemacht hat), hätte ich im letzten Juni noch nicht für möglich gehalten.


Und das ist auch durchaus ein zentraler Punkt. SIE haben es nicht für möglich gehalten. Und viele haben auch den Brexit nicht für möglich gehalten. Und ebenso viele haben es auch nicht für möglich gehalten, dass da kein wirtschaftlicher Absturz nach kommt. Oder das das Parlament dem zustimmen würde. Und Sie halten es auch nicht für möglich, dass sich das für GB als Gewinn herausstellt. Alles können Sie sich nicht vorstellen. Aber passieren kann das trotzdem. Sie gehen mit einer Sicherheit an das Thema ran, die ich auch in der deutschen Presse und Politik überall wahrnehme, die ich wiederum merkwürdig finde. Alles erscheint so sicher und dann passiert es doch nicht. Und das ist dann die Stunde der Erklärer, die einem erklären, warum ihre Vorhersagen nicht eingetroffen sind.

Zitat
Wieso denn das? Die Exekutive ist dem Parlament Rechenschaft schuldig, das ist spätestens seit dem Civil War das Grundprinzip der britischen Demokratie. Und eine Frage der hier vorliegenden Tragweite ist kein geeigneter Gegenstand für einen nonchalanten Verwaltungsakt.


Genau deswegen(!) hat man doch ein Gesetz gemacht, herrschaftszeiten. Die Regierung arbeitet nicht ohne Auftrag, sondern im(!) Auftrag des Parlaments. Das bedeutet aber nicht, dass das Parlament jede einzelne Maßnahme der Regierung im Nachhinein noch einmal umwerfen kann oder in Frage stellt. Denn dann wäre eine Regierung tatsächlich völlig handlungsunfähig.

Zitat
Ja wenn Sie das so sehen, dann verstehe ich aber nicht, warum Sie nichts daran auszusetzen haben, wenn z.B. im Kleinen Zimmer an den Handlungen der Bundesregierung herumgekrittelt wird. Die Regierung Merkel ist demokratisch durch den demokratisch gewählten Bundestag eingesetzt worden, und alles läuft in vollkommen demokratischen Bahnen. Alles klar also? Was gibt's denn da zu kritisieren?


Eine ganze Menge. Denn so demokratisch ist das eben nicht. Würden wir es vergleichen, dann wäre es so, als habe Cameron, als er noch an der Macht war, aus einer Laune heraus den Brexit beschlossen. Hat er aber nicht. Was er getan hat, ist ein Plebiszit ansetzen. Hätte die Regierung Merkel 2015 ein Plebiszit angesetzt, dann wäre es tatsächlich eine andere Situation. Hat sie aber nicht. Und das ist auch der Grund warum ich eine repräsentative Demokratie immer kritischer sehe. Würde ich auch in GB so sehen, nur das die eben den Willen des Volkes vorher abgefragt haben. Dazu kommt noch, das ist allerdings nicht dem demokratischen Prinzip geschuldet, dass der Brexit nicht illegal sein dürfte. Die Grenzöffnung dagegen schon. Oder, um es wieder simpel zu sagen: May handelt aus einer Volksabstimmung heraus. Merkel aus ihrem eigenen "Gutsein".

Zitat
Daß eine Mehrheit am 23. Juni 2016 für das gestimmt hat, was May jetzt so im Auge hat (und nicht für etwas anderes, was der jeweilige Wähler sich damals vorgestellt hat), ist nicht nur keine ausgemachte Sache, sondern geradezu unwahrscheinlich.


Es ist aber das, was da ist. Ein besseres Votum gibt es nicht. Jedes Votum hat Unschärfen, das liegt in der Natur der Sache. Was aber nix daran ändert, dass es die beste Evidenz für das ist, was das Volk will.

Zitat
An der Bedeutung, die dem Referendum zuzumessen ist, ist im Laufe der letzten Monate in einem ziemlich grotesken Maß gedreht worden.


Zum Beispiel?

Zitat
Und selbst wenn die 52% alle für den Abbruch aller Verträge und einen Neubeginn auf WTO-Niveau gewesen wären, dann stellt sich immer noch die Frage, ob eine so knappe Mehrheit der Minderheit ihren Willen aufzwingen darf.


Das nennt man Demokratie. Und die Mehrheit beginnt bei 51%. Das ist nicht so hohl gemeint, wie es klingt. Aber das ist nun einmal das demokratische Prinzip. Und bevor das kommt: Natürlich gibt es Grenzen der Demokratie. Da sind wir dann beim (verfassten) Rechtsstaat. Der wird aber nicht durch eine Mitgliedschaft in der EU definiert. GB war ein Rechtsstaat bevor es in die EU eingetreten ist und wird es auch danach sein.

Zitat
Zum Vergleich möchte ich anmerken, daß das Referendum nicht den nun in Großbritannien gültigen Regeln für eine bloße Streik-Urabstimmung genügt hätte.


Und das muss es auch gar nicht. Denn wir hier ja auch im Forum mehrfach gehämmert wurde, es war ja nicht in dem Sinne bindend. Was bindend ist, sind Beschlüsse des Parlaments. Nur sind die nicht so dumm sich gegen den Willen des Volkes zu stellen. Wenn ich mit 10 Leuten ein gemeinsames Projekt plane, über das ich entscheiden kann und mit jedem einzelnen darüber spreche, dann wäre ich sehr dämlich zu versuchen es so zu machen, wie die Mehrheit das eben nicht will. Vollkommen egal ob dieses Gespräch später den Anforderungen an eine Wahl genügt.

Zitat
Jetzt aber wurde das Ergebnis zum "Willen des Volkes" (an sich schon eine totalitäre Begriffsbildung, die die abweichende Meinung aus dem "Volk" ausgrenzt) stilisiert und entgegen der britischen repräsentativen Demokratietradition zu einem Absolutum erhoben, dem gegenüber die Parlamentarier ihre eigentliche Pflicht, nach bestem Gewissen im Sinne des Wohlergehens des Landes zu handeln, hintangestellt haben.


Und das verdient einen großen Respekt. Es ist nämlich der Unterschied zwischen Parlamentarieren, die sich als tatsächliche "Repräsentanten des Volkes" verstehen und solchen, die sich als Teil einer Aristokratie verstehen. Zu meinen, ein Parlamentarier solle nicht den Willen seiner Wähler erfüllen, sondern lieber das tun, was er (!) meint(!) das beste für das Volk ist, ist schlicht (geradezu wortwörtlich) die Idee einer Aristokratie. Das kann man durchaus gut finden. Aber dann sollte man nicht den Begriff Demokratie führen, denn das ist es gerade nicht.
Ich kann diesen Punkt gar nicht genug betonen, denn ich halte ihn in seiner Bedeutung für weit wichtiger als die ganze Bexit Diskussion: Büger sind mündig. Und sie sind mündig für sich Entscheidungen zu treffen. Es ist nicht Aufgabe der Politik zu definieren was gut und richtig für den Bürger ist. Die Idee einen Abgeordeneten "seinem eigenen Gewissen und nur diesem" zu verpfichten, klingt unheimlich doll, edel und gut. Aber was sich eben auch dahinter verbirgt ist die Idee des "guten Herschers", der nur das Beste für seine Untertanen will und nach dem handelt, was er für das richtige hält. Es ist eine Form von Unmündigkeitserklärung. Der Bürger ist nicht so weise und trifft im Zweifelsfall "dumme Entscheidungen", daher braucht er einen Repräsentanten, der nach bestem Gewissen dafür sorgt, dass nur die Wünsche des Bürgers wirklich umgesetzt werden, die auch gut für diesen sind. Das mag unflätig formuliert sein, aber es trifft den Kern der Sache. Ich will nicht mal bestreiten, dass die Intention dahinter gut gemeint ist. Die ursprünglichen Aristokratien sind genau so begründet und gelebt worden. Aber Demokratie ist das nicht. Und frei ist es in meinen Augen auch nicht. Genau wie ich die Freiheit für mich reklamiere "dumme" Dinge zu tun, so müssen wir auch für uns als Gruppe das Recht deklarieren "dumme" Dinge demokratisch zu beschliessen (im Rahmen des Rechtsstaates). Nichts anderes ist Mündigkeit.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.03.2017 09:14
#52 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #50
Was die deutsche Regierung betreibt ist mit aller Sicherheit nicht mehrheitlich gewollt ...

Das ist eine kühne These.
Zu Zeiten der Grenzöffnung zeigten die Meinungsumfragen jedenfalls große Zustimmung. Die übliche "kollektive Besoffenheit" der Deutschen halt, wie schon nach Fukushima.
Falls Merkel damals Referendum gemacht hätte, wäre eine fette Mehrheit zu erwarten gewesen.

Inzwischen sieht das natürlich ziemlich anders aus. Spätestens nach Köln finden sich nicht mehr viele Leute, die seinerzeit dafür gewesen sein wollen.

Ähnlich kann man das nach dem vollzogenen (!) Brexit erwarten. Da wird es vielleicht auch schwierig noch Leute zu finden die zugeben, dafür gestimmt zu haben.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

17.03.2017 10:11
#53 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #52
Zitat von Llarian im Beitrag #50
Was die deutsche Regierung betreibt ist mit aller Sicherheit nicht mehrheitlich gewollt ...

Das ist eine kühne These.
Zu Zeiten der Grenzöffnung zeigten die Meinungsumfragen jedenfalls große Zustimmung. Die übliche "kollektive Besoffenheit" der Deutschen halt, wie schon nach Fukushima.
Falls Merkel damals Referendum gemacht hätte, wäre eine fette Mehrheit zu erwarten gewesen.

Inzwischen sieht das natürlich ziemlich anders aus. Spätestens nach Köln finden sich nicht mehr viele Leute, die seinerzeit dafür gewesen sein wollen.

Ähnlich kann man das nach dem vollzogenen (!) Brexit erwarten. Da wird es vielleicht auch schwierig noch Leute zu finden die zugeben, dafür gestimmt zu haben.


Auf diese Meinungsumfragen würde ich nicht allzu viel geben.

Zu Zeiten des Nato-Doppelbeschlusses (sog. "Friedensbewegung") und der gewalttätigen Proteste gegen die Kernenergie gab es trotz Volksbewegungen in Millionenhöhe stets stabile konservativ-liberale Mehrheiten im Bund.

Auch die Asylrechtsverschärfung wurde seinerzeit auf als Antwort auf den Druck, der von der wählenden Bevölkerung ausging (in Form von Republikanern + DVU) beschlossen.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

17.03.2017 10:32
#54 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #51

Zitat
Zitat: Es ist aber in der Tat erstaunlich. Ich hätte auch eher auf den traditionellen britischen Pragmatismus und Geschäftssinn gesetzt; daß die Regierung ungehindert so weit gehen würde wie sie jetzt schon gegangen ist, nämlich auch den mit Sicherheit die wirtschaftliche Position des Landes auf Jahre hinaus schädigenden Totalausstieg billigend in kauf zu nehmen, ohne auch nur eine Kosten-/Nutzenabwägung durchgeführt oder sich einen Überblick über die erheblichen juristischen Komplikationen verschafft zu haben (wie das Armutszeugnis des Brexit-Ministers David Davis gestern vor der Parlamentskommission nach immerhin knapp 9 Monaten "Arbeit" nur zu deutlich gemacht hat), hätte ich im letzten Juni noch nicht für möglich gehalten.

Und das ist auch durchaus ein zentraler Punkt. SIE haben es nicht für möglich gehalten. Und viele haben auch den Brexit nicht für möglich gehalten. Und ebenso viele haben es auch nicht für möglich gehalten, dass da kein wirtschaftlicher Absturz nach kommt. Oder das das Parlament dem zustimmen würde. Und Sie halten es auch nicht für möglich, dass sich das für GB als Gewinn herausstellt. Alles können Sie sich nicht vorstellen. Aber passieren kann das trotzdem. Sie gehen mit einer Sicherheit an das Thema ran, die ich auch in der deutschen Presse und Politik überall wahrnehme, die ich wiederum merkwürdig finde. Alles erscheint so sicher und dann passiert es doch nicht. Und das ist dann die Stunde der Erklärer, die einem erklären, warum ihre Vorhersagen nicht eingetroffen sind.


Ähnlichen Unsinn hat man ja auch den Schweizer Wählern bei Volksabstimmungen bzgl. eines EU-Beitritts suggeriert: Niedergang, Verarmung + Isolation, sollten die Schweizer sich gegen eine Mitgliedschaft entscheiden.

Und nach wie vor würde das Schweizer Establishment Wohlstand, Freiheit, Unabhängigkeit und Demokratie ohne mit der Wimper zu zucken einer EU-Partizipation opfern und sich mitsamt der eidgenössischen Republik lieber heute als morgen Brüsseler Kommissaren und Bürokraten unterwerfen.

Ich denke im Falle des Brexits handelt es sich um ein Paradebeispiel kognitiver Dissonanz. Da die Untergangsprognosen offensichtlich maßlos übertrieben waren, muss man als überzeugter EU-Anhänger Begründungen (er)finden, um die Pro-EU Position vor sich selber rechtfertigen zu können. Insbesondere dann, wenn sich allmählich herauskristallisiert, dass es der Austritt möglicherweise deutlich vorteilhafter ist als eine anhaltende Mitgliedschaft.

Für die Deutschen - um etwas zu pauschalisieren - handelt es sich bei der EU nicht nur um einen Staatenbund sondern auch um ein Glaubenssystem, gerade auch bei Konservativen und Liberalen. In Großbritannien sieht das traditionell etwas anders aus, dort ist die EU kein Götze oder Fetisch, der mehr oder weniger bedingungslos angebetet wird. Einer der Gründe, warum die Briten nüchterner über die Frage der EU-Mitgliedschaft diskutieren können.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.03.2017 12:52
#55 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #54
Ähnlichen Unsinn hat man ja auch den Schweizer Wählern bei Volksabstimmungen bzgl. eines EU-Beitritts suggeriert: Niedergang, Verarmung + Isolation, sollten die Schweizer sich gegen eine Mitgliedschaft entscheiden.

Und um dieses Nachteilen zu entgehen, haben sich die Schweizer letztlich für eine de-facto-Mitgliedschaft entschieden.
D.h. sie zahlen volle Beiträge, vollziehen alle Regulierungen nach - nur haben sie auf Mitspracherechte verzichtet. Es ist die große kognitive Dissonanz der EU-Gegner, diesen Verzicht auf Mitsprache als Vorteil und "Nicht-Unterwerfung" zu sehen.

Zitat
Insbesondere dann, wenn sich allmählich herauskristallisiert, dass es der Austritt möglicherweise deutlich vorteilhafter ist als eine anhaltende Mitgliedschaft.


In welcher Parallelwelt kristallisiert sich das heraus?
Bisher kann man eigentlich nur streiten, ob die Nachteile und Kosten vielleicht verkraftbar sein werden. Und man kann spekulieren, ob England trotz des chaotischen und undiplomatischen Vorgehens der britischen Regierung die Union mit den drei anderen Mitgliedsstaaten aufrecht erhalten kann.
Aber von Vorteilen ist bisher noch nichts zu sehen. Dazu müßte man auch erst abwarten, wie die gesetzlichen Rahmenbedingungen künftig sein werden.

Zitat
Einer der Gründe, warum die Briten nüchterner über die Frage der EU-Mitgliedschaft diskutieren können.


"Nüchtern" ist wohl das letzte Attribut, was mir zu den Brexiteers einfallen würde. Das war und ist eine höchst emotionale Bewegung, die Propaganda läuft wesentlich übers Bauchgefühl und Uralt-Patriotismus, bei Argumenten oder gar Berechnungen wird es überaus schwach - siehe die 350-Millionen-Lüge.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

17.03.2017 12:56
#56 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #55

Aber von Vorteilen ist bisher noch nichts zu sehen. Dazu müßte man auch erst abwarten, wie die gesetzlichen Rahmenbedingungen künftig sein werden.



Ich sehe durchaus einen Vorteil - für mich. Eine Option mehr zum Auswandern.

Gruß, Martin

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

17.03.2017 14:10
#57 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #49
Eben nicht. Es geht nicht um "die britische Regierung", es geht eindeutig (lies es nach!) um das Unterhaus. Das Unterhaus hat keinen Vorbehalt eingebaut, wird also nicht noch einmal gefragt.
Ihnen ist schon klar, daß die Zeilen, die Sie so emsig mißverstehen wollen, geschrieben habe, als das Unterhaus noch nicht mit dem Gesetz befaßt war, das die Regierung zu Austrittsverhandlungen beauftragt? Sie überschätzen ein bißchen meine hellseherischen Fähigkeiten, wenn Sie meinen, ich hätte im letzten Sommer vorausgesehen, daß im Winter eine Unternehmerin vor dem Obersten Gerichtshof durchsetzt, daß die Regierung Austrittsverhandlungen nur per Gesetz vornehmen darf, und wie dann die Vorlage aussieht.

Was ich meinte und auch heute noch meine ist, daß das Unterhaus spätestens zu dem Austrittsvertrag zustimmen muß (genau, der Kontext!). Es würde nämlich ein völkerrechtlicher Vertrag sein, und bei solchen Verträgen ist in demokratischen Staaten immer ein Ratifizierungsvorbehalt durch das Parlament vorgesehen. Das Ratifizierungsgesetz hat zugleich die Funktion, die Abmachungen des Vertrages in innerstaatliche Gesetzesform zu gießen. Das wird dann mit der Unterschrift der Königin ausgefertigt und veröffentlicht (bei uns Unterschrift vom Bundespräsidenten und Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt) und erhält erst so innerstaatliche Bindungskraft. Dieses Vorgehen ist zwingend, weil sonst über völkerrechtliche Verträge die Gewaltenteilung ausgehebelt werden könnte.

Ihre Lesart, das Unterhaus habe der Regierung jetzt ein Ermächtigungsgesetz erteilt, im Rahmen des Austrittsvertrages hunderte Gesetze und Normen beliebig zu ändern, nur weil sie im Rahmen der EU-Mitgliedschaft entstanden sind, ist deswegen völlig irrig.

Im Gegenteil werden mit einem Ratifizierungsgesetz Neufassungen aller Gesetze fällig, die das Unterhaus in Befolgung von EU-Richtlinien erlassen hat. Genau das wollten ja eigentlich auch die Brexiteers. Zusätzlich muß man Ersatzgesetze beschließen, die allfällige Regelungslücken durch den Wegfall aller EU-Verordnungen schließen würden. Heißt, daß bis zur Ratifizierung etwa 40% aller gelten Regelungen überarbeitet werden müssen, oder anders gesagt, die Gesetzgebung aus 40 Jahren in maximal zwei Jahren erneuern (wenn man keine Verlängerung der Verhandlungen will).

Das ist jetzt keine Übertreibung aus europäischer Perspektive. Es ist einfach die andere Seite der Brexiteer-Behauptung: Wenn die EU-Mitgliedschaft so viele schlimme Regelungen gebracht hat, bedeutet der Austritt binnen zwei Jahren, sehr viele schlimme Regelungen neu fassen zu müssen. Auch wenn man sehr gerne Gesetze ausarbeitet, ist das ein massives Arbeitsaufkommen für die Abgeordneten.

Zitat von Llarian im Beitrag #49
Ändert aber nichts daran, dass Artikel 50 das nicht vorsieht.
Eben genau weil Art. 50 das nicht vorsieht, sieht er auch keinen Zwang zum Austritt vor, wenn die Verhandlungen erstmal begonnen wurden. Es ist ja nicht selten, daß man während Vertragsverhandlungen merkt, daß der status quo doch die bessere Situation ist. So ähnlich erleben wir es ja in der umgekehrten Richtung mit den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

17.03.2017 14:31
#58 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #56
Ich sehe durchaus einen Vorteil - für mich. Eine Option mehr zum Auswandern.
Wie meinen Sie das? Das Anliegen der Brexiteers war ja, daß weniger fleißige Europäer auf die Inseln kommen. Auswandern ins Vereinigte Königreich wird so nicht leichter. Die Brexit-Briten wollen eben lieber alleine mit ihren arbeitslosen Pakistanern, Arabern und Afrikanern auf ihren Inseln leben.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.420

17.03.2017 14:34
#59 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #55

"Nüchtern" ist wohl das letzte Attribut, was mir zu den Brexiteers einfallen würde. Das war und ist eine höchst emotionale Bewegung, die Propaganda läuft wesentlich übers Bauchgefühl und Uralt-Patriotismus, bei Argumenten oder gar Berechnungen wird es überaus schwach - siehe die 350-Millionen-Lüge.


Nichts, was EU-Gegner sagen oder tun könnten schlägt die Emotionalität der EU-Befürworter. In den letzten 10 Jahren gab es eine derartige Flut an Wortbrüchen, Rechtsbrüchen, Ausflüchten, Propaganda, Schweigekartellen bis hin zu Lügen durch die EU-Befürworter - es fällt mir sehr, sehr schwer auch nur noch ein Wort zu glauben, dass von EU-Befürwortern kommt.

Die heutige EU hat nichts, aber auch gar nichts mehr mit dem zu tun, was vor Jahrzehnten gegründet und den Bürgern angepriesen wurde. Statt dessen haben wenige tausend Politiker hinter verschlossenen Türen die politische und gesellschaftliche Umwelt der Bürger in den verschiedenen EU-Ländern ohne tatsächliche Legitimation verändert. Da wurden dem Wahlvolk Abstimmungen verweigert oder so lange durchgeführt, bis mal das "richtige" Ergebnis rauskam. Da wurden Verträge hoch und heilig geschlossen und gebrochen, kaum das Tinte trocken war. Da wurden Milliarden und Abermilliarden hinter verschlossenen Türen verschoben. Da wurde die Grenzen aufgegeben und damit die Wohnbevölkerung verändert. Da wurden Gesetzesvorschläge so lange in den Instanzen verschoben, bis man ein Gremium fand, die den Krempel abgesegnet hat. Gern wurden Gesetze auch mal "versteckt" und zu einem Zeitpunkt und in einer Instanz durchgewunken, wenn es unter dem Radar von Presse und Bevölkerung war. Da wurden Millionen, wenn nicht Milliarden für "Werbung und Aufklärung" ausgegeben - sprich Propaganda. Und zwar aus Steuermitteln - Mittel, die den politischen Gegnern naturgemäß nicht zur Verfügung standen. Da wurden Posten verschoben (um nicht das böse Wort "Vetternwirtschaft und Korruption" in den Mund zu nehmen).

Kein halbwegs intelligenter Mensch kann auch nur ansatzweise behaupten, die europäischen Wahlbürger hätten diese Entwicklung tatsächlich legitimiert - der Punkt, an dem wir jetzt sind, ist ein reines "Eliten-Projekt" und wurde immer und immer wieder gegen den erbitterten Widerstand der EU-Bevölkerung durchgepeitscht.

Also was genau wollen Sie, werter R.A., mit dem Hinweis auf missverständliche Aussagen der EU-Gegner sagen?

___________________
Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.420

17.03.2017 14:35
#60 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #58
Das Anliegen der Brexiteers war ja, daß weniger fleißige Europäer auf die Inseln kommen.


Gibt es dafür eine Quelle? Also eine Quelle genau für diese Aussage - dass "fleißige Europäer" in GB nach dem EU-Austritt unerwünscht sind?

___________________
Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.03.2017 14:53
#61 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #59
Nichts, was EU-Gegner sagen oder tun könnten schlägt die Emotionalität der EU-Befürworter.

Es gibt emotionale EU-Befürworter, aber eher in Deutschland, fast nicht im UK. Da war die Brexit-Diskussion ziemlich einseitig: Die Remainers haben mit Fakten und Zahlen argumentiert, die Brexiteers mit emotionalen Aufrufen.

Zitat
n den letzten 10 Jahren gab es eine derartige Flut an Wortbrüchen, Rechtsbrüchen, Ausflüchten, Propaganda, Schweigekartellen bis hin zu Lügen durch die EU-Befürworter


Gemach. Es gab alle diese Dinge, weil es die in der Politik immer gibt. Schon lange vor der EU und auch überall außerhalb der EU. Ein Politiker wird nicht Wortbruch-anfälliger, nur weil er die EU befürwortet.

Zitat
Die heutige EU hat nichts, aber auch gar nichts mehr mit dem zu tun, was vor Jahrzehnten gegründet und den Bürgern angepriesen wurde.


Es ist etwas weniger realisiert worden als damals anvisiert wurde. Aber im wesentlichen entspricht die heutige EU schon den Versprechen vorher. Nur bei der "Euro-Rettung" wurden damalige Vorsätze nicht eingehalten - aber in der Kritik daran sind wir uns ja einig.

Zitat
Da wurden Verträge hoch und heilig geschlossen und gebrochen, kaum das Tinte trocken war.


Das ist nicht richtig.
Es wurden diverse Versprechen an die Bürger gebrochen, aber keine Verträge.

Zitat
Da wurden Milliarden und Abermilliarden hinter verschlossenen Türen verschoben.


Ja. Normale Politik eben. Passiert auch auf Nationalstaatsebene dauernd - deswegen würde ich die deutsche Einigung von 1871 nicht rückgängig machen.

Zitat
Da wurde die Grenzen aufgegeben ...


Das war eine Entscheidung des Nationalstaats Deutschland, nicht der EU. Die meisten EU-Partner haben sich dezidiert nicht angeschlossen.

Zitat
Gern wurden Gesetze auch mal "versteckt" und zu einem Zeitpunkt und in einer Instanz durchgewunken, wenn es unter dem Radar von Presse und Bevölkerung war. Da wurden Millionen, wenn nicht Milliarden für "Werbung und Aufklärung" ausgegeben - sprich Propaganda. Und zwar aus Steuermitteln - Mittel, die den politischen Gegnern naturgemäß nicht zur Verfügung standen. Da wurden Posten verschoben (um nicht das böse Wort "Vetternwirtschaft und Korruption" in den Mund zu nehmen).


Dito: (Leider) ganz normale Politik, wie sie auch in den Nationalstaaten üblich ist (und oft sehr viel schlimmer).

Zitat
Also was genau wollen Sie, werter R.A., mit dem Hinweis auf missverständliche Aussagen der EU-Gegner sagen?


Ich hatte eigentlich nicht "mißverständlich" gesagt, sondern "Lüge". Und als Beispiele die angeblichen 350 Millionen gesparte Beiträge genannt. Es gab noch weitere, aber so ins Detail wollte ich nicht gehen.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

17.03.2017 14:54
#62 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #60
Gibt es dafür eine Quelle? Also eine Quelle genau für diese Aussage - dass "fleißige Europäer" in GB nach dem EU-Austritt unerwünscht sind?
Ist das wirklich strittig? Man will doch von den Vier Grundfreiheiten des Europäischen Binnenmarktes vor allem die Arbeitnehmerfreizügigkeit abschaffen. So etwas betrifft ja nur fleißige Europäer, "faule" Urlauber, Asylanten und Terroristen nicht. Letztere drei müssen für ihre Zwecke ja nicht als Arbeitnehmer im Vereinigten Königreich aufzutreten. Aber ich gebe zu, daß ich mich hier meinem Hobby hingegeben habe, die Wirkung von Gesetzesmaßnahmen möglichst sarkastisch zu beschreiben.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

17.03.2017 16:29
#63 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #55
Zitat von Frankenstein im Beitrag #54
Zitat:Insbesondere dann, wenn sich allmählich herauskristallisiert, dass es der Austritt möglicherweise deutlich vorteilhafter ist als eine anhaltende Mitgliedschaft.

In welcher Parallelwelt kristallisiert sich das heraus?

Die Parallelwelt, in der der Euroraum das schwächste Wirtschaftswachstum von den entwickelten Wirtschaftsregionen der Welt zu verzeichnen hat.

Llarian Offline



Beiträge: 7.107

17.03.2017 16:40
#64 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #52
Zu Zeiten der Grenzöffnung zeigten die Meinungsumfragen jedenfalls große Zustimmung.

Welche? Die, die mit den Alternativen arbeiten "Wollen Sie notleidenden Menschen helfen oder Kinder im Mittelmeer ertrinken lassen?" ? Ich denke gar nicht, dass die Zustimmung wirklich so besonders groß war. Und da komme ich mit einer Beobachtung, die sich halb mit dem vergleichen lässt, was nachdenken_schmerzt_nicht schon mal schildert. Bei Fukushima gab (und gibt es) tatsächliche Mehrheiten, und ich sehe mich bei diesem Thema ziemlich isoliert. Es entspricht tatsächlich der Volksmeinung. Und wenn man anderer Meinung ist, wird man schon mal schief angesehen. Bei der Massenflucht 2015 war das aber, zumindest in meiner peer-group gänzlich anders. Es waren die Befürworter, die in der deutlichen(!) Minderheit waren. Das habe ich sowohl in meinem privaten wie auch beruflichen Umfeld wahrgenommen. Deshalb ist Merkel ja auch inzwischen so beliebt wie Fußpilz und ein dröger Apparatischik aus Brüssel feiert Riesenerfolge. Die Zustimmung hat vor allem in den Medien stattgefunden, die sich dann auch die notwendigen Umfragen dazu kaufen. Aber die Stimmung unten war eine andere.

Zitat
Falls Merkel damals Referendum gemacht hätte, wäre eine fette Mehrheit zu erwarten gewesen.


Ja. Und zwar vermutlich gegen sie. Ich würde das öffentliche Hurra-Schreien der Schickeria nicht mit dem normalen Bürger verwechseln wollen.

Zitat
Spätestens nach Köln finden sich nicht mehr viele Leute, die seinerzeit dafür gewesen sein wollen.


Köln war sicher ein Verstärker. Aber gut war die Stimmung vorher auch nicht. Das war übrigens bei der Griechenland Rettung ganz ähnlich.

Zitat
Ähnlich kann man das nach dem vollzogenen (!) Brexit erwarten. Da wird es vielleicht auch schwierig noch Leute zu finden die zugeben, dafür gestimmt zu haben.


Manchen Leuten ist es heute auch peinlich eine Regierung mitgewählt zu haben, die den Energieirrsinn und den ESM beschlossen hat. Oh, da gehöre ich ja selber zu.

Llarian Offline



Beiträge: 7.107

17.03.2017 16:55
#65 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #57
Ihnen ist schon klar, daß die Zeilen, die Sie so emsig mißverstehen wollen, geschrieben habe, als das Unterhaus noch nicht mit dem Gesetz befaßt war, das die Regierung zu Austrittsverhandlungen beauftragt?

Natürlich ist mir das klar. Und Ihnen sollte es zu denken geben, eben nicht so großzügig mit Prognosen und Vorhersagen um sich zu werfen. Sie können viel Text um sich werfen, bleiben aber trotzdem bei der simplen Tatsache, dass Sie sich geirrt haben.

Zitat
Was ich meinte und auch heute noch meine ist, daß das Unterhaus spätestens zu dem Austrittsvertrag zustimmen muß (genau, der Kontext!).


Dann lesen Sie noch einmal Artikel 50. Der Vertrag auf den Sie sich beziehen und der erstellt werden muss, regelt nur das wie. Nicht das ob. Kommt er nicht zustande tritt das ob trotzdem ein. Ganz ohne Parlament. Und wenn das Parlament dem dann zu verhandelnden Vertrag nicht zustimmt, ändert das die Bedingungen, aber nicht den Austritt selber. Das Parlament hätte sicher einen Vorbehalt beschliessen können (der natürlich eine Bereitschaft der restlichen Europäer vorraussetzt einen Rücktritt vom Rücktritt zu gestatten), hat es aber nicht. Es hat genau die Entscheidung, die nach Ihrer (!) Aussage, nie getroffen werden kann, vorweg genommen. Ich finde es auch nicht so wirklich geschickt die Regierung mit einem Blanko-Scheck auszustatten. Aber getan haben sie es trotzdem.

Zitat
Das ist jetzt keine Übertreibung aus europäischer Perspektive. Es ist einfach die andere Seite der Brexiteer-Behauptung: Wenn die EU-Mitgliedschaft so viele schlimme Regelungen gebracht hat, bedeutet der Austritt binnen zwei Jahren, sehr viele schlimme Regelungen neu fassen zu müssen. Auch wenn man sehr gerne Gesetze ausarbeitet, ist das ein massives Arbeitsaufkommen für die Abgeordneten.


Alles richtig, nur alles neben der Spur. Die einzelnen Gesetze kann das Parlament jahrelang hin und her wälzen. Beschliessen und nicht beschliessen. Es ändert alles nichts an dem Austritt selber.

Zitat
Eben genau weil Art. 50 das nicht vorsieht, sieht er auch keinen Zwang zum Austritt vor, wenn die Verhandlungen erstmal begonnen wurden.


Man muss sich natürlich nie an Regeln halten, wenn alle damit einverstanden sind (schönen Gruss aus Maastricht). Ändert aber nix daran, dass die Regierung einen Arbeitsauftrag vom Parlament hat und dieser keine Einschränkung aufweist, sich es sich dann noch einmal zu überlegen. Die Regierung könnte das tun. Aber ich glaube gar nicht, dass sie das will. Und ich bin inzwischen auch nicht mehr so sicher, ob das Volk das in dem Moment will. Die Art wie sich die "Europäer" derzeit benehmen ist ausgesprochen abschreckend. Ich würde mich nicht wirklich wundern, wenn die Engländer irgendwann rein aus Prinzip aus dieser Unsion raus wollen. Und wir wollen auch die Gegenseite nicht vergessen. Es gibt durchaus Länder, die ein Interesse daran haben, dass GB die Union verlässt. Und die könnten durchaus auf Artikel 50 pochen.

hubersn Offline



Beiträge: 1.342

17.03.2017 18:42
#66 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #61

Es gibt emotionale EU-Befürworter, aber eher in Deutschland, fast nicht im UK. Da war die Brexit-Diskussion ziemlich einseitig: Die Remainers haben mit Fakten und Zahlen argumentiert, die Brexiteers mit emotionalen Aufrufen.



Daraus kann ich nur schließen, dass Sie - wenn überhaupt - nur Teile der Diskussion verfolgt haben. Nicht nur einmal haben die Remainers die Frage von Krieg und Frieden mit dem Brexit verknüpft. Und der wirtschaftliche Untergang ist natürlich durch den Brexit auch gesichert.

Gruß
hubersn

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Frankenstein Offline




Beiträge: 891

17.03.2017 19:06
#67 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von hubersn im Beitrag #66
Zitat von R.A. im Beitrag #61

Es gibt emotionale EU-Befürworter, aber eher in Deutschland, fast nicht im UK. Da war die Brexit-Diskussion ziemlich einseitig: Die Remainers haben mit Fakten und Zahlen argumentiert, die Brexiteers mit emotionalen Aufrufen.



Daraus kann ich nur schließen, dass Sie - wenn überhaupt - nur Teile der Diskussion verfolgt haben. Nicht nur einmal haben die Remainers die Frage von Krieg und Frieden mit dem Brexit verknüpft. Und der wirtschaftliche Untergang ist natürlich durch den Brexit auch gesichert.

Gruß
hubersn


Genau, das Gros der Remainers habt alles andere als sachlich argumentiert, sondern stattdessen versucht, die Bevölkerung mit höchst emotionalem Fearmongering massiv zu verunsichern.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

17.03.2017 19:11
#68 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #65
Zitat von Emulgator im Beitrag #57
Ihnen ist schon klar, daß die Zeilen, die Sie so emsig mißverstehen wollen, geschrieben habe, als das Unterhaus noch nicht mit dem Gesetz befaßt war, das die Regierung zu Austrittsverhandlungen beauftragt?

Natürlich ist mir das klar. Und Ihnen sollte es zu denken geben, eben nicht so großzügig mit Prognosen und Vorhersagen um sich zu werfen.
Ich habe nicht behauptet, das Unterhaus würde niemals wieder zu irgendetwas zustimmen. Ich habe erkennbar gesagt, es würde nicht der Vorlage des Austrittsvertrages zustimmen. Die Gesetzesvorlage, daß die Regierung um den Austritt nachsuchen kann, ist doch etwas völlig anderes. Können Sie das nicht unterscheiden?

Zitat von Llarian im Beitrag #65
Dann lesen Sie noch einmal Artikel 50. Der Vertrag auf den Sie sich beziehen und der erstellt werden muss, regelt nur das wie. Nicht das ob. Kommt er nicht zustande tritt das ob trotzdem ein. Ganz ohne Parlament.
Sie meinen, ein solcher Vertrag könne leer sein, gar keine Regelungen enthalten? Und wenn kein Inhalt im Ausstiegsvertrag sei, sei dem Parlament nichts vorzulegen? Sie meinen wahrscheinlich, das sei das Szenario "harter Brexit"?

Zitat von Llarian im Beitrag #65
Ich finde es auch nicht so wirklich geschickt die Regierung mit einem Blanko-Scheck auszustatten. Aber getan haben sie es trotzdem.
In dem Satz "The Prime Minister may notify, under Article 50(2) of the Treaty on European Union, the United Kingdom’s intention to withdraw from the EU" lese ich das nicht.

Art. 50 selber und das Handeln der britischen Regierung regelt ja nur das Außenverhältnis zur EU. Im Innenverhältnis wäre weiterhin eine Art "Rückwärtsratifizierung" durch das Parlament nötig. Genauer: Die Parlamente, denn das Regionalparlament Schottlands müßte dem "Great repeal bill" ebenfalls zustimmen. Andernfalls hätte man im UK das Problem, daß man zwar aus der EU ausgetreten ist, wegen der inländisch weiterhin geltenden Gesetze aber trotzdem noch 100% EU-Recht anwenden muß. Außer der Verhandlung mit den EU-Gremien (zumindest dem Europäischen Rat, voraussichtlich auch dem EP) hat May also auch noch so ein Gesetzespaket im Inland zu bewältigen. Grundsätzlich ist ein großes Gesetzespaket ja schwieriger zu verabschieden als viele kleine Gesetze.

Zitat von Llarian im Beitrag #65
Es gibt durchaus Länder, die ein Interesse daran haben, dass GB die Union verlässt.
Welche denn? Und warum? War nicht Argumentation der Brexiteers, daß man über die EU netto soviel an andere Länder zahle? Wie kann jemand am Abschied vom Dukatenesel ein Interesse haben?

(Übrigens ist GB nur England, Walses und Schottland. UK ist GB+Nordirland. )

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

17.03.2017 21:22
#69 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #68
Zitat von Llarian im Beitrag #65
Es gibt durchaus Länder, die ein Interesse daran haben, dass GB die Union verlässt.
Welche denn? Und warum? War nicht Argumentation der Brexiteers, daß man über die EU netto soviel an andere Länder zahle? Wie kann jemand am Abschied vom Dukatenesel ein Interesse haben?

Könnte mir vorstellen, dass die Franzosen (und ggf. andere Südeuropäer) hinsichtlich der Transferunion nun noch leichter einen (oder gar mehrere) Gänge hochschalten können.

Versailles 2.0 sozusagen.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

17.03.2017 21:31
#70 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #69
Zitat von Emulgator im Beitrag #68
Zitat von Llarian im Beitrag #65
Es gibt durchaus Länder, die ein Interesse daran haben, dass GB die Union verlässt.
Welche denn? Und warum? War nicht Argumentation der Brexiteers, daß man über die EU netto soviel an andere Länder zahle? Wie kann jemand am Abschied vom Dukatenesel ein Interesse haben?

Könnte mir vorstellen, dass die Franzosen (und ggf. andere Südeuropäer) hinsichtlich der Transferunion nun noch leichter einen (oder gar mehrere) Gänge hochschalten können.

Versailles 2.0 sozusagen.


Sinn ist da sehr klar: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/br...d-14926168.html

Gruß, Martin

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

18.03.2017 16:28
#71 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #51
Das war ein Seitenhieb auf ihre Mitstreiter, die die Richtigkeit einer alten Aussage belegen wollten, die sich aber nun schwer mit der ihren beisst.

Widersprüche in den Aussagen eines Diskutanten aufzuspüren, ist manchmal, aber nicht immer ein plausibles Argument; schließlich lernen wir alle dazu. Aber Widersprüche zwischen den Aussagen verschiedener Diskutanten beweisen (auch wenn Sie für sich diese in Schubladen "Gegner" und "Mitstreiter" einteilen) nichts anderes als daß wir hier als unabhängige Individuen unsere Meinung und nach Möglichkeit auch Kenntnisse einbringen.

Zur Sache selbst: die Regierung hat zwar mal mündlich zugesichert, daß das Parlament das Verhandlungsergebnis abnicken oder ablehnen dürfe (dabei aber diese künftige Abstimmung als "not meaningful" abgetan), sich aber geweigert, diesem Versprechen im Rahmen des Akts zur Ermächtigung zur Bescheidgabe nach Art. 50 (gegen den sie sich vorher mit Händen und Füßen gesträubt hat) Gesetzeskraft zu geben. Je nun. Bei der windelweichen Oppositionsarbeit, die Corbyn abliefert, ist es vermutlich ohnehin egal.
Zitat von Llarian im Beitrag #51

Zitat
Daß eine Mehrheit am 23. Juni 2016 für das gestimmt hat, was May jetzt so im Auge hat (und nicht für etwas anderes, was der jeweilige Wähler sich damals vorgestellt hat), ist nicht nur keine ausgemachte Sache, sondern geradezu unwahrscheinlich.

Es ist aber das, was da ist. Ein besseres Votum gibt es nicht. Jedes Votum hat Unschärfen, das liegt in der Natur der Sache. Was aber nix daran ändert, dass es die beste Evidenz für das ist, was das Volk will.

Zitat
An der Bedeutung, die dem Referendum zuzumessen ist, ist im Laufe der letzten Monate in einem ziemlich grotesken Maß gedreht worden.


Zum Beispiel?



Wie schon erwähnt, wurde im Vorfeld des Referendums der Antrag auf ein Quorum mit der Begründung abgelehnt, daß es sich um ein "advisory referendum" ohne bindende Kraft handle.
Ferner hat die Leave-Kampagne vorher immer das in Aussicht gestellt, was heute unter dem Titel "soft Brexit" vom Tisch ist, z.B. in puncto Wirtschaftsgemeinschaft/Zollunion:

Zitat
O-Ton Daniel Hannan : "Absolutely nobody is talking about threatening our place in the Single Market"
O-Ton Owen Patterson : "… because only a madman would actually leave the Market"
O-Ton Luke Johnson : "We have a great independent future just as countries like Norway and Switzerland enjoy"
O-Ton Nigel Farage : "We'll find ourselves part of the EEA, and with a free trade deal"


(s. hier). Es wurde eine Zukunft suggeriert, in der das Vereinigte Königreich praktisch alle Vorteile der EU-Mitgliedschaft behielte, ohne die Komponenten der Mitgliedschaft, die ihm weniger zusagen. Für die Bürger, so der Unterton, würde sich so gut wie nichts ändern, nur müßten sie keine EU-Beiträge mehr zahlen. Toll.

Das hat sicherlich Stimmen gebracht, war aber natürlich das Blaue vom Himmel. Der Brexit-Minister David Davis konnte sich am 24. 1. 2017 den wahren logischen Konsequenzen nicht mehr verschließen, versprach aber immer noch ein Lösung, die die Vorteile der Mitgliedschaft ohne Nachteile bringen sollte:

Zitat von Hansard
I am afraid that it is very difficult to see how we can leave the European Union and still stay inside the single market, with all the commitments that go with that. What we have come up with—I hope to persuade her that this is a very worthwhile aim—is the idea of a comprehensive free trade agreement and a comprehensive customs agreement that will deliver the exact same benefits as we have, but also enable my right hon. Friend the Secretary of State for International Trade to go and form trade deals with the rest of the world, which is the real upside of leaving the European Union.


Die Erwartung ist hier schon deutlich heruntergeschraubt - EEA, EFTA, Single Market, Zollunion alles vom Tisch -, der sagenhafte Deal aber wenig konkret und plausibel. Na gut.

Inzwischen glaubt auch May offenbar nicht mehr so recht daran, denn kürzlich hat sich der Brexit-relevante Teil der Regierung öffentlich die Null-Lösung, d.h. Abbruch der Verhandlungen mit der EU und Neubeginn mit Antrag auf WTO-Mitgliedschaft, schöngeredet. Davon, wieviel besser alles nach dem Brexit sein würde, ist selbst von der Regierung nichts mehr zu hören, nur, daß er keine Katastrophe* sei. Bei der Anhörung des parlamentarischen Brexit-Ausschusses diese Woche hat David Davis (der auch sonst sehr den Eindruck erweckte, daß er nach 8 Monaten seine Hausaufgaben nicht gemacht hat) allerdings zugegeben oder behauptet, daß sein Ministerium keine tatsächliche quantitative Schätzung des wirtschaftlichen Effekts (Schadens, möchte ich sagen) dieser Null-Lösung erstellt habe.

Am bedenklichsten aber finde ich die Deutung, die May nun ganz offen dem Referendum gibt:

Zitat
O-Ton Theresa May : "The EU referendum result was an instruction to change the way our country works, and the people for whom it works, forever."


Das hätte vielleicht etwas deutlicher auf dem Stimmzettel stehen sollen.

Eine nüchterne Bestandsaufnahme der Verhandlungsposition durch Nick Clegg findet sich hier.

Zitat von Llarian im Beitrag #51
Und das verdient einen großen Respekt. Es ist nämlich der Unterschied zwischen Parlamentarieren, die sich als tatsächliche "Repräsentanten des Volkes" verstehen und solchen, die sich als Teil einer Aristokratie verstehen. Zu meinen, ein Parlamentarier solle nicht den Willen seiner Wähler erfüllen, sondern lieber das tun, was er (!) meint(!) das beste für das Volk ist, ist schlicht (geradezu wortwörtlich) die Idee einer Aristokratie. Das kann man durchaus gut finden. Aber dann sollte man nicht den Begriff Demokratie führen, denn das ist es gerade nicht.

Wie ich an anderer Stelle schon angedeutet habe, halte ich es für problematisch, sich bei der Definition von "Demokratie" allzusehr am Namen "Volksherrschaft" aufzuhängen, aber das ist eine philosophische Diskussion, bei der wir uns wahrscheinlich nie einigen werden.

Im konkreten Fall sehe ich das Problem darin, daß die Abwägung der (sehr wichtigen und folgenreichen) Entscheidung hier auf zwei Beinen stehen sollte, einerseits dem Votum der Volksabstimmung, andererseits dem Ermessen der Parlamentarier, die als Spezialisten etwas tieferen Einblick in die Problemlage gewinnen sollten als z.B. der politisch wenig interessierte LKW-Fahrer von nebenan. Aber gerade auf diese Kompetenz mußten wir hier verzichten, da Abgeordnete explizit geäußert haben, für etwas zu stimmen, das sie selbst für einen Fehler halten, nur weil die Volksabstimmung dafür votiert hatte. Das ist keine unabhängige Abschätzung des Problems mehr.

Da könnten wir morgen ein Referendum haben "Wollt ihr keine Steuern mehr zahlen und alle ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten?" - wenn 51% dafür sind, dann muß das in einer Demokratie nach Ihrer Definition durchgezogen werden, obwohl es offensichtlich nicht funktionieren kann.

*Neben den allfälligen ernsthaften wirtschaftlichen Problemen, die Nick Clegg für den Fall der Null-Lösung noch sehr ritterlich mit

Zitat von Nick Clegg
… or there is a disorderly exit with a reversion to WTO rules, implying tariff and non-tariff barriers on our exports to the EU, and serious economic disruption


umschreibt, ergeben sich konstitutionelle Probleme, die (schon jetzt mit nicht vernachlässigbarer Wahrscheinlichkeit) zu einem Zerfall des Vereinigten Königreichs führen können. Die Schotten sind gar nicht zufrieden damit, wie ihre mehrheitliche Pro-EU-Position bei May abblitzt. In Nordirland aber stellt sich die Frage der Grenze (von David Davis bei der Anhörung auch nonchalant heruntergespielt); die Teilung Irlands ist nur wegen der offenen Grenze aufrechtzuerhalten. Sollte zwischen Irland und UK eine EU-Außengrenze stehen, dann ist die Wiedervereinigung Irlands so gut wie die einzige plausible Lösung.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.03.2017 12:28
#72 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #71
Inzwischen glaubt auch May offenbar nicht mehr so recht daran, denn kürzlich hat sich der Brexit-relevante Teil der Regierung öffentlich die Null-Lösung, d.h. Abbruch der Verhandlungen mit der EU und Neubeginn mit Antrag auf WTO-Mitgliedschaft, schöngeredet. Davon, wieviel besser alles nach dem Brexit sein würde, ist selbst von der Regierung nichts mehr zu hören, nur, daß er keine Katastrophe* sei.

Und diese Null-Lösung scheint aus May-Sicht nötig zu sein, weil ja ansonsten noch die 60 Milliarden zu zahlen wären. Der größte Teil wäre zwar auf jeden Fall fällig, aber ohne Austrittsverhandlung könnte sich London vielleicht wenigstens um einen Teil davon herumdrücken.

Zitat
David Davis (der auch sonst sehr den Eindruck erweckte, daß er nach 8 Monaten seine Hausaufgaben nicht gemacht hat)


Was wohl kabinettstypisch ist.

Zitat
... ergeben sich konstitutionelle Probleme, die (schon jetzt mit nicht vernachlässigbarer Wahrscheinlichkeit) zu einem Zerfall des Vereinigten Königreichs führen können. Die Schotten sind gar nicht zufrieden damit, wie ihre mehrheitliche Pro-EU-Position bei May abblitzt. In Nordirland aber stellt sich die Frage der Grenze (von David Davis bei der Anhörung auch nonchalant heruntergespielt); die Teilung Irlands ist nur wegen der offenen Grenze aufrechtzuerhalten. Sollte zwischen Irland und UK eine EU-Außengrenze stehen, dann ist die Wiedervereinigung Irlands so gut wie die einzige plausible Lösung.


Das ist tatsächlich die viel wichtigere Front.
Wirtschaftliche Fragen sind letztlich "nur" eine Sache des Geldes. Wenn sich Deutschland eine Energiewende leisten kann, kann sich England auch einen Brexit leisten. Sind halt in beiden Fällen zweistellige Milliardenbeträge weg, aber es trifft keine wirklich Armen. Und vielleicht gibt es ja noch ein paar zusätzliche Handelschancen, von denen die Brexiteers träumen.

Aber der Zusammenhalt des UK ist inzwischen mehr als brüchig geworden. Nicht nur daß der Brexit an sich ein Riesenproblem für Schotten, Iren und Waliser ist - die völlig inkompetente Vorgehensweise von May und Kabinett hat dieses Problem noch potenziert.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.390

20.03.2017 15:09
#73 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #40
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #35
Nu geiht dat loss. Auf gutdeutsch: Equal goes it loose.

Höre ich da einen jubilanten Unterton heraus? "Heißa juchhei, gegen die EU bin ich auch dabei"?


In diesem Fall nicht. Nur eine gewise Genugtuung, daß etwas Angekündigtes auch einmal, ganz im Rechtsrahmen, im avisierten Zeitraum & unter Einbeziehung der weiteren Instanzen umgesetzt wird.

Zitat von SPON eben gerade
Großbritannien will nächsten Mittwoch Austrittsantrag stellen

Die britische Premierministerin Theresa May will am 29. März den Austritt des Landes aus der EU offiziell beantragen. Zwei Jahre später sollen die Briten dann formal austreten.



http://www.spiegel.de/politik/ausland/br...-a-1139576.html



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.03.2017 15:38
#74 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #73
... ganz im Rechtsrahmen ...

Wenn man die Rechte der anderen Teilstaaten des UK nicht zum Rechtsrahmen zählt ...

Zitat
... im avisierten Zeitraum ...


Das ist einfach, wenn man erst einmal über lange Zeit überhaupt keine Aussagen zum Zeitraum macht und das dann erst kurz vor Durchführung nachholt.

Umgekehrt wäre die Frage, wieso May überhaupt so lange gezögert hat. So ohne vorbereitende Klärungen einfach mal den Start der Austrittsverhandlungen zu erklären wäre problemlos schon letzten Sommer möglich gewesen.

Florian Offline



Beiträge: 3.170

20.03.2017 16:37
#75 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #72
Das ist tatsächlich die viel wichtigere Front.
Wirtschaftliche Fragen sind letztlich "nur" eine Sache des Geldes. Wenn sich Deutschland eine Energiewende leisten kann, kann sich England auch einen Brexit leisten. Sind halt in beiden Fällen zweistellige Milliardenbeträge weg, aber es trifft keine wirklich Armen. Und vielleicht gibt es ja noch ein paar zusätzliche Handelschancen, von denen die Brexiteers träumen.

Aber der Zusammenhalt des UK ist inzwischen mehr als brüchig geworden. Nicht nur daß der Brexit an sich ein Riesenproblem für Schotten, Iren und Waliser ist - die völlig inkompetente Vorgehensweise von May und Kabinett hat dieses Problem noch potenziert.



Was mich wirklich wundert:
Wie wenig die Engländer die Befindlichkeiten der Schotten und Nordiren zu kümmern scheint.

Man sollte meinen, ein Zerfall des Vereinigten Königreichs wäre für die Engländer ein absoluter Super-GAU. Und diese Gefahr würde in den inner-englischen Diskussionen viel Platz einnehmen.
Aber Pustekuchen: Wenn man die inner-englische Diskussion so verfolgt, scheint das kein besonders drängendes Problem zu sein.

Wirklich verwunderlich.
Entweder ist das einfach englische Arroganz gegenüber der Peripherie.
Oder aber, die Engländer definieren sich selbst doch so sehr als "Engländer" und nicht als "Bürger des Vereinigten Königreichs", dass ihnen Schottland und Norirland nicht als wichtiger Bestandteil der eigenen Nation erscheinen.


Übrigens nur eine Detail-Anmerkung:

Zitat
Nicht nur daß der Brexit an sich ein Riesenproblem für Schotten, Iren und Waliser ist - die völlig inkompetente Vorgehensweise von May und Kabinett hat dieses Problem noch potenziert.



Zumindest in Wales wird die Union mit England m.W. von niemandem ernsthaft in Frage gestellt.

Und was Norirland betrifft:
Da ist die Situation wohl in der Tat sehr verworren.

Ein interessantes Detail:
Die Republik Irland gesteht jedem Iren (also auch jedem Nordiren) ohne Komplikationen die Staatsbürgerschaft zu.
Im Falle des Brexit wird es für Nordiren sehr interessant werden, diese Karte zu spielen um auch weiterhin EU-Bürger zu sein.
Es könnte also ein Szenario entstehen, nach dem Norirland Teil des UK bleibt, zugleich aber eine Mehrheit der nordirischen Bevölkerung einen EU-Pass hat.
Den Grenzverkehr in Irland würde das natürlich erleichtern.

(Und im übrigen sollte man das Problem einer EU-Außengrenze quer durch die irische Insel nicht überbewerten.
Auch die deutsche Grenze zur Schweiz ist eine EU-Außengrenze. Der Grenzübertritt ist zwar minimal bürokratischer als der Grenzübertritt nach Österreich. Aber wenn die nordirisch-irische Grenze ähnlich administriert würde wie die deutsch-schweizer Grenze, dann könnte die irische Bevölkerung damit sicher leben).

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