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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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max Offline



Beiträge: 150

20.01.2017 23:27
#26 RE: Insel im Nebel Antworten

Welche Kosten sollten denn beim Freihandel (was ja etwas anderes als EU Binnenmarkt ist)sollen denn entstehen, für die GB aufkommen sollte? Wie Llarian schon gesagt hat, die Gegenleistung für Freihandel ist Freihandel.

Lieber Emulgator, es geht denjenigen, die sich jetzt über Trump aufregen, nicht um Freihandel, sondern darum, dass sie am kürzeren Ende der Schaukel sitzen. Macht solche Leute nicht unbedingt glaubwürdiger.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

23.01.2017 16:24
#27 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #24
Die EU kann die Amis nicht erpressen, wie sie das mit Norwegen oder der Schweiz tun kann.

Du hast völlig irrational negative Vorurteile über die EU.
Den Eurokraten kann man manches Kritische nachsagen, aber es sind keine fiesen Erpresser und ihr Ziel ist fairer Interessenausgleich. Wenn sie die Schweiz wirklich erpressen wollten, dann könnten sie das fast beliebig tun und die Konditionen wären um Größenordnungen schlechter als sie jetzt gelten.

Zitat
China normt noch einmal deutlich weniger. Und hat überhaupt keine Probleme mit dem europäischen Markt.


China hat eben (bisher) noch relativ schlichte Exporte. In der Regel werden Zulieferungen nach Bestellung und nach Vorgabe eines europäischen Kunden gebaut und im Container geliefert. Dazu braucht man wenig Marktintegration.

Wir brauchen aber gar nicht in die Details schauen (die wir im Zweifelsfall auch nicht wirklich gut beurteilen können). Der Knackpunkt ist: Einen EU-Handel wie China könnte GB jederzeit bekommen. Das könnte May zwischen Mittagessen und Tee ziemlich komplett verhandeln. Weil das eben nur die klassischen Handelsbeziehungen sind, wie sie viele Staaten mit der EU pflegen. Und das China-Modell würde auch den deutschen Autobauern völlig reichen, die verkaufen nach China mehr Autos als ins UK.

Die Notwendigkeit von Verhandlungen besteht letztlich nur, weil GB deutlich mehr braucht als nur die China-Lösung. China und Norwegen geben sozusagen die Extrempunkte für das mögliche Verhandlungsergebnis.
Ob May nun eher näher an Norwegen drankommen sollte oder möchte (wie mir das vorkommt) oder dichter an China rauskommt wird (wie Du das vermutest): Das ist eben noch völlig offen, und dazu hat die Rede auch keine Konkretisierung gebracht.

Dieser ganze Bereich ist also noch im Nebel (was ich NICHT kritisiere, weil sie da ja noch verhandeln will).
Und außerdem ist noch der Bereich im Nebel, bei dem sie zu kritisieren ist, weil es keine Fortschritte gibt: §50, Schottland, Irland).

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

23.01.2017 19:34
#28 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von max im Beitrag #26
Lieber Emulgator, es geht denjenigen, die sich jetzt über Trump aufregen, nicht um Freihandel, sondern darum, dass sie am kürzeren Ende der Schaukel sitzen. Macht solche Leute nicht unbedingt glaubwürdiger.
Ich verstehe Ihre Meinung. Eine Zeit dachte ich auch einmal, daß die Wahrheit einer Meinung von den politisch-ökonomischen Verhältnissen dessen abhängt, der ihr anhängt.
Damals fand ich auch die Programmatik eines neugewählten amerikanischen Präsidenten attraktiv, der so wie Trump den Menschen verspricht, für sie zu sorgen, kritisch gegen das "System" ("The system is rigged" -- Trump) und die "Eliten" ist und etwas gegen den Freihandel tut, der nur die Großkonzerne begünstigt, den einfachen Arbeitnehmern und Konsumenten aber Arbeitsplatz- und Gesundheitsgefährdung bringt. Auch hat er sehr entschieden seine Linie verfolgt, z.B. in prägnanten Formulierungen in seiner eigenen Fernsehsendung. So konnte man auch mal im Fernsehen verfolgen, wie er per Telefonanruf entschlossen die Streitkräfte gegen ausländische Gegner seines Landes (das kam für ihn an erster Stelle!) in Marsch gesetzt hat. Da wurde nicht lange gefackelt und gequatscht! Ein guter Partner von Putin war er auch und "Populist" wurde er von unserer Presse auch genannt. Und an eine Zeit in der Geschichte seines Landes, wo es mal groß und erfolgreich war, hat er auch rege rhetorisch angeknüpft.

Ich glaube daher, die Frage nach dem Freihandel bietet eine gute Vorschau, wie sich eine Präsidentschaft entwickelt. Ist der Präsident für wirtschaftliche Freiheit oder nicht? Man soll sich hierbei nicht täuschen, daß viele etablierte Unternehmer in Trumps Kabinett sitzen. Etablierte Unternehmer freuen sich über Marktzutrittsbarrieren. Aus diesem Grunde haben hierzulande ja schon einmal Unternehmer eine sozialistische Partei an die Macht gespendet.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

23.01.2017 22:29
#29 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #28
Aus diesem Grunde haben hierzulande ja schon einmal Unternehmer eine sozialistische Partei an die Macht gespendet.

Nichts für ungut, aber das ist ein linkes Propagandamärchen.

Llarian Offline



Beiträge: 7.107

24.01.2017 01:00
#30 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #27
Du hast völlig irrational negative Vorurteile über die EU.

Nee, ich hab die zu lange erlebt. Und ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie man mit Schweiz umgesprungen ist, als die ihr Referendum abgehalten haben. Das hat mir Fairniss nix zu tun. Und nur weil der Pate das Maschinengewehr nicht im Anschlag hat, heisst das nicht, dass die Bitte, die man nicht abschlagen kann, in irgendeiner Form fair ist. Der Pate empfindet sich nebenbei auch als fair.

Zitat
China hat eben (bisher) noch relativ schlichte Exporte. In der Regel werden Zulieferungen nach Bestellung und nach Vorgabe eines europäischen Kunden gebaut und im Container geliefert. Dazu braucht man wenig Marktintegration.


Das stimmt aber von A-Z nicht. Es gibt jede Menge chinesische Firmen, die inzwischen die europäischen Märkte fluten. In der Grundstoffindustrie geht das teilweise Richtung Marktvernichtung. Im elektronischen Bereich wird es mehr und mehr zunehmend. Oder möchtest Du Handys, Computer und Bildschirme als "schlicht" bezeichnen? Und jede einzelne Maschine, die von da kommt, muss selbstredend CE erfüllen, also alle europäischen Vorgaben. Trotzdem zahlen die da keinen Pfennig für. Warum sollten sie auch? Europa hat nicht die Macht den Chinesen dafür Geld abzunehmen.

Zitat
Und das China-Modell würde auch den deutschen Autobauern völlig reichen, die verkaufen nach China mehr Autos als ins UK.


Ersteres ist die interessante Frage, letzteres ist für die Fragestellung nicht von Relevanz. Entscheidend ist erst einmal, dass Deutschland jede Menge Autos nach England verkauft. Mit einem chinesischen Modell werden sich die Autos in England ordentlich verteuern, entsprechend wird der Absatz sinken. Und das ist dann ein entsprechender Nachteil. Die Schranken, die dadurch künstlich entstehen, kosten Geld. Und die deutsche Industrie am meisten.

Zitat
Die Notwendigkeit von Verhandlungen besteht letztlich nur, weil GB deutlich mehr braucht als nur die China-Lösung.


GB oder Deutschland. Das ist die Frage. Denn nicht nur GB profitiert von wenig Handelsschranken, Deutschland tut das auch. Das ist eben genau der Witz: Man kann sich auf den Standpunkt stellen: Freihandel gibt es nur mit mir, wenn Du alle möglichen Bedingungen erfüllst (wie beispielsweise Geld zahlen). Aber wenn es dann nicht zustande kommt, tut es mir auch weh.

Zitat
Und außerdem ist noch der Bereich im Nebel, bei dem sie zu kritisieren ist, weil es keine Fortschritte gibt: §50, Schottland, Irland).


Wir können uns auch 20 mal im Kreis drehen, aber den 50 jetzt anzukündigen wäre verhandlungstaktisch dumm. Was Schottland und Irland angeht, so sind zunächst mal Schottland und Irland am Zug. Gerade die Abstimmung in Schottland, die dann irgendwann wohl kommen wird, finde ich sehr spannend. Denn ob die Schotten, auch wenn sie mehrheitlich lieber in der EU sein würden, bewusst gegen England entscheiden, finde ich bei weitem nicht so sicher.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

24.01.2017 12:03
#31 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #29
Zitat von Emulgator im Beitrag #28
Aus diesem Grunde haben hierzulande ja schon einmal Unternehmer eine sozialistische Partei an die Macht gespendet.

Nichts für ungut, aber das ist ein linkes Propagandamärchen.
Was meinen Sie mit "links"?

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

25.01.2017 10:08
#32 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #30
Und ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie man mit Schweiz umgesprungen ist, als die ihr Referendum abgehalten haben.

Und wie ist man mit ihr umgesprungen?
Und damit meine ich nicht irgendwelche erbosten Politiker-Kommentare, sondern tatsächliche Maßnahmen.

Zitat
Das hat mir Fairniss nix zu tun.


Ich kenne zugegeben nur eine Handvoll Schweizer Geschäftsleute. Aber die haben das Modell EU-Schweiz explizit gelobt, weil es sehr vernünftig und ausgewogen wäre.

Zitat
Im elektronischen Bereich wird es mehr und mehr zunehmend.


Klar, deswegen habe ich "bisher noch" geschrieben.
Trotzdem bleibt die Kernfrage, der Du ausweichst: Wieso will GB nicht einfach den Status von China übernehmen? Ist das nicht klares Zeichen, daß es mit seiner Wirtschaftsstruktur deutlich mehr vom Binnenmarkt braucht?
Es sei daran erinnert, daß dieser Binnenmarkt mit seinen vier Freiheiten wesentlich von GB selber entworfen und durchgesetzt wurde - eben weil damit den britischen Interessen am besten gedient ist.

Zitat
GB oder Deutschland.


Die deutsche Wirtschaftsstruktur käme bestens mit einem China-Modell für GB zurecht. Siehe die deutschen Exporte nach China.

Zitat
... aber den 50 jetzt anzukündigen wäre verhandlungstaktisch dumm.


Inzwischen hat sie ihn ja angekündigt. Was eben nicht dumm, sondern absolut notwendig ist - ohne §50 gibt es überhaupt keine Verhandlungstaktik, weil es keine Verhandlungen gibt.

Zitat
Was Schottland und Irland angeht, so sind zunächst mal Schottland und Irland am Zug.


Schottland hat seine Vorstellungen formuliert, es fehlt die englische Antwort.
Irland ist nicht am Zug, weil die gültige Verträge mit dem UK haben und ganz schlicht auf Einhaltung bestehen. Wenn das mit irgendwelchen Brexit-Ideen kollidiert, ist das nicht Irlands Problem, sondern dann muß May entweder diese Ideen modifizieren oder den Iren eine Vertragsänderung vorschlagen.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.390

09.02.2017 00:58
#33 RE: Insel im Nebel Antworten



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Johanes Offline




Beiträge: 2.602

18.02.2017 14:30
#34 Bottom up oder top down? Antworten

R.A. schrieb am 20.01.2017 09:19:

Zitat
Sie will aber möglichst viel Marktzugang erhandeln.



Ich verstehe nicht ganz, wo das Problem liegt.
Die Briten wollen offenbar Freihandel, aber nicht die Vereinigten Staaten von Europa. Wenn man diesen Wunsch unterstellt, lassen sich die Handlungen relativ problemlos erklären.

R.A. schrieb am 20.01.2017 09:19:

Zitat
Selbstverständlich wird GB nach dem Brexit nicht mehr dem RU-Gerichtshof unterstehen. Hat auch niemand behauptet und verlangt.



RU-Gerichtshof?

Llarian schrieb am 20.01.2017 10:19:

Zitat
Das "schöne" für die Briten am §50 ist, dass sie das jederzeit tun können. Heute, morgen, in einem Jahr. Die Eurokraten mögen sehr unglücklich darüber sein, dass sie es nicht von sich aus machen können, aber genau diesen Teil der Verhandlung bestimmt einzig und alleine Großbritannien selbst. Sprich: Der Zeitplan, wann es opportun ist, zu gehen, ist einzig Sache der Briten. So ist nun einmal der Vertrag.



Ganz so einfach würde ich es mir nicht machen. Es existiert bereits ein Zeitplan und die Briten scheinen nichts dagegen zu haben. Demnach soll bis Oktober 2018 das Spiel zu ende sein.

Siehe: Brexit (13)

Ob man dieses ehrgeizige Ziel erreichen kann, das ist eine andere Frage.

R.A. schrieb am 20.01.2017 11:22:

Zitat
Außer ihnen hat doch niemand überhaupt ein Interesse, über Brexit zu verhandeln. Und ohne §50 wird es auch keine Verhandlungen geben, sondern weiterhin nur informeller Austausch von Stellungnahmen in den Medien.



Ich glaube nicht, dass wie Sie, werter Hr. R.A., sagen, der Austausch von Stellungnahmen hauptsächlich über die Medien läuft.
Ich vermute, im Hintergrund, über den regulären diplomatischen Corps, die offizielle Vertretung der Briten in Brüssel und am Rande von diversen Konferenzen, finden bereits Gespräche oder Sondierungen statt. Alles natürlich informal und semi-offiziell und davon dringt in der Regel nichts nach Außen.
Schließlich steht das Personal zum Verhandeln bereits fest (man hat damit von Seiten der EU ein deutliches Signal geschickt, wie ich finde) und beide Seiten wissen im Wesentlichen schon, worum es der anderen Seite geht.

Vielleicht ist es sogar so, dass beide Seiten bei Beginn der offiziellen Verhandlungen schon bescheid wissen, wie hoch der jeweils andere zu gehen bereit ist.

Wenn das so stimmt, dann findet die wirklich spannende Phase des Brexit jetzt statt, wenn die Brexit-Regierung ihr Parlament einschwören muss während die EU schon mal ihre Spezialisten in Stellung bringt.
... Das erklärt dann wahrscheinlich auch, wieso so viel von einem "harten Brexit" nach außen gekehrt wird. Je höher die Kosten und umso unumkehrbarer der Vorgang wird, umso schwerer ist der Brexit dem britischen Parlament zu verkaufen.

Es ist schon vorstellbar, dass der ein oder andere in Brüssel hofft, dass die Briten einfach noch mal abstimmen und diesmal diese "Fehlentscheidung" zurückgenommen wird. Vergleichbare Taktiken haben ja schon mal funktioniert, wenn auch mit massiven Schäden im Ansehen.

R.A. schrieb am 20.01.2017 11:22:

Zitat
Ganz im Gegenteil. Solange Brexit nicht stattfindet, weil die Briten sich nicht entschließen können, sind die Eurokraten völlig zufrieden. Die haben keinerlei Zeitdruck.



Die Leute, die den Brexit verhandeln und daraus politisches Kapital schlagen wollen, haben ihn vielleicht schon. Wenn die Briten am Ende doch in der EU bleiben oder eine "light Mitgliedschaft" bekommen sollte, dann wäre ihre Arbeit umsonst. Dann wäre auch der Traum von einem Mega-Staat "Vereinigte Staaten von Europa" tot.

Anscheinend will man einen "Austritts-Brexit" von europäischer Seite. Der Brexit soll demnach durch das Austrittsabkommen in Kraft treten, nicht einfach durch Zeitablauf nach dem Antrag.



R.A. schrieb am 20.01.2017 15:52:

Zitat
Die britischen Wähler haben sich von den Brexiteers nach Strich und Faden veralbern lassen und diverse geradezu blödsinnige Lügen geglaubt. Wie Wähler halt so sind.
Und wenn May nicht weiteres Veralbern vorhätte, dann hätte sie in einigen Punkten ja mal reinen Wein einschenken können.



An diesen Punkt sind wir schon bei diversen anderen Diskussionen hier im Forum gelandet. Es ist vielleicht der wesentliche Punkt.

Die brennende Streitfrage in Sachen EU ist eigentlich nicht mehr oder weniger EU oder Austreten oder bleiben, sie lautet: Bottom up oder top down?

Ist man auf der Seite des "bottom up"-Ansatzes, dann wirkt die EU, ähnlich wie viele andere Dinge, sehr kritisierenswert. Die EU entwickelt sich zu einem gewaltigen bürokratischen Apparat, der von den einzelnen Bürgern nicht mehr kontrolliert, oft nicht mal mehr bemerkt wird. Die meisten großen Medien und Parteien, aber auch andere Vertreter der "gesellschaftlichen Elite" wie Wirtschaftschefs, Intellektuelle und Kirchenobere unterstützen die EU mit allen möglichen Kampangien. Nur gehen diese ganzen Maßnahmen fast ausnahmslos nicht vom Volk aus.
Hier hat sich also, so will es scheinen, die Elite gegen das Volk verschworen.

Hängt man dagegen den "top down"-Ansatz an, dann findet man die EU eigentlich gut und ärgert sich eher über das dumpfe Volk. Das Volk durchblickt gar nicht die Komplexität des Ganzen und kann deshalb gar nicht mitreden.
Jemand hat hier im Zimmer mal geschrieben, manchmal sei weniger Demokratie eben besser.

Alle anderen Fragen wie ESM, TTIP oder sonstige Eingriffe in die Wirtschaft sind daneben eigentlich nur Details.

Mit herzlichen Grüßen,

Johanes.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.390

13.03.2017 23:48
#35 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Nu geiht dat loss. Auf gutdeutsch: Equal goes it loose.

Zitat von SPON, 13.03.2017
Beide Kammern des britischen Parlaments haben das Brexit-Gesetz verabschiedet. Nun kann Premierministerin Theresa May in Brüssel den EU-Austritt des Landes beantragen.



http://www.spiegel.de/politik/ausland/gr...-a-1138607.html



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

Llarian Offline



Beiträge: 7.107

14.03.2017 08:10
#36 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #35
Nu geiht dat loss. Auf gutdeutsch: Equal goes it loose.

Das kann gar nicht sein. Mir wurde mehrfach, auch in unserem Forum, versichert, dass es nicht dazu kommen würde und das britische Parlament dem niemals zustimmen würde. Das können nur Fake-News sein.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.390

14.03.2017 10:19
#37 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #36
Das kann gar nicht sein. Mir wurde mehrfach, auch in unserem Forum, versichert, dass es nicht dazu kommen würde und das britische Parlament dem niemals zustimmen würde. Das können nur Fake-News sein.


Ferrari humanum est.* Hier war ja auch zu lesen, daß Trump keine Chance hätte, oder daß Frau Merkel/unsre Regierung politische oder juristische Konsequenzen für ihr Handeln zu gewähren hätte oder daß Seehofer (wer war das noch mal?) zu Potte kommen würde. (Die beiden letzten Blödsinne hab ich glaub' ich selbst verzapft.) Die Welt ist so voller FeixNews , daß man mit dem Sortieren nicht nachkommt.




* Fahrbericht des britischen Außenministers in spe als Autotester über einen Ferrari F430:

Zitat von Boris Johnson, GQ Magazine, 2007
“I seemed to be averaging a speed of X and then the M3 opened up before me, a long quiet Bonneville flat stretch, and I'm afraid it was as though the whole county of Hampshire was lying back and opening her well-bred legs to be ravished by the Italian stallion.”



https://books.google.de/books?id=b5tcj5Q...tallion&f=false

*blush* Keine Ahnung, warum mir jetzt Ein Fisch namens Wanda einfällt... Aber jetzt wissen wir wenigstens, was auf #nosexwerebritish "Mach mir den Hengst" heißt.




PS. Der Blizzard, der gestern unsre Air Force One in einem Novum in den 65 Jahren, die dieses Land jetzt wieder Außenpolitik betreibt, am Boden hielt, hat sich auch nicht blicken lassen. Der Wetterzustandsbericht meldet für Washington DC gerade: 0°C, leichter Schneeregen, Windgeschwindigkeit 21 km/h. Früher war Rosenmontag am Aschermittwoch vorbei.



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.03.2017 17:41
#38 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #36
Mir wurde mehrfach, auch in unserem Forum, versichert, dass es nicht dazu kommen würde und das britische Parlament dem niemals zustimmen würde.

Welche Beiträge sollen das gewesen sein?

Llarian Offline



Beiträge: 7.107

14.03.2017 21:32
#39 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #38
Zitat von Llarian im Beitrag #36
Mir wurde mehrfach, auch in unserem Forum, versichert, dass es nicht dazu kommen würde und das britische Parlament dem niemals zustimmen würde.

Welche Beiträge sollen das gewesen sein?


Beispielsweise (und nur als Beispiel) dieser hier: Brexit (2)

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

15.03.2017 10:21
#40 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #35
Nu geiht dat loss. Auf gutdeutsch: Equal goes it loose.

Höre ich da einen jubilanten Unterton heraus? "Heißa juchhei, gegen die EU bin ich auch dabei"?

Die Einwohner des noch Vereinigten Königreichs haben keinen Grund zur Freude. Theresa May ist eine umgepolte Angela Merkel: zu wahnwitzigen Entscheidungen getrieben durch das dumpfe Gefühl, irgendwie das Richtige zu machen, weil es "Volkes Wille" ist, obwohl sie selbst eigentlich gar keine Meinung dazu hat und im Grunde von Moment zu Moment den Weg des geringsten Widerstandes geht; umringt von einer Truppe von Knallchargen (Johnson, Davis, Fox), die in ihrer früheren politischen Karriere allenfalls negativ aufgefallen sind und, inzwischen gute 8 Monate in ihrer neuen Rolle, immer noch nichts aufzuweisen haben als ein paar kesse Sprüche; regiert sie ohne nennenswerte Opposition im Parlament, weil Jeremy Corbyn auch eine Knalltüte ist, heute nicht weiß, was er gestern gesagt hat, und das Wohl des Landes weit hinter seine kommunistischen Revolutionsphantasien stellt.
An natürlichen Voraussetzungen bringt sie den Charme einer Vogelscheuche und das diplomatische Geschick eines Dampfhammers mit.
Ihrem Volk hat sie nichts Konkreteres zu sagen als "wir schaffen das".

Es ist klar, daß ihr Posten an der einen Aufgabe "Brexit" hängt, deshalb ordnet sie sämtliche anderen Erwägungen, beispielsweise das über Jahrzehnte mühselig erreichte und selbst im ungestörten Zustand fragile Gleichgewicht in Nordirland, völlig diesem einen Punkt unter. Die politische Union des Vereinigten Königreichs, seine ungeschriebene Verfassung, die wirtschaftlichen Lebensnotwendigkeiten, der soziale Frieden, all das geht wie ebensoviele Sandsäcke Ballast munter über Bord, um den schwächlichen Ballon "Brexit" in der Luft zu halten. Inzwischen hat sich die Truppe sogar schon die Minimallösung, die Britannien in puncto internationale Verträge etwa in die Lage Nordkoreas versetzen wird, schöngeredet, weil sie selber einsehen, daß sie zu etwas besserem nicht fähig sind.

Und diesem Himmelfahrtskommando hat das Unterhaus nun einen Blankoscheck ausgestellt, "do what you will". Selbst auf das vom Oberhaus dringend und wohlbegründet vorgeschlagene Recht auf eine parlamentarische Prüfung des Verhandlungsergebnisses (vor dem Hintergrund, daß May auch einen Abbruch der Verhandlungen für eine akzeptable, sogar gute Lösung hält) hat das Unterhaus großzügig verzichtet. Das Verfassungsprinzip, daß das Handeln der Exekutive der parlamentarischen Prüfung zu unterliegen hat, ist damit ebenso effektiv ausgehebelt wie in Merkels riesengroßer Koalition.

Keine Sternstunde der Demokratie also, und kein Erfolg fürs Vereinigte Königreich.

Kallias Offline




Beiträge: 2.309

15.03.2017 11:21
#41 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #40
Keine Sternstunde der Demokratie also, und kein Erfolg fürs Vereinigte Königreich.
Ob der Brexit den Briten nützt oder schadet, hängt nach wie vor am Schicksal der EU. Falls diese in den nächsten Jahren auseinanderfällt, dann hätte GB einen gewissen Vorsprung in der kommenden EU-losen Welt. Hält sich die EU aber, steht GB nicht gut da.

Zur Zeit läuft es richtig schlecht, und dabei ist der Beitrag von der anderen Seite des Kanals nicht zu übersehen. Der "weiche", verhältnismäßig glimpfliche Brexit ist ja auch an der Weigerung der EU gescheitert, die Briten sich "die Rosinen herauspicken" zu lassen.

Eigenartigerweise ist die Rosinenpickerei unter der Bezeichnung "Europa mit mehreren Geschwindigkeiten" inzwischen halboffizielles Programm in der EU geworden. Gerade umgekehrt wäre es nämlich richtig: jene europäischen Länder, die nicht in der EU sind oder nicht mehr Mitglied sein wollen, sollten sich die Teilnahme an den EU-Arbeitsbereichen frei heraussuchen können. Wenn es nicht die vier Freiheiten des Binnenmarktes sein sollen, sondern nur drei oder zwei, dann ist das immer noch besser als nichts. Das Ziel der EU ist es bekanntlich, die Einheit des Kontinents zu fördern und damit verträgt sich die spalterische Logik des "ganz drinnen oder ganz draußen" überhaupt nicht.

Auf der anderen Seite sollte man innerhalb der EU das Rosinenpicken, pardon, die Zahl der verschiedenen Geschwindigkeiten, wieder reduzieren und sich stärker auf das konzentrieren, was von allen oder den meisten Mitgliedsländern gemeinsam gewünscht wird, damit die in den letzten Jahren aufgerissenen Wunden wieder etwas verheilen können.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.03.2017 12:15
#42 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #39
Beispielsweise (und nur als Beispiel) dieser hier: Brexit (2)

Da geht es aber um die letztendliche Abstimmung über den Austritt - nicht wie jetzt über die reine Antragstellung.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

15.03.2017 12:35
#43 RE: Insel im Nebel Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #42
Da geht es aber um die letztendliche Abstimmung über den Austritt - nicht wie jetzt über die reine Antragstellung.
Ganz richtig. Da in der Volksbefragung ja keine Details und Verhandlungsziele vorkamen, muß eine informierte Entscheidung darüber eben später erfolgen. Und da können sich von "leave"-Befürworter nicht mehr ihre verschiedenen Träume von versprechen, sondern nur noch das, was im vorbereiteten Austrittsabkommen steht. Deswegen ist es aussichtslos zu meinen, die 52% von der Volksbefragung ließen sich in einer echten Volksabstimmung (die das Unterhaus ja vorlegen könnte, wenn ihm der Mut zur Ablehnung fehlt) reproduzieren.

Llarian Offline



Beiträge: 7.107

15.03.2017 22:44
#44 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #42
Zitat von Llarian im Beitrag #39
Beispielsweise (und nur als Beispiel) dieser hier: Brexit (2)

Da geht es aber um die letztendliche Abstimmung über den Austritt - nicht wie jetzt über die reine Antragstellung.

Es ist schon eindeutig was da steht (auch wenns jetzt weh tun mag): "Das Unterhaus wird nicht zustimmen oder es wird eine neue, konkretere Volksbefragung geben,"
Beides ist nicht passiert. Und das Unterhaus hat Frau May ermächtigt den Austritt einzuleiten. Das Unterhaus hat weder einen Vorbehalt weiterer Zustimmung noch eine weitere Volksbefragung angezettelt. Es würde auch keinen Sinn machen, denn Artikel 50 sieht einen Rücktritt vom Rücktritt nicht vor sondern eine reine Frist, die in gegenseitigem Einvernehmen verlängert werden kann. Und falls das jetzt auch noch angezweifelt wird, hier ist der Text: https://dejure.org/gesetze/EU/50.html

Llarian Offline



Beiträge: 7.107

15.03.2017 23:03
#45 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #40
Die Einwohner des noch Vereinigten Königreichs haben keinen Grund zur Freude. Theresa May ist eine umgepolte Angela Merkel: zu wahnwitzigen Entscheidungen getrieben durch das dumpfe Gefühl, irgendwie das Richtige zu machen, weil es "Volkes Wille" ist, obwohl sie selbst eigentlich gar keine Meinung dazu hat und im Grunde von Moment zu Moment den Weg des geringsten Widerstandes geht; umringt von einer Truppe von Knallchargen (Johnson, Davis, Fox), die in ihrer früheren politischen Karriere allenfalls negativ aufgefallen sind und, inzwischen gute 8 Monate in ihrer neuen Rolle, immer noch nichts aufzuweisen haben als ein paar kesse Sprüche; regiert sie ohne nennenswerte Opposition im Parlament, weil Jeremy Corbyn auch eine Knalltüte ist, heute nicht weiß, was er gestern gesagt hat, und das Wohl des Landes weit hinter seine kommunistischen Revolutionsphantasien stellt. An natürlichen Voraussetzungen bringt sie den Charme einer Vogelscheuche und das diplomatische Geschick eines Dampfhammers mit. Ihrem Volk hat sie nichts Konkreteres zu sagen als "wir schaffen das".

Die einzige Aussage, die man dieser Phillipika entnehmen möchte, ist: Die Briten sind alle doof. Vor allem ihre Politiker. Nun, angesichts dessen, was sich derzeit in Deutschland so tut, wäre ich mir da nicht so sicher. Und wenn man Begriffe wie Knalltüte und Knallcharge schon für Johnson und Co. verbrauchen möchte, wird es schwer den deutschen Betrieb überhaupt noch adäquat bezeichnen zu können. Knalltüten oder nicht, ich stelle erst einmal fest, dass die ganze Götterdämmerung, die bisher für die Briten angekündigt wurde, bisher nicht eingetroffen ist.

Zitat
Es ist klar, daß ihr Posten an der einen Aufgabe "Brexit" hängt, deshalb ordnet sie sämtliche anderen Erwägungen, beispielsweise das über Jahrzehnte mühselig erreichte und selbst im ungestörten Zustand fragile Gleichgewicht in Nordirland, völlig diesem einen Punkt unter. Die politische Union des Vereinigten Königreichs, seine ungeschriebene Verfassung, die wirtschaftlichen Lebensnotwendigkeiten, der soziale Frieden, all das geht wie ebensoviele Sandsäcke Ballast munter über Bord, um den schwächlichen Ballon "Brexit" in der Luft zu halten. Inzwischen hat sich die Truppe sogar schon die Minimallösung, die Britannien in puncto internationale Verträge etwa in die Lage Nordkoreas versetzen wird, schöngeredet, weil sie selber einsehen, daß sie zu etwas besserem nicht fähig sind.


Und die Briten sind doof und noch viel doofer.....

Zitat
Und diesem Himmelfahrtskommando hat das Unterhaus nun einen Blankoscheck ausgestellt, "do what you will". Selbst auf das vom Oberhaus dringend und wohlbegründet vorgeschlagene Recht auf eine parlamentarische Prüfung des Verhandlungsergebnisses (vor dem Hintergrund, daß May auch einen Abbruch der Verhandlungen für eine akzeptable, sogar gute Lösung hält) hat das Unterhaus großzügig verzichtet.


Erstaunlich. Gerade wurde hier (zumindest implizit) verkündet, dass das noch kommen wird und man gemeint hat, dass dann(!) das Unterhaus niemals zustimmen wird. Was denn nun?

Zitat
Das Verfassungsprinzip, daß das Handeln der Exekutive der parlamentarischen Prüfung zu unterliegen hat, ist damit ebenso effektiv ausgehebelt wie in Merkels riesengroßer Koalition.


Würde man dieses Prinzip derart radikal auslegen, dürfte es gar keinen Handlungsspielraum der Exekutive mehr geben.

Zitat
Keine Sternstunde der Demokratie also, und kein Erfolg fürs Vereinigte Königreich.


Also halten wir fest: Das demokratisch gewählte Parlament beschliesst etwas, was die ebenso demokratisch gewählte Regierung eingebracht hat, und was auf eine demokratische Abstimmung des Volkes zurück geht, aber es hat mit Demokratie nix zu tun. Während widerum ein Ignorieren des Volksvotums und Überstimmen durch das Parlament, wie ja hier auch des öfteren angedacht (und herbeigewünscht) dann eher die Sternstunde der Demokratie gewesen wäre? Man kann das Verhalten der Briten dämlich finden (ich kann das nicht beurteilen, viele andere können scheinbar), aber was es ganz sicher nicht ist, ist undemokratisch. Im Unterschied zu etlichen europäischen Ländern, wo man Angst vor Plebisziten hat, waren die britischen Parlamentarier Demokraten genug ihre eigene Meinung hinter der des Volkes anzustellen. Das ist etwas, was die Insel beispielsweise der BRD weit vorraus hat.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

16.03.2017 09:30
#46 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #44
Es ist schon eindeutig was da steht ...

Richtig. Man muß nämlich den Kontext betrachten.
Michel schreibt vom Austrittsvertrag und von dessen harten Bedingungen. Und darauf erwidert Emulgator, daß eben diese Nachteile dazu führen werden, daß das Unterhaus nicht zustimmt.
Es geht also eindeutig um die Diskussion in zwei Jahren, wenn der ausgehandelte Austritt zur Entscheidung ansteht. Auch wenn das Unterhaus derzeit keinen Vorbehalt eingebaut hat (weil das peinlich für May gewesen wäre) - der eigentliche Knackpunkt kommt erst, wenn die Ergebnisse da sind und die britische (oder nur noch englische) Regierung damit umgehen muß.

Zitat
Artikel 50 sieht einen Rücktritt vom Rücktritt nicht vor


Das bedeutet nur, daß GB nicht mehr gegen den Willen der EU-Partner drinbleiben darf. Aber es ist natürlich alles möglich, wenn man sich einig ist. Und eine Einigung auf den status quo ante wird die EU nie verweigern.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

16.03.2017 09:38
#47 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #45
Die einzige Aussage, die man dieser Phillipika entnehmen möchte, ist: Die Briten sind alle doof.

Da ziehst Du eine merkwürdige Schlußfolgerung. Fluminist hat ausführlich erklärt, warum er Theresa May für doof hält. Und da stimme ich ihm auch zu.
Da steht nicht, daß die Briten doof wären (und schon gar nicht alle).
Maximal kann man ableiten, daß die Wähler der Konservativen eine doofe Entscheidung getroffen haben.

Zitat
Nun, angesichts dessen, was sich derzeit in Deutschland so tut, wäre ich mir da nicht so sicher.


Du meinst, wir hätten ein Privileg als einziges Nation eine unfähige Regierung haben zu dürfen?

Zitat
ich stelle erst einmal fest, dass die ganze Götterdämmerung, die bisher für die Briten angekündigt wurde, bisher nicht eingetroffen ist.


Und ich stelle (wieder einmal) fest, daß das alles bisher ja nur Vorspielphase ist - es ist noch keine einzige Maßnahme beschlossen worden, die wirklich Auswirkungen hat.

Zitat
Und die Briten sind doof und noch viel doofer.....


Die britische Regierung auf jeden Fall. Man kann ja gerne die erhofften Vorteil des Brexits höher werten als die Risiken. Aber daß May den Prozeß bisher ziemlich murksig gehandhabt hat ist kaum zu übersehen.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

17.03.2017 00:20
#48 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #45
Zitat von Fluminist im Beitrag #40
Die Einwohner des noch Vereinigten Königreichs haben keinen Grund zur Freude. Theresa May ist eine umgepolte Angela Merkel: zu wahnwitzigen Entscheidungen getrieben durch das dumpfe Gefühl, irgendwie das Richtige zu machen, weil es "Volkes Wille" ist, obwohl sie selbst eigentlich gar keine Meinung dazu hat und im Grunde von Moment zu Moment den Weg des geringsten Widerstandes geht; umringt von einer Truppe von Knallchargen (Johnson, Davis, Fox), die in ihrer früheren politischen Karriere allenfalls negativ aufgefallen sind und, inzwischen gute 8 Monate in ihrer neuen Rolle, immer noch nichts aufzuweisen haben als ein paar kesse Sprüche; regiert sie ohne nennenswerte Opposition im Parlament, weil Jeremy Corbyn auch eine Knalltüte ist, heute nicht weiß, was er gestern gesagt hat, und das Wohl des Landes weit hinter seine kommunistischen Revolutionsphantasien stellt. An natürlichen Voraussetzungen bringt sie den Charme einer Vogelscheuche und das diplomatische Geschick eines Dampfhammers mit. Ihrem Volk hat sie nichts Konkreteres zu sagen als "wir schaffen das".

Die einzige Aussage, die man dieser Phillipika entnehmen möchte, ist: Die Briten sind alle doof. Vor allem ihre Politiker. Nun, angesichts dessen, was sich derzeit in Deutschland so tut, wäre ich mir da nicht so sicher. Und wenn man Begriffe wie Knalltüte und Knallcharge schon für Johnson und Co. verbrauchen möchte, wird es schwer den deutschen Betrieb überhaupt noch adäquat bezeichnen zu können. Knalltüten oder nicht, ich stelle erst einmal fest, dass die ganze Götterdämmerung, die bisher für die Briten angekündigt wurde, bisher nicht eingetroffen ist.

Mag ja sein, lieber Llarian, daß Sie das entnehmen möchten, aber dastehen tut es nicht. Ich habe weder von "den Briten" geschrieben, schon gar nicht von "allen", und auch nicht von "doof". Und inwiefern das, "was sich derzeit in Deutschland so tut", mit Verbohrtheit und Inkompetenz der britischen Regierung zu tun haben soll, das müßten Sie mir auch erst einmal erklären. Und schon klar, die "Götterdämmerung" hat (in Großbritannien wie auch in Deutschland) noch nicht stattgefunden, deshalb können wir hier nur ihre sich immer deutlicher abzeichnenden Umrisse diskutieren.

Daß Sie hier munter mit 65 Millionen Strohmännern um sich werfen, läßt allerdings darauf schließen, daß Sie die Parallele zwischen Merkel und May, der deutschen und der britischen Regierung, die beide ohne nennenswerte Opposition am Rande der Verfassungslegalität operieren, geflissentlich ignorieren.
Zitat von Llarian im Beitrag #45

Zitat
Es ist klar, daß ihr Posten an der einen Aufgabe "Brexit" hängt, deshalb ordnet sie sämtliche anderen Erwägungen, beispielsweise das über Jahrzehnte mühselig erreichte und selbst im ungestörten Zustand fragile Gleichgewicht in Nordirland, völlig diesem einen Punkt unter. Die politische Union des Vereinigten Königreichs, seine ungeschriebene Verfassung, die wirtschaftlichen Lebensnotwendigkeiten, der soziale Frieden, all das geht wie ebensoviele Sandsäcke Ballast munter über Bord, um den schwächlichen Ballon "Brexit" in der Luft zu halten. Inzwischen hat sich die Truppe sogar schon die Minimallösung, die Britannien in puncto internationale Verträge etwa in die Lage Nordkoreas versetzen wird, schöngeredet, weil sie selber einsehen, daß sie zu etwas besserem nicht fähig sind.

Und die Briten sind doof und noch viel doofer.....


Doof ist hier nur Ihr non sequitur.

Zitat von Llarian im Beitrag #45

Zitat
Und diesem Himmelfahrtskommando hat das Unterhaus nun einen Blankoscheck ausgestellt, "do what you will". Selbst auf das vom Oberhaus dringend und wohlbegründet vorgeschlagene Recht auf eine parlamentarische Prüfung des Verhandlungsergebnisses (vor dem Hintergrund, daß May auch einen Abbruch der Verhandlungen für eine akzeptable, sogar gute Lösung hält) hat das Unterhaus großzügig verzichtet.

Erstaunlich. Gerade wurde hier (zumindest implizit) verkündet, dass das noch kommen wird und man gemeint hat, dass dann(!) das Unterhaus niemals zustimmen wird. Was denn nun?


Ja was? Was wird wohl größeres Gewicht haben, der Beschluß des britischen Parlaments, May völlig freie Hand zu geben, oder eine vor Monaten in Zettels hehrem Kleinen Zimmer geäußerte Meinung?

Es ist aber in der Tat erstaunlich. Ich hätte auch eher auf den traditionellen britischen Pragmatismus und Geschäftssinn gesetzt; daß die Regierung ungehindert so weit gehen würde wie sie jetzt schon gegangen ist, nämlich auch den mit Sicherheit die wirtschaftliche Position des Landes auf Jahre hinaus schädigenden Totalausstieg billigend in kauf zu nehmen, ohne auch nur eine Kosten-/Nutzenabwägung durchgeführt oder sich einen Überblick über die erheblichen juristischen Komplikationen verschafft zu haben (wie das Armutszeugnis des Brexit-Ministers David Davis gestern vor der Parlamentskommission nach immerhin knapp 9 Monaten "Arbeit" nur zu deutlich gemacht hat), hätte ich im letzten Juni noch nicht für möglich gehalten.

Zitat von Llarian im Beitrag #45

Zitat
Das Verfassungsprinzip, daß das Handeln der Exekutive der parlamentarischen Prüfung zu unterliegen hat, ist damit ebenso effektiv ausgehebelt wie in Merkels riesengroßer Koalition.

Würde man dieses Prinzip derart radikal auslegen, dürfte es gar keinen Handlungsspielraum der Exekutive mehr geben.


Wieso denn das? Die Exekutive ist dem Parlament Rechenschaft schuldig, das ist spätestens seit dem Civil War das Grundprinzip der britischen Demokratie. Und eine Frage der hier vorliegenden Tragweite ist kein geeigneter Gegenstand für einen nonchalanten Verwaltungsakt.

Zitat von Llarian im Beitrag #45

Zitat
Keine Sternstunde der Demokratie also, und kein Erfolg fürs Vereinigte Königreich.

Also halten wir fest: Das demokratisch gewählte Parlament beschliesst etwas, was die ebenso demokratisch gewählte Regierung eingebracht hat, und was auf eine demokratische Abstimmung des Volkes zurück geht, aber es hat mit Demokratie nix zu tun.


Ja wenn Sie das so sehen, dann verstehe ich aber nicht, warum Sie nichts daran auszusetzen haben, wenn z.B. im Kleinen Zimmer an den Handlungen der Bundesregierung herumgekrittelt wird. Die Regierung Merkel ist demokratisch durch den demokratisch gewählten Bundestag eingesetzt worden, und alles läuft in vollkommen demokratischen Bahnen. Alles klar also? Was gibt's denn da zu kritisieren?

Zitat von Llarian im Beitrag #45
Während widerum ein Ignorieren des Volksvotums und Überstimmen durch das Parlament, wie ja hier auch des öfteren angedacht (und herbeigewünscht) dann eher die Sternstunde der Demokratie gewesen wäre? Man kann das Verhalten der Briten dämlich finden (ich kann das nicht beurteilen, viele andere können scheinbar), aber was es ganz sicher nicht ist, ist undemokratisch. Im Unterschied zu etlichen europäischen Ländern, wo man Angst vor Plebisziten hat, waren die britischen Parlamentarier Demokraten genug ihre eigene Meinung hinter der des Volkes anzustellen. Das ist etwas, was die Insel beispielsweise der BRD weit vorraus hat.

Und wieder: das "dämlich" ist von Ihnen, das müssen Sie selber verantworten.
Und das mit dem "Willen den Volkes" ist so eine Sache. Daß eine Mehrheit am 23. Juni 2016 für das gestimmt hat, was May jetzt so im Auge hat (und nicht für etwas anderes, was der jeweilige Wähler sich damals vorgestellt hat), ist nicht nur keine ausgemachte Sache, sondern geradezu unwahrscheinlich. An der Bedeutung, die dem Referendum zuzumessen ist, ist im Laufe der letzten Monate in einem ziemlich grotesken Maß gedreht worden. Und selbst wenn die 52% alle für den Abbruch aller Verträge und einen Neubeginn auf WTO-Niveau gewesen wären, dann stellt sich immer noch die Frage, ob eine so knappe Mehrheit der Minderheit ihren Willen aufzwingen darf. Zum Vergleich möchte ich anmerken, daß das Referendum nicht den nun in Großbritannien gültigen Regeln für eine bloße Streik-Urabstimmung genügt hätte. Seinerzeit, als das dem Referendum zugrundeliegende Gesetz gemacht wurde, wurde der Antrag, eine "doppelte Mehrheit" (unionsweit und in den devolvierten Ländern) einzubauen, mit der Begründung abgelehnt, daß es sich ja schließlich um kein bindendes Referendum, sondern eher um eine Volksbefragung handle. Jetzt aber wurde das Ergebnis zum "Willen des Volkes" (an sich schon eine totalitäre Begriffsbildung, die die abweichende Meinung aus dem "Volk" ausgrenzt) stilisiert und entgegen der britischen repräsentativen Demokratietradition zu einem Absolutum erhoben, dem gegenüber die Parlamentarier ihre eigentliche Pflicht, nach bestem Gewissen im Sinne des Wohlergehens des Landes zu handeln, hintangestellt haben.

Im Vereinigten Königreich passiert gerade genau das, was hier im Kleinen Zimmer oft an der deutschen Politik kritisiert wird: eine unkontrollierte Exekutive folgt zum längerfristigen Schaden des Landes ohne Rücksicht auf Verluste, ja sogar ohne jeden Versuch einer quantitativen Schadensabschätzung, einer fixen Idee.

Llarian Offline



Beiträge: 7.107

17.03.2017 00:25
#49 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #46
Richtig. Man muß nämlich den Kontext betrachten. Michel schreibt vom Austrittsvertrag und von dessen harten Bedingungen. Und darauf erwidert Emulgator, daß eben diese Nachteile dazu führen werden, daß das Unterhaus nicht zustimmt. Es geht also eindeutig um die Diskussion in zwei Jahren, wenn der ausgehandelte Austritt zur Entscheidung ansteht. Auch wenn das Unterhaus derzeit keinen Vorbehalt eingebaut hat (weil das peinlich für May gewesen wäre) - der eigentliche Knackpunkt kommt erst, wenn die Ergebnisse da sind und die britische (oder nur noch englische) Regierung damit umgehen muß.

Eben nicht. Es geht nicht um "die britische Regierung", es geht eindeutig (lies es nach!) um das Unterhaus. Das Unterhaus hat keinen Vorbehalt eingebaut, wird also nicht noch einmal gefragt. Es hat also seine Entscheidung vollkommen unabhängig von einem Verhandlungsergebnis getroffen. Entsprechend ist das, was der Emulgator schrieb, nicht eingetroffen und kann auch nicht mehr eintreffen (es sei denn Frau May legt selber noch einmal wert darauf), es ist also schlicht falsch. Auch im "Kontext".

Zitat
Das bedeutet nur, daß GB nicht mehr gegen den Willen der EU-Partner drinbleiben darf. Aber es ist natürlich alles möglich, wenn man sich einig ist. Und eine Einigung auf den status quo ante wird die EU nie verweigern.


Permanentes Ignorieren der eigenen Regeln ist tatsächlich seit Merkel Standard geworden. Ändert aber nichts daran, dass Artikel 50 das nicht vorsieht.

Llarian Offline



Beiträge: 7.107

17.03.2017 00:33
#50 RE: Bottom up oder top down? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #47
Du meinst, wir hätten ein Privileg als einziges Nation eine unfähige Regierung haben zu dürfen?

Ich sehe gewaltige(!) Unterschiede. Die Entscheidung der Briten ist eine, die sich auf ein Plebiszit bezieht und am Ende eine Menge Geld kosten wird (oder auch gar nicht so viel, das scheint derzeit gar nicht mehr so sicher zu sein). Und das ist es dann am Ende auch. Es leben weltweit 5 Milliarden Menschen nicht in der EU und vielen davon geht es durchaus sehr gut. Was die deutsche Regierung betreibt ist mit aller Sicherheit nicht mehrheitlich gewollt und zudem das langfristige Einleiten eines Bürgerkrieges, und ja, das meine ich genau so wie es da steht. Was Merkel die letzten zwei Jahre getrieben hat ist die langfristige Vernichtung unserer Gesellschaftsform. Da sehe ich gewaltige Unterschiede zwischen. Insofern ist es schwierig eine Regierung unfähig zu nennen, wenn man sie mit dem Kabinett Merkel vergleicht.

Zitat
Und ich stelle (wieder einmal) fest, daß das alles bisher ja nur Vorspielphase ist - es ist noch keine einzige Maßnahme beschlossen worden, die wirklich Auswirkungen hat.


Und der Himmel wird uns auf den Kopf fallen. Und wenn er es dann doch nicht tut, dann kommt das noch. Ganz sicher. Ich für meinen Teil weiss das nicht, ich stelle nur fest, dass trotz aller Unkenrufe das bisher nicht passiert ist. Und der Kapitalismus ist fies, der reagiert auf Unsicherheit auch dann, wenn noch nichts schriftliches existiert. Und genau das ist bisher ausgeblieben. Kann noch kommen, keine Frage. Kann aber auch schlicht nicht kommen.

Zitat
Aber daß May den Prozeß bisher ziemlich murksig gehandhabt hat ist kaum zu übersehen.


Zumindest für all die Leute, die schon am Abend der Brexit Abstimmung die Götterdämmerung prophezeit haben.

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