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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 107 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Llarian Offline



Beiträge: 7.109

27.01.2017 23:55
Ich bin nicht wie ihr Antworten

Ein kleiner Gedankensplitter zum Hausklonen.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.080

28.01.2017 00:12
#2 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Wir haben gerade ein Haus gesucht. Sie sprechen mir aus der Seele. Angesichts einiger der Neubaugebiete, die wir durchwandert haben, schüttelt es mich noch Wochen später.

Der Treiber ist, so scheint mir, dass ein Haus von der Stange eben noch immer 200.000 EUR günstiger ist als ein "individuelles" Haus. Es gibt offensichtlich genügend Menschen, die lieber ein "Klonhaus" für 500.000 EUR kaufen als eine Eigentumswohnung für 350.000 EUR oder ein "individuelles" Haus für 700.000 EUR.

Impliziert das die falsifizierbare Hypothese, dass "Klonhäuser" häufiger in baulich "heissen" Städten gebaut werden? Das Problem für eine wissenschaftliche Untersuchung ist natürlich, dass in den weniger "heissen" Gegenden deutlich weniger Häuser gebaut werden.

--
Non delectent verba nostra, sed prosint. - Seneca, Epistulae morales ad Lucilium, 75, 3

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

28.01.2017 00:40
#3 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Zitat
Ich bin nicht wie ihr


Hm, ich wohne in einem knapp 450 Jahre alten Kasten..ich hab den Verdacht, auf mich trifft das auch zu...

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.252

28.01.2017 09:10
#4 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

@Llarian:

Interessantes Thema, vielleicht kann ich da ein paar Fakten zur Aufklärung beitragen:
Mein Vater war Bauunternehmer und hat gut 20 Jahre lang hauptsächlich Doppelhäuser in kleinen Gemeinden geplant und gebaut, die man gut und gerne als Klonhäuser bezeichnen kann. Ich hatte ihn selbstverständlich auch einmal gefragt, warum alle Häuser gleich aussehen. Die triviale Antwort: Markt und Staat setzen der Kreativität sehr enge Grenzen.

Zunächst mal scheint es wohl so zu sein, dass die meisten Leute möglichst viel Wohnfläche pro gegebenem Grundstück haben wollen und dafür auch bereit sind, auf individuelle Wünsche zu verzichten. Was auch irgendwo nachvollziehbar ist, denn - Sie hatten es erwähnt - Bauen ist teuer. Und ca. 90% der Käufer waren junge Familien aus Großstädten, die sich nach dem 2. oder 3. Kind die Stadtwohnung nicht mehr leisten konnten. Also die typische Klientel, die sich hauptsächlich für viel Wohnfläche zu niedrigem Preis interessiert.

Die Gemeinde selbst erledigt dann den Rest: Angefangen damit, dass Parzellen für Neubauten alle die exakt gleiche Grundfläche haben. Das ist natürlich sehr bequem für die Gemeinde, die ja auch dafür verantwortlich ist die notwendige Infrastruktur in einem Neubauviertel zu stellen, ist aber Gift für die Kreativität. Denn wenn man dann die Wohnfläche maximieren will, ist der Grundriss des Hauses schon durch die Vorschriften zum Mindestabstand zum Nachbargrundstück determiniert. Zusätzlich gibt es natürlich weitere Vorschriften zur maximalen Etagenanzahl, Form, Neigung und Farbe des Daches, Lage der Garage usw. usf. Sonderlich viele Variationsmöglichkeiten gibt es dann schon nicht mehr.

Auch beim Innenausbau und der Lage der Räume kann man dann nicht mehr so viel machen, weil viele Räume eine bestimmte Ausrichtung haben müssen. Terasse nach Süden, an der Terasse hängt das Wohnzimmer, am Wohnzimmer die Küche. Das Treppenhaus benötigt kein Tageslicht und liegt deshalb in Doppelhäusern grundsätzlich zentral an der Wand zum Nachbarhaus, also in einem Bereich, der sonst nicht sinnvoll nutzbar ist. In Badezimmern hält man sich nicht lange auf, weshalb sie nicht viel Tageslicht benötigen und relativ klein geplant werden können. Deshalb werden sie nie in einer Ecke des Hauses platziert, wo man viel Tageslicht hat welches in Wohnräumen benötigt wird. So entwickelt sich dann die Anordnung der Räume alleine schon durch das Ausschlussprinzip.

Es gibt noch einige andere Dinge zu bedenken, die mir aber inzwischen entfallen sind. Jedenfalls hatte ich nach den Erklärungen meines Vaters den Eindruck gewonnen, dass sich ein Haus mit maximaler Wohnfläche letztendlich von selbst plant. Was übrigens auch der Hauptgrund dafür sein dürfte, dass diese "Klonhäuser" auch dann noch fast identisch aussehen, wenn sie von verschiedenen Architekten geplant werden.


Gruß,
Fonzo

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

28.01.2017 09:28
#5 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #1
Ein kleiner Gedankensplitter zum Hausklonen.


Als Städter habe ich mir neulich von Arbeitskollegen den Unterschied zwischen Siedlung und Dorf erklären lassen.

Der Unterschied war die soziale Heterogenität (und Gelassenheit) des Dorfes im Vergleich zur sozialen Homogenität (mit viel zwischenmenschlichem Drama) der Siedlung.

Klon-Siedlungs-Bewohner sind gewissermaßen doppelt bestraft.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

28.01.2017 09:41
#6 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Mir fällt gerade was ein: Es gibt im Bayerischen Fernsehen eine sehr interessante Reihe namens "Traumhäuser", wo ganz besonders individuelle und eben nicht "geklonte" Häuser von der Planung bis zum Bau begleitet werden und später in einer Folgesendung die Bewohner noch einmal besucht werden, wie es ihnen mit dem Haus geht.
http://www.br.de/mediathek/video/sendung...riesMoreCount=2

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Llarian Offline



Beiträge: 7.109

28.01.2017 10:55
#7 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Zitat von Gorgasal im Beitrag #2
Der Treiber ist, so scheint mir, dass ein Haus von der Stange eben noch immer 200.000 EUR günstiger ist als ein "individuelles" Haus. Es gibt offensichtlich genügend Menschen, die lieber ein "Klonhaus" für 500.000 EUR kaufen als eine Eigentumswohnung für 350.000 EUR oder ein "individuelles" Haus für 700.000 EUR.

Bei einem echten "Architektenhaus" würde ich Ihnen recht geben. Aber darum ging (und geht) es mir eigentlich gar nicht mal. Das Erker, andere Fenster, ein individuelles Dach oder auch ein bedachter Garagenanbau Geld kostet ist mir vollkommen klar. Aber nicht in der Größenordnung. Für mich ist entscheidend: Ich darf (!) es gar nicht bauen, auch wenn ich es will und bezahlen möchte. Ist halt nicht, weil: Ortsübliche Bebauung. Hausfarbe. Ziegelfarbe. Baufenster. Dachhöhe. Drempelhöhe. Etc. pp. Es ist alles haarklein vorgegeben. Es gibt zwar durchaus auch Gemeinden, die etwas großzügiger sind, aber das ist dann eher die Ausnahme als die Regel.
Natürlich ist der Kostendruck da (deswegen bauen ja heute auch so viele ohne Keller, um die 50.000 dafür dann irgendwie zu sparen), aber auch vor 50 Jahren haben die Leute keine Architekten für Wochen in Klausur geschickt. Und trotzdem hat man es geschafft individuell zu bauen.

Zitat
Impliziert das die falsifizierbare Hypothese, dass "Klonhäuser" häufiger in baulich "heissen" Städten gebaut werden? Das Problem für eine wissenschaftliche Untersuchung ist natürlich, dass in den weniger "heissen" Gegenden deutlich weniger Häuser gebaut werden.


Zumal in weniger "heissen" Gegenden auch wesentlich mehr selbst Hand angelegt wird und die Gemeinden in der Regel auch wesentlich entspannter sind. Nützt mir nur wenig, wenn ich in einer "heissen" Stadt lebe.

PS. Ich werde mit Sicherheit kein Klonhaus bauen, sondern muss eben lange nach einem Baugebiet suchen, dass mehr Individualität erlaubt
Aber auch dann habe ich nicht vor eine halbe Million für den Bau auszugeben. Man kann durchaus für 300.000-350.000 (ohne Grund) eine Menge Individualität realisieren. Man muss es aber auch dürfen.

Florian Offline



Beiträge: 3.171

28.01.2017 13:08
#8 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Eins vorweg:
ich teile Llarians Kritik an der aktuellen Lage.
Habe weiter unten nur eine kleine Gegenrede (*).

Und es wurde auch schon richtig analysiert:
der Druck kommt von zwei Seiten.
Einerseits gibt es den wirtschaftlichen Druck (dazu gleich mehr).

Und andererseits die baurechtlichen Beschränkungen.
Wobei letztere zum einen konkret Einfluss nehmen auf die Gebäude-Optik und -Funktuionalität. Oft in lächerlich kleinkarierter und dysfunktioaler Weise. (In meiner Gemeinde ist in Neubaugebieten zum Beispiel verboten, Dachgaubenfenster zu bauen. Die Fenster dürfen nur schräg entlang der Dachneigung gesetzt werden. Warum weiß kein Mensch. Ist hässlich und mindert die Nutzbarkeit von Dachräumen. Aber ist halt Vorschrift).
Und dann machen die Vorschriften das Bauen auch teuer. Siehe z.B. die neuen Energieeinspar-Vorschriften.
Der wirtschaftliche Druck wird dadurch noch mal erhöht.
Es gibt übrigens noch einen weiteren baurechtlichen Eingriff, der Einfluss auf die Hauspreise hat: nämlich die Ausweisung von Bauland (und die Begrenzung von Hochhäusern, so dass für Wohnungen auch nicht in die Höhe ausgewichen werden darf). Wird in Boomregionen zu wenig Bauland ausgewiesen, steigen dort die Hauspreise. Ganz einfach.
Das ist übrigens nicht mal in erster Linie ein deutsches Problem. Viel dramatischer ist die Situation in Großbritannien. Dort wurden in den 1950ern mal riesige "Green Belts" um die großen Städte definiert, in die nicht mehr hineingebaut werden darf - und die bis heute nicht mehr verändert wurden. Siehe hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Green_belt_(United_Kingdom) . Klingt ja ganz nett, hat aber zur Folge, dass in London die Immobilienpreise auf ein Maß explodieren, wie man sich das in Deutschland kaum vorstellen kann. Da werden mittlerweile dunkle Kellerlöcher und Gartenschuppen zu irren Preisen als Wohnungen vermietet.
Und dass die Pendler jeden Tag zwei mal die (recht breiten) Green Belts als zusätzliche Fahrtstrecke überwinden müssen ist auch ökologisch fragwürdig.


Nun zum wirtschaftlichen Druck:
der ist tatsächlich gewaltig. In teuren Städten wie München ist ein Hauskauf mittlerweile auch für Gutverdiener kaum noch zu stemmen. Eine Verwandte hat kürzlich ein "Retortenhaus" in München gekauft. Und zwar eine Doppelhaushälfte der wirklich kleinen Variante mit wenig Garten. Für knapp 900 Tsd. Euro.
Es ist klar, dass da dann wenig Luft bleibt für individuellen Schnickschnack. (Oder auch nur für individuelle Möblierung. Die Bekannte hätte einen sehr schönen Schrank als Familienerbstück gehabt. Der aber im kleinen Wohnzimmer schlicht keinen Platz gehabt hätte.

(*) Allerdings hier doch ein Hinweis:
dass früher alles besser war, stimmt natürlich auch nicht.
Die alten individuellen netten Häuser, die Llarian so gefallen waren erstens nicht sehr komfortabel (in den 50er Jahren war es noch recht verbreitet, dass ein Haus kein Bad hatte. Gebadet wurde einmal alle zwei der Wochen in einem großen Bottich in der Küche.)
Und zweitens wohnten dort typischerweise sehr viele Menschen auf kleinem Raum.
Wäre der heutige deutsche Häuslebauer zu ähnlichen Beschränkungen bereit, dann könnte er sich natürlich auch heute noch individuelles Bauen finanziell leisten. Nur würde das halt z.B. bedeuten, dass man in sein Haus mit 120m² Wohnfläche noch eine zweite Familie zur Untermiete nimmt. (Oder zumindest mal die Großeltern).

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.252

28.01.2017 14:33
#9 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #8
In meiner Gemeinde ist in Neubaugebieten zum Beispiel verboten, Dachgaubenfenster zu bauen. Die Fenster dürfen nur schräg entlang der Dachneigung gesetzt werden. Warum weiß kein Mensch. Ist hässlich und mindert die Nutzbarkeit von Dachräumen. Aber ist halt Vorschrift


Bei den Dächern sind die meisten Gemeinden sehr penibel. Was irgendwo schon verständlich ist, weil die Dächer einen großen Teil der Gebäudeoptik ausmachen.

Was ich dabei nur seltsam finde ist die Tatsache, dass die Vorschriften für Neubauten sich zumeist gar nicht am Aussehen der "Altbauten" in der Gemeinde orientieren. Man versucht also nicht ein traditionelles Ortsbild zu erhalten (welches zugegebenermaßen in vielen Gemeinden auch alles andere als schön anzusehen ist, weil auch vor 50-100 Jahren teilweise schon äußerst "funktional" gebaut wurde), sondern eher ein komplett neues zu erschaffen.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

28.01.2017 14:55
#10 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #8

Die alten individuellen netten Häuser, die Llarian so gefallen waren erstens nicht sehr komfortabel (in den 50er Jahren war es noch recht verbreitet, dass ein Haus kein Bad hatte. Gebadet wurde einmal alle zwei der Wochen in einem großen Bottich in der Küche.)
Und zweitens wohnten dort typischerweise sehr viele Menschen auf kleinem Raum.
Wäre der heutige deutsche Häuslebauer zu ähnlichen Beschränkungen bereit, dann könnte er sich natürlich auch heute noch individuelles Bauen finanziell leisten. Nur würde das halt z.B. bedeuten, dass man in sein Haus mit 120m² Wohnfläche noch eine zweite Familie zur Untermiete nimmt. (Oder zumindest mal die Großeltern).


Der Bottich ist zumindest für unsere Gegend im Südwesten übertrieben. Was richtig ist: Die Bäder waren in den 50ern relativ klein, die Badewanne Standard, aber nicht die Dusche.

Individualität würde ich aber nicht unbedingt am Alter festmachen. Da spielt die lokale Verwaltung auch eine nicht immer vorhersagbare Rolle. Als ich in den 80er-Jahren ein Mietshaus in eine Baulücke zwischen älterem Baubestand gebaut habe, der Architekt zwecks besserer Nutzung ein Mansardendach plante, schien dies der örtlichen Baubehörde nicht in die Umgebung passend. Als aber später der größte örtliche Baulöwe, Sohn eines ehemaligen Bürgermeisters, in der Umgebung baute, gingen Mansardendächer plötzlich. Auch an anderer Stelle war aus irgend einer Laune heraus gänzlich aus der Rolle gefallene Individualität möglich: http://mobil.lkz.de/nachrichten_artikel,...rid,401286.html . Die Bilder zeigen neu, und den typischen alten vorherrschenden Baustil (die Stadt ist eine Retortenstadt und wurde damals auch von italienischen Baumeistern durchaus auch schon in einem einheitlichen Stil entworfen). Behördliche Launen sind nicht vorhersagbar.

Ergänzend zu Don Alphonso (Die Erfahrung seines Vaters liegt ja schon einige Zeit zurück): Mein Eindruck ist, dass durch die Vielzahl von Auflagen und Anforderungen (Statik ist trotz oder wegen Computer-gestützten Verfahren deutlich umfangreicher, muss auch umsetzbar sein, Umweltauflagen, usw.) der Overhead für die Planung einen größeren Anteil an den Baukosten ausmacht als früher. Das treibt dann sicher auch den Preis, 'erzwingt' Uniformität.

Gruß, Martin








[/quote]

Florian Offline



Beiträge: 3.171

28.01.2017 16:08
#11 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #10
Zitat von Florian im Beitrag #8

Der Bottich ist zumindest für unsere Gegend im Südwesten übertrieben. Was richtig ist: Die Bäder waren in den 50ern relativ klein, die Badewanne Standard, aber nicht die Dusche.




Auch im Südwesten ganz sicher NICHT übertrieben.
Meine Großeltern lebten in einer badischen Kleinstadt und waren sehr stolz auf ihr Badezimmer: das erste (!) der ganzen Stadt, installiert in den 1930ern. Toilette war allerdings auch bei Ihnen bis in die frühen 60er noch im Hof.
In der Nachbarschaft meiner Großeltern kannte ich eine mittlerweile verstorbene "Kriegerwitwe", die bis (mindestens) in die späten 70er Jahre kein Bad hatte und für sich und ihre drei Kinder den Bottich in der Küche zum Baden verwendete.

Richtig ist sicher, dass bei Neubauten in 50ern Badezimmer schon zunehmend verbreitet waren.
Aber das waren dann eben die Neubauten. Im Altbestand war das da noch lange kein Standard.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

28.01.2017 16:39
#12 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #7
Es gibt zwar durchaus auch Gemeinden, die etwas großzügiger sind, aber das ist dann eher die Ausnahme als die Regel.
Das kommt auf das Land an. In Niedersachsen hat man während der FDP-Mitregierungszeit die NBauO großzügig entrümpelt und die Genehmigungsverfahren vereinfacht und auf die wirklich sicherheitsrelevanten Bereiche konzentriert (Großbauten, Brandschutz, Wasser).
Das ist grundsätzlich natürlich sehr gut. Auf der anderen Seite kann ich an einigen seither dereguliert gebauten Siedlungen erkennen, daß es oftmals eher die Geisteshaltung ist als nur die Reglementierung, die eine Siedlung architektonisch angenehm oder unangenehm macht. Denn letztlich ist es egal, ob die Gleichförmigkeit und Phantasielosigkeit aus dem Hirn von Kommunalpolitikern oder Bauherren und Architekten kommt.
In den deregulierten Wohnsiedlungen kann man tatsächlich mehr Formenvielfalt erleben, wie Sie richtig vermuten. Einige haben bestimmte Wohnbereiche gezielt mit sehr großzügigen Fenstern versehen. Ein paar leisten sich Erker oder eine großzügige Terrasse auf der Garage oder Halbgeschosse. Das ist in der Tat sehr hübsch. Man muß hierbei freilich einräumen, daß architektonische Extravaganzen auch in regulierten Zeiten vereinzelt möglich waren, nämlich wenn man ein Merkmal realisiert, das die Kommunalen versäumt haben, rechtzeitig zu verbieten.
Trotzdem ist die Mehrzahl der dereguliert gebauten Häuser immer noch extrem einförmig, manchmal bis zur Vergewaltigung der Umgebung. Eine solcher Siedlungen liegt z.B. an einem Hang. An einem Hang zu bauen, ist natürlich schwieriger als in der Ebene, hat aber auch Vorteile: Hänge sind fast nie von Hochwasser betroffen und man hat die Möglichkeit, zwei Geschosse mit ebenerdigen Eingängen zu bauen bzw. mehr Tageslicht im Keller zu realisieren.
Aber was hat man gemacht? Fast alle Gebäude nutzen den Hang nicht aus, sondern sind auf Aufschüttungen oder in Absenkungen gebaut. Das heißt, daß der Nachbar (und man selber) immer eine kahle Stützmauer vor der Tür hat. Zusätzlich sind die Gebäudeanordnungen offensichtlich unkooperativ gewählt. Beispielsweise wird eine Grundstückseinfahrt von der Stützmauer des Nachbargrundstückes völlig uneinsehbar oder ein Hausbesitzer placiert seine Garage so, daß die Südseitenterrasse des Nachbarn von einer kahlen Einheitsgarage beschattet wird.

Im Altdorf hingegen sind die 100-200 Jahre alten Fachwerkhäuser trotz ihrer völlig unterschiedlichen Gestaltung sauber bündig aneinandergereiht, so daß keiner seinen Nachbarn unnötig einschränkt.

Man sieht hier zweierlei: Erstens sind die Menschen zu eigenständigen gestalterischen Absprachen nicht mehr fähig. Man grüßt sich auch nicht mehr im Dorf.

Zweitens ist das ästhetische Empfinden verlorengegangen. Viele haben gar keine Probleme, in Klonhäusern zu wohnen, weil ihnen der Gedanke eines individuellen Wohnens fremd ist. Schon ab den 20er Jahren ging es mit dem individuellen Bauen bergab. Die ersten deutschen Klonhäusersiedlungen wurden durch ein Wohnungsbauprogramm der NS-Regierung angelegt! Man kann sie an dem mittelkleinen Grundriß, den Satteldächern mit geringem Dachüberstand und der Putzfassade erkennen und daran, daß die benachbarten Einfamlilenhäuser genauso aussehen und ordentlich in Reihe stehen. Ich glaube, die ästhetischen Verirrungen der deutschen Sozialismen sind noch nicht überwunden. Es ist so eine mißverstandene Bauhaus-Architektur, die überall stehen könnte und mit keinem Menschen etwas zu tun hat.

sprout Offline



Beiträge: 4

28.01.2017 22:52
#13 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Das die meisten Neubausiedlungen nicht gerade schön sind ist auch meine Beobachtung.
Ein Grund für diese uniforme Bauweise liegt definitiv auch an der Reglementierungswut vieler Gemeinden.
Ganz davon abgesehen das die Erschließungspläne der Baugebiete auch nicht besonders gut durchgeführt werden und wurden.

Ein Punkt den ich noch anmerken möchte weshalb Neubaugebiete immer hässlich sind im Vergleich zu ursprünglichen Stadtvierteln bzw. Dörfern liegt meiner Meinung nach an der Entstehungsdauer.

Jeder Baustiel in einem entsprechenden Jahrzehnt unterliegt immer dem generellen Trend auf welche Wohneinheiten besonders Wert gelegt wird. Kurz skizziert am Bsp. Küche:
Früher (vor mehr als 60 Jahren) immer als kombinierter Ess/Koch/Waschbereich angelegt (vor Einführung der Zentralheizung - nur sehr wohlhabende konnten sich einen extra Badewasserofen leisten - deshalb war es am praktischsten die Wärmequelle zum Kochen/Warmwasser erzeugen und heizen zu nutzen) und sich dann wandelte in eine abgeteilte Küche mit Esswohnbereich (weil man die Küchengerüche nicht in diesem Bereich haben wollte) und einem extra Bad (weil jetzt dank Zentralheizung es überall warm war und auch Warmwasser zu Verfügung stand) bis aktuell wo wieder ein gemeinsamer Koch/Ess/Wohnbereich (weil die Lüftungen den Geruch wirksam absaugen) und Wellness Badezimmer (Arbeit ist nicht mehr so Schmutzintensiv und deshalb kann man die eingesparte Zeit der Körperreinigung für Wellness aufwenden) im Trend liegt.

Dies in Kombination mit dem Wunsch relativ günstig zu bauen führt zu einer Reduktion der Möglichkeiten wie die Häuser aussehen.
Verstärkt wird dies noch durch Architektur - Trends. Häuser in den 80ern gebaut haben z.B. häufig einen ewiglangen unpraktischen Flur. War damals in, heute baut so fast niemand mehr.

Das war aber immer so wenn viele Häuser auf einmal auf einer relativ großen Fläche mit ähnlichem Budget der Bauherren gebaut wird.

Interessant wird es erst wenn die zweite Generation in die Wohngebiete zieht und sich die Homogenität dieser Neubaugebiete langsam auflöst. Derzeit betrifft das die Wohngebiete welche in den 60ern und 70ern gebaut wurden (also die Großelterngeneration so nach und nach diese vererbt/verkauft/vermietet. Denn aufgrund der unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten der neuen Hausbesitzer (und Anforderungen bzgl. Familiengröße etc) wachsen langsam wohnlichen Strukturen.
Manch einer reist das alte Haus ab und baut ein neues auf die Fläche oder es wird angebaut oder es wird nur saniert oder es werden gar die damaligen riesen Bauplätze geteilt so das noch ein weiterer Neubau entstehen kann ...
Wenn dann die entsprechenden Verantwortlichen nicht zu restriktive Vorgaben machen dann entwickelt sich ein schönes Viertel /Dorfteil etc.

Llarian Offline



Beiträge: 7.109

29.01.2017 01:56
#14 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Lieber Alfonzo,

zunächst vielen Dank für ihre Ausführungen. Ich bin mir auch im klaren dasrüber, dass vieles an einem Haus sich aus der Logik seines Nutzens ergibt. Die meisten Leute lösen die selben Probleme: Wie bringe ich zwei Erwachsene und 1-3 Kinder unter? Wo kommt das Wohnzimmer hin? Bad? Haustechnik? Alles sehr ähnlich. Aber: Es gibt durchaus auch hier einige Möglichkeiten Dinge anders zu machen. Beispielsweise muss man keine offene Küche bauen (hat man früher schliesslich auch nicht getan). Oder man kann einen Vorratsraum bauen. Oder ein Musikzimmer. Mein Haus zum Beispiel bekommt ein Männerzimmer, mit Werkbank, Hantelbank & allem was blinkt und Krach macht. Man kann schon Dinge anders machen. Wohnen bleibts natürlich trotzdem und die meisten Leute werden lieber ein Kaminzimmer bauen als ein Musikzimmer (wobei ich auch eine Dame kenne, die ein Schuhzimmer hat, nun denn).

Was aber mir wichtiger erscheint: Es geht ja nicht einmal primär um das Innenleben. Natürlich haben 90% aller Häuser ein Elternschlafzimmer, eine Küche, zwei Bäder, ein bis zwei Kinderzimmer. Was mich am meisten wurmt ist die Aussenform. Und die ist eben nicht durch den Zweck vorgegeben. Man kann ein Haus verklinkern (wenn man es schön findet nicht streichen zu müssen und ausserdem den zusätzlichen Lärmschutz gut findet), man kann es aber auch rot streichen (wenn einem eine solche Farbe gefällt). Man kann Zäune drum setzen oder eine Hecke oder auch gar nichts. Man kann ein Dach mit Gauben ausstatten, man kann flache Fenster nehmen. Oder auch gar keine Fenster. Man kann ein Flachdach bauen, ein Pultdach oder ein Satteldach. Ich persönlich finde einen Krüppelwalm am besten. Man kann eine Garage ins Haus integrieren, in den Keller setzen oder einzeln hinstellen. Man kann das Haus bewachsen lassen, man kann einen Wintergarten anlegen oder die ganze Fassade aus Glad gestalten. All das kann man tun. Und noch viel mehr. Nur vieles davon darf man nicht. Zumindest nicht dann, wenn auf ortsüblichen "Klonbebauung" geachtet wird.

Und das hat für mich etwas furchtbar Ameisenhaftes. Die "Obrigkeit" sieht keinen Sinn darin, dass die Leute ihr(!) Eigentum(!) als solches nutzen, sondern findet alles soll schön wie auf einer Postkarte aussehen. Und davon mal ab das es extrem kollektiv gedacht ist, ist das Ergebnis auch noch scheusslich.

Llarian Offline



Beiträge: 7.109

29.01.2017 02:02
#15 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #8
dass früher alles besser war, stimmt natürlich auch nicht. Die alten individuellen netten Häuser, die Llarian so gefallen waren erstens nicht sehr komfortabel (in den 50er Jahren war es noch recht verbreitet, dass ein Haus kein Bad hatte. Gebadet wurde einmal alle zwei der Wochen in einem großen Bottich in der Küche.)

Langsam. Ich habe nicht gesagt, dass früher alles besser war. Sondern das es schöner und individueller war. Natürlich waren die Leute weniger reich und die Technik war auch nicht da, wo sie heute ist. Aber man hatte einen Sinn dafür, sein eigenes Ding zu machen und sich SEIN(!) Traumhaus zu bauen. Ob man da mit 20 Leuten eingezogen ist, ist dafür eigentlich nebensächlich. Und man könnte auch diese Häuser heute mit sehr viel mehr Komfort bauen. Betonung ist auf: Man könnte. Man darf nur nicht. Es steht ja nirgendwo, dass man verwinkelte Häuser, Erker, Türmchen oder Fronten nur mit dem Wohnkomfort der 50er Jahre bauen kann.
Und wie gesagt: Die Häuser gibt es ja heute noch. Und da steht kein Bottich in der Küche.

Zitat
Wäre der heutige deutsche Häuslebauer zu ähnlichen Beschränkungen bereit, dann könnte er sich natürlich auch heute noch individuelles Bauen finanziell leisten.


Ganz praktisch: Leisten kann ich es mir. Ich habe kein Problem einen Architekten zu bezahlen. Ich kann auch das Haus bezahlen. Deswegen komme ich trotzdem nicht aus der Bauordnung raus.

Llarian Offline



Beiträge: 7.109

29.01.2017 02:05
#16 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #12
Zweitens ist das ästhetische Empfinden verlorengegangen. Viele haben gar keine Probleme, in Klonhäusern zu wohnen, weil ihnen der Gedanke eines individuellen Wohnens fremd ist.

Exakt !

Zitat
Ich glaube, die ästhetischen Verirrungen der deutschen Sozialismen sind noch nicht überwunden.


Ich glaube nicht, dass sich das auf Ästhetik beschränkt.

hubersn Offline



Beiträge: 1.342

29.01.2017 23:19
#17 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Ich denke ein wichtiger Faktor, sich für ein Klonhaus zu entscheiden, ist auch der Wiederverkaufswert. Die Idee, ein Haus zu bauen und bis ins hohe Alter drin zu wohnen, ist einfach nicht mehr realistisch. Und so muss man den Wiederverkauf im Auge halten - und wie beim Auto kosten hier Extravaganzen eben nicht nur beim Kauf, sondern auch beim Verkauf Geld.

Meine Eltern wurden darauf sogar schon 1986 vom Architekt aufmerksam gemacht, dass einem für diesen Erker keiner später einen Pfennig geben wird.

Auch bei den großen Baufinanzierern interessiert sich keiner für Details des Hauses bei Wertschätzungen - Lage, Baujahr und Volumen, fertig ist die Schätzung.

Gruß
hubersn

--
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Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.404

30.01.2017 00:31
#18 RE: Zu einer terroristischen Form der Kunstausübung Antworten

Ich klinke mich mal aus wg. unbetroffen,

Zitat von hubersn im Beitrag #17
Wiederverkaufswert.


...und was darum wuchert. Allein bei Wiederverkaufswert kann das ja mittlerweile von heutaufmorgen in den Keller rauschen. Vom Windpark & ähnlichen Mißhelligkeiten vd Tür bis zur Dämmpflicht. Die andre Seite bei diesem Stichwort: mancher kauft eine Bude, die schon steht; mancher eine ETW im 3. Stock. Manche wohnen sogar zur Miete. Da ist die Auswahl öfters nicht optimal. Für die alle triffts nicht, bzw man nimmt es hin, wie man das schlechte Wetter ad Waterkant mitnimmt.

Zitat von Llarian im Beitrag #16
Zitat von Emulgator im Beitrag #12
Zweitens ist das ästhetische Empfinden verlorengegangen. Viele haben gar keine Probleme, in Klonhäusern zu wohnen, weil ihnen der Gedanke eines individuellen Wohnens fremd ist.

Exakt !

Zitat
Ich glaube, die ästhetischen Verirrungen der deutschen Sozialismen sind noch nicht überwunden.

Ich glaube nicht, dass sich das auf Ästhetik beschränkt.



Jein. Die Bausünden des Sozialismus sind überall der materiellen Knappheit mindestens ebenso geschludet wie dem Mangel an jeder architektonischer Programmatik. Überrascht, aber da gibts nix an Schriften, Programmen, Planungen. Wenn überhaupt, hat sich das auf urbanistische Zonenausweisungen & Verkehrinfrastruktur beschränkt. Der Stalinismus setzte bekanntlich auf Kitschbarock, inkl. Stalinallee. Die frühen Entwürfe der 20er, Lissizkis "Wolkenbügel" u.dgl. waren ja nie ernsthaft zur Realisierung gedacht & sind Repräsentation pur, nur mit konstruktivistischem Anstrich. Das Elend der genormten Klonhäuslein verdankt sich nicht mal so sehr den Großen Weißen Göttern (Tom Wolfe, From Bauhaus to Our House) Mies, le Corbu, Gropius (T.W.s Trio infernale), sondern den Massenbauprogrammen nach dem Krieg im Westen (im Osten war die Beschwerdekultur ja nicht so ausgeprägt): zuerst bei den Levittowns id USA id 50ern: genormte Vorortsiedlungen mit 1000en von tupfengleichen Buden (die selbst für Bewohner nicht wiederzufinden sind; selbst wenn die nicht mit Anosognosie geschlagen sind. OT: Oliver Sacks beschreibt das in "Face-Blind". The New Yorker, 30.8.2010; wobei, OOT, nicht jeder Gesichtsniemalsnichterkenner auch mit urbaner Kompaßlosigkeit dazu gestraft ist.) Ist dann auch schnell zum Stigma des modernen Wohnprogramms: Entmischung/Schlafvorstädte geworden & taucht ab 1964/66 id Literatur auf, ob Jane Jewells Life & Death of American Cities, Wolf Jobst Siedlers Gemordete Stadt, Christopher Alexanders Pattern Language. Die Ausflucht ins Individuelle aus genormter Gleichheit sind dann immer kleine Detailvariationen, in Farbe, Form, spätestens beim Ersatz exponierter und/oder strapazierter Elemente von Jalousien bis Veranden; erste Exempel die Arbeitersiedlungen im Pott & den englischen Kohlengebieten. Gibt da aufschlußreiche Bildserien bei Eibl-Eibesfeld oder in Kevin Kellys How Buildings Learn: What Happens After They're Built. (Der letzte Titel ist nichts weniger als paradox: Klar "lernen" Gebäude: das "Hirn" stellen die Bewohner, für die das ein erweiterter Phänotyp ist, der bei erwiesener Nichtfunktionalität - nb: Funktionalität, nicht Ästhetik oder Mode - wenn möglich angepasst oder im schlimmeren Fall aufgegeben bzw. abgerissen wird. Ist der Grund, warum 2/3 aller Gebäude, die Frank Lloyd Wright mal hat bauen lassen, mittlerweile verschwunden sind.)



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

30.01.2017 07:39
#19 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Ich habe 25 Jahre land in einem individuellen Haus aus dem 1970ern gewohnt. Das hatte wohl alle Bausünden, die man sich vorstellen konnte. Mir ist es persönlich wurscht, wie ein Haus von außen aussieht. Wenn ich baue, dann in einem kleinen Dorf, und da ist selbst ein 08/15 Fertigteilhaus einmalig. Ich kann es mir Extrawürschtel einfach nicht leisten.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

30.01.2017 08:50
#20 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Zitat
Mir ist es persönlich wurscht, wie ein Haus von außen aussieht.


Wenn man sich überlegt, dass ganz vielen Menschen schon vollkommen wurscht ist, wie ihr Haus von INNEN aussieht (habe oft, wenn ich fremde Wohnzimmer zum ersten Mal betrete, den Eindruck, versehentlich in einem Möbelhaus gelandet zu sein), dann braucht man sich über die Klonhäuser nicht wundern.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Krischan Offline




Beiträge: 641

30.01.2017 09:53
#21 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Llarian's Lamento zielt ja in die Richtung "Ich kann nicht, wie ich darf". Das ist, gewissermaßen, eine Luxusposition (und das meine ich nicht negativ, ich stelle es fest, lieber Llarian).
Warum? Ich schätze mal, dass 60%-70% der heutigen Häuslebauer schlicht nicht den finanziellen Freiraum haben, sich Extrawünsche leisten zu können. Beim Hausbau muss man Kompromisse schließen zwischen Finanzen und Möglichkeiten. Wenn die Finanzen nicht ausreichend sind, kommt eben Ideal Standard dabei raus.
Und ganz ehrlich, für die 90% der heutigen Häuslebauer ist ja das Haus auch nicht mehr der Grundstein für eine Familiendynastie, sondern ein praktischer Aufenthaltsort während einer bestimmten Lebensphase. Sind die Kinder groß, leben und arbeiten die meist woanders, also für die Kinder baut man nicht mehr. Sobald die Kinder aus dem Haus sind und die Bude abbezahlt ist, kann sie dann verkauft werden. Das ist gewissermaßen ein eher amerikanisches Verständnis von Hauseigentum - eben als Gebrauchsmittel, nicht als Lebensgegenstand. Da ist eine gewisse Uniformität durchaus praktisch.

Freundlichst,
Krischan

Deutsche Wurst - alles andere ist Käse.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

30.01.2017 10:48
#22 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #20
Wenn man sich überlegt, dass ganz vielen Menschen schon vollkommen wurscht ist, wie ihr Haus von INNEN aussieht (habe oft, wenn ich fremde Wohnzimmer zum ersten Mal betrete, den Eindruck, versehentlich in einem Möbelhaus gelandet zu sein), dann braucht man sich über die Klonhäuser nicht wundern.


Ich wundere mich eher über das Gegenteil. Da wird viel Aufwand betreiben die eigenen Wohnung zu gestalten, und dann sind die Bewohner
a, sogut wie nie zuhause.
b, wenn doch, wird ferngesehen.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

30.01.2017 11:09
#23 RE: Zu einer terroristischen Form der Kunstausübung Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #18
Jein. Die Bausünden des Sozialismus sind überall der materiellen Knappheit mindestens ebenso geschludet wie dem Mangel an jeder architektonischer Programmatik.
Das ist ebenso systemimmanent wie die Problemstellung überhaupt, zentral Architektur konzipieren zu müssen. Beides zusammen läuft auf Massenbehausung hinaus.

Was die Ästhetik anbelangt, ist eine extra Programmatik nicht nötig, weil das Kriterium, was ästhetisch sei, gerade durch die eigenen metaphysischen Vorstellungen geprägt ist. Klassisch hatten wir beispielsweise eine Kunst, die den Schöpfergott preisen wollte, indem sie an der Schönheit Seines Werkes Anleihen nahm. Modern-rotsozialistisch soll Kunst nicht schön sein, sondern "aufrütteln" oder "die Gesellschaft zusammenhalten".

Krischan Offline




Beiträge: 641

30.01.2017 11:21
#24 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #22

Ich wundere mich eher über das Gegenteil. Da wird viel Aufwand betreiben die eigenen Wohnung zu gestalten, und dann sind die Bewohner
a, sogut wie nie zuhause.
b, wenn doch, wird ferngesehen.


Das mag bedauerlich sein und gesellschaftlich nicht gerade optimal, spiegelt aber offenbar die Lebensrealität und den Wunsch eines relevanten Teiles der Gesellschaft wieder. Und da stellt sich dann die Frage: Benötigt man für diesen Lebensstil individuelle Häuser? Oder reicht da Wohnen von der Stange aus? Um mal Llarians Frage aufzugreifen - wieso brauche ich Erker, Zinnen, Giebel, Gauben, Vielfalt an meiner Bude, wenn man sich das alles per Flimmerkiste in das Haus holen kann?

Nicht, dass das jetzt meinen Lebensstil spiegelt , auch bei mir gibt es ein Multifunktions-Zimmer mit Heimarbeitsplatz, Musikbereich und Bibliothek, offene Küche finde ich scheußlich, ebenso wie kribbelbunte und technikverliebte Bäder mit Whirlpool-Eckbadewanne und Regenwald-Duschkopf von Villeroy&Boch. Aber das ist eben nur meine Meinung.

Freundlichst,
Krischan

Deutsche Wurst - alles andere ist Käse.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.404

30.01.2017 12:18
#25 RE: Ich bin nicht wie ihr Antworten

Zitat von Krischan im Beitrag #24
Nicht, dass das jetzt meinen Lebensstil spiegelt


Einer der Vorteile des Bücherreisens ist, daß man anschließend weiß, was man sich schenken kann.

Zitat
Plötzlich steht da ein Haus: Eine gigantische Burg aus weißem Holz, errichtet von einem New Yorker Kunstspekulanten. Eine Halbkugel aus Beton, die ein Filmregisseur für sich und seine Geliebte auf einer Steilküste in Sardinien aufgestellt hat. Eine Hütte in Mexiko, in die sich ein amerikanischer Ex-Banker zurückgezogen hat. Exzentrische Bauherren gönnen sich bisweilen recht eigentümliche Häuser, denen Niklas Maak in der ganzen Welt auf der Spur war.



https://www.amazon.de/Atlas-seltsamen-H%...r/dp/3446252894

Zwei persönliche Favoriten, die Maak nicht listet:
http://www.palaisbulles.com/
http://www.thefuturohouse.com/




PS. Video Antti Lovag, Palais Bulles v. 1981: https://www.youtube.com/watch?v=ABXx_OHskYE
& ich stelle erstaunt fest, daß ein völlig unbekanntes Futuro in Haigerloch gelandet ist,
Madertal 6, 72401 Haigerloch, Germany | 48°22'0.40"N 8°46'59.08"E
http://www.thefuturohouse.com/Futuro-Haigerloch-Germany.html



"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire

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