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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Llarian Offline



Beiträge: 6.919

21.08.2018 01:26
Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Eine kleine Anmerkung zum Rechtsstaat.

DrNick Offline




Beiträge: 809

21.08.2018 09:04
#2 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat
... ein guter Teil des heutigen "Rechtes", gerade in Bezug auf Abschiebe- und Zuwanderungspraxis findet sich gar nicht im Gesetz wieder.



Ist das wirklich so? Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich ein ganz normaler Verwaltungsrichter in einem konkreten Fall direkt auf das GG beruft.

HR2 Offline



Beiträge: 915

21.08.2018 10:45
#3 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Und in dem Zusammenhang:

58

Zwar hat sich der Betroffene durch seine unerlaubte Einreise in die Bundesrepublik nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 1 Nr. 1, 2 AufenthG strafbar gemacht. Denn er kann sich weder auf § 15 Abs. 4 Satz 2 AufenthG noch auf § 95 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 GFK berufen. Die rechtsstaatliche Ordnung in der Bundesrepublik ist in diesem Bereich jedoch seit rund eineinhalb Jahren außer Kraft gesetzt und die illegale Einreise ins Bundesgebiet wird momentan de facto nicht mehr strafrechtlich verfolgt.


http://www.landesrecht.rlp.de/jportal/po...2017&doc.part=L

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

21.08.2018 12:06
#4 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Ganz schwieriges Thema.

Zuerst einmal: Ich halte die Kritik an Reul für völlig berechtigt. Erstens ist er Innenminister, und in dieser Funktion sollte er jeden Anschein vermeiden sich in die Judikative einzumischen. Und zweitens gibt es sehr wohl diverse Aspekte neben dem Gesetz, die Richter berücksichtigen sollten (z. B. Realitätsnähe, Durchsetzbarkeit, Verhältnismäßigkeit, Abwägung mit Rechten Anderer bzw. der Allgemeinheit) - aber sie sollten KEINE Rücksicht darauf nehmen, wie das Urteil PR-mäßig draußen ankommt und ob alle möglichen rechtlich unkundigen Leute ein anderes Rechtsempfinden haben.
Es wird generell zu viel in der Politik mit Gefühl und Empfinden begründet - einen vernünftigen Rechtsstaat kann man damit nicht betreiben.

Ansonsten aber stimme ich Deiner Kritik zu (und da wir keine Innenminister sind, dürfen wir nach Herzenslust Gerichtsschelte betreiben). Wie speziell das Verwaltungsgericht Bochum seit Jahren die fadenscheinigsten Vorwände akzueptiert, um die Abschiebung zu hintertreiben - das schadet dem Rechtsstaat und seiner Akzeptanz enorm. Und wenn dann das Oberverwaltungsgericht die ganze Affäre als Schwanzlängenvergleich zwischen Justiz und Exekutive auffaßt und noch ein viel realitätsferneres Urteil draufsetzt (nebst öffentlicher Kritik an Politikern) - das diskreditiert die Akteure deutlich.

Hilft aber nichts, eine bessere Justiz bekommt man nicht durch das Ignorieren von Gerichtsurteilen. Sondern der Bundesgesetzgeber muß endlich seine Hausaufgaben machen, das Richterrecht (das ja wegen der Gesetzeslücken nötig war) durch ordentliche Vorschriften ersetzen und insbesondere dafür sorgen, daß Abschiebungen auch in Deutschland nach einigen Monaten Verfahren möglich werden, wie das in anderen Rechtsstaaten normal ist.

Llarian Offline



Beiträge: 6.919

21.08.2018 23:06
#5 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #4
Erstens ist er Innenminister, und in dieser Funktion sollte er jeden Anschein vermeiden sich in die Judikative einzumischen.

Nun ist er in diesem speziellen Falle aber auch Partei, als Teil eben jener Landesregierung, die hier gerade im Rechtsstreit liegt. Wenn die Asylanwälte permanent Stimmung mit ihren Schäfchen machen (und das tun sie und das deutlich dreister), dann ist es nur billig, dass die andere Seite sich auch äußern darf.

Zitat
aber sie sollten KEINE Rücksicht darauf nehmen, wie das Urteil PR-mäßig draußen ankommt und ob alle möglichen rechtlich unkundigen Leute ein anderes Rechtsempfinden haben.


Und genau DESHALB darf sich der Rechtstaat allmählich nicht mehr wundern welchen Ruf er inzwischen weg hat und das ihn immer weniger verteidigen. Der Rechtsstaat ist eben nicht nur eine Idealvorstellung irgendwelcher hochtrabenden Philosophen sondern eben auch eine Nachbildung des Rechtsempfindens seiner Bürger. Ein Rechtstaat der das nicht ist, darf sich mit Fug und Recht Diktatur oder Polizeistaat nennen, hat aber mit der Vorstellung eines demokratischen Rechtstaates nicht mehr viel gemein.
Dabei ist es auch und gerade vollkommen irrelevant ob die Bürger selber rechtlich kundig sind oder eben nicht: Es ist Aufgabe der Juristen ein Recht zu schaffen das sowohl rechtsphilosophischen Grundsätzen entspricht als auch das Rechtsempfinden der Bevölkerung umsetzt. Juristen neigen dazu etwas wichtiges zu vergessen: Der Rechtsstaat basiert darauf, dass die Bürger ihn akzeptieren, wollen und ggf. auch verteidigen. Oder simpel gesagt: Die Feder ist nur dann mächtiger als das Schwert, so lange es ein anderes Schwert gibt, dass die Feder verteidigt.

Zitat
Es wird generell zu viel in der Politik mit Gefühl und Empfinden begründet - einen vernünftigen Rechtsstaat kann man damit nicht betreiben.


Noch weniger kann man ihn dagegen betreiben.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.260

22.08.2018 09:30
#6 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Steht nicht im NT als unterstellte Aussage für Jesus, dass der Sabbat für den Menschen und nicht der Mensch für den Sabbat da ist?

Hier wurde schon mal berichtet - von R.A. - dass die Bio-Deutschen sehr stark auf verschriftlichte Regeln fixiert sind. Steht es auf Papier, dann ist es nicht mehr Meinung, sondern WAHRHEIT. Ungefähr so stellt sich mir auch unser Verhältnis zum Rechtsstaat und Richtersprüchen dar. Traditionell wurden die Richter vergöttlicht.

In den letzten Jahren hat sich die Rechtsprechung aber DERART weit von der Bio-Bevölkerung entfernt, dass diese Göttlichkeit abgesprochen wird.

Und dieser Schaden wird nie mehr reparierbar sein. Was Merkel und ihre linke Junta aus Journalisten, Richtern und Künstlern gemacht haben, ist nichts anderes als die komplette Demontage des bisherigen Gesellschaftsmodells. Als die linke Ideologie auf dem Boden der Realität aufschlug, wollten die halt mit nackter Gewalt ihre Sichtweise weiterhin durchsetzen.

Dazu zählen dann auch Richter, die in dem einen Fall halt das Gesetz bis zur Perversion dehnen, im anderen Fall aber hysterisch kreischend auf die Buchstaben des Gesetzes pochen.... und das alles mit einer klar erkennbaren politischen Färbung.

Ich war mal ein überzeugter Deutscher und fanatischer Verteidiger des deutschen Rechtsstaats. Jetzt wäre ich fast froh, wenn jemand diesem Elend ein Ende macht und den Laden platt macht.

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Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

Rapsack Offline



Beiträge: 169

22.08.2018 10:22
#7 RE: Der Rechtsstaat und der Mob: Etwas Hintergrundinformationen Antworten

Das mit dem Rechtsstaat ist so eine Sache.

Etwas Hintergund zur Problemlage:

Den Grundgedanken eines Rechtssaates sollte man sich dabei immer wieder in Erinnerung rufen: Jedes Handeln der Exekutive hat seine Grundlage in einem Gesetz. Dies ist der wichtigste Schutz vor der Willkür der faktisch mächtigsten Institution im Staat!

Neben den rein deutschen Gesetzen vom GG bis zu den einzelnen Landesgesetzen, erkennen wir heute noch die Menschrechte und die Eu-"Gesetze" als Grundlage jeglichem staatlichen Handelns an.

Soweit so gut.

Es gab eine Zeit, da war Stromdiebstahl straffrei, weil das Reichsgericht erklärte, dies falle nicht unter den klassischen Diebstahl, denn bei Strom handele es sich nicht um eine Sache. Andere Paragraphen sein auch nicht anwendbar. So einfach! Der Gesetzgeber habe zu reagieren und die Grundlage einer Strafbarkeit zu schaffen. Natürlich ohne Rückwirkung.

In der Rechtswissenschaft hat man nun ein Problem. Der oben genannte Fall zeigt, dass die Rechtssetzung oft im Verzug zur Realität ist. Probleme werden regelmäßig von den Parlamenten erst dann wahr genommen und durch Gesetz geregelt, wenn es lichterloh brennt.

Aber dieser Verzug wird von einem Teil der Juristen als sehr sinvoll wahrgenommen, da nicht auf alle Moden reagiert werden soll, sondern wirklich erst, wenn sich Probleme von Bedeutung abzeichen. Der Verzug hat also reinigende Wirkung.

Viele Juristen sehen in dieser zeitlichen Regelungslücke ein riesen Problem und sind der Meinung, die Gerichte müßten durch weite und noch weitere Auslegung von irgendwas (gesetzliche Grundlage wird willkürlich herbeidefiniert) diese Lücken schließen. Sie schielen da etwas in die angloamerikanische Rechtsphilosophie des "case-laws". Da ist die "Anpassung" durch Rechtssprechung Teil des Systems.

Dagegen wird immer wieder argumentiert, dass hier dem Richter Raum für Willkür geschaffen wird und dies die Rechtssicherheit gefährdet.

Rechtssicherheit ist ist letzlich das wichtigste Ergebnis aus dem Grundsatz des Schutzes vor Willkür. Wirtschaftlich ist dies von extremer Bedeutung z.B. im internationalem Handel. Amerika hat da tatsächlich ein Problem. Die BRD hatte immer das Ansehen von extrem hoher Rechtssicherheit, deswegen wollen viele internationale Handelspartner, auch Amerikaner, deusches Recht und deutschen Gerichtsstand anwenden. Was wiedrum angenehm für die deutschen Unternehmen ist.

Einige Rechtsgebiete haben sich recht früh von den gesetzlichen Grundlagen entfernt. Die Gesetze und Paragraphen die z.B. im Arbeitsrecht Anwendung finden, sind an einer Hand abzuzählen. Hier hat sich "Richterrecht" schon früh entwickelt.

Im Strafrecht und grundsätzlich im Verhältnis Staat/Bürger, war solches bisher nicht denkbar. Hier galt sehr restriktiv: Staatliches Handeln ist ohne konkrete Gesetzesgrundlage nicht verfassungskonform! Es galt ein Analogie-Verbot und Gesetze müssen grundsätzlich restriktiv zu Lasten des Staates ausgelegt werden. Nun stellte sich in der Vergangenheit das Problem, (warum spielt an diesem Punkt keine Rolle) es gab eine Situation, wo sich die Exekutive einer Situation gegenüber sah, dass sie schnell handeln müsse und definierte sich ein "Not"- Recht.

Hier wird so argumentiert, dass aus Gründen der Menschenrechte stattliches Handeln ohne oder je nach Lesart gegen geltende Gesetze die Exekutive handeln müsse und auch gerechtfertigt wäre.

Zur Erinnerung: im Verhältnis zwischen Bürger und Staat sollen die Gesetze mehr zu Gunsten des Bürgers ausgelegt werden. So der Grundgedanke! Hier stellt sich die Frage entscheidend anders:

Gilt dieser Grundsatz nur für Bürger oder auch immer im Verhältnis konkreter Mensch/Staat?!!!



Und hier wird es dann unverständlich:

Momentan scheint Mehrheitsmeinung der Gerichte zu sein, dieser Auslegungsgrundsatz gilt für jederman auf dem Staatsgebiet Deutschlands. Also auch für "Fremde".

Würde es sich tatsächlich nur um ein Verhältnis betroffener Mensch zum Staat handeln, würde es sich nicht so merkbar als Problem abzeichen. Aber die Bürger fühlen sich und sind auch mitbetroffen. Diese restriktive Auslegung gegen den Staat, die vormals als Schutz der Bürger gedacht war, wirkt sich nun zu Lasten der Bürger aus. Sie finanzieren diese Entscheidungen usw.. Hier werden ganz objektiv Entscheidnungen zu Lasten der Bürger getroffen. Sie werden schutzlos gestellt, der eigentliche Grundsatz pervertiert seine Richtung.

Hinzu kommt noch eine Haltung der Exekutive, dass sie relativ frei auch ohne klare Gesetzesgrundlage handeln kann, da eine Kontrolle durch die parlamentarische Opposition faktisch lange Zeit kaum Bedeutung hatte. Mit der AFD kam etwas Bewegung in das System. Mal abwarten.

Die Richter haben heute die Qual ihre tradierte Haltung in Richtung des eigentlichen Schutzzweckes zu korrigieren und den Schutz des Bürgers vor den Schutz jedermans zu stellen oder wie bisher üblich zu entscheiden, was dem Rechtsempfinden des Bürger zu widerläuft, denn er sieht sich zu recht schutzlos gestellt.

Hier wäre zwingend angebracht diese Entscheidung den Richtern ab zu nehmen und eine politische Entscheidung herbeizuführen. Diese Pervertierung muss durch Gesetz je nach politischer Mehrheit im Parlament in die eine oder andere Richung entschieden werden. Dies wäre nach dem Grundsatz des Reichsgerichtes eigentlich zwingend geboten. Da sich hier eine tasächlich problematische Regelungslücke auftut. Durch Gesetz ist momentan nicht geregelt ob der Schutz jedermans vor dem Staat vor dem Schutz des Bürgers vor dem Staat gehen soll oder umgekehrt.

Eigentlich.....

Ich persönlich glaube, ohne eine starke echte Oppostion, wird man weiter merkeln und wursteln. Der Raum für Willkür für Judikative und Exekutive ist für viele zu angenehm. Da muss noch einiges passieren bevor, man aufhört die Rechtssicherheit und damit die Rechtsaatlichkeit zu schleifen. Es wird sich zeigen wie rubust unser System ist. Wird die Gewaltenteilung sich wieder durchsetzen, oder werden die Grenzen immer mehr verschwimmen.

Soviel zum Hintergrund und dem Problem, dem sich die Richter ausgesetzt sehen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

22.08.2018 10:35
#8 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #5
Wenn die Asylanwälte permanent Stimmung mit ihren Schäfchen machen (und das tun sie und das deutlich dreister), dann ist es nur billig, dass die andere Seite sich auch äußern darf.

Das sehe ich nicht so. Das sind nicht zwei private Prozeßparteien, die sich um den Gartenzaun streiten. Auch wenn das Land Prozeßpartei ist (eigentlich ist es die Stadt Bochum), hat ein Innenminister immer noch Restriktionen zu beachten, die für Prozeßanwälte nicht gelten.

Zitat
Der Rechtsstaat ist eben nicht nur eine Idealvorstellung irgendwelcher hochtrabenden Philosophen sondern eben auch eine Nachbildung des Rechtsempfindens seiner Bürger.


Das sehe ich auch so.

Zitat
Es ist Aufgabe der Juristen ein Recht zu schaffen das sowohl rechtsphilosophischen Grundsätzen entspricht als auch das Rechtsempfinden der Bevölkerung umsetzt.


Nein! Das ist nicht Aufgabe der (Gerichts-)Juristen, sondern des Gesetzgebers. Der ist demokratisch legitimiert, einen Mehrheitswillen beim Rechtsempfinden umzusetzen. Es ist NICHT Aufgabe eines einzelnen Richters, persönliche Vorstellungen über das vermutete Rechtsempfinden der Bevölkerung zu entwickeln und in Recht umzusetzen.
Man wird immer etwas "Richterrecht" brauchen, um Lücken zu füllen. Aber je weniger das nötig ist, desto besser. Und bei der Lückenfüllung sind andere Kriterien wichtig, wie schon von mir beschrieben (Umsetzbarkeit etc.), nicht irgendein erfundenes Bevölkerungsempfinden.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.260

22.08.2018 11:20
#9 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

"Man wird immer etwas "Richterrecht" brauchen, ..."

Ihre Argumentation hat immer noch mehr Löcher als Steine. Richterrecht - wie überhaupt jeder Freiraum eines Richters bei Urteil und Strafmaß - sollte nachvollziehbare und gesellschaftlich nützliche Grundlagen haben.

Die schlechteste Variante wäre die persönliche Einstellung des Richters. Das wäre Willkür und grenzt schon an Diktatur. Manchmal drängt sich leider der Eindruck auf, das wäre in manchen Bereichen der Standard.

Sicher sollte die Ausnutzung eines Spielraums gewissen Effizienzkriterien entsprechen. Wenn ein Richter permanent Urteile fällt, die a) grundsätzlich abweichend vom Rest des Richterrechts sind und b) permanent von der nächsten Instanz einkassiert werden, dann würde sich schon die Frage stellen, was das soll.

Richterrecht sollte also schon in sich widerspruchsfrei und wiederholbar sein.

Abgesehen davon.... die Frage, die alles entscheidende Frage ist doch: wer sollte Nutznießer des richterlichen Freiraums sein?

Der Richter selbst, der sein Ego ausleben kann?

Die Straftäter, die auf diese Weise in die komfortable Situation kommen, tun und lassen zu können, was sie wollen, ohne mit ernsthaften Konsequenzen rechnen zu müssen?

Der Rest der Welt, die noch mehr Möglichkeiten bekommen, auf unsere Kosten zu leben?

Oder unsere Gesellschaft, verkörpert durch die Staatsbürger?

Wenn wir uns einig sind, dass Richter einen Freiraum haben, dann ist die einzig sinnvolle Frage: wer soll der Nutznießer sein?

Und wenn die Antwort ist: unsere Gesellschaft, dann muss ein Richter sehr wohl ein Augenmerk haben auf die "Sichtweise des Volkes".

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Kommunismus mordet.
Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

22.08.2018 11:46
#10 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #9
Richterrecht - wie überhaupt jeder Freiraum eines Richters bei Urteil und Strafmaß - sollte nachvollziehbare und gesellschaftlich nützliche Grundlagen haben.

Nachvollziehbar auf jeden Fall. Andere Kriterien sollten auch erfüllt sein, die hatte ich schon genannt.

Aber "gesellschaftlich nützlich"? Das gruselt es mich ja noch mehr als beim vermuteten "Rechtsempfinden der Bevölkerung".
Es geht bei jedem Gerichtsverfahren letztlich um die Wahrung von Bürger- und Menschenrechten. Insbesondere in der Abwägung mit den Rechten anderer Menschen.
Aber ob die "Gesellschaft" (there is no such thing as society) Nutzen hat ist kein Kriterium (und das kann der Richter in der Regel auch nicht beurteilen).

Ich will jetzt hier nicht den Godwin rausholen, aber daß Gerichtsurteile auf den Nutzen für Volk oder Gesellschaft Rücksicht zu nehmen haben war gerade in den braunen und roten Unrechtsstaaten Maßgabe.

Zitat
Wenn ein Richter permanent Urteile fällt, die a) grundsätzlich abweichend vom Rest des Richterrechts sind und b) permanent von der nächsten Instanz einkassiert werden, dann würde sich schon die Frage stellen, was das soll.


Korrekt. Ich glaube auch, daß solche (meßbaren) Kriterien für die Karrierechancen von Richtern berücksichtigt werden. Das einzelne Urteil bleibt trotzdem gültig bzw. da muß dann die nächste Instanz reparieren.

Zitat
wer sollte Nutznießer des richterlichen Freiraums sein?


Die Qualität des Urteils. Indem es innerhalb des Spielraums angemessen ist. Wenn z. B. im Strafrecht für Körperverletzung eine gewisse Bandbreite beim Strafmaß im Gesetz steht, dann wäre es unangemessen, wenn der Richter für eine Bagatelle das höchstmögliche oder für eine speziell grausame Tat das niedrigstmögliche Strafmaß verteilt.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

22.08.2018 12:02
#11 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #10

Aber "gesellschaftlich nützlich"? Das gruselt es mich ja noch mehr als beim vermuteten "Rechtsempfinden der Bevölkerung".
Es geht bei jedem Gerichtsverfahren letztlich um die Wahrung von Bürger- und Menschenrechten. Insbesondere in der Abwägung mit den Rechten anderer Menschen.
Aber ob die "Gesellschaft" (there is no such thing as society) Nutzen hat ist kein Kriterium (und das kann der Richter in der Regel auch nicht beurteilen).

Ich will jetzt hier nicht den Godwin rausholen, aber daß Gerichtsurteile auf den Nutzen für Volk oder Gesellschaft Rücksicht zu nehmen haben war gerade in den braunen und roten Unrechtsstaaten Maßgabe.


Wenn ich etwas aus der Dieselaffäre gelernt habe, dann das, dass Richter über die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen entscheiden. Das ist nichts anderes als eine Risiko/Nutzen-Abwägung. Dies scheint mir also Teil des richterlichen Handwerks zu sein. Warum sollte das hier nicht gelten?

Gruß, Martin

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.260

22.08.2018 13:52
#12 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Werter R.A., ich versuche ja, Sie zu verstehen, wirklich. Aber Ihre Aussagen sind so substanzlos. Qualität des Urteils? Was zum Henker soll das sein? Sprachliche Eleganz? Zustimmung von Merkel?

Es gibt keine abstrakte Rechtsprechung - zum Beispiel im Gegensatz zur Geschichtswissenschaft oder Philosophie. Während man bei letzteren wenigstens versuchen kann, abstrakt zu bleiben, geht das in der Rechtspraxis nicht. Deswegen gibt es abseits von Widerspruchsfreiheit und Wiederholbarkeit auch keine "Qualität des Urteils".
Mal abgesehen davon, dass im Richterrecht keineswegs tätsächlich die "goldene Mitte" angestrebt wird (GANZ IM GEGENTEIL) - selbst, wenn es so wäre, wäre das keine "Qualität", sondern auch nur wieder ein Werturteil. Das ist doch nicht schwer zu verstehen.

Jeder Freiraum hat ZWINGEND einen Nutznießer (wenn man zufallsgenerierte Urteile ausschließt).

Wer soll ihrer Meinung nach der Nutznießer sein? Sie winden sich, geben aber keine Antwort. Auch Rapsack hat das weiter oben schon angesprochen bei der Frage, wie die Interessen von "Jedermann" zu den Interessen der deutschen Staatsbürger zu gewichten sind.
Hat ein afrikanischer Vergewaltiger und Massenmörder Anrecht auf Verköstigung und Vorzugsbehandlung mit dem Hinweis, diesem Monster würde eventuell in seinem Heimatland die Todesstrafe drohen?
Und jetzt werfen Sie mir bitte nicht vor, ich wollte Stimmung machen, denn exakt über solche - aus meiner Sicht - absurden Fälle wird doch zur Zeit ernsthaft diskutiert.

Hat nun der deutsche Staatsbürger Vorrang, der denkt "Soll er doch zu Hause abgemurkst werden, was juckt mich das hier in Deutschland....:" Oder hat der Täter Vorrang mit dem Hinweis, bei einer Abschiebung würde sich Deutschland "mit schuldig machen" (denn ohne Abschiebung wäre es nicht zum Todesurteil gekommen)?

Der einzig berechtigte Einwand ist, WIE man denn das "Rechtsempfinden der Gesellschaft" feststellen will. Aber darüber haben wir bis jetzt nicht gesprochen, da Sie ja prinzipiell in Abrede gestellt haben, dass das Rechtsverständnis der deutschen Staatsbürger in irgendeiner Weise in der Rechtspraxis eine Rolle spielen dürfe.

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Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

22.08.2018 15:01
#13 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #12
Hat ein afrikanischer Vergewaltiger und Massenmörder Anrecht auf Verköstigung und Vorzugsbehandlung mit dem Hinweis, diesem Monster würde eventuell in seinem Heimatland die Todesstrafe drohen?
Und jetzt werfen Sie mir bitte nicht vor, ich wollte Stimmung machen, denn exakt über solche - aus meiner Sicht - absurden Fälle wird doch zur Zeit ernsthaft diskutiert.


Es kommt ja hinzu, dass ich den Eindruck habe, dass die Verhandlungen den Charakter von Erpressung haben. Richter können eine Bedrohungslage nicht mit großer Sicherheit feststellen, eine solche kann aber von den Anwälten schon fast beliebig konstruiert werden. Dann werden Garantien aus Ländern eingefordert, denen man aber die Verlässlichkeit solcher Garantien gleich wieder abspricht. Meines Erachtens eh ein unsinniger Versuch, denn ein deutscher Richter kann von einer ausländischen Gerichtsbarkeit keine künftigen Urteilssprüche einfordern. Dann werden Länder in ihrer Gänze als unsicher eingestuft, obwohl diese groß genug sind um auch sichere Regionen zu haben. Und Sicherheit vor Terroranschlägen gibt es in Deutschland auch nicht mehr.

Sieht man die Kriterien und die Umstände kann der Glaube an den Rechtsstaat verloren gehen, ganz einfach weil die behauptete Bedrohung eher ein Popanz zu sein scheint. Das Ergebnis ist dann kein abgewogenes Urteil, sondern eine Kapitulation. Mein Eindruck.

Gruß, Martin

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

22.08.2018 15:27
#14 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #12
Werter R.A., ich versuche ja, Sie zu verstehen, wirklich.

Das geht mir umgekehrt genauso. Eine Meinungsverschiedenheit ist ja nicht schlimm, das haben wir gerne und häufig. Aber mir ist eben ziemlich rätselhaft, worauf Sie hinauswollen.

Ich kann nicht nachvollziehen, wieso Sie auf "Nutzen" abheben. Das ist m. E. keine sinnvolle Kategorie in einem Justizsystem. Es geht nicht darum, ob ein Urteil dem Angeklagten nutzt oder dem Richter oder dem Hausmeister - sondern ob das Urteil gut und richtig ist. Und mit "gut" meine ich Nachvollziehbarkeit und Angemessenheit.

Zitat
Während man bei letzteren wenigstens versuchen kann, abstrakt zu bleiben, geht das in der Rechtspraxis nicht. Deswegen gibt es abseits von Widerspruchsfreiheit und Wiederholbarkeit auch keine "Qualität des Urteils".


Auch hier kann ich nicht folgen. Selbstverständlich ist die Rechtspraxis nicht abstrakt. Aber das heißt doch nicht, daß man nicht über Qualität reden könnte. Im Gegenteil ist Qualität doch in erster Linie eine Eigenschaft konkreter Sachen, nicht von Abstrakta.

Zitat
Mal abgesehen davon, dass im Richterrecht keineswegs tätsächlich die "goldene Mitte" angestrebt wird


Das habe ich auch überhaupt nicht behauptet. Es geht um die Angemessenheit: Kleine Delikte bekommen kleine Strafen, große Delikte große Strafen, und dazwischen sollte es möglichst proportional zugehen.

Zitat
Hat ein afrikanischer Vergewaltiger und Massenmörder Anrecht auf Verköstigung und Vorzugsbehandlung mit dem Hinweis, diesem Monster würde eventuell in seinem Heimatland die Todesstrafe drohen?


Ich habe das nicht behauptet und sehe auch keinen Zusammenhang mit dieser Diskussion.

Zitat
Hat nun der deutsche Staatsbürger Vorrang, ...
Oder hat der Täter Vorrang mit dem Hinweis, ...


Weder noch. Ich halte eine solche Abwägung für absurd.
Bei einem Urteil spielt die Schwere der Tat und die Tatumstände etc. eine Rolle - aber weder die persönlichen Interessen der Beteiligten noch gar die von unbeteiligten abstrakten Dritten.

Florian Offline



Beiträge: 3.136

22.08.2018 15:34
#15 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #12
Jeder Freiraum hat ZWINGEND einen Nutznießer (wenn man zufallsgenerierte Urteile ausschließt).
Wer soll ihrer Meinung nach der Nutznießer sein?


Diese Fragestellung erscheint mir ehrlich gesagt recht seltsam.

Erstens einmal: Es gibt ja nicht den einen Freiraum, den eine monolithische deutsche Richterschaft nutzen würde, um genau einer Nutzergruppe Vorteile zu verschaffen.

Zweitens: Schon gar nicht gibt es "die" deutsche Gesellschaft, die irgendwelche gleichlautenden Interessen haben könnte.
Es gibt in dieser Gesellschaft z.B. Mieter und Vermieter - deren Interessen bei Mietrechtsentscheidungen sind gegensätzlich. Wie sollte da ein Richter feststellen, wie ein Urteil zum Nutzen "der deutschen Gesellschaft" aussehen soll?
Selbst der einzelne deutsche Staatsbürger hat keine einheitlichen Interessen. Mal ist Herr Müller vor Gericht als Mieter. Ein anderes Mal ist der gleiche Herr Müller vor Gericht als Vermieter. Im einen Fall profitiert er von der mieterfreundlichen Rechtspraxis, das andere Mal leidet er darunter.

Drittens: Die Vorstellung, man könnte oder sollte die deutsche Richterschaft zu einem Bias in eine bestimmte Richtung verpflichten ist ohnehin unrealistisch.
FALLS es gesellschaftlicher Konsens oder Mehrheitsmeinung sein sollte, dass Gerichtsentscheidungen in eine bestimmte Richtung tendieren sollen, dann wäre der richtige und einfache Weg, entsprechend die Gesetze anzupassen oder zu konkretisieren.
Es ist aber recht billig, wenn man vage formulierte Gesetze hat, den Richtern vorzuwerfen, dass sie den dadurch sehr großen Beurteilungsspielraum nicht "richtig" im Sinne "der" Gesellschaft nutzen.
Dass die Gesetze so vage sind, ist zumindest ein Hinweis darauf, dass es eben gerade KEINEN klaren gesellschaftlichen Konsens gibt, in welche Richtung sie konkretisiert werden sollten.

Yago Offline



Beiträge: 431

22.08.2018 16:54
#16 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #15
Schon gar nicht gibt es "die" deutsche Gesellschaft, die irgendwelche gleichlautenden Interessen haben könnte.




Gleichlautende Interessen der Gesellschaft gibt es: die Befolgung der verinnerlichten Normen, wie Du sollst nicht stehlen. Das dies so ist, wird dadurch belegt, daß die Justiz und Exekutive erheblich eingedampft werden konnten. Mörder werden keine geachteten Mitglieder der Gesellschaft, stehlen ist, obwohl es schon immer Diebe und Roßtäuscher gab, nicht der Normalzustand. Auch in diesem Video, wo in Sachsen Polizisten verhauen wurden, beweist, daß unser Zusammenleben auf verinnerlichten Normen beruht, auch dann, wenn es gilt, sich zu wehren. Je weiter östlich oder südlich man kommt, um so mehr verändern sich die Normen.

Heute ist kriminell zu sein eine Eintrittskarte für den Weg nach oben, Clankriminalität Respekt und langfristig Einkommen bringend und, wenn man Mörder in Afrika oder Afg war, ein fremdfinanziertes Leben in Deutschland sichernd. Robustes Verhalten ist erfolgreicher als Bildung und Arbeit.

Der einfache Bürger fragt sich nun, warum er sich an die Regeln halten soll, wenn er mit seinem Einkommen diese Entwicklung finanziert. Und er wird immer mehr aufrechnen, was die anderen tun bzw. getan haben. Das Unrechtsbewußtsein wird sich so verändern. Insofern hat die Justiz sehr wohl eine Richtungsentscheidung vorzunehmen - im Interesse der Gesellschaft.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

22.08.2018 17:56
#17 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von Yago im Beitrag #16
Zitat von Florian im Beitrag #15
Schon gar nicht gibt es "die" deutsche Gesellschaft, die irgendwelche gleichlautenden Interessen haben könnte.


Der einfache Bürger fragt sich nun, warum er sich an die Regeln halten soll, wenn er mit seinem Einkommen diese Entwicklung finanziert. Und er wird immer mehr aufrechnen, was die anderen tun bzw. getan haben. Das Unrechtsbewußtsein wird sich so verändern. Insofern hat die Justiz sehr wohl eine Richtungsentscheidung vorzunehmen - im Interesse der Gesellschaft.


Das gerade nicht. Ich fürchte eine politische Justiz deutlich mehr als eine unpolitische Politik. Der Einfluß der Gesellschaft ist aus meiner Sicht ein indirekter, aber in einem funktionierenden rechtsstaatlichen, repräsentativ-demokratischen System würde Bevölkerung (also der Wähler) durch seine Stimme für bestimmte politische Parteien Mehrheiten beschaffen, die idealtypischerweise bereits im Wahlkampf deutlich machen, was sie wollen und wofür sie stehen. Diese Wahlen und die resultierenden Mehrheitsverhältnisse fließen dann in Gesetzgebungsverfahren ein, an die Richter gehalten sind, sich eben danach zu richten. Die "Ermessensspielräume" sind mMn dabei das kleinste Problem.

Natürlich leben wir nicht in einem solchen idealtypischen Staat (v. a. die Medien haben hier mMn einen stark verzerrenden Einfluß auf Meinungsbildung und Politik), aber die groben Trends dürften dennoch wie beschrieben verlaufen. Zu einem guten Teil haben wir heute Gesetze, die einem linksliberalen Trend der vergangenen Jahrzehnte folgen, und insbesondere den erzieherischen und resozialisierenden Gedanken im Strafrecht in den Vordergrund stellen, für den es ja eben auch politische Mehrheiten gegeben hat. Sei es Rotgrün oder auch die sozialliberalen Koalitionen. Und natürlich die Merkel-Ära. Das haben sich ja nicht die Richter ausgedacht. Hart formuliert: jedes Volk hat die Regierung, die es verdient und somit auch die Gesetze und die Rechtsprechung, die es verdient. Auf keinen Fall aber ist es Aufgabe von Justiz, hier lenkend oder korrigierend einzugreifen.

Im übrigen denke ich, daß auch hier, nicht zuletzt aufgrund indirekter Wirkungen der AfD, langfristig ein Pendel zurückschwingen könnte, aber für erkennbare Wirkungen auf Gesetzgebung und Rechtssprechung wird es dann wohl so 20 bis 40 Jahre dauern

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

22.08.2018 18:19
#18 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von Llarian im Blogbeitrag
Zum zweiten, ein guter Teil des heutigen "Rechtes", gerade in Bezug auf Abschiebe- und Zuwanderungspraxis findet sich gar nicht im Gesetz wieder. Dieses Recht wurde geschaffen. Und zwar von Richtern. Das man niemanden nach Tunesien abschieben darf, weil ihm dort Folter droht, steht nicht im Gesetz. Es wird von Richtern aus Artikel eins, bzw. aus der Erklärung der Menschenrechte hergeleitet. Und



Das ist so nicht korrekt. Natürlich gibt es kein diesbezügliches Gesetz, aber die Richter haben, durch den politischen Widerwillen, die Maghrebstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären (zuletzt im letzten Jahr im Nachgang des Berliner Anschlags) das Recht und wohl auch die Pflicht, hier zu einer Einschätzung im Einzelfall zu gelangen. Ob Richter hier überhaupt die nötigen Informationen zur Verfügung haben, kann man natürlich bezweifeln, aber auch hier folgt die Justiz lediglich den politischen Vorgaben. Wäre Sami aus der Schweiz, hätte der Richter diesen Entscheidungsspielraum nicht gehabt. Es ist kein von Richtern geschaffenes Recht.

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Yago Offline



Beiträge: 431

22.08.2018 18:54
#19 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #17
Zitat von Yago im Beitrag #16
Zitat von Florian im Beitrag #15
Schon gar nicht gibt es "die" deutsche Gesellschaft, die irgendwelche gleichlautenden Interessen haben könnte.


Der einfache Bürger fragt sich nun, warum er sich an die Regeln halten soll, wenn er mit seinem Einkommen diese Entwicklung finanziert. Und er wird immer mehr aufrechnen, was die anderen tun bzw. getan haben. Das Unrechtsbewußtsein wird sich so verändern. Insofern hat die Justiz sehr wohl eine Richtungsentscheidung vorzunehmen - im Interesse der Gesellschaft.


Das gerade nicht. Ich fürchte eine politische Justiz deutlich mehr als eine unpolitische Politik. Der Einfluß der Gesellschaft ist aus meiner Sicht ein indirekter, aber in einem funktionierenden rechtsstaatlichen, repräsentativ-demokratischen System würde Bevölkerung (also der Wähler) durch seine Stimme für bestimmte politische Parteien Mehrheiten beschaffen, die idealtypischerweise bereits im Wahlkampf deutlich machen, was sie wollen und wofür sie stehen. Diese Wahlen und die resultierenden Mehrheitsverhältnisse fließen dann in Gesetzgebungsverfahren ein, an die Richter gehalten sind, sich eben danach zu richten. Die "Ermessensspielräume" sind mMn dabei das kleinste Problem.




Sie haben recht.

Geht es aber so weiter, wie jetzt (diejenigen, welche in der Legislative tätig sind, haben kaum Kontakt zu den Zugewanderten, auch den Rußlanddeutschen damals nicht. Die Integration und Befriedung hat 10 Jahre gedauert für die Leute vor Ort) wird es hier wie in Amsterdam centraal. Das bekommt man nicht zurück gedreht. Die Afd wird es nicht richten. Spätestens mit den Islamparteien im Parlament mit Initiativrechten für Gesetze wird die Entwicklung -ja, wie nennt man das dann?

Martin Offline



Beiträge: 4.129

22.08.2018 18:57
#20 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #18
Das ist so nicht korrekt. Natürlich gibt es kein diesbezügliches Gesetz, aber die Richter haben, durch den politischen Widerwillen, die Maghrebstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären (zuletzt im letzten Jahr im Nachgang des Berliner Anschlags) das Recht und wohl auch die Pflicht, hier zu einer Einschätzung im Einzelfall zu gelangen. Ob Richter hier überhaupt die nötigen Informationen zur Verfügung haben, kann man natürlich bezweifeln, aber auch hier folgt die Justiz lediglich den politischen Vorgaben. Wäre Sami aus der Schweiz, hätte der Richter diesen Entscheidungsspielraum nicht gehabt. Es ist kein von Richtern geschaffenes Recht.


Das ist aber der Punkt wenn es um die Rolle des Richters geht. Er spricht Recht im Namen des Volkes, und als Teil des Volkes erwarte ich, dass der Richter nicht vorschnell Informationen akzeptiert, die einer Abschiebung entgegenstehen. Es ist seine Abwägung auch Aussagen deutscher Behörden als nicht glaubhaft oder plausibel zu hinterfragen. Es ist der verantwortliche Richter, der überzeugt werden muss, und da mag es sein, dass Richter geben Informationen gerne akzeptieren, die in ihre politische Überzeugung passen. Er spricht dann nicht 'im Namen des Volkes' Recht.

Ein CEO eines Unternehmens, der nicht alle Mittel ausschöpft, ein Unternehmen vor Schaden zu schützen bleibt nicht lange CEO, muss sogar mit Klagen der Anleger rechnen. Richter haben da im Vergleich Narrenfreiheit.

Nehmen wir Abschiebungen nach Syrien: Es gab während des ganzen Bürgerkriegs viele relativ sichere Gebiete, auch die Alternative von dort vorübergehend in den Libanon auszuweichen, ein Zustand der viele Syrer betraf. Auch die Aussicht zum Militär eingezogen zu werden kann kein Hindernis sein, und wenn ein Asylantrag abgewiesen ist, dann gibt es auch keine politische Verfolgung.

Gruß, Martin

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

22.08.2018 20:06
#21 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #20
Zitat von Doeding im Beitrag #18
Das ist so nicht korrekt. Natürlich gibt es kein diesbezügliches Gesetz, aber die Richter haben, durch den politischen Widerwillen, die Maghrebstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären (zuletzt im letzten Jahr im Nachgang des Berliner Anschlags) das Recht und wohl auch die Pflicht, hier zu einer Einschätzung im Einzelfall zu gelangen. Ob Richter hier überhaupt die nötigen Informationen zur Verfügung haben, kann man natürlich bezweifeln, aber auch hier folgt die Justiz lediglich den politischen Vorgaben. Wäre Sami aus der Schweiz, hätte der Richter diesen Entscheidungsspielraum nicht gehabt. Es ist kein von Richtern geschaffenes Recht.


Das ist aber der Punkt wenn es um die Rolle des Richters geht. Er spricht Recht im Namen des Volkes, und als Teil des Volkes erwarte ich, dass der Richter nicht vorschnell Informationen akzeptiert, die einer Abschiebung entgegenstehen. Es ist seine Abwägung auch Aussagen deutscher Behörden als nicht glaubhaft oder plausibel zu hinterfragen. Es ist der verantwortliche Richter, der überzeugt werden muss, und da mag es sein, dass Richter geben Informationen gerne akzeptieren, die in ihre politische Überzeugung passen. Er spricht dann nicht 'im Namen des Volkes' Recht.


Ich weiß jetzt nicht im Detail viel über die Hintergründe dieses konkreten Falles. Aber generell sehe ich es so, daß "im Namen des Volkes" nicht synonym zu "mit Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung" zu sehen ist. Damals als der Mörder Magnus Gäfgen entschädigt wurde, weil ihm durch einen Ermittler Folter angedroht worden ist, habe ich diesen schwierigen Teil des Rechtsstaates wirklich verstanden. Mit Sicherheit sieht das aber nur ein verschwindend kleiner Teil der Bevölkerung so. Man kann eines großen Verbrechens schuldig sein und zugleich Opfer eines kleineren Verbrechens werden, dennoch ist beides nicht gegeneinander aufzurechnen; beide Taten gehören unabhängig voneinander verhandelt, und der Mörder gehörte in diesem Sinne entschädigt.

Zitat
Ein CEO eines Unternehmens, der nicht alle Mittel ausschöpft, ein Unternehmen vor Schaden zu schützen bleibt nicht lange CEO, muss sogar mit Klagen der Anleger rechnen. Richter haben da im Vergleich Narrenfreiheit.



Das ist einerseits wahr. Diese Narrenfreiheit nennt man andererseits aber auch Unabhängigkeit der Justiz und ist konstituierender Bestandteil eines Rechtsstaates. Ich sehe Ihren Punkt durchaus. Aber ich glaube, das ist gewissermaßen der Preis, den man für einen Rechtsstaat zahlen muß.

Zitat
Nehmen wir Abschiebungen nach Syrien: Es gab während des ganzen Bürgerkriegs viele relativ sichere Gebiete, auch die Alternative von dort vorübergehend in den Libanon auszuweichen, ein Zustand der viele Syrer betraf. Auch die Aussicht zum Militär eingezogen zu werden kann kein Hindernis sein, und wenn ein Asylantrag abgewiesen ist, dann gibt es auch keine politische Verfolgung.



...wenn es eben nicht die Möglichkeit gäbe, Rechtsmittel gegen die Asylentscheidung einzulegen. ich denke, dieses Spiel kann man ewig spielen. Man muß sich entscheiden, in was für einem Staat man leben will; welche Widerspruchsmöglichkeiten man zulassen oder abschaffen, welche Rechtsmittel auf wie vielen Instanzen man zulassen will usw. Aber das kann man nur prinzipiell entscheiden und nicht reduziert aufs Asylrecht. Da wäre mir sogar als Laien klar, daß das gegen die Verfassung, gegen dieses alles in allem ziemlich großartige Grundgesetz, verstieße. Was ich damit sagen will: die Legislative ist in diesem Punkt gefragt, nicht die Judikative.

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Martin Offline



Beiträge: 4.129

22.08.2018 20:33
#22 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #21


Ich weiß jetzt nicht im Detail viel über die Hintergründe dieses konkreten Falles. Aber generell sehe ich es so, daß "im Namen des Volkes" nicht synonym zu "mit Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung" zu sehen ist.
Eben das meinte ich nicht. Das Volk kann aber erwarten, dass ein Richter Informationen auf die er sein Urteil stützt auf ihre Qualität prüft. Das ist nichts anderes wie beim Umgang mit Gutachten vor Gericht.

Zitat
Damals als der Mörder Magnus Gäfgen entschädigt wurde, weil ihm durch einen Ermittler Folter angedroht worden ist, habe ich diesen schwierigen Teil des Rechtsstaates wirklich verstanden.

Die Systematik war ja hier stimmig.

Zitat
Diese Narrenfreiheit nennt man andererseits aber auch Unabhängigkeit der Justiz und ..



Nichts gegen Unabhängigkeit, diese schließt aber Sorgfaltspflicht nicht aus.

Zitat
...wenn es eben nicht die Möglichkeit gäbe, Rechtsmittel gegen die Asylentscheidung einzulegen.

Die Rechtsmittel wollte ich an dieser Stelle noch gar nicht in Frage stellen, ich stelle nur die vorgebrachten sachlichen Gründe in Frage, die ich immer wieder bei solchen Urteilen lese. Beispielsweise muss sich der an den Rechtsstaat glaubende Bürger an der Nase herumgeführt fühlen, wenn nicht abschiebbare Syrer in das nächste Flugzeug nach Damaskus steigen um dort ein paar Wochen zu verbringen.

Gruß, Martin

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

23.08.2018 15:16
#23 RE: Der Rechtsstaat und der Mob: Etwas Hintergrundinformationen Antworten

Zitat von Rapsack im Beitrag #7
Im Strafrecht und grundsätzlich im Verhältnis Staat/Bürger, war solches bisher nicht denkbar. Hier galt sehr restriktiv: Staatliches Handeln ist ohne konkrete Gesetzesgrundlage nicht verfassungskonform! Es galt ein Analogie-Verbot und Gesetze müssen grundsätzlich restriktiv zu Lasten des Staates ausgelegt werden. Nun stellte sich in der Vergangenheit das Problem, (warum spielt an diesem Punkt keine Rolle) es gab eine Situation, wo sich die Exekutive einer Situation gegenüber sah, dass sie schnell handeln müsse und definierte sich ein "Not"- Recht.

Hier wird so argumentiert, dass aus Gründen der Menschenrechte stattliches Handeln ohne oder je nach Lesart gegen geltende Gesetze die Exekutive handeln müsse und auch gerechtfertigt wäre.

Zur Erinnerung: im Verhältnis zwischen Bürger und Staat sollen die Gesetze mehr zu Gunsten des Bürgers ausgelegt werden. So der Grundgedanke! Hier stellt sich die Frage entscheidend anders:

Gilt dieser Grundsatz nur für Bürger oder auch immer im Verhältnis konkreter Mensch/Staat?!!!



Und hier wird es dann unverständlich:

Momentan scheint Mehrheitsmeinung der Gerichte zu sein, dieser Auslegungsgrundsatz gilt für jederman auf dem Staatsgebiet Deutschlands. Also auch für "Fremde".

Würde es sich tatsächlich nur um ein Verhältnis betroffener Mensch zum Staat handeln, würde es sich nicht so merkbar als Problem abzeichen. Aber die Bürger fühlen sich und sind auch mitbetroffen. Diese restriktive Auslegung gegen den Staat, die vormals als Schutz der Bürger gedacht war, wirkt sich nun zu Lasten der Bürger aus. Sie finanzieren diese Entscheidungen usw.. Hier werden ganz objektiv Entscheidnungen zu Lasten der Bürger getroffen. Sie werden schutzlos gestellt, der eigentliche Grundsatz pervertiert seine Richtung.

Sie betrachten die Situation als eine Problematik zwischen Bürgerrechten und Menschenrechten, also Rechten, die auch Ausländer genießen. Das Recht des Ausländers konkurriere mit Rechten der Bürger und so würden letztlich --mit der Angleichung von Menschenrechte an Bürgerrechte-- die Bürgerrechte abgeschafft.

Die Situation stellt sich aber anders dar. Die klassischen Grundrechte, die tatsächlich Abwehrrechte gegen den Staat sind, führen nicht zu einer Konkurrenzsituation. Sie werden nicht vom Staat gewährt, sondern sind der menschlichen Existenz inhärent, so daß der Staat nur sie respektieren oder unterdrücken kann. Es kann daher kein zuviel an Meinungsfreiheit geben (auch wenn UvdL das Gegenteil behauptete).

Bestes Beispiel ist das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Ohne staatliche Gewalt gibt es keine Instanz, die jemanden an seiner Meinungsäußerung hindern kann. Man hätte zwar durchaus die zwischenmenschlichen Folgen anstößiger Meinungsäußerungen zu tragen, aber es gäbe keinen Staat, der Zusammenkünfte oder die Herstellung und Verbreitung von Medien mit einer Meinungsäußerung unterbindet. Gleichzeitig gibt es keine Konkurrenz in der Ausübung der Meinungsfreiheit: Wer seine Meinung öffentlich oder durch Medien äußert, hindert andere nicht daran, dasselbe zu tun (Niederbrüllen oder mit Trillerpfeifen übertönen ist hierbei keine Meinungsäußerung, sondern eine Gewaltanwendung, die je nach Lautstärke sogar körperlich schaden kann).
Dasselbe gilt sogar für das Grundrecht der Eigentumsfreiheit, obwohl dort Konkurrenz am ehesten zu erwarten wäre. Sind die Eigentumsrechte aber sauber definiert und werden nur zum eigenen Nutzen ausgeübt (also nicht schikanös), dann beeinträchtigt meine Eigentumsnutzung nicht diejenige meines Nächsten.

Heute haben wir aber Grundrechte, die tatsächlich gewährt werden. Recht auf Arbeit, Urlaub und Sozialhilfe sind solche Rechte. Ohne Staat gäbe es keine Sozialhilfe, also auch kein Recht darauf. Es braucht die staatliche Gewalt, um die Finanzierungsseite der Sozialhilfe entgegen dem inhärenten Eigentumsrecht durchzusetzen. Hier liegt der Grund für die Konkurrenz zwischen inhärenten Menschenrechten und erfundenen Menschenrechten, wie das auf Transfers nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die Sie beschrieben haben.

Dieser Grund wurde tatsächlich durch Richterrecht geschaffen. Es war dem BVerfG durchaus möglich, die Grundrechte als reine Abwehrrechte (öffentliches Recht) gegenüber dem Staat zu verstehen. Man entschied sich aber, die Grundrechte auch als Forderungsrechte auszulegen. So wird heute der Begriff "sozialer Rechtsstaat" in Art. 20 und 28 GG nicht in dem Sinne ausgelegt, daß ein Rechtsstaat sozial zu sein hat, indem er Streitigkeiten schlichtet und gewaltsame Verteilungskämpfe zwischen Gruppen unterbindet. Der NS-Staat oder die DDR hatten keinen insofern keinen sozialen (Un)Rechtsstaat, weil ihr Rechtsprechungssystem ideologisch begründet auf die Umverteilung von einer Gruppe zur anderen ausgelegt war.

Man legt im Gegenteil den "sozialen Rechtsstaat" so aus, daß es ein Sozialsystem geben müsse, das das Eigentumsrecht einschränkt. Diese Richterentscheidung folgt durchaus dem "gesunden Volksempfinden". Es sind selbst in der FDP nur wenige, die den Sozialstaat kritisch sehen. Fast alle Deutschen befürworten ihn. Also müssen sie mit den Konsequenzen leben, d.h. mit dem gewaltsamen Verteilungskampf, der durch einen Rechtsstaat nicht unterbunden sondern kanalisiert wird. Die Entscheidung zwischen AfD und Grü ist im Grunde nur die Entscheidung, auf welcher Seite man in diesem Verteilungskampf als "Biodeutscher" stehen will, als Zahler oder Empfänger.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

23.08.2018 15:44
#24 RE: Der Rechtsstaat und der Mob Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #22
Zitat von Doeding im Beitrag #21


Ich weiß jetzt nicht im Detail viel über die Hintergründe dieses konkreten Falles. Aber generell sehe ich es so, daß "im Namen des Volkes" nicht synonym zu "mit Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung" zu sehen ist.
Eben das meinte ich nicht. Das Volk kann aber erwarten, dass ein Richter Informationen auf die er sein Urteil stützt auf ihre Qualität prüft. Das ist nichts anderes wie beim Umgang mit Gutachten vor Gericht.

Früher hieß es nicht "im Namen des Volkes" sondern "im Namen des Königs/Herzogs", welcher alleiniger Gerichtsherr war. "Im Namen des Volkes" ist also nur eine historische Floskel und heißt nichts.
Die mittelalterlichen Monarchen stützten ihre Urteile u.a. auf Reinigungs- und Übersiebnungseide. Wie fundiert solche Urteile waren, konnte ihnen ziemliche egal sein, da die Prozesse nur zwischen Untertanen ausgetragen worden waren. Wer weniger Macht hatte, sich gegen ein Urteil mit anderen zusammenzurotten, den konnte der Monarch eher verurteilen. Die Staatskasse war da nicht involviert.

Zitat von Martin im Beitrag #22
Nichts gegen Unabhängigkeit, diese schließt aber Sorgfaltspflicht nicht aus.
Wer als Privatpartei im Zivilprozeß ein schlampiges Urteil erleidet, wird ja die nächste Instanz wählen und dort Erfolg haben, wenn er sorgfältig die Schlampigkeit zeigen kann. Genau dafür gibt es ja Revision und Berufung, nämlich weil auch Richter irren können.
Das gilt auch im Verwaltungs- oder Strafprozeß. Nur haben die vor Gericht agierenden Behördenmitarbeiter wenig Anreiz, wenn sie die Belastung der Schlampigkeit einfach an den Bürger abwälzen können. Manchmal (Dieselaffäre) wollen die Behörden auch verlieren, und so neue erwünschte Maßnahmen gegen den Bürger politisch zu rechtfertigen. Das hat eher was mit der Frage zu tun, wie man (Eigentums)Rechte gestaltet.

Rapsack Offline



Beiträge: 169

23.08.2018 16:00
#25 RE: Der Rechtsstaat und der Mob: Etwas Hintergrundinformationen Antworten

Ich stimme Ihnen voll und ganz zu.

Mir ginges mehr um den Mechanismus. Um meinen Punkt noch etwas mehr zu verdeutlichen. Menschenrechte wie auch Grundrechte sind in der Regel so aus zu legen, dass sie im Zweifel gegen die staatliche Position auszulegen sind, also Menschen oder Bürger freundlich. Das gilt für beide "Arten". Das ist in der Rechtswissenschaft, soweit ich mich erinnern kann, unbestritten. Was sie anführen gilt immer im Verhältnis Staat Bürger oder Mensch. Der jetzige Fall liegt etwas anders.

Was kaum bisher vor kam und wenn nur ganz am Rande, waren Fälle wo Menschenrechte mit Bürgerrechten kollidierten und zwar (das ist bedeutend) nur mittelbar, denn es wird nicht der Fall entschieden Bürger gegen Mensch sondern Staat gegen Mensch.

Daher gibt es hierzu fast keine Stellungnahme der höchsten Gerichte. Die Fälle kamen einfach so nicht vor. Der Schaden der den Bürger entstand, war nicht relevant groß.

Daher erkennen wir auch jetzt erst eine relevante Regelungslücke.

Diese Lück muß jetzt geschlossen werden. Wahrscheinlich schließt die Lücke die Rechtsprechung, dann aber nach politischen Sichtweisen der jeweiligen Richter. (ganz schlecht)
Momentan würde ich annehmen, die "Menschenrechte" gehen vor den Bürgerrechten. So wie es im grunde schon in den unteren Instanzen gehandhabt wird, was zu den bekannten Problemen führt. Die Richter haben diese Kollision aber nicht thematisiert, da sie sich des Problems wirklich bewußt zu sein scheinen. Aber das kommt mit Sicherheit.

Hier wären die Gerichte gefordert eine "Nichtentscheidung" zu fällen und offen die Politik zu veranlassen diese Regelungslücke zuschließen.

Wie man politisch mit dieser Regelungslücke umgehen sollte, dazu ist hier schon viel geschrieben. Alles extrem gute Gedanken.

Mir ging im Grunde nur darum zu zeigen: Es ist eine neue Frage. Diese Kollision der Rechte gab es noch nicht und ist auch deswegen nicht entschieden. Es ist zwingend eine politische Frage, nicht rechtlich im eigentlichen Sinne, und unser Rechtssystem sieht vor, dass hier die Richter nicht die Lücke schließen dürfen, auch wenn es für eine kurze Zeit ungereglt bleibt. (Das folgt schon aus den bisherigen und unangetasteten Auslegungsgrundsätzen.)

Daher sah ich meinen Beitrag auch mehr ergänzend, ohne in die politische Frage mit einzusteigen.

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