Zitat von Florian im Beitrag #92Der große Gewinner bei der Wahl war übrigens auch nicht die grüne Fraktion (+17 Sitze), sondern die liberale Fraktion (+40 Sitze). Die liberale ALDE-Fraktion ist übrigens mit neu 109 Sitzen auch deutlich stärker als die grüne Fraktion (69 Sitze).
Aber ist das nicht nahezu ausschließlich auf die merkwürdige Idee zurückzuführen, dass Macrons "Bewegung" zur liberalen Fraktion zählt? Es ist mir nicht erinnerlich, dass Macron auch nur jemals einen halbwegs liberalen Standpunkt vertreten hätte. Naja, "liberal" im US-Sinne vielleicht.
Zitat von tekstballonnetje im Beitrag #99Vielleicht war es aus Sicht der CDU auch einfach nicht die beste Idee, auf einen eigenen Spitzenkandidaten zu verzichten.
Ich würde das +1 der CSU hauch eher auf den heimische Spitzenkandidaten schieben als auf politische Unterschiede zur CDU.
Zitat von hubersn im Beitrag #101Aber ist das nicht nahezu ausschließlich auf die merkwürdige Idee zurückzuführen, dass Macrons "Bewegung" zur liberalen Fraktion zählt?
Nein. Modem hat einen Zuwachs von 14 Sitzen beigesteuert. Da ist schon etwas, aber insgesamt verteilen sich die 40 zusätzlichen liberalen Mandate auf relativ viele EU-Staaten. Während der grüne Hype fast nur ein deutsches Phänomen ist. Ansonsten haben die Grünen in Europa nur in GB nennenswert Mandate dazu gewonnen - und das ist eine reine Brexit-Folge.
Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #102Ich würde das +1 der CSU hauch eher auf den heimische Spitzenkandidaten schieben als auf politische Unterschiede zur CDU.
Der Zugewinn der CSU ist ein erstaunlicher Erfolg und kontrastiert heftigst mit den Verlusten der CDU (die ja größer sind, als die übliche Darstellung zeigt, bei der CDU und CSU zusammengerechnet werden).
Und das hat viel mit inhaltlichen Unterschieden zu tun und wohl auch etwas mit Zufriedenheit mit der Landesregierung - aber die Spitzenkandidaten haben m. E. bei dieser Wahl nirgends eine größere Rolle gespielt.
Zitat von R.A. im Beitrag #104Und das hat viel mit inhaltlichen Unterschieden zu tun und wohl auch etwas mit Zufriedenheit mit der Landesregierung - aber die Spitzenkandidaten haben m. E. bei dieser Wahl nirgends eine größere Rolle gespielt.
Na, nicht die Spitzenkandidaten. Sondern der Kandidat. Länder wählen Politiker aus ihren Ländern lieber. Timmermans hat so der PVDA in den Niederlanden ab Wahlkampfbeginn zu einem Schub verholfen, Weber der CSU. Webers Effekt endet aber an den bayrischen Landesgrenzen. Timmermanns' an den niederländischen.
Das erklärt den "ernstaunlichen Erfolg" sicher nicht ganz. Aber meiner Ansicht nach sehr viel besser als die Flüchtlings-Politik.
Zitat von vielleichteinlinker im Beitrag #105Länder wählen Politiker aus ihren Ländern lieber.
Das hatte Schulz auch mal gedacht ... Solche Effekte kann es mal geben, gehen aber nicht automatisch. Da muß der Kandidat vor allem bekannt sein und von den Wählern als Repräsentant des jeweiligen Landes angesehen werden. Das war bei Weber m. E. nicht der Fall. Der war immer nur zweite bis dritte Reihe und hat sich auch im Wahlkampf nur mäßig profilieren können. Meine Vermutung ist, daß selbst in Bayern die Mehrheit der Wähler am Sonntag nicht hätte sagen können, wie der Unions-Spitzenkandidat heißt.
Eine Erklärung für die 8% Unterschied zwischen CDU und CSU kann Weber nicht sein.
Zitat Aber meiner Ansicht nach sehr viel besser als die Flüchtlings-Politik.
Nicht nur die Flüchtlingspolitik, aber schon sehr stark. Sieht man auch am AfD-Ergebnis, das ist in Bayern insgesamt und vom Zugewinn deutlich schlechter als im restlichen Deutschland.
Insgesamt ist halt deutlich, daß die CSU ihren Führungswechsel geschafft hat und einen erkennbaren Kurs fährt. Während die CDU einen völlig desolaten Eindruck vermittelt. Das Wahlergebnis spiegelt das wieder und wird in den nächsten Monaten in Berlin auch Folgen haben.
Zitat von R.A. im Beitrag #106Eine Erklärung für die 8% Unterschied zwischen CDU und CSU kann Weber nicht sein.
Dass die CSU in Bayern mehr holt als die CDU in Rest-Deutschland, und zwar etwas in dieser Größenordnung, ist aber noch un-ungewöhnlicher. Was heißt, es ist noch weniger erklärungsbedürftig und das machte den Weber-Effekt als Argument nochmal stärker
Zitat von R.A. im Beitrag #106Nicht nur die Flüchtlingspolitik, aber schon sehr stark. Sieht man auch am AfD-Ergebnis, das ist in Bayern insgesamt und vom Zugewinn deutlich schlechter als im restlichen Deutschland.
Naja, nur deutlich schlechter als in Ostdeutschland. Nimmt man nur die Westländer sticht nur Meuthens BW raus, im Rest of the West steht die AfD zwischen 9,9 und 6,5. Da reiht sich Bayern souverän ins Mittelfeld ein.
Das liegt auch daran, dass die Bayern der AfD 2014 schon mehr als 8% beschert haben. Ein Ergebnis über dem Bundesschnitt, vor der "Flüchtlingskrise". Was man noch stärker als Gegenargument lesen kann, dass die "Flüchtlingspolitik" die CSU so stark gemacht hat.
Eher: Die bayrischen AfD-Wähler wählen die AfD weniger wegen der Flüchtlingspolitik als die restlichen Deutschen. Die Bayern wählen ihre CSU. Da kommen wir zusammen, denn das hat sicherlich mit der Politik zu tun, die die CSU fährt. Aber Flüchtlings-Fragen kann ich da aus keinem Datum rauslesen.
Nachtrag speziell zur Rezeption des grünen Wahlerfolgs in den Medien:
Die Grünen haben in Deutschland in der Tat sehr stark abgeschnitten. Aber eben wirklich nur in Deutschland. Die Tatsache, dass dies kein europaweites Phänomen ist, wird in den Medien aber verdrängt.
Nun, dann machen wir mal den Faktencheck: Es gibt 28 EU-Staaten. Davon haben die Grünen aus 10 Staaten überhaupt keinen Abgeordneten im EU-Parlament, weder 2014 noch 2019. In 9 Staaten hatten sie einen Sitz-Zugewinn. In 3 weiteren Staaten blieb ihr Kontingent unverändert. Und in 6 Staaten haben sie Sitze verloren.
Wenn es nur in 9 von 28 Staaten Zugewinne gab (und in 6 Staaten sogar Verluste), dann ist die Aussage des Spiegel, es habe "fast überall" grüne Wahlgewinne gegeben, schlichter Blödsinn nahe Fake News.
Nun wäre es ja ok, wenn das ein einmaliger Ausrutscher wäre. Aber diese Falschinformation über den europaweiten grünen Durchmarsch zieht sich ziemlich flächendeckend durch die deutschen Medien. Entweder sind die alle zu faul, sich die Zahlen anzuschauen. Oder es ist bewusste Manipulation. Sucht's Euch aus.
Und übrigens:
Vom europaweiten grünen Zugewinn (+17 Sitze) stammen +10 aus Deutschland. Und +5 aus Großbritannien. Nur werden die UK-Sitze nach dem Brexit wieder vakant. Nach dem Brexit ist der gesamte nicht-deutsche Zugewinn der Grünen also gerade mal 2 Sitze. Und um diesen Wert nahe Null machen nun die deutschen Medien einen solchen Bohei?
Irgendwie hat man ohnehin manchmal den Eindruck, die Medien schildern weniger das echte Wahlergebnis. Sondern nehmen das, was sie selbst gerne als Wahlergebnis gehabt hätten, als Basis für ihre Wahlanalyse. Ganz unabhängig von den echten Zahlen. Hier noch ein Beispiel: In seinem Wahlticker (https://www.spiegel.de/politik/ausland/e...-a-1269150.html) schreibt der Spiegel am Wahlsonntag um 18:13 Uhr: "Halten wir fest: Für Union und SPD ist das Ergebnis bei der EU-Wahl ein großer Schock. Auch die CSU hat mit ihrem Einzelergebnis in Bayern laut Prognose mit 39,5 Prozent ihr schlechtestes Europawahlergebnis eingefahren. "
Nun, zu diesem Zeitpunkt gab es vom ZDF noch keine Aufschlüsselung der Unions-Parteien. Sondern nur von der ARD. Und in der ARD lag die CSU in der ersten 18Uhr-Prognose bei 6,0% - satte 0,7% über ihrem Ergebnis von 2014. Die Aussage des Spiegel stützte sich also ganz klar nicht auf Fakten sondern auf Wunschdenken.
Zitat von Noricus im Beitrag #86 Das ist mir aber ein bisschen zu konjektural. Natürlich könnte dasselbe Ergebnis auch durch andere Geschehensabläufe zustande kommen, aber das ist Spekulation ("wohl durchaus").
Das was Du als Argument ausführst ist am Ende aber genauso spekulativ. Du sagst, ohne EU wäre es Dir nicht möglich gewesen, deine Tätigkeit im Ausland auszuüben. Das kannst Du nicht wissen und ist ebenso unsicher.
Konkret und aktuell macht es mir die EU möglich. Alles andere ist Spekulation.
Zitat Diese Vereinbarungen hat CH wohlgemerkt nicht mit Einzelstaaten, sondern mit der EU (bzw. deren Rechtsvorgängern) geschlossen.
Wohl auch deswegen, weil es gar nicht mehr anders geht. Die Schweiz kann ja keine entsprechenden Einzelstaatsverträge mehr mit einem EU Land schließen.
Zitat Dass es diese Abkommen ohne die EU (bzw. deren Rechtsvorgänger) auch gäbe, ist wieder reine Spekulation.
Ist es. Und dennoch sehr wahrscheinlich. Länder existieren ja nicht abseits von Staatenbünden im luftleeren Raum.
Die Motivation der Schweiz, diese Abkommen abzuschließen, lag sicher darin, an dem gemeinsamen Markt/Binnenmarkt der EU teilnehmen zu können. Und die Attraktivität dieses gemeinsamen Marktes/Binnenmarktes ist eine Funktion aus dessen Quantität und dessen Qualität. Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass gewisse Erweiterungsschritte der EU der Qualität des Binnenmarktes nicht unbedingt zuträglich waren.
Zitat In der EU kann die Personenfreizügigkeit nicht gekündigt werden, ohne aus der Union auszutreten. Das sichert diese Grundfreiheit doch ziemlich stark ab.
Und schränkt die politischen Handlungsmöglichkeiten von Einzelstaaten gewaltig ein, respektive setzt Freiheiten des Einen gegen die Interessen der anderen durch.
Zitat Das kann sein, erinnert mich aber an die Argumentation derjenigen, die eine Freiheit ablehnen, weil sie diese selbst nicht in Anspruch nehmen möchten.
Das wäre nur dann ein Problem, wenn wir über Grundrechte sprechen. Hier gehts aber nicht um Grundrechte. Hier gehts darum ob eine demokratische Gesellschaft für sich Regeln aufstellen kann und darf.
Die Grundfreiheiten, die übrigens nicht mit dem Vertrag von Maastricht eingeführt wurden, sondern Kernbestand der EWG sind (Römische Verträge), waren in dieser einst so ökonomisch orientierten EWG tatsächlich als wirtschaftliche Grundrechte gedacht. Nirgendwo ist die EU bürgernäher, weil sie mit den Grundfreiheiten Rechte schafft, die jeder Unionsbürger nutzen kann.
Im politischen Betrieb werden sehr selten Freiheiten des einen gegen Interessen des anderen und viel häufiger Interessen des einen gegen Freiheiten des anderen durchgesetzt. Ich für meinen Teil stelle die Freiheiten des Einzelnen über (angebliche) kollektive Interessen. Das mag bei dem heutigen Ochlokratie-Ideal, das die guten Demokraten immer dann ins Feld führen, wenn ihnen die Argumente ausgehen, nicht besonders applausträchtig sein. Und wenn ich einen Satz wie "Hier gehts darum ob eine demokratische Gesellschaft für sich Regeln aufstellen kann und darf" lese, befürchte ich offen gestanden, dass man damit nicht weit von grüner Bevormundungsunkultur entfernt ist.
Ich kann das Überwiegen der Nachteile der Arbeitnehmerfreizügigkeit für den Einzelnen im Übrigen nicht nachvollziehen. Die im vollbeschäftigten Bayern eingesetzten osteuropäischen Kellner und Supermarktkräfte stellen wirklich kein Problem dar. Freilich sehe ich das durch die Brille meiner Erfahrungen. Aber bei Dir ist das auch nicht anders.
Zitat von Noricus im Beitrag #46Wenn Sie den Text des Links genau lesen, erfahren Sie dies:
Zitat Das sogenannte ÖsterreicherInnen-Kontingent ist grundsätzlich allen Personen vorbehalten, die ihr Reifezeugnis in Österreich erworben haben. Ebenfalls in diese Gruppe fallen diejenigen EU-BürgerInnen, die ein Reifezeugnis besitzen, welches einem in Österreich ausgestellten Reifezeugnis gleichgestellt ist und allen gleichgestellten Personen laut Personengruppenverordnung (PVO).
Nett formuliert, aber gibt es diese gleichgestellten ausländischen Reifezeugnisse überhaupt?
Mit einem bayerischen Abitur ist es offenbar auch für Mathe-Versager*_innen möglich, in Österreich Medizin zu studieren, so sie den nicht nach Nationalität oder Bildungsherkunft differenzierenden Aufnahmetest schaffen, siehe hier.
Am Rande sei bemerkt, dass es zumindest gegen Ende des letzten Jahrtausends für einen durchschnittlich intelligenten und in seiner Schulzeit unglaublich faulen Menschen möglich war, beim Mathe-Abitur in Bayern 12 von 15 Punkten zu ergattern. Ich spreche da aus unmittelbarer Erfahrung. Dass die Reifeprüfungsaufgaben seitdem schwerer geworden wären, glaube ich eher nicht.
Als "MatheversagerIn" wird man/frau sich eher schwer tun beim Aufnahmetest fürs Medizinstudium.
Stimmt. Aber eine Diskrimierung wegen der Staatsbürgerschaft ist es eben nicht, wenn man zum Aufnahmetest zugelassen wird, diesen aber wegen Mathematik-Schwäche nicht besteht.
Zitat von Noricus im Beitrag #87Interessanterweise kenne ich den gegenteiligen Fall, eine junge Österreicherin, die bereits ein paar Mal beim Aufnahmetest in Wien gescheitert ist, in der Zwischenzeit ein anderes naturwissenschaftliches Bachelorstudium mit Auszeichnung bestanden hat, studiert jetzt Medizin in Bayern.
Ich glaube sofort, dass es auch solche Fälle gibt. Die haben aber wieder nichts mit Diskriminierung wegen der Staatsbürgerschaft zu tun. Und bei dieser hat unser Dialog begonnen.
Zitat von Frankenstein im Beitrag #62In dem von mir betreuten Wahlbezirk sterben die treuen roten und schwarzen Stammwähler nach und nach aus ... die CDU lag diesmal beispielsweise nur noch knapp vor BIG (!).
Darf man fragen, wo genau dieser Wahlbezirk ist? Das scheint mir schon ein extrem auffälliges Ergebnis zu sein.
Zitat von Noricus im Beitrag #46Wenn Sie den Text des Links genau lesen, erfahren Sie dies:
Zitat Das sogenannte ÖsterreicherInnen-Kontingent ist grundsätzlich allen Personen vorbehalten, die ihr Reifezeugnis in Österreich erworben haben. Ebenfalls in diese Gruppe fallen diejenigen EU-BürgerInnen, die ein Reifezeugnis besitzen, welches einem in Österreich ausgestellten Reifezeugnis gleichgestellt ist und allen gleichgestellten Personen laut Personengruppenverordnung (PVO).
Nett formuliert, aber gibt es diese gleichgestellten ausländischen Reifezeugnisse überhaupt?
Mit einem bayerischen Abitur ist es offenbar auch für Mathe-Versager*_innen möglich, in Österreich Medizin zu studieren, so sie den nicht nach Nationalität oder Bildungsherkunft differenzierenden Aufnahmetest schaffen, siehe hier.
Am Rande sei bemerkt, dass es zumindest gegen Ende des letzten Jahrtausends für einen durchschnittlich intelligenten und in seiner Schulzeit unglaublich faulen Menschen möglich war, beim Mathe-Abitur in Bayern 12 von 15 Punkten zu ergattern. Ich spreche da aus unmittelbarer Erfahrung. Dass die Reifeprüfungsaufgaben seitdem schwerer geworden wären, glaube ich eher nicht.
Als "MatheversagerIn" wird man/frau sich eher schwer tun beim Aufnahmetest fürs Medizinstudium.
Stimmt. Aber eine Diskrimierung wegen der Staatsbürgerschaft ist es eben nicht, wenn man zum Aufnahmetest zugelassen wird, diesen aber wegen Mathematik-Schwäche nicht besteht.
Wegen der Staatsbürgerschaft wird kein(e) Deutsche(r) von der Teilnahme des Aufnahmetests ausgeschlossen, nur bei gleichem Ergebnis spielt es eine große Rollte in welches Kontingent man/frau fällt. Dann wird nämlich diskriminiert.
Ich hab mir Teile des Videos angeschaut. Irgendwo mittendrin. Begingt, über den Tod zweier Reuters Journalisten zu berichten. Die völlig unschuldig zu Tote kamen. Was er da aus klammert, ist, dass sich die beiden ein Gruppe bewaffneten Aufständischen angeschlossen hatten, die sich auch ein Feuergefecht mit einem US Konvoi lieferten, und die beiden das anscheinend nutzen wollten um besonders actionreiche Fotos zu machen. Wurden später auch auf den Speicherkarten gefunden.
Etwas später zur Veranschaulichung einer kurzer Video Clip des Einschlages einer Hellfirerakete. Nur, das war keine Hellfire. Auch wenn der Videoclip aus dem es kopiert wurde, im Titel Hellfire sagt. Dazu ist das ein eher berüchtigter Clip, der definitiv gestellt ist, weil das Ziel (ein Panzer) anscheinend von unten bis oben mit Sprengstoff voll gepackt war.
Zitat von Noricus im Beitrag #109Die Grundfreiheiten, die übrigens nicht mit dem Vertrag von Maastricht eingeführt wurden, sondern Kernbestand der EWG sind (Römische Verträge), ...
Jein. Wir reden ja hier über die sogenannten "vier Freiheiten": Freier Personenverkehr, freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr, freier Kapitalverkehr. Im Kern waren die schon bei den römischen Verträgen angedacht, vor allem bei Personen und Waren, aber teilweise doch noch sehr rudimentär. Z. B. konnte man zwar (mit Grenzkontrolle) ohne Visum in andere EU-Staaten reisen, dort aber nicht unbedingt arbeiten oder wohnen. Beim Warenverkehr waren die Zölle abgeschafft, nicht aber die nichttarifären Hindernisse. Und bei Dienstleistungen und Kapital gab es sehr viele Restriktionen.
Das heutige Grundfreiheitsbündel wurde letztlich von Thatcher erfunden und durchgesetzt (insbesondere gegen Frankreich).
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #21Das ist alles richtig, wohl aber nicht der Punkt um den es Dr. Nick bei dem Ursprungspost ging.
Der Hinweis von Dr. Nick bezog sich ja auf die Aussage, die beiden Protagonisten hätten sich ohne die EU nicht kennen lernen können, was offesichtlich Unfug ist. Reisefreiheit besteht auch ohne Arbeitnehmer Freizügigkeit und universitäre Austauschprogramme gab es auch schon vor der EU.
Ja, gab es auch vor der EU und nach außerhalb der EU, nur unter mehr Bürokratie und Einschränkungen. Daher ist das ganze seltener (gewesen). Oben in der Diskussion wird ja die anekdotische Evidenz angeführt, US-Amerikaner können auch in der EU arbeiten und umgekehrt. Aber was ist mit der anekdotischen Evidenz von den vielen, vielen Fällen, wo schon im Frühstadium der Gedanke an Arbeit im Ausland beerdigt wird, weil es so bürokratisch ist? Über sie hört man selbstverständlich nichts. Wir kennen alle in unserer Umgebung Wohnungsneubauten. Aber offensichtlich ist das kein Argument dafür, daß Bauordnungen und Energiesparverordnungen nicht zu bürokratisch sind, denn ansonsten würde noch mehr gebaut, bis die Mieten wieder angemessener sind, oder? Wir haben eben alle noch nie ein Haus gesehen, dessen Bau bei der Grobkalkulation schon aufgegeben wurde.
Wenn da jetzt zwei Personen von sich sagen, sie hätten sich ohne die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU nicht kennengelernt, so ist dem zunächst zu glauben, denn woher wollen Sie besser wissen, wie diese beiden den bürokratischen Aufwand für die Arbeit außerhalb Europas gemessen an der Arbeitnehmerfreizügigkeit messen, als die beiden selber?
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #21Der Hinweis von Xanopos, dass es in totalitären Staaten (zum Beispiel das alte Rumännien) keine Reisefreiheit gibt ist zwar richtig, hat aber nichts mit der EU zu tun. Das Gegenteil der EU ist nicht notwendig ein Europa totalitärer Staaten (was ettliche im Moment glauben machen wollen).
Ich glaube, entscheidend ist der gedankliche Ausgangspunkt. Sehe ich das Heil im absoluten Staat mit absoluter Souveränität? Wir sollten bedenken, daß die staatliche Souveränität bis zur Gründung des Völkerbundes nicht nur das Recht beinhaltete, mit seinen Bürgern nach Gutdünken zu verfahren, sondern auch, andere Staaten zu überfallen! Ein Staat, der wirtschaftlich sehr vom Ausland abhängig war, war eingeschränkter nur zur Ausübung seiner Souveränität fähig, weil ihm die Ressourcen zur Kriegführung fehlten. Das war ja der Antrieb, warum alle Mächte unbedingt Kolonien wollten.
Oder sehe ich das Heil eher in einer Verhandlungswelt, in einer Welt der friedlichen Verflechtung? Beim Freihandel ist die Situation eines Gefangenendilemmas typisch: Sen
Diese Diskussion hier bildet in meinen Augen exemplarisch die schwarz weiß Malerei dieser Tage ab: EU oder Weltuntergang bzw. Weltuntergang oder "EU abschaffen".
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #21Die EU ist nicht in jeder Hinsicht schlecht aber sie hat viele Auswüchse die schlecht sind. Dazu gehört zum Beispiel die Beschallung aus unzähligen (vor allem öffentlich rechtlichen) Kanälen, welche die Wahrheit "pro EU" verzerren und die Kritikpunkte dadurch zu diskreditieren suchen, dass sie diese in die Nähe totalitäre Machtübernahme Phantasien schieben.
Es gibt in den öff.-rechtlichen Kanälen durchaus auch EU-Kritik, insbes. durch Comedians, Satiriker usw.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #21Ich bin langemütig und geduldig aber was ich dieser Tage an Werbung und moralischen Apellen anhören mußte, Europa zu retten, macht mich latent aggressiv.
Ich wundere mich darüber, warum überhaupt dauernd behauptet wird, Europa sei in Gefahr. Alle möglichen Politiker (immerhin: außer den EU-skeptischen) meinen, ihre eigenen unausgegorenen Ideen dadurch zu verteidigen, daß ansonsten Europa untergehen würde. Die Beispiele sind Legion: Angefangen beim ESM bis hin zu aktuellen Wahlplaketen (Grüne:"Nur ein soziales Europa ist ein starkes Europa", FDP:"Europa besser machen, solange es noch geht") Wenn man als angeblicher Pro-Europäer dauernd insinuiert, wir hätten mit der EU eine Einrichtung, die permanent knapp an einem verheerendem Untergang vorbeischrammen würde, braucht man sich nicht zu wundern, warum andere zum Schluß kommen, man müsse die EU lieber vorher kontrolliert abwickeln. Oder daß die ungeduldige Frage kommt, wo denn endlich der spektakuläre Weltuntergang bleibt. Für mich sind die Meinungen der EU-Kritiker daher nur folgerichtig aus dem, was die nationalen EU-Befürworter aus argumentativer verlegenheit dauernd andeuten.
In Wahrheit ist es plausibler, daß die EU noch existiert, wenn ein EU-Land längst zerfallen oder ausgetreten ist. Tatsächlich gibt es in einigen europäischen Staaten Devolutionstendenzen (UK, Italien, Spanien, Belgien), die nicht gegen die EU gerichtet sind.
Zitat Die EU ist nicht Europa.
Stimmt. Zu Europa gehören auch Rußland, Weißrußland, die Türkei, Albanien und die Ukraine. Zur EU zum Glück nicht.
Zitat Die EU ist vielmehr das Europa der Parteien.
Das hängt mit der demokratischen Verfassung der EU zusammen. Demokratie ohne Parteienpluralismus kann es nicht geben. Selbst wenn man mit einer demokratischen Verfassung anfinge, in der es noch keine Parteien gibt (Gedankenexperiment), würden sich Parteien von selbst bilden, weil man Vorteile hat, wenn man sich mit anderen Kandidaten zum Wahlkampf zusammentut, die ähnliche Ansichten aber andere Wahlkreise haben.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #21Die resultierende schwarz weiß Malerei ist dabei in meinen Augen übrigens einer der nicht zu vernachlässigbaren Gründe für den Brexit. Dass es England war, wo sich ein solcher Beschluß als erstes manifestierte, mag damit zusammen hängen, dass angelsächsischer Pragmatismus und schwarz weiß Malerei sich nicht so gut vertragen.
Die Volksbefragung zum Brexit hat eine längere Vorgeschichte. Nachdem Cameron mit seiner Bitte um eine Sonderregelung für die Londoner Banken vor seinen Regierungskollegen, insbes. Sarkozy, in den Verhandlungen zur Bankenkrise vom Dezember 2011 rüde abgeblitzt ist, hat die Stimmung im UK gegen die EU Fahrt aufgenommen. 2014-2016 hat Cameron Zustimmung zu weitreichenden Reformen und Sonderregelungen bekommen, teils auch unter Androhung der Volksbefragung. Ein Opt-out zur Bankenregulierung wurde ihm aber wieder nicht gewährt. Daraufhin war die Volksbefragung (nicht: Volksabstimmung. Bindende Volksabstimmungen sind im UK nicht denkbar, weil das UK anders als alle anderen europäischen Länder keine Volkssouveränität kennt, sondern eine Parlamentssouveränität. Dieser Punkt ist wichting für das Verständnis der britischen Position: Bei Volkssouveränität ist es einerlei, ob das EP oder das nationale Parlament entscheidet, solange es gewählte Volksvertreter sind. Es wäre aber ein Bruch der Parlamentssouveränität des House of Commons, wenn dieses ohne Vetomöglichkeit EP-Legislationen hinnehmen müßte. Die britischen EP sind zwar demokratisch gewählt, sind aber nicht House of Commons. Daher forderte Cameron ein Vetorecht des House of Commons. Was er insbesondere bei der Finanzmarktregulierung aber nicht bekommen hat.)
Es ist ein Treppenwitz der Weltgeschichte, daß zum einen die Londoner Banken, um derentwillen die ganze Brexit-Geschichte begann, durch den tatsächlichen Brexit am ehesten unter die Räder kommen. Zum anderen ist die Behandlung der Volksbefragung als bindend der Systembruch, den das UK gegenüber der EU vermeiden wollte. Noch bizarrer ist, daß die Position Mays zu den Brexit-Verhandlungen gerade im Rahmen des "Backstop"-Plans vorsah, daß das UK die EU-Handelsgesetzgebung übernehmen wird, ohne daß überhaupt noch ein Brite zu- oder ablehnen kann. Der Backstop war die einzige Lösung, mit der das Karfreitagsabkommen gerettet werden kann.
Für mich sieht die politische Situation mit dem UK aus wie eine heillose Verstrickung. Man macht etwas falsch, wenn man einen Konflikt hervorruft, weil man eine Sache will, und dann die beste Beendigung des Konfliktes ein "Sieg" ist, in der man die gewünschte Sache erst recht nicht bekommt.
Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #38Das Argument kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Die Erntehelfer und Bergbauingenieure bekommen nach diesem Model ja die Aufenthaltsgenehmigung, weil sie einen Arbeitsvertrag und ein Einkommen haben. Das ist ja bereits gängige Praxis. Hoch-/Tiefbauingenieure aus Deutschland arbeiten bspw. häufig in Zweitweltstaaten, die die Expertise brauchen aber selbst nicht im Land haben. Arbeitnehmerfreizügigkeit braucht's dafür nicht. Das Visum ist leicht zu bekommen, wenn man im betreffenden Land eine benötigte Dienstleistung anbietet.
Sagen wir lieber so: Weil das Land ohne diese Gastarbeiter ein Problem hat, machen sie eine Ausnahmegenehmigung. Eine Arbeitnehmerfreizügigkeit ist das nicht, weil nach wie vor die Freiheit von Arbeitskräften beschränkt wird, die mit Inländern konkurrieren würden. Warum wird denn diese Freiheit beschränkt? Das ist auch eine Art von Protektion, nur auf den Arbeitsmarkt bezogen: "Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg". Und ein Demokratisierungsdruck auf die Herkunftsländer wird mit ein paar Ausnahmegenehmigungen auch nicht erzeugt.
Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #38Der Vergleich zu den Waffengesetzen passt nebenbei bemerkt überhaupt nicht. Dass nicht jeder Waffenbesitzer automatisch jemanden erschießt werden selbst extreme Waffengegner eingestehen. Aber wenn jemand in ein Land kommt und keinerlei Einkommen oder Vermögen nachweisen kann, ist es nicht gerade weltfremd anzunehmen, dass die Person einen Einkommenserwerb plant der nicht unbedingt erwünscht ist, denn von irgendwas muss man schließlich leben.
Momentan kann man so einfach auch gar nicht in ein anderes EU-Land gehen, weil man ja irgendwo wohnen muß. Entweder kauft man also Wohnraum oder man mietet ihn. Für beides muß man Vermögen oder Einkommen nachweisen, zwar nicht bei einer Behörde, dafür aber bei einem Vermieter. Und das tolle ist, daß man nach der anderen Grundfreiheit, der Kapitalverkehrsfreiheit, dieses Vermögen sogar mitbringen darf.
Es stimmt also schlichtweg nicht, daß man hier im Wege der Arbeitnehmerfreizügigkeit ohne irgendwas herkommen könnte, um hier kriminell oder sozialhilfeabhängig zu werden. Diese Möglichkeit hat man nur, wenn man nicht aus der EU kommt. Ich glaube, das deckt sich auch mit unserer Anschauung, oder?
Ich halte es ja nicht für unwahrscheinlich, daß wir demnächst eine stärkere deutsche AKP o.ä. sehen werden, aber nachdem ich mir die Ergebnisse angeschaut habe, scheint mir das noch ein Weilchen zu dauern. Diese BIG-Ergebnisse gibt es nur in ganz wenigen kleineren Wahllokalen, und da liegt die Vermutung nahe, daß die BIG-Wähler einem BIG-Kandidaten persönlich nahe stehen. Zum Vergleich habe ich mir mal die Werte aus anderen Städten im Ruhrgebiet angeschaut, wo BIG nirgendwo gut abgeschnitten hat.
Und das ist ja auch ganz verständlich: Wenn ich z.B. einen libanesischen Clan zur Frage zu beraten hätte, in welcher oder für welche Partei man sich engagieren sollte, würde ich einstweilen die Grünen (oder z.B. auch die CDU) empfehlen.
Vielen Dank für ihre aufwendige und lehrreiche Replik. Erlauben Sie mir nur eine kleine Anmerkung.
Zitat von Emulgator im Beitrag #115Wenn da jetzt zwei Personen von sich sagen, sie hätten sich ohne die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU nicht kennengelernt, so ist dem zunächst zu glauben, denn woher wollen Sie besser wissen,
Von Arbeitnehmerfreizügigkeit stand in dem kommentierten Beitrag nichts, deswegen habe ich die Aussage allgemein verstanden und auch so kommentiert.
Trotzdem weiß ich natürlich nicht besser als die beiden, wie sie sich kennen lernten und ich glaube ihnen sogar, dass es so war. Ich kritisiere aber nicht diese beiden, sondern den ÖRR, der damit eine Botschaft verband. Man verzeihe mir diese Deutlichkeit, aber was ich zur Zeit in Radio und Fernsehen an distanzloser Grünenpropaganda ertragen muß, ist jenseits dessen was ich unbeschadet aushalten kann. Ebenso unerträglich war die Dauerbeschallung vor der EU Wahl, wo immer man einschaltete, ja nur wählen zu gehen.
Es erscheint mir völlig klar, dass der ÖRR eine Botschaft hat, um die es ihm geht und in diese Botschaft passt der kommentierte Bericht. Völlig gleich ob er wahr ist oder unwahr wäre, er ist Teil einer undifferenzierten Botschaft, welche sich die letzten Tage im ÖRR zur (Moral)Propaganda auswuchs, die mich schaudern lässt. Das kritsiere ich. Sonst nichts.
Eines noch zur Relativierung: Die EU Wahl ist mittlerweile meine kleinste Sorge nach zwanzig Prozent für die Günen in Deutschland und die Reaktion der anderen Parteien darauf. Die von Grönemeyer in den 80ern besungenen Sandkästen waren nur eine infantile Phantasie. Jetzt scheinen sie ernst zu werden und zeigen durchaus den "Totalitarismus", den man bei kleinen Kindern im Umgang miteinander mitunter beobachten kann.
Herzlich
n_s_n
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Es gibt in den öff.-rechtlichen Kanälen durchaus auch EU-Kritik, insbes. durch Comedians, Satiriker usw.
Werter Emulgator, bei allem Respekt, aber Sie können doch nicht ernsthaft bestreiten, dass Presse und Medien eine gewaltige Schlagseite haben.
Ob man dass dann "Zivilpropaganda" nennt, "den Weg in die selbstverschuldeten Unmündigkeit" oder "Volkserziehung durch die progressiven Kräfte" ist doch nur noch Geschmackssache.
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #119Werter Emulgator, bei allem Respekt, aber Sie können doch nicht ernsthaft bestreiten, dass Presse und Medien eine gewaltige Schlagseite haben.
Müßte man mal auszählen, wenn man das so behauptet wie Sie, oder? Die Brexit-Kampagne wurde doch wohl maßgeblich von den Medien des Australiers Rupert Murdoch gestützt, die im UK Marktführer sind.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #119Ob man dass dann "Zivilpropaganda" nennt, "den Weg in die selbstverschuldeten Unmündigkeit" oder "Volkserziehung durch die progressiven Kräfte" ist doch nur noch Geschmackssache.
Wenn das so durchschaubar ist, wo ist dann das Problem? Das werden doch dann auch andere durchschauen, die ähnlich kritisch denken wie Sie.
Sie sehen vielleicht, daß das, was Sie hier anbringen, auch von Ihrer Gegenseite angeführt wird. Aber selbst wenn eine Seite damit Recht hätte, was wäre damit gezeigt? Es wäre damit ja eher gezeigt, daß das Mediensystem ungenügend ist oder die Menschen alle zu dumm zum kritischen Medienkonsum wären. Aber es wäre damit nicht gezeigt, daß die EU an sich --unabhängig von bestimmten fragwürdigen Entscheidungen, die initiativ immer von den nationalen Regierungen kommen-- inhärent schädlich wäre.
Zitat von Noricus im Beitrag #109Die Grundfreiheiten, die übrigens nicht mit dem Vertrag von Maastricht eingeführt wurden, sondern Kernbestand der EWG sind (Römische Verträge), ...
Jein. Wir reden ja hier über die sogenannten "vier Freiheiten": Freier Personenverkehr, freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr, freier Kapitalverkehr. Im Kern waren die schon bei den römischen Verträgen angedacht, vor allem bei Personen und Waren, aber teilweise doch noch sehr rudimentär. Z. B. konnte man zwar (mit Grenzkontrolle) ohne Visum in andere EU-Staaten reisen, dort aber nicht unbedingt arbeiten oder wohnen. Beim Warenverkehr waren die Zölle abgeschafft, nicht aber die nichttarifären Hindernisse. Und bei Dienstleistungen und Kapital gab es sehr viele Restriktionen.
Das heutige Grundfreiheitsbündel wurde letztlich von Thatcher erfunden und durchgesetzt (insbesondere gegen Frankreich).
Das stimmt hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht. Schau Dir mal die VO (EWG) 1612/68 an. Da war Thatcher noch nicht Premierministerin.
Zitat von Emulgator im Beitrag #120Wenn das so durchschaubar ist, wo ist dann das Problem? Das werden doch dann auch andere durchschauen, die ähnlich kritisch denken wie Sie.
Massenmedien, sprich Fernsehen, vor allem hier in Deutschland der ÖRR, welcher Behördencharakter hat, sind leider in der Tat ein Problem.
Die Wirkung von Massenmedien auf die Meinugsbildung wurden durchaus untersucht. Dr. Thomas Petersen von Allensbach Institut verfasste darüber einmal einen Artikel als er noch auf der ADG schrieb und verwies vor allem auf den Mainzer Kommunikationswissenschaftler Hans Mathias Kepplinger der diese Frage untersuchte. Der Kenntnsistand heute ist, dass vor allem Fernsehen wesentlich zur Meinungsbildung beiträgt, im Gegensatz zu sonstigen Medien, welche sich die Rezipienten eher nach eigener Meinung aussuchen (was Paul Lazarsfeld in den 40ern untersuchte). Paul Lazarsfeld wurde fälschlicherweise oft so interpretiert, dass Menschen sich gegen unliebsame Meinungen verschließen, was allerdings nicht stimmt. Sie wählen sich nur bevorzugt solche aus, welchen ihnen genehm sind, wenn sie die Wahl haben.
Der Unterschied bei Massenmedien wie dem ÖRR liegt offenkundig darin, dass man dieser Meinung nicht entgehen kann und sie alsbald den Status von "Wahrheit" einnimmt.
Beispiel der Klimawandel: Sie werden heutzutage in Deutschland kaum mehr einen finden (im Gegensatz zu Resteuropa), der nicht von einem drängenden Klimaproblem überzeugt ist, welches mit Hilfe deutscher Politik gelöst werden muß. Es glaubt jeder das, was er jeden Tag hört. Alle anderen Quellen, welche in der Tendenz anderes sagen, gleich wie argumentativ brillant, sind unseriös.
Der ÖRR in Deutschland ist ein großes Problem in meinen Augen. Bisher bekam ich noch kein Argument angeboten, das mich diese Einschätzung fallen lies, es werden eher jeden Tag mehr, die diese These stützen.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #123Der Kenntnsistand heute ist, dass vor allem Fernsehen wesentlich zur Meinungsbildung beiträgt, im Gegensatz zu sonstigen Medien, welche sich die Rezipienten eher nach eigener Meinung aussuchen (was Paul Lazarsfeld in den 40ern untersuchte). [...] Der Unterschied bei Massenmedien wie dem ÖRR liegt offenkundig darin, dass man dieser Meinung nicht entgehen kann und sie alsbald den Status von "Wahrheit" einnimmt.
Beispiel der Klimawandel:
Schachmatt! Ausgerechnet die junge Generation schaut doch heutzutage gar kein Fernsehen mehr; weniger als die Alten. Aber diese sind es, die am ehesten "grün" sind (im politischen Sinne meine ich).
Was man sicher sagen kann, ist, daß polit. Ansichten ein "Mem" sind, die weitgehend unabhängig allein von nüchtern berichtbaren Fakten existieren. Sie pflanzen sich durch sehr viele Arten von Kommunikation fort. Klassische Print- und Funkmedien sind da nur ein Weg von vielen. Ich glaube, persönliche Interaktion ist viel bedeutender. Das erklärt auch, warum ausgerechnet Weltanschauungen mit totalitären Tendenzen sich so gut verbreiten, obwohl sie mit einer gewissen Distanz jeder schrecklich findet: Wer von tiefstem Herzen liberal ist, wird in persönlichen Beziehungen nie denselben Konformitätsdruck wie jene aufbauen. Wer aber empfänglich für diesen Druck ist, gibt ihn auch leichter weiter.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #123Der ÖRR in Deutschland ist ein großes Problem in meinen Augen. Bisher bekam ich noch kein Argument angeboten, das mich diese Einschätzung fallen lies, es werden eher jeden Tag mehr, die diese These stützen.
Sehe ich ja ganz ähnlich. Allerdings heißt das nicht, daß stets der gegenteilige Schluß von dem zu ziehen ist, was im ÖRR gebracht wird.
Zitat von Emulgator im Beitrag #124Schachmatt! Ausgerechnet die junge Generation schaut doch heutzutage gar kein Fernsehen mehr; weniger als die Alten.
Als Schachmatt würde ich das nicht empfinden, auch wenn der Einwand grundsätzlich stimmt. Wie ich in dem parallel laufenden Thread bereits erwähnte sind bei der FfF weniger die Jungendlichen, als die Reaktionen der Erwachsenen das Problem, welche durchaus den "Wahrheiten" aus dem ÖRR verfallen sind.
Meine persönliche Erfahrung ist, dass ich keinen Menschen in meinem Umfeld kenne, der eine Bedrohung durch den Klimawandel abstreiten würde. Diese Erfahrung ist zugegeben annekdotisch, allerdings annekdotische Evidenz durch eine sehr große Stichprobe. Woher kommt diese Monokultur in der Meinung, obwohl die wissenschaftliche Fragestellung äußerst kontrovers diskutiert wird? Gibt es eine bessere Erklärung, als dass der ÖRR hier eine treibende Rolle spielt?
Ich bin allgemein kein Freund monokausaler Erlärungen und so ist mir völlig klar, dass der ÖRR nicht alles stingent erklären kann. Er ist allerdings ein äußerst wichtiges Puzzelteil. Der ÖRR ist für vieles keine hinreichende Erklärung aber eine notwendige. Natürlich konsumieren Jugendliche alternative Medien, vor allem auch solche, (das beschreibt ja Lazarsfeld) welche ihrer Meinung bestärken und so entstehen Lifestyle-Mode Bewegungen. Der Punkt ist nur, dass der Widerspruch zu dieser Bewegung im öffentlichen Diskurs Deutschlands eliminert ist und daran trägt der ÖRR einen wesentlichen Anteil.
Zitat von Emulgator im Beitrag #124Ich glaube, persönliche Interaktion ist viel bedeutender. Das erklärt auch, warum ausgerechnet Weltanschauungen mit totalitären Tendenzen sich so gut verbreiten, obwohl sie mit einer gewissen Distanz jeder schrecklich findet: Wer von tiefstem Herzen liberal ist, wird in persönlichen Beziehungen nie denselben Konformitätsdruck wie jene aufbauen. Wer aber empfänglich für diesen Druck ist, gibt ihn auch leichter weiter.
Da sind wir ganz nah beieinander. Wenn man die Möglichkeit in Betracht zieht, dass persönliche Interaktion und Präferenz stark durch Erziehung beeinflußt wird, könnte das eine Erklärung anbieten, warum sich in Deutschland die Gesellschaft immer mal wieder wenig widerstandsfähig gegen totalitäre Gedanken zeigt(e).
Zitat von Emulgator im Beitrag #124Allerdings heißt das nicht, daß stets der gegenteilige Schluß von dem zu ziehen ist, was im ÖRR gebracht wird.
Absolut. Das war auch nicht meine Behauptung. Im einigen Themenbereich, dazu gehören vor allem die Grünen Kernthemen, ist der ÖRR aber (wenn man höflich formuliert) undifferenziert und einseitig. Weniger zimperliche Zeitgenossen sprechen in diesem Zusammenhang auch gerne von Propaganda und man kann dann im Prinzip nur die Tonalität der Kritik kritisieren.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
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