Zitat von moise trumpeter im Beitrag #35Vielleicht hat der Herr Ebmeyer mir ja eine große Freud gemacht
Abteilung "Treppenwitz." Mir fällt gerade ein, daß es für solche Lohnschreiber, anitzt nur noch "Ghostwriter" geheißen, mal ein kurrentes deutsches Fachwort gab, das dem Französischen entlehnt war, wo es im 18. Jahrhundert aufkam und bis heute geläufig ist. Mir ist das zum 1. Mal im Zusammenhang mit Alexandre Dumas pêre untergekommen (der ja Mulatte war), gerade im Fall Maquet und hatte es aus diesem Zusammenhang abgeleitet. Da handelte es sich im das Palindrom für Niederschlag, dessen Verwendung heute, in welcher Form auch immer, Exkommukation nach sich zieht.
Zitat Il est notoire qu’Alexandre Dumas ne serait pas devenu une figure aussi imposante sans l’appui de la quarantaine de « collaborateurs » (parmi lesquels Gérard de Nerval ou Théophile Gauthier) dont il exploita sans vergogne les idées originales et s’accapara le talent. Si l’un d’entre eux mérite pourtant qu’on lui rende enfin justice, c’est bien Auguste Maquet (1813-1888), dont l’ombre plane sur La Reine Margot, Vingt ans après, Le Comte de Monte Cristo, Le Vicomte de Bragelonne et des titres prestigieux par dizaines… où son nom n’apparut jamais.
Zitat The French started calling ghost writers **** back in the 1700s, just as colonialism and the slave trade were gaining momentum. The idea was that writing under someone else's name, erasing your own identity, was thankless servitude on a par with the labor of colonialism's black subjects and victims. The important difference was that the chains of the n*** litteraire were not made of iron. "The French are schizophrenic about that term," a French literature professor tells me. "They call ghost writers ****, but in any other context, they would consider the word **** racist."
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat von Martin im Beitrag #43Richtig, so neckt man sich in aller Öffentlichkeit. Die Körpersprache und Duktus passen auch, insbesondere Habecks freudiges Strahlen. Wahrscheinlich bin ich ein Langsammerker, ich bin bis heute nicht auf diese Interpretation gekommen . Gruß Martin
Ich habe Habecks Schmunzeln immer völlig anders interpretiert.
Mir scheint es, er genießt es, wie sie sich gerade mal wieder um Kopf und Kragen plappert. Würde er auf diese Unverschämtheit Contra geben, wäre er sofort der "Böse", der die arme Frau angreift.
Ihr Geplapper einfach so stehen zu lassen ist die bessere, weil souveräne Reaktion.
Zitat von moise trumpeter im Beitrag #45In Annalena Baerbock ist das lebensreformerische bürgerliche Milieu perfekt auf die Person gebracht.
Nicht daß ich hier pro Habeck sprechen möchte, da mir die gesamte grüne Agenda Anathema ist. Aber es liegt doch eine fette Ironie darin, daß er von seinem Lebenslauf her exakt das für sich verbuchen kann, was Frau B. jetzt auf die Füße fällt. Er hat nicht nur ein abgeschlossenes Studium, sondern einen bona fide Doktortitel vorzuweisen, Erfahrung als Minister (wenn auch nur auf Landesebene), macht sich nicht lächerlich, sobald er den Mund aufmacht und hat sogar Bücher ganz allein geschrieben (sogar eins auf Dänisch). Und dort, wo sie in Zusammenarbeit entstanden sind, ist das groß auf dem Titel zu lesen.
Dr. Habeck ist ein Intellektueller, Frau Baerbock hält sich für eine Intellektuelle. Dr. Habeck kann schreiben, Frau Baerbock hat eine Fassade aus vorgetäuschten akademischen und intellektuellen Meriten aufgebaut und sich den für einen Intellektuellen unerlässlichen Dünkel zugelegt. Nach meinen Beobachtungen im linksliberalen Milieu kommt der "Idealtypus" Habeck natürlich vor, aber der "Idealtypus" Baerbock prägt das Milieu. Übrigens auch bei erfolgreicher akademischer Karriere und erfolgreicher Berufsausübung außerhalb von Politik und abhängigen Kreisen. Der intellektuelle Dünkel ist zwar da, aber es fehlt im allgemeinen jedes Interesse sich nicht direkt benötigtes (klassisches) Bildungsgut anzueignen. Typisch sind Naivität, Infantilität sowie Mangel an Urteilsvermögen und Realitätssinn. Ist letzteres vorhanden, besteht die übliche Folge in jakobinischer Radikalität (natürlich nur theoretischer Natur). Im allgemeinen wirken die Angehörigen dieses Milieus auch mit 40 noch so, als wären sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung auf dem Niveau von Studienanfängern stehengeblieben.
So eine Sommerloch-Story kann man gar nicht erfinden.
Zitat Mandat statt Dissertation Böll-Stiftung finanzierte Baerbocks Promotionsversuch mit mehr als 40000 Euro. Vor ihrem Einzug in den Bundestag erhielt die Grünen-Kanzlerkandidatin jahrelang Fördergeld für Begabte.
Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat für ihre nicht beendete Promotion eine Unterstützung von mehr als 40.000 Euro von der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung erhalten. Dies erklärte deren Sprecher Michael Alvarez Kalverkamp auf Anfrage des Tagesspiegels. Die Politikerin sei von April 2009 bis Dezember 2012 Promotionsstipendiatin der Stiftung gewesen. In dieser Zeit habe sie für 39 Monate Leistungen bezogen. Das „Lebenshaltungsstipendium für Promovierende“ habe damals monatlich 1050 Euro betragen.
Eine vollständige oder zumindest anteilige Rückzahlung ist laut Sprecher Alvarez Kalverkamp weder üblich noch vorgesehen. „Lebensentwürfe können und dürfen sich auch kurzfristig bei jungen Menschen ändern, etwa aufgrund von Familiengründungen oder beruflicher Neuorientierungen.“ So komme es „immer wieder einmal vor“, dass Stipendiaten ihre Promotion vorzeitig abbrächen. Veränderte Lebensentwürfe oder die Familiengründung waren es aber offenbar nicht, die die Grünen-Politikerin von ihrem Promotionsvorhaben an der Freien Universität Abstand nehmen ließen. Sie hatte als Grund angegeben, sich ganz auf das von ihr angestrebte Bundestagsmandat konzentrieren zu wollen, das sie mit der Wahl 2013 erreicht hat. Die Arbeit an der Dissertation habe sie deshalb ab 2013 „ruhen gelassen“ und sich 2015 für das Promotionsverfahren exmatrikuliert, wie die Partei mitteilt.
PS. "Ich hätte gerne Nachschlag, sagte Oliver Twist." (Wobei das Substantiv in diesem Fall sogar zwei Beiklänge erhält...)
Zitat Selbst Passagen über eigene Reisen sind abgekupfert
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (40, Grüne) schrieb sogar ab, wenn es um ihre eigenen Reiseberichte ging! Das zeigen neue Fundstellen, die der Plagiatsjäger Stefan Weber (51) veröffentlicht hat. Mittlerweile sind es 43 Passagen im Baerbock-Buch („Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“, Ullstein), die erkennbar aus fremder Feder stammen.
Bemerkenswert: Selbst für selbst erlebte, hochemotionale Erlebnisse bei Dienstreisen bediente sich Baerbock bei anderen Autoren. Im Kapitel „Herz und Verstand“ beschreibt sie ab Seite 45, wie sie als Bundestagsabgeordnete in den Irak und die Autonome Region Kurdistan reiste: „Ich wollte mir selbst ein Bild von der Lage der jesidischen Frauen und Kinder machen, die der Gefangenschaft und jahrelangen Qual beim IS entkommen waren.“
▶︎ Baerbock geht ausführlich auf das Leid der Jesidinnen ein, dass sie, so Baerbock auf Seite 47, tief berührte: „Mir rannen Tränen über die Wangen. Beim Schreiben tun sie das noch heute.“ Doch auch hier hat sie eine Passage abgeschrieben, diesmal von der „Deutschen Welle“, die sich auf eine Studie der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezieht.
Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #49Dann allerdings absehbar mit ähnlichen Konsequenzen.
Das ist nicht unbedingt gesagt. Ein ein bisschen "regulierteres" Netz (incl. "Feuerwehr im Netz"), ein wenig kühler reagierende Medien und natürlich die Skandale von der anderen Seite und schon fällt das niemanden mehr auf.
Zitat von H_W im Beitrag #52Ich habe Habecks Schmunzeln immer völlig anders interpretiert.
Ich ja zuvor auch. Aber das könnte "Printing" sein. Wir haben das Video ja nicht unvorbereitet so gesehen, sondern wurden per Kommentar darauf vorbereitet, was wir sehen. Das mit dem Flirte scheint mir als Erklärung tatsächlich besser.
Das Grinsen Habecks beginnt zu früh, um überspielt zu sein. Als Baerbock die Unterschiedlichkeit anspricht, strahlt ihr Gesicht in diesem Beitrag quasi. Sie sagt das auch nicht wirklich mit ernste Gesicht. Auch die Köperhaltung der beiden, aufeinander zugewandt.
Ich möchte gar nicht behaupten, dass das bewusst stattfindet. Solche Annäherungen laufen manchmal quasi automatisch ab.
Zitat von moise trumpeter im Beitrag #53Dr. Habeck ist ein Intellektueller, Frau Baerbock hält sich für eine Intellektuelle.
Zitat von moise trumpeter im Beitrag #53Der intellektuelle Dünkel ist zwar da, aber es fehlt im allgemeinen jedes Interesse sich nicht direkt benötigtes (klassisches) Bildungsgut anzueignen.
Das Problem beobachte ich auch bisweilen. Es scheint ein paar Studiengänge zu geben, die dafür bekannt sind, dass sie solche Persönlichkeiten anziehen.
Das ist eigentlich schade, aber es macht wohl mehr Spaß, als "Intellektueller" zu erscheinen, dessen Meinung ein Gewicht hat, als tatsächlich einer zu werden.
Zitat von moise trumpeter im Beitrag #53Typisch sind Naivität, Infantilität sowie Mangel an Urteilsvermögen und Realitätssinn. Ist letzteres vorhanden, besteht die übliche Folge in jakobinischer Radikalität (natürlich nur theoretischer Natur).
Stefan Zweig schrieb einmal, dass die Jakobiner eigentlich nicht wirklich grausam waren, sondern nur glaubten es sein zu müssen. Insofern hochgefährlich.
Stand 05.06.2021: Das SARS-CoV-2-Virus könnte jetzt doch aus einem Labor kommen. 23.06.: Dem BMWi fällt auf, dass der Strombedarf nicht bis 2030 konstant bleibt. to be continued
Zitat von Johanes im Beitrag #55Stefan Zweig schrieb einmal, dass die Jakobiner eigentlich nicht wirklich grausam waren, sondern nur glaubten es sein zu müssen. Insofern hochgefährlich.
Momentan gibt es einen kleinen Netzsturm im Wasserglas wegen eines Interviews mit der Schriftstellerin Julie Zeh in der NZZ, in dem sie dies gesagt hat:
Zitat von Schriftstellerin Juli Zeh sagt, die wahre Freiheit finde man nicht in der Stadt, sondern auf dem LandFrage: "Soll man überhaupt die Welt retten? "Das ist eine gute Frage. Wenn jemand «Menschheit» sagt, geht "bei mir die Alarmanlage los. Die Totalitarismen, die wir im 20. Jahrhundert gesehen haben, waren Weltrettungsphantasien. Es waren keine bösen Menschen, die den Stalinismus erfunden haben. Das waren Menschen, weder gut noch böse, und die hatten eine Idee, die sie irre gut fanden, um die Welt zu beglücken. Im Rückblick entstand daraus das absolute Grauen. Aber wir als Menschen brauchen offenbar ein Movens, etwas, worauf wir zustreben können. Wir sind als Wesen auf das Vorwärtsschreiten angelegt. Wir können nichts so lassen, wie es ist."
Man muß da unterscheiden - auch wenn das der Sachlage nach aus dem Rücklick kaum jemals sauber zu trennen sein wird. Das eine ist die Neigung von Tätern, im Kollektiv - und sie handeln IMMER, unweigerlich in solchen Fällen, in Kollektiv, mitzumachen, zur Bestie zu werden. Die Schilderungen der jungen Rotgardisten, die in der Kulturrevolution zu Tätern wurden, lassen das immer wieder sehen. Dann gibt es immer wieder Organisatoren wie Ausführende, denen von Anfang an die Lust an Quälen, Töten, der der blutigsten Form der Gewaltausübung zupaß kommt die sie ausnutzen. Tortzki, bei Aufstand der Kornbergs Matrosen. Bujonnys Reiterarmee. Jean-Baptiste Carrier im Aufstand der Vendée. Che Guevara. Wassili Blochin ("Stalins Henker"). Toshiaki Mukai und Tujoshi Noda. Und dann die Stichwortgeber wie Robespierre und Mirabeau, die mit ihrer zum Ultimo gesteigerten Rhetorik den Boden bereiten. Da allen utopischen Entwürfen der totalitäre Impuls eingeschrieben ist (bei nicht-missionierenden Sekten die Tyrannis über die Jüngerschaft im Refigium; bei solchen, die es unter der "ganzen Welt" nicht tun, bei denen, die dem Heilswerk im Weg stehen), kommt das in der Rhetorik schon ziemlich früh auf - eta bei solchen Vortunern wie Edward Abbey oder Frantz Fanon, so wenig die außer dem imaginierten "Großreinemachen" eint.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #56Man muß da unterscheiden - auch wenn das der Sachlage nach aus dem Rücklick kaum jemals sauber zu trennen sein wird. Das eine ist die Neigung von Tätern, im Kollektiv - und sie handeln IMMER, unweigerlich in solchen Fällen, in Kollektiv, mitzumachen, zur Bestie zu werden. [...] Und dann die Stichwortgeber wie Robespierre und Mirabeau, die mit ihrer zum Ultimo gesteigerten Rhetorik den Boden bereiten.
Trifft dieser Unterschied wirklich das, was Zeh anspricht? Sind sich die Stichwortgeber und die Täter nicht darin einig, daß eine Tat, die beide selber an sich als böse betrachten (können) würden, durch die (in ihren Augen) guten Absichten ebenfalls gut werde?
Wir nennen das "Der Zweck heiligt die Mittel" oder "Konsequentialismus", dessen Spielarten "Verantwortungsethik" und "Egoismus" leicht --vor allem in der Politik-- ineinander übergehen. Man kann sich ja mal das Gedankenexperiment erlauben, wie die Geschichte verlaufen wäre, wenn beispielsweise zu den Glaubenssätzen des National- oder kommunistischen Sozialismus die Einstellung hinzugekommen wäre, daß es bestimmte Taten gibt --wie z.B. die Tötung eines Menschen--, die nie und unabhängig von der Absicht oder den Zielen immer schlecht sind. (Daß diese Einstellung mit dem Materialismus dieser Ideologien kaum harmoniert, muß man für dieses Gedankenexperiment mal ignorieren.) Die Massenmorde durch diese Ideologien wären schlichtweg nicht geschehen.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #56Da allen utopischen Entwürfen der totalitäre Impuls eingeschrieben ist (bei nicht-missionierenden Sekten die Tyrannis über die Jüngerschaft im Refigium; bei solchen, die es unter der "ganzen Welt" nicht tun, bei denen, die dem Heilswerk im Weg stehen), kommt das in der Rhetorik schon ziemlich früh auf - eta bei solchen Vortunern wie Edward Abbey oder Frantz Fanon, so wenig die außer dem imaginierten "Großreinemachen" eint.
Ich sehe nicht, daß utopischen Entwürfen ein totalitärer Impuls eingeschrieben sei. Insbesonders Thomas Morus selber würde ich nicht als Anhänger des Totalitarismus verstehen, da er selber ja dem Gewissen eine Verbindlichkeit zugestanden hat, die Totalitaristen immer fremd ist. Im Gegenteil sehe ich in Utopien --wenn man sich ihres utopischen Charakters bewußt ist-- ein wichtiges Mittel, eine Zukunftsvision zu entwickeln und zu zielgerichteten Entscheidungen in unvorhergesehenen Gelegenheiten fähig zu sein. Wahrscheinlich ist es sogar ein mangel unserer gegenwärtigen politischen Lage, daß man eigentlich nicht weiß, wo es hingehen soll, sehr wohl aber, was man nicht haben will ("unschöne Bilder an den Grenzen", Kernenergie, eine unausweichliche Änderung des Klimas usw.)
Und auch die roten, braunen und grünen Terroristen wissen und wußten eigentlich nie, wo es hingehen soll. Denn sowohl ein Rousseau'sches "Zurück zur Natur" wie auch der "Urkommunismus" und der "Salafismus" (den es in analoger Form in allen Religionen gibt, das ist Ihnen in Münster ja augenscheinlich) sind im Grunde gar keine utopischen, sondern nostalgische Entwürfe. Ihr Verhängnis liegt nicht mal zwingend im Konsequentialismus, sondern darin, daß erstens die Kenntnis der Vergangenheit gar nicht so fundiert ist, wie es sich die Nostalgiker einbilden, und zweitens, daß der Nostalgiker sich mit Gewalt gegen die Gegenwart stellen muß. Beispielsweise ist der Nostalgiker häufig technologieskeptisch und ignoriert, daß die Entwicklung, durch die eine Technologie möglich geworden ist, oft auch den Keim in sich trägt, warum diese Technologie auch tatsächlich benötigt wird.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #56bei solchen, die es unter der "ganzen Welt" nicht tun, bei denen, die dem Heilswerk im Weg stehen), kommt das in der Rhetorik schon ziemlich früh auf - eta bei solchen Vortunern wie Edward Abbey oder Frantz Fanon, so wenig die außer dem imaginierten "Großreinemachen" eint.
Die Rhetorik, die Menschheit zu vertreten, geht zumindest in Deutschland auf 1848 zurück, mindestens.
Zitat von Emulgator im Beitrag #57die beide selber an sich als böse betrachten (können) würden, durch die (in ihren Augen) guten Absichten ebenfalls gut werde?
Man sollte Konsequentialismus nicht auf Motivationsethik reduzieren.
Zumindest was Kommunisten angeht, ist zu berücksichtigen, dass es sich dort bei Moral um ein "Überbauphänomen" handelt und beim schlechten Gewissen um "bürgerliche Sentimentalität", die sich ein Arbeiter nicht mal leisten könnte. War die Philosophie im Ostblock überhaupt besonders konsequentialistisch angelegt?
Zitat von Emulgator im Beitrag #57Wir nennen das "Der Zweck heiligt die Mittel" oder "Konsequentialismus", dessen Spielarten "Verantwortungsethik" und "Egoismus" leicht --vor allem in der Politik-- ineinander übergehen.
Zumindest im Katholizismus ist die Antwort klar: Man darf nicht etwas böses tun, um etwas gutes zu erreichen.
Zitat von Emulgator im Beitrag #57Daß diese Einstellung mit dem Materialismus dieser Ideologien kaum harmoniert, muß man für dieses Gedankenexperiment mal ignorieren.
Es gibt ja auch materialistische Deontiker, bzw. kantistische Ethiker.
Zitat von Emulgator im Beitrag #57Wahrscheinlich ist es sogar ein mangel unserer gegenwärtigen politischen Lage, daß man eigentlich nicht weiß, wo es hingehen soll, sehr wohl aber, was man nicht haben will
Ich glaube, dazu hat @Ulrich Elkmann bereits genug geschrieben. Uns ist das Bild einer positiven Zukunft abhanden gekommen. Zukunftsvisionen sind fast ausschließlich etwas, dass man verhindern will. Positive Versionen sind entweder Parodien ihrer Selbst oder muten uns heute naiv an. Lustigerweise ist es nie so schlimm gekommen, wie die Warnungen vorhergesagt haben.
Stand 05.06.2021: Das SARS-CoV-2-Virus könnte jetzt doch aus einem Labor kommen. 23.06.: Dem BMWi fällt auf, dass der Strombedarf nicht bis 2030 konstant bleibt. to be continued
Zitat von Emulgator im Beitrag #57Insbesonders Thomas Morus selber würde ich nicht als Anhänger des Totalitarismus verstehen, da er selber ja dem Gewissen eine Verbindlichkeit zugestanden hat, die Totalitaristen immer fremd ist.
Es gibt ja durchaus die Deutung, daß "Utopia" nicht so sher als Entwurf einer idealen Gesellschaftsordnung, sondern als satrischer Gegenentwurf zur Wirklichkeit des frühen 16. Jahrhunderts gedacht war. Aber bei Platos "Staat" und bei Campanellas "Sonnenstadt" ist der alles nivellierende Impuls, der keinerlei Abweichung vom Plan mehr zuläßt, unübersehbar (für Plato hat das Karl Popper ja exemplarisch aufgedröselt. Plangesellschaften scheitern von zwei Enden her: weil die sie menschliche Natur und die Natur von Institutionen verkennen, und weil sie kein freies Spiel der Innovation, der inneren Korrektur zulassen können - das womöglich den ganzen Plan ad absurdum führen würde. Sie bilden immer den radikalen Bruch mit dem Bisherigen, nicht dessen inkrementale evolutionäre Veränderung.
Es stimmt schon, daß die Urkommunisten wie Cabet & Co., und mit ihnen auch die Wiedertäufer (und die Hussiten vor ihnen) eine im Grund zyklisches Bild von der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft hatten. Das utopische Endziel der Roten Religion war ja nicht der Sozialismus. Der war nur Wegstation auf dem Übergang zum Kommunismus: der dann wahren klassenlosen, besitzlosen, unterschiedslosen Gesellschaft. Leszek Kolakoswski hat im ertsen Band der "Hauptströmugen des Marxismus" gut dargestellt, wie Marx und vor allem seine linkshegelianischen Vorläufer sich hier aus der Heilerwartung der Eschatologie des Christentums bedient haben. Nur wird bei ihnen das Neue Jerusalem nicht durch göttliches Wirken und in einem transzendenten, jenseitigen Bereich erwartet, sondern auf die Erde und in die Zukunft projiziert, und es kommt nur durch menschliches, zielgerichtetes Handeln zustande, da diesem reinen Materialismus ja alles Göttliche Illusion ist und der Mensch das einzig historisch handelnede Subjekt ist. Natürlich braucht das Steuerung: die hoi polloi wissen ja nichts um den Fahrplan.
WIE dieser Phasenübergang in den letzten Aggregatzustand vollzogen werden soll, der dann die Sitation vor dem Sündenfall wieder einführt, haben die roten Priester immer per se für ein undurchdringliches Mysterium erklärt. Es war andererseits ein unabdingbares Glaubensaxiom. Der grüne Apokalypso hat das Deutungsmuster seinerseits 1:1 übernommen, aber stattdessen den Wärmetod der Biosphäre als Armageddon gesetzt. Aber die kramphaft beschworene Liturgie "alle sind gleich" - "alle sind sündig/schuldig" (die 1. Welt, der Westen natürlich im höchsten Maß, aber der Rest der Menschheit als Störfaktor implizit auch) - und die Weigerung, sich von der Glaubenslehre durch ketzerische Fakten abbringen zu lassen: das ist gleichgeblieben. Ich vermute, daß hier anthropologische Prägungen im Spiel sind. Welterlösungslehren, die diese Impulse nicht bedienen, können wahrscheinlich keine solche Prägekraft entwickeln wie die zusammenschweißenden Weltuntergangslehren.
"Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande." - Voltaire
Zitat von Johanes im Beitrag #58Die Rhetorik, die Menschheit zu vertreten, geht zumindest in Deutschland auf 1848 zurück, mindestens.
Wäre mir jetzt neu, daß das 1848 ein Thema gewesen wäre. Ich sehe im Gegenteil in den nationalstaatlichen Bestrebungen der 48er Revolution teilweise auch eine Abkehr von der Reichsidee hin zu einem Deutschland, das ein Nationalstaat wie alle anderen ist. Parallel gab es zwar die Bestrebung, einen demokratischen Kaiser zu installieren, aber darin sehe ich eher einen Nachhall der enormen Defensivmacht, die das HRR durch die Heerfolge zweifellos hatte, und die Deutschland lange Zeiten von Frieden gebracht hat, nach der man sich nach der Erfahrung der napoléonischen Verwüstungen gesehnt hat. Es gab auch Befürworter einer Direktoireverfassung wie in der Schweiz, mit einem Gremium als mehrköpfigen Staatsoberhaupt. Persönlich halte ich so eine Verfassung auch für überlegen.
Zitat von Johanes im Beitrag #58Zumindest was Kommunisten angeht, ist zu berücksichtigen, dass es sich dort bei Moral um ein "Überbauphänomen" handelt und beim schlechten Gewissen um "bürgerliche Sentimentalität", die sich ein Arbeiter nicht mal leisten könnte.
Stimmt, die Sozialismen kannten keine Moral bzw. verleugneten sie. Und die "bürgerliche Sentimentalität" nannte man in der anderen Sozialismusversion "Gefühlsduselei" und "Schwäche im Kampf ums Überleben". Ich schreibe übrigens bewußt, daß diese Sozialismen Moral verleugneten, denn in Wahrheit ist es ein verletztes Gerechtigkeitsempfinden, eine moralische Entrüstung, das die gefühlsmäßige Motivation für beide Ideologien ist: Einerseits hauptsächlich die Entrüstung über die Ausbeutung der Arbeiter (die es im 19. Jh sicher auch gegeben hat) durch die Arbeitgeber, andererseits die Entrüstung über die Ausbeutung durch die Siegermächte des 1. Weltkrieges.
Zitat von Johanes im Beitrag #58War die Philosophie im Ostblock überhaupt besonders konsequentialistisch angelegt?
Hieß die Philosophie nicht "Marxismus-Leninismus"?
Zitat von Johanes im Beitrag #58Zumindest im Katholizismus ist die Antwort klar: Man darf nicht etwas böses tun, um etwas gutes zu erreichen.
Ich wollt's nicht schon wieder schreiben.
Zitat von Johanes im Beitrag #58Lustigerweise ist es nie so schlimm gekommen, wie die Warnungen vorhergesagt haben.
Stimmt. Irgendwo habe ich mal ein T-Shirt gesehen, auf dem stand, was der Träger so alles überlebt hat: Waldsterben, авария в Чернобылей, Hautkrebs durch Ozonloch ("wir werden nicht mehr in die Sonne gehen können"), Rinderwahnsinn ("100.000 tote Briten"), Terrorismus, Klimawandel, Feinstaub, Stickoxide usw.
Ein bißchen greift da aber das Präventionsparadoxon: Viele dieser Dinge sind vor allem deswegen nicht so katastrophal geworden, weil man tatsächlich Gegenmaßnahmen ergriffen hat, die zumindest zu einem Teil auch gewirkt haben.
Ernsthaft Grund zur Sorge besteht bei Gefahren, die verniedlicht werden oder mit ungeeigneten Mitteln behandelt werden.
Was mich aktuell am meisten wundert ist dass die Grünen trotz allem noch bei ca. 20% liegen... gut: was die Umfragen wert sind, wird man erst nach der Wahl wissen, aber selbst wenn es am Ende nur 10% sind, bedeutet das doch, dass millionen Menschen ohne mit der Wimper zu zucken eine Frau ins Kanzleramt wählen wollen, die wirklich überhaupt nichts vorzuweisen hat ausser mehrmals beim Lügen erwischt worden zu sein.
Ich finde das etwas schockierend. Wenn die Leute mit Vernunft wählen würden, müssten die Grünen eigentlich krachend an der 5%-Hürde scheitern...
Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #61Was mich aktuell am meisten wundert ist dass die Grünen trotz allem noch bei ca. 20% liegen... gut: was die Umfragen wert sind, wird man erst nach der Wahl wissen, aber selbst wenn es am Ende nur 10% sind, bedeutet das doch, dass millionen Menschen ohne mit der Wimper zu zucken eine Frau ins Kanzleramt wählen wollen, die wirklich überhaupt nichts vorzuweisen hat ausser mehrmals beim Lügen erwischt worden zu sein.
Ich finde das etwas schockierend. Wenn die Leute mit Vernunft wählen würden, müssten die Grünen eigentlich krachend an der 5%-Hürde scheitern...
Und was wählen Sie stattdessen? Einen Apparatischik, der 16 Jahre hinter der Gottkanzlerin gestanden hat, die mehr Schaden in diesem Land angerichtet hat, als jede andere Einzelperson seit 1945? Oder den Kandidaten einer Partei, die meint die Antworten auf die gewaltigen Probleme diesen Landes lägen in Identitätspolitik und noch mehr Steuern? Ich kann nicht sehen, dass die Baerbockschen Wähler in irgendeiner Form schlimmer, dümmer oder ignoranter sind als die Wähler von Flaschet oder Scholz. Und nebenbei: Mich juckt es wenig, dass Baerbock ihren Lebenslauf erfunden hat. Eine dumme Nuss wäre sie selbst, wenn die diversen Stationen, die sie erfunden hat, auch so stattgefunden hätten. Das Problem ist doch nicht primär, dass Baerbock hohl ist, das Problem ist, was Sie anstrebt und umsetzen möchte. Ein überzeugter Grüner mit zwei Hochschulabschlüssen, einem Doktor, 20 Jahren Verwaltungserfahrung, drei Auslandsjahren und echten Mitgliedschaften in einem Dutzend ganz doller NGOS, wäre doch keine kleinere Gefahr für die Gesellschaft oder dieses Land.
Angela Merkel hat einen echten Abschluss, einen echten Doktor und diverse Führungserfahrung und hat mehr Schaden angerichtet als wir in einer Generation wieder flicken können (und würde noch mehr anrichten, wenn sie denn könnte). Nach dieser Logik müsste die CDU an der 1% Hürde scheitern.
Zitat von Johanes im Beitrag #55Ich ja zuvor auch.Aber das könnte "Printing" sein. Wir haben das Video ja nicht unvorbereitet so gesehen, sondern wurden per Kommentar darauf vorbereitet, was wir sehen. Das mit dem Flirte scheint mir als Erklärung tatsächlich besser.Das Grinsen Habecks beginnt zu früh, um überspielt zu sein. Als Baerbock die Unterschiedlichkeit anspricht, strahlt ihr Gesicht in diesem Beitrag quasi. Sie sagt das auch nicht wirklich mit ernste Gesicht. Auch die Köperhaltung der beiden, aufeinander zugewandt.Ich möchte gar nicht behaupten, dass das bewusst stattfindet. Solche Annäherungen laufen manchmal quasi automatisch ab.
Lieber Johanes,
ich habe mir mal das ganze Video von Youtube heruntergeladen und die fragliche Szene inclusive der Sekunden davor angesehen. Flirten kann ich da immer noch nicht sehen.
Interessant ein Ausschnitt bei 22.09 - 22.19. Mein Eindruck ist, vor dem Schnitt schaut Habeck ziemlich genervt in die Gegend. Nach dem Schnitt sehe ich eine gewisse Traurigkeit in seinem Gesicht, als die Wahlergebnisse verkündet werden.
Die hier diskutierte Sequenz beginnt bei 24.14.
Ich deute die Gesichtsausdrücke so: Baerbock strahlt in ihrer ganzen Dummheit, weil sie sich ihrer Überlegenheit sicher ist. Schließlich ist sie eine Frau. Und besser qualifiziert, immerhin ist sie eine Frau... Und für Habeck kommt vielleicht diese spezielle Aussage, wer woher kommt, etwas überraschend. Aber er kennt sie ja schon lange genug, um zu wissen, daß da so ziemlich jedes Wort, das sie spricht Unsinn ist. Sein Schmunzeln ist einfach die Zufriedenheit, diesen Eindruck durch sie gerade mal wieder bestätigt zu bekommen.
Dass die anderen Kandidaten nicht gerade traumhaft sind, ist klar... aber ich finde schon dass die Sache mit Baerbock nochmal eine andere Qualität hat.
Es geht doch dabei nicht in erster Linie darum, ob die Politik sinnvoll ist oder nicht (was an sich schon eine Frage der subjektiven Einschätzung ist), sondern schon darum, ob ein Mandatsträger überhaupt ein Minimum an Glaubwürdigkeit vorzuweisen hat. Denn wenn die schon keine Rolle spielt, ist es eigentlich völlig egal wen man wählt. Wer garantiert denn, dass die Baerbock am Ende überhaupt das grüne Programm umsetzt für das man sie gewählt hat, und nicht einfach etwas völlig anderes macht, was ihr gerade nach Tageslaune einfällt? Warum vertraut man jemandem, der sein halbes Leben erfunden hat?
Zitat von Emulgator im Beitrag #60Wäre mir jetzt neu, daß das 1848 ein Thema gewesen wäre.
Man erinnere sich an das Lied "Trotz alledem [ist Märzenzeit]", dort heißt es an einer Stelle etwa, dass die Klagenden "die Menschheit" seien.
Zitat von EmulgatorEs gab auch Befürworter einer Direktoireverfassung wie in der Schweiz, mit einem Gremium als mehrköpfigen Staatsoberhaupt. Persönlich halte ich so eine Verfassung auch für überlegen.
Kann man so sehen, in der Praxis haben wir dann eine konstitutionelle Monarchie und inzwischen eine parlamentarische Demokratie bekommen.
Zitat von EmulgatorIch schreibe übrigens bewußt, daß diese Sozialismen Moral verleugneten, denn in Wahrheit ist es ein verletztes Gerechtigkeitsempfinden, eine moralische Entrüstung, das die gefühlsmäßige Motivation für beide Ideologien ist: Einerseits hauptsächlich die Entrüstung über die Ausbeutung der Arbeiter (die es im 19. Jh sicher auch gegeben hat) durch die Arbeitgeber
Welche Bedeutung, bzw. Stellenwert man Moral und Gewissen zuweist, hängt natürlich davon ab. Sieht man sich selbst als Rationalisten und das Gewissen nur als Gefühl, dann lehnt man eine Entscheidung auf dieser Basis natürlich ab. Bei den Sozialisten war das mW zumeist der Fall, besonders bei denen, die sich auf Marx beziehen.
Heute würde man die Frage wohl anders stellen.
Zitat von EmulgatorEin bißchen greift da aber das Präventionsparadoxon: Viele dieser Dinge sind vor allem deswegen nicht so katastrophal geworden, weil man tatsächlich Gegenmaßnahmen ergriffen hat, die zumindest zu einem Teil auch gewirkt haben.
Gut formuliert.
Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #64Wer garantiert denn, dass die Baerbock am Ende überhaupt das grüne Programm umsetzt für das man sie gewählt hat, und nicht einfach etwas völlig anderes macht, was ihr gerade nach Tageslaune einfällt? Warum vertraut man jemandem, der sein halbes Leben erfunden hat?
Es hat bei Merkel ja auch nicht viel gebracht...
Abgesehen davon: Baerbock wird ja nicht zur absoluten Herrscherin gewählt. Es wird die Fraktion der Partei im Bundestag geben und die Minister und einen Koalitionsvertrag usw.
Stand 05.06.2021: Das SARS-CoV-2-Virus könnte jetzt doch aus einem Labor kommen. 23.06.: Dem BMWi fällt auf, dass der Strombedarf nicht bis 2030 konstant bleibt. to be continued
Bei der Auswahl von Politikern sind die relevanten Kriterien:
A. Qualifikation B. Charakter C. Agenda/Programm D. Optik
Vielleicht sind dem einzelnen Wähler diese Kriterien in unterschiedlicher Gewichtung bedeutsam. Aber letztlich sind das die relevanten Kriterien.
D. Optik habe ich nur der Vollständigkeit eingefügt. Ich halte das eigentlich NICHT für ein Kriterium, das eine Rolle spielen sollte. Aber in der Realität tut es das natürlich, wie wir wissen. (Mit "Optik" meine ich das Gesamterscheinungsbild. Die äußere Hülle. Und ziemlich viele Wähler lassen ich davon natürlich schon beeindrucken. Man sollte es aber auch nicht überbewerten. Die meisten deutschen Politker sind wohl eher trotz als wegen ihres Erscheinungsbilds erfolgreich.)
Bei C Agenda/Programm werden unterschiedliche Wähler unterschiedliche Präferenzen haben. Es ist daher auch reichlich sinnlos zu sagen "XY ist nicht wählbar wegen seinem Programm." Richtig ist, dass er für MICH nicht wählbar ist. Aber andere Wähler finden sein Programm wahrscheinlich ganz toll. Konkret bringt es gar nichts, sich über das Wahlprogrogramm von Frau Baerbock zu echauffieren. Mir mag es nicht gefallen. Aber das Programm an und für sich macht Frau Baerbock nicht ungeeignet fürs Kanzleramt.
A und B sind jedoch eigentlich dem punkt C vorgeschaltete "objektive" Kriterien. Das sind die Kriterien die sicherstellen, dass der Politiker zwar vielleicht in die (aus meiner Sicht) falschen Richtung marschiert, dass er aber zumindest handwerklich dabei sauber arbeitet. Das mag dann zwar ein schwacher Trost sein. Aber es ist halt trotzdem beruhigend, wenn man weiß, dass man nicht einen Irren oder Ungeschickten an den Schalthebeln sitzen hat. Und hier haben wir bei Frau Baerbock eben ein Problem. Ich persönlich finde übrigens B Charakter noch nicht einmal als den entscheidenden Knackpunkt. Ja, richtig, da haben die letzten Wochen bei Frau Baerbock gewisse Probleme offenbart. Aber m.E. noch nicht so gravierende, dass sie sich damit disqualifizieren würde.
Das eigentliche Problem ist A Qualifikation. Und dieser Punkt ist es, der Frau Baerbock m.E. unwählbar macht. Selbst ihr ursprünglicher Lebenslauf war ja schon VIEL zu schwach für eine Kanzlerkandidatin. Dass selbst dieser Lebenslauf aber noch aufgepumpt war und letztlich außer bestandenem Abitur praktisch nichts mehr übrigbleibt, macht das ganze natürlich noch dramatischer. Aber wie gesagt: auch die Ursprungs-Version war nicht gut genug.
die "geeignete Qualifikation" ist natürlich nicht 100% zu präzise zu definieren. Es gibt nicht das eine "Muss-Kriterium", dass ein Kanzlerkandidat haben muss. Stattdessen gibt es sicher ganz unterschiedliche Lebensläufe, die man am Ende in der Summe als ausreichende Qualifikation werten kann. Aber ganz egal was man da für wichtig hält und was man wie bewertet: es ist absolut offensichtlich, dass Frau Baerbock die Mindestkriterien nicht erfüllt.
Dazu gehört, dass man schon früher berufliche Situationen hatte, die einen auf das vorbereiten, was einen dann als Kanzler erwartet. Zum Beispiel sollte man schon mal selbst eine Kabinetts-Sitzung erlebt haben, wenn man dann plötzlich eine leiten soll. (Von daher: Minister-Erfahrung wäre hilfreich). Man sollte schon mal einen Verwaltungsapparat (Ministerium, Behörde, größeres Unternehmen) von Innen erlebt haben. Um ein Gespür dafür zu haben, wie größere Organisationsstrukturen so "ticken", wo es typischerweise Probleme geben kann, wo es sich lohnt mal genauer hinzuschauen, usw. (auch hier: Minister-Erfahrung oder zumindest Erfahrung in einer großen Behörde oder Unternehmen wäre sinnvoll). All das hat Baerbock nicht mal ansatzweise.
Um das mal an ein paar Beispielen festzumachen: die letzten SPD-Kandidaten Scholz, Steinmeier und Steinbrück muss man jetzt nicht unbedingt als Kanzler wollen (allein schon wegen C Programm). Aber bei allen drei war aber m.E. gewährleistet, dass sie das "Zeug" und den notwendigen Charakter dazu haben. Ich hätte auch mit einem von diesen ruhig schlafen können ohne Angst haben zu müssen, dass die zu doof oder zu unerfahren sind um Deutschland regieren zu können. Beim Kandidaten Schulz würde ich hier schon kleine Einschränkungen machen, weil der z.B. noch nie ein großes Ministerium oder großes Bundesland geleitet hat. Aber immerhin war er mal selbständiger Buchhändler, dann 11 Jahre Kleinstadtbürgermeister. Und dann Präsident des EU-Parlaments. Ich habe damals diese Qualifikationen als zu schwach befunden. Aber sie sind natürlich ganz offensichtlich VIEL stärker als die von Frau Barbock. (Frau Baebocks "Karriere-Highlight" war ja ihr Amt als Büroleiterin einer EU-Abgeordneten. Heute wissen wir, dass das so gar nicht stimmte. Aber selbst wenn es gestimmt hätte: Büroleitern einer Abgeordneten ist weniger als eine Abgeordnete ist weniger als Parlamentspräsident ist weniger als Bundesminister. Die Anzahl interessante/wichtige Gespräche, die Baerbock in ihrem Job in 4 Jahren führen konnte war wahrscheinlich weniger als das, was Schulz an einem Tag hatte).
Wenn die Grünen nun jemanden als Kanzlerkandidat aufstellen, der bei Punkt A eindeutig nicht ausreichend qualifiziert ist, dann ist das ein ganz schlimmes Versagen dieser Partei. Wenn nun aber die Öffentlichkeit darauf reagiert, indem sie dann Punkt B bei Frau Baerbock besonders hoch bewerten (was ja eigentlich sogar den Grünen in die Hände spielen sollte, denn bei A ist ja wie gesagt Totalversagen), dann ist das auf einmal "Kampagnen-Journalismus".
"Baerbock wird ja nicht zur absoluten Herrscherin gewählt"
Das hat man bei der letzten Gottkönigin auch gesagt.
___________________ Jeder, der Merkel stützt, schützt oder wählt, macht sich mitschuldig. “Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten mäßig entstellt”, Georg Cristof Lichtenberg "Warum halten sie Begriffe wie 'Zigeunersoße' für rassistisch, aber 'Schei** Juden' für harmlos?", Hamed Abdel-Samad
Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #49Deshalb ist glücklicherweise auch nicht zu erwarten, dass die Grünen in Zukunft zur Besinnung kommen (das geht nicht ohne Parteiaustritt) und politisch geschickter agieren werden. Ein Kandidat wie Habeck wäre dabei allenfalls Zufall. Wesentlich wahrscheinlicher ist allerdings, dass vor der nächsten Wahl die nächste Baerbock zur Spitzenkandidatin gewählt wird. An inkompetenten Frauen mangelt es dieser Partei schließlich nicht. Dann allerdings absehbar mit ähnlichen Konsequenzen.
Hoffen wir das Sie recht behalten. Irgendwann im Leben kommt der Punkt, an dem muss man sich einen Anzug kaufen wenn man weiterkommen will, auch wenn man das für affig hält und sich mit Jeans und Schlaber-Shirt ausreichend bekleidet sieht. Winfried Kretschmann hat das gemacht und irgendwann ziehen die Bundesgrünen nach.
Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #64 Es geht doch dabei nicht in erster Linie darum, ob die Politik sinnvoll ist oder nicht (was an sich schon eine Frage der subjektiven Einschätzung ist), sondern schon darum, ob ein Mandatsträger überhaupt ein Minimum an Glaubwürdigkeit vorzuweisen hat.
Da sind wir unterschiedlicher Meinung. Mir kommts tatsächlich nur drauf an, was hinten rauskommt. Nehmen wir, weils in Deutschland so viel Spaß macht, Trump. Trump ist ein Schaumschläger vor dem Herrn, ein nahezu irrsinniger Angeber, ein Narzisst, Egomane und nach meinem Dafürhalten nicht allzu glaubwürdig, wenn es ihm darum geht sich positiv darzustellen oder einen Vorteil zu erringen. Aber er war der beste Präsident, den die USA in den letzten 50 Jahren gehabt hat. Mit Abstand. Man kann argumentieren: Wenn jemand unglaubwürdig ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Person das umsetzt, was sie verspricht, geringer. Das ist sicher richtig. Aber es sagt noch nicht so extrem viel darüber aus, was sie umsetzen wird. Gerade in Deutschland.
Zitat Wer garantiert denn, dass die Baerbock am Ende überhaupt das grüne Programm umsetzt für das man sie gewählt hat, und nicht einfach etwas völlig anderes macht, was ihr gerade nach Tageslaune einfällt? Warum vertraut man jemandem, der sein halbes Leben erfunden hat?
Und warum trauen wir dann Angela Merkel? Angela Merkel hat EXAKT das getan, sie hat etwas versprochen und dann das Gegenteil getan. Und nicht nur einmal, sondern eigentlich nur. Ich kann nicht sehen wo das jetzt bei Baerbock einen Unterschied macht.
Bevor das falsch rüberkommt: Ich halte eine Frau Kanzler Baerbock für eine Katastrophe sondergleichen. Aber nicht aufgrund ihrer Characterfehler oder ihrer mangelnden Bildung. Sondern wegen dem, was sie will. Ich erwarte von einem Kanzler weniger, dass er die Dinge alle überblickt (das tut kein Kanzler am Ende), sondern das er einen Blick fürs große Ganze hat und die richtigen Leute an die richtigen Positionen setzt. Vielleicht noch ein Beispiel: Es hat keinen korrupteren Kanzler in Deutschland gegeben als Gerhard Schröder. Seine Integrität dürfte mit einer großen Null korrekt beschrieben sein. Dennoch ist seine Agenda vermutlich das sinnvollste und wirkungsvollste Stück Sozialpolitik der letzten Jahrzehnte gewesen.
Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #61Was mich aktuell am meisten wundert ist dass die Grünen trotz allem noch bei ca. 20% liegen... gut: was die Umfragen wert sind, wird man erst nach der Wahl wissen, aber selbst wenn es am Ende nur 10% sind, bedeutet das doch, dass millionen Menschen ohne mit der Wimper zu zucken eine Frau ins Kanzleramt wählen wollen, die wirklich überhaupt nichts vorzuweisen hat ausser mehrmals beim Lügen erwischt worden zu sein.
Ich finde das etwas schockierend. Wenn die Leute mit Vernunft wählen würden, müssten die Grünen eigentlich krachend an der 5%-Hürde scheitern...
Frau Baerbocks Lebenslauf ist doch nicht ungewöhnlich, ungewöhnlich ist nur, dass sie sich damit in die allererste Reihe drängelt. In Deutschland wimmelt es von Leuten die geistes- oder sozialwissenschaftliche (oder künstlerische) Fächer mit und ohne Abschluss studiert haben, die belanglose Abschlussarbeiten geschrieben haben in Fächern, in denen das einzige vernünftige Berufsbild das eines Lehrstuhlinhabers ist. Die haben zwar studiert, aber keine richtigen Brotberufe erlernt, müssen aber trotzdem unterkommen und versuchen es in der Politik, in der "Zivilgesellschaft", in den Medien usw. oder in ganz anderen Bereichen (was oft als Niederlage/Abstieg und unbefriedigend empfunden wird). Dass die eigene Existenzgrundlage prekär ist, dürfte zu den Grunderfahrungen gehören, die jeder in dem Milieu zumindest in der Vergangenheit gemacht hat. Frau Baerbock unterscheidet sich nur dadurch, dass sie es geschafft hat, aber sie gehört dazu und wenn Hadmut Danisch oder die Bild gegen Frau Baerbock und ihren Lebenslauf "hetzen", fühlt sich das ganze Milieu angegriffen und in Frage gestellt.
Zitat von Llarian im Beitrag #69Ich halte eine Frau Kanzler Baerbock für eine Katastrophe sondergleichen. Aber nicht aufgrund ihrer Characterfehler oder ihrer mangelnden Bildung. Sondern wegen dem, was sie will.
Genau, allerdings verursachen Programm und Ideologie der Grünen den Leuten keinen Schrecken, das grüne Personal nach meiner Beobachtung schon.
Ich befürchte, moise trumpeter hat recht. Es gibt in Deutschland in der Tat ein Milieu, in dem junge Leute irgendwas mit Geisteswissenschaften studieren, weil sie zwar einerseits einen akademischen Abschluss habe wollen, aber andererseits sich nicht so anstrengen wollen. Wobei es diesen Typus auch in anderen Studienfächern gibt, nur sind die Geisteswissenschaften dann besonders betroffen. Es sei aber daran erinnert, dass ein Altphilologie wie Johnson in UK durchaus in der Lage wäre einen Job in einer Firma zu kriegen und die Karriere des ehemaligen Philosophiestudenten Macron muss ich nicht erwähnen.
Bei den Sozialwissenschaften würde ich, neben einigen Ausnahmen, unterscheiden zwischen der halbwegs seriösen akademischen Forschungsprogrammen und eine Art zweiten Weg der "Stiftungswissenschaftler". Mit den richtigen Parteibuch und/oder der richtige Gesinnung gibt es anscheinend Möglichkeiten, bei einer parteinahen oder sonstigen politischen Stiftung unterzukommen. Wobei ich nicht mal sagen will, dass alle Forschung von da unseriös ist, kann ich nicht beurteile. Es scheint mir nur klar, dass eine Stiftung aus Gewerkschaftsgeldern oder SPD-nahe einen gewissen Bias in sozio-ökonomischen Fragen haben wird.
Wobei ich jetzt nicht behaupten würde, dass in den Natur- und Ingenieurswissenschaften nicht auch solche Karrieren existieren.
Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #61Was mich aktuell am meisten wundert ist dass die Grünen trotz allem noch bei ca. 20% liegen... gut: was die Umfragen wert sind, wird man erst nach der Wahl wissen, aber selbst wenn es am Ende nur 10% sind, bedeutet das doch, dass millionen Menschen ohne mit der Wimper zu zucken eine Frau ins Kanzleramt wählen wollen, die wirklich überhaupt nichts vorzuweisen hat ausser mehrmals beim Lügen erwischt worden zu sein.
Ich finde das etwas schockierend. Wenn die Leute mit Vernunft wählen würden, müssten die Grünen eigentlich krachend an der 5%-Hürde scheitern...
Frau Baerbocks Lebenslauf ist doch nicht ungewöhnlich, ungewöhnlich ist nur, dass sie sich damit in die allererste Reihe drängelt. In Deutschland wimmelt es von Leuten die geistes- oder sozialwissenschaftliche (oder künstlerische) Fächer mit und ohne Abschluss studiert haben, die belanglose Abschlussarbeiten geschrieben haben in Fächern, in denen das einzige vernünftige Berufsbild das eines Lehrstuhlinhabers ist. Die haben zwar studiert, aber keine richtigen Brotberufe erlernt, müssen aber trotzdem unterkommen und versuchen es in der Politik, in der "Zivilgesellschaft", in den Medien usw. oder in ganz anderen Bereichen (was oft als Niederlage/Abstieg und unbefriedigend empfunden wird). Dass die eigene Existenzgrundlage prekär ist, dürfte zu den Grunderfahrungen gehören, die jeder in dem Milieu zumindest in der Vergangenheit gemacht hat. Frau Baerbock unterscheidet sich nur dadurch, dass sie es geschafft hat, aber sie gehört dazu und wenn Hadmut Danisch oder die Bild gegen Frau Baerbock und ihren Lebenslauf "hetzen", fühlt sich das ganze Milieu angegriffen und in Frage gestellt.
Vielleicht ist das Wahlverhalten viel einfacher zu erklären. F.Alfonzo schreibt von Vernunft, bzw. einer rationalen Wahlentscheidung. Ich gehe davon aus, dass viele Menschen Stimmungs- oder Trendwähler sind, und da reicht die mediale 'Gehirnwäsche' allemal für 20 % für die Grünen. Die Berichte über Baerbock stören die Stimmung bisher doch nicht so sehr, als dass sie ganz auf Distanz gehen. Und in den Echokammern ist noch viel Platz.
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