Seit der Aufhebung der Exkommunikation der vier SSPX-Bischöfe sind nun einige Tage vergangen, und auch das Rauschen im Blätterwald wird langsam ruhiger. Zeit, einen Schritt zurück zu machen und die Ereignisse der letzten Wochen Revue passieren zu lassen.
Unser Hausherr Zettel hat mir liebenswürdigerweise seinen Blog für eine kurze Serie zur Verfügung gestellt. In einem ersten Teil erkläre ich kurz die Umstände der Exkommunikation, deren Aufhebung den Wirbel erst auslöste: was ist eine Exkommunikation, und warum waren die vier SSPX (was ist das eigentlich?)-Bischöfe überhaupt exkommuniziert?
Disclaimer: ich mache mir weder die theologischen Ansichten des SSPX noch die historischen oder politischen Ansichten seiner Mitglieder - Priester wie Bischöfe - zu eigen.
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
herzlichen Dank für diesen ersten Teil Ihrer ebenso informativen wie sachlich-präzisen Serie (für die beiden folgenden Teile gelten diese Prädikate auch; soviel darf ich in der Rolle des Redakteurs schon mal den Lesern verraten ).
Ich danke Ihnen vor allem auch deshalb, weil ich mich - einigen Lesern wird das aufgefallen sein - in dieser Diskussion selbst sehr zurückgehalten habe. Ich fühle mich einfach nicht zuständig; ich kenne die Materie zu wenig, um mir ein Urteil bilden zu können.
Umso mehr, lieber Gorgasal, habe ich mich darüber gewundert, wie schnell die Medien in ihrer großen Mehrzahl mit ihrem Urteil zur Hand waren. Auf kaum einem Gebiet wird die linke Meinungsdominanz so deutlich wie in der Bewertung der unterschiedlichen Strömungen in der Katholischen Kirche. Arbeiterpriester gut, progressive Theologie gut, Küng sehr gut, Drewermann supergut; Traditionalisten schlecht, Erzbischof Levebvre sehr schlecht - das ist sozusagen ein von vornherein vorgegebenes Koordinatensystem, über dessen Berechtigung gar nicht erst diskutiert wird.
Das geht mir gegen den liberalen Strich. Ich habe selbst kein Verhältnis zu irgendeiner Religion, einschließlich aller Spielarten des Atheismus. Das Weltbild des Erzbischofs Levebvre steht mir sicherlich besonders fern. Aber er hat doch ein Recht auf sein Weltbild. Er hat ein Recht darauf, daß man über seine Positionen und Argumente diskutiert, statt sie von vornherein aus dem Diskurs auszuschließen.
Erwartet werden darf doch eigentlich von den Medien eine Berichterstattung, die dazu führt, daß man zumindest die Sachverhalte kennt. Das werden die Leser von ZR, wenn sie Ihre Serie gelesen haben; anders als diejenigen, die sich nur aus dem "Spiegel" oder dergleichen informiert haben.
Nochmal vielen Dank, daß Sie meiner leisen Anfrage so bereitwillig und mit einem so schönen Ergebnis nachgekommen sind!
Herzlich, Zettel
PeterCoyote
(
Gast
)
Beiträge:
19.02.2009 16:59
#4 RE: Benedikt XVI., Bischof Williamson und die Fraternitas Sacerdotalis Sancti Pii X
In Antwort auf:Auf kaum einem Gebiet wird die linke Meinungsdominanz so deutlich wie in der Bewertung der unterschiedlichen Strömungen in der Katholischen Kirche. Arbeiterpriester gut, progressive Theologie gut, Küng sehr gut, Drewermann supergut; Traditionalisten schlecht, Erzbischof Levebvre sehr schlecht - das ist sozusagen ein von vornherein vorgegebenes Koordinatensystem
es ist richtig von einem vornherein vorgegebenen Koordinatensystem zu sprechen. Ich muß sie allerdings enttäuschen, denn mit einer linken Meinungsdominanz hat es sehr wenig zu tun. Das Denken von Traditionalisten, vom Erzreaktionär Levebvre gar nicht zu reden, beisst sich nicht mit dem Empfinden einer Minderheit von politischen Irrläufern, sondern mit dem Empfinden der Mehrheit der Bürger. Das Denken der Traditionalisten ist anachronistisch, ja obsolet, und wird in westlichen Industriegesellschaften auch niemals mehr mehrheitsfähig werden.
Dies vorangestellt, sei doch einmal an Salomon Korns vorzügliche Rede über eine vernachlässigbare Größe und das Mittelalter erinnert:
In Antwort auf:Die Bruderschaft ist doch eine vernachlässigbare Größe. Indem er dieser Gruppe, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil seinerzeit von dem inzwischen verstorbenen Erzbischof Marcel Lefebvre ins Leben gerufen worden war, zu einer neuen Anerkennung verschafft, fällt er zurück ins Mittelalter, in Zeiten, die längst überwunden schienen. Denn die Bruderschaft will von der dem Konzil so wichtigen Neubestimmung des Verhältnisses zwischen katholischer Kirche und Juden sowie den anderen christlichen Konfessionen nichts wissen. Päpste wie Johannes Paul II. haben sich um die Beziehungen ihrer Kirche zu den Juden verdient gemacht. Indem der jetzige Papst, ein Deutscher, andere Akzente setzt und auch noch die Exkommunikation für einen Holocaust-Leugner zurücknimmt, weckt er Zweifel an der Klugheit und Weitsicht seiner Vorgänger.
Zitat von PeterCoyotedenn mit einer linken Meinungsdominanz hat es sehr wenig zu tun.
Doch. Es geht hier ja nicht darum, wie man zu Lefevre steht (da gebe ich Ihnen völlig recht, daß das eine völlig marginale Richtung ist). Sondern darum, daß der Umgang der katholischen Kirche mit so einer Gruppe von den Medien mit Ignoranz und Vorurteilen begleitet wird.
Zitat von KornDie Bruderschaft ist doch eine vernachlässigbare Größe. Indem er dieser Gruppe, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil seinerzeit von dem inzwischen verstorbenen Erzbischof Marcel Lefebvre ins Leben gerufen worden war, zu einer neuen Anerkennung verschafft, fällt er zurück ins Mittelalter, in Zeiten, die längst überwunden schienen. Denn die Bruderschaft will von der dem Konzil so wichtigen Neubestimmung des Verhältnisses zwischen katholischer Kirche und Juden sowie den anderen christlichen Konfessionen nichts wissen. Päpste wie Johannes Paul II. haben sich um die Beziehungen ihrer Kirche zu den Juden verdient gemacht. Indem der jetzige Papst, ein Deutscher, andere Akzente setzt und auch noch die Exkommunikation für einen Holocaust-Leugner zurücknimmt, weckt er Zweifel an der Klugheit und Weitsicht seiner Vorgänger.
Auf Aussagen wie diese gehe ich in den späteren Teilen meiner kleinen Serie ein. Es ist, sagen wir, sehr weit hergeholt, Papst Benedikt "andere Akzente" zuzuschreiben - immerhin hat er als erster Papst überhaupt (naja, seit Petrus) eine Synagoge besucht, wiederholt über den Holocaust gesprochen und die jüdischen Wurzeln des Christentums rezipiert und verarbeitet wie kaum ein Papst vor ihm, siehe Jesus von Nazareth.
Der Halbsatz, dass er "die Exkommunikation für einen Holocaust-Leugner zurücknimmt", insinuiert eine Beziehung zwischen den beiden Tatbeständen, die nun einmal nichts miteinander zu tun haben. Auch dazu später mehr.
Zuguterletzt, das "Zurückgehen ins Mittelalter": wenn Korn damit meint, dass Benedikt Vatikan II im Licht der vorherigen Konzilien interpretiert und nicht als kompletten Neuanfang, dann hat er recht. Und in der Tat hat die katholische Kirche die Eigentümlichkeit, in ihrem Selbstverständnis nicht nur bis zum Mittelalter zurückzugehen, sondern bis in die Antike und darüber hinaus.
Das Judentum übrigens auch.
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Der Papst hat eine Exkommunikation zurückgenommen.
Das hat in erster Linie kirchenrechtliche Bedeutung, etwa in der angesprochenen Frage der Priester- und Bischofsweihe.
Es bedeutet aber nicht, dass der Papst unbedingt jede Position der Pius-Brüder gut findet. Das Mittel Exkommunikation ist ja nicht das gleiche wie z.B. ein Parteiausschluss. Letzteren kann eine Partei vollziehen, weil sie die Denk- oder Handlungsweise eines Mitglieds unanständig findet. Bei der Kirche geht das nicht so einfach.
Ein verurteilter Mörder wird z.B. (nehme ich an) i.d.R. aus seiner Partei ausgeschlossen. Aber nicht aus der Kirche. Entsprechend ist es z.B. auch lächerlich, sich darüber zu empören, dass ein Holocaust-Leugner nicht exkommuniziert wird bzw. bleibt. Exkommunikation ist hier schlicht kein Disziplinierungsmittel, das für ein solches Vergehen zur Verfügung stünde.
(Mal ganz unabhängig davon, dass "Holocaust-Leugnung" ein typisch deutscher Straftatbestand ist, den es in den meisten anderen Rechtsordnungen ohnehin nicht gibt - und man wohl kaum von der katholischen Kirche erwarten darf, dass sie nun ausgerechnet das deutsche StGB als Leitfaden für ihre kirchenrechtlichen Entscheidungen nimmt).
Wenn die Presse dem Papst nun hier sein Vorgehen zum Vorwurf macht, dann hat sie schlicht das Mittel der Exkommunikation nicht richtig verstanden.
Im übrigen und auch wenn auch mir die Pius-Truppe suspekt ist: Mir als Katholiken hat es gar nicht gefallen, wie unsere protestantische Kanzlerin meinte den Papst maßregeln zu müssen.
"Er hat ein Recht darauf, daß man über seine Positionen und Argumente diskutiert, statt sie von vornherein aus dem Diskurs auszuschließen."
Ich lerne jeden Tag dazu. Wo genau kann ich das nachlesen, dass Levebre ein Recht darauf hat, dass "man" seine Meinungen diskutiert? Ich hätte jetzt gedacht, "man" (also die öffentlichen Medien, die Leute am Stammtisch, die Politiker, ich, du er sie es...) entscheiden selbst, worüber sie diskutieren wollen.
Oder sollte mit "man" die Kirche gemeint sein? Nun, da kann ich es nicht beurteilen. Mag sein, dass es einen kirchenrechtlichen Artikel gibt, der "man" in der Kirche zwingt, Levebres Meinungen zu diskutieren.
Noch eine Frage zur kirchenrechtlichen Seite: wenn Levebre automatisch exkommuniziert wird auf Grund seiner Tat, wie kann dann überhaupt die Exkommunion zurückgenommen werden? Ansonsten danke an Gorgasal für diesen informativen Artikel.
Ich kann übrigens nicht nachvollziehen, wieso hier speziell bei diesem Thema eine "linke" Meinungsdominanz verantwortlich gemacht wird. Es sei denn, damit wäre allgemein gemeint, dass Deutschland grundsätzlich zu links sei (was man in der Tat manchmal so sehen kann). Ich sehe in diesem speziellen Fall jedenfalls nix "links". Statt dessen ist meiner Meinung nach die allgemein kirchenkritische Haltung der altdeutschen Bevölkerung für die scharfe Reaktion verantwortlich.
Ich muss doch etwas bremsen: Es ist zwar richtig, dass es auch um das Lateinische als Sprache des Gottesdienstes geht, aber vor allem um das Verhältnis zum Judentum. Die #Alte Messe# enthält das Karfreitagsgebet, die Juden zum rechten Glauben zu führen und zu erlösen. (Wenn ich das so flapsig zusammenfassen darf).
Es geht nicht um einen, von antikirchlicher Presse hochgespielten innerkirchlichen Konflikt, sondern es geht um die Frage, wie sich die katholische Kirche gegenüber den anderen Glaubensgemeinschaften, ja in der Gesellschaft, positioniert. Ein zurück hinter das 2. Vatikanische halte ich für keinesfalls akzeptabel. - Auch wenn offenbar eine klare Linie, erzkonservative Linie die ein oder andere Kirche zeitweise füllen mag.
Zitat von Frank2000 Noch eine Frage zur kirchenrechtlichen Seite: wenn Levebre automatisch exkommuniziert wird auf Grund seiner Tat, wie kann dann überhaupt die Exkommunion zurückgenommen werden? Ansonsten danke an Gorgasal für diesen informativen Artikel.
Die Exkommunikation als Tatstrafe hat die Pristerweihe ohne Zustimmung des Vatikans als Ursache. Der Vatikan hebt die Eskommunikation auf und anerkennt die Priesterweihe, so mein Verständnis. (Ich bin kein Jurist, erst recht kein Kirchenrechtler, aber Jura folgt meist logischen Grundsätzen und mit denen kann ich bestens umgehen).
Petrus, da haben Sie schon Recht, war natürlich kein Papst.
Zitat von GorgasalAllerdings hat der Exkommunizierte weiterhin als Mitglied der Kirche die Verpflichtung etwa zum Besuch des Gottesdienstes.
Das wundert mich jetzt. Als ich vor Jahrzehnten aus der Kirche austrat, lernte ich, daß Exkommunizierte an Gottesdiensten nicht teilnehmen dürfen mit Ausnahme der Predigt. Ich habe mich grundsätzlich daran gehalten, indem ich im Urlaub meine Neugier bezähmte usw. Nur meine Mutter begleitete ich zur Christmette. Ich habe jetzt keine Quelle für diese Bestimmung gefunden. Haben Sie eine?
Zitat von Frank2000"Er hat ein Recht darauf, daß man über seine Positionen und Argumente diskutiert, statt sie von vornherein aus dem Diskurs auszuschließen." Ich lerne jeden Tag dazu. Wo genau kann ich das nachlesen, dass Levebre ein Recht darauf hat, dass "man" seine Meinungen diskutiert?
Ich fürchte, lieber Frank, daß Sie das nirgends nachlesen können. Aber Sie haben dennoch ein Recht darauf, danach zu fragen.
Zitat von Frank2000Ich kann übrigens nicht nachvollziehen, wieso hier speziell bei diesem Thema eine "linke" Meinungsdominanz verantwortlich gemacht wird. Es sei denn, damit wäre allgemein gemeint, dass Deutschland grundsätzlich zu links sei (was man in der Tat manchmal so sehen kann). Ich sehe in diesem speziellen Fall jedenfalls nix "links". Statt dessen ist meiner Meinung nach die allgemein kirchenkritische Haltung der altdeutschen Bevölkerung für die scharfe Reaktion verantwortlich.
"Links" und "rechts", lieber Frank, sind ja keine Werte auf einer absoluten Skala. Christa Nickels zum Beispiel ist in der Katholischen Kirche linksaußen; bei den Grünen gehört sie zum rechten Flügel.
Zitat von GorgasalAllerdings hat der Exkommunizierte weiterhin als Mitglied der Kirche die Verpflichtung etwa zum Besuch des Gottesdienstes.
Das wundert mich jetzt. Als ich vor Jahrzehnten aus der Kirche austrat, lernte ich, daß Exkommunizierte an Gottesdiensten nicht teilnehmen dürfen mit Ausnahme der Predigt. Ich habe mich grundsätzlich daran gehalten, indem ich im Urlaub meine Neugier bezähmte usw. Nur meine Mutter begleitete ich zur Christmette. Ich habe jetzt keine Quelle für diese Bestimmung gefunden. Haben Sie eine?
Ohne Kirchenrechtler zu sein (allerdings habe ich genau diesen Tatbestand schon bei Kanonikern gefunden): das Sonntagsgebot findet sich z.B. im Katechismus (Band II, 3.3). Can. 1331 CIC regelt genau, was die Exkommunikation nach sich zieht - weder Empfang noch Spende von Sakramenten oder Sakramentalien sowie kein Dienst bei der Messe:
Zitat von Can. 1331 CIC, meine HervorhebungExcommunicatus vetatur:
1° ullam habere participationem ministerialem in celebrandis Eucharistiae Sacrificio vel quibuslibet aliis cultus caerimoniis;
Also kein Dienst als Priester, Diakon, Lektor o.dgl. Insofern ist die Sonntagspflicht nicht aufgehoben. Allerdings - siehe oben - darf man die Kommunion nicht empfangen.
Also hören Sie auf, Ihre Neugier zu bezähmen...
NB: die deutsche Bischofskonferenz wertet den Verwaltungsakt des Kirchenaustritts zwar dahingehend, dass damit die Exkommunikation latae sententiae eintritt, aber Rom sieht das nicht ganz so: http://de.wikipedia.org/wiki/Exkommunikation#Deutschland
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Hier möchte ich anmerken, dass es primär nicht um das Lateinische und noch weniger um das Verhältnis zu den anderen Religionen geht, sondern um die Liturgie, d.h. die Art und Weise, wie Gottesdienst gefeiert wird, aus welcher Grundhaltung heraus und mit welchen Texten. Die Frage ist, ob man den Gottesdienst primär versteht als eine Angelegenheit der gesamten Gemeinde (novus ordo: der Priester zelebriert der Gemeinde zugewandt) oder ob man besonders betont die Anbetung Gottes und die Darbringung des Messopfers - die traditionelle Messe. Der Priester tritt aus der Gemeinde heraus und bringt auf dem Altar mit oder für die Gemeinde das Opfer dar, und Priester und GEmeinde beten gemeinsam Gott an, dessen Wiederkunft aus dem Osten erwartet wird. Daher blickt der Priester in der alten Form mit der Gemeinde zusammen nach Osten (und wendet zwangsläufig der Gemeinde den Rücken zu, so wie auch der Messbesucher der dritten Reihe denen in der vierten Reihe den Rücken zuwendet, ohne dass das intentional wäre).
Zu der Liturgie und der beschriebenen Grundintention gehören dann auch unterschiedliche Gebetstexte - und erst hier kommt das Lateinische ins Spiel dahingehend, dass die Alte Messe seit jeher nur in lateinischer Sprache gefeiert wurde. Das Lateinische ist quasi Akzidenz der Alten Messe, nicht das Wesen und das Entscheidende.
Das inkriminierte Karfreitagsgebet ist übrigens wiederholt geändert worden. Das Gebet für die "perfidi Iudaei" hat man in den 60ern abgeschafft, und Benedikt hat den Text vor anderthalb Jahren noch einmal geändert. Siehe http://www.oecumene.radiovaticana.org/te...lo.asp?c=184633
Es gehört m. E. zum Wesen einer Religion, dass sie einen Wahrheitsanspruch vertritt, dass sie der ansicht ist, nur sie sei die wahre Religion oder das Wesen von Religion sei in ihr am besten ausgebildet. Daraus folgt zwangsläufig, dass in dieser Sichtweise andere Religionen nicht über die volle Wahrheit verfügen, und dies führt wiederum dazu, dass man beten kann, dass auch die, die nicht der eigenen Religion angehören, deren Wahrheit erkennen mögen. Solange man darum betet, sehe ich hier weniger ein Problem. Auch das Judentum kennt ein Gebet, dass den Wunsch zum Ausdruck bringt, die Nicht-Juden mögen die Wahrheit erkennen (also hier: wir Katholiken z.B.). Dazu schreibt der New Yorker Rabbi Jacob Neusner: "Israel betet für die Nichtjuden, also sollten die anderen Monotheisten – einschließlich der katholischen Kirche – gleiche Rechte haben, ohne dass jemand sich dadurch verletzt fühlte. Jedes andere Verhalten gegenüber den Nichtjuden würde diesen den Zugang zu dem einen Gott verwehren, den Israel aus der Torah kennt. Das katholische Karfreitagsgebet bringt dieselbe großherzige Geisteshaltung zum Ausdruck, die für das Gebet des Judentums charakteristisch ist. Gottes Reich öffnet seine Tore der gesamten Menschheit, und wenn die Israeliten für das baldige Kommen von Gottes Reich beten, dann bringen sie die gleiche großherzige Geisteshaltung zum Ausdruck, die den Text des Papstes für das Gebet für die Juden – besser das „heilige Israel“ – am Karfreitag kennzeichnet."
Zitat von Frank2000"Er hat ein Recht darauf, daß man über seine Positionen und Argumente diskutiert, statt sie von vornherein aus dem Diskurs auszuschließen."
Ich lerne jeden Tag dazu. Wo genau kann ich das nachlesen, dass Levebre ein Recht darauf hat, dass "man" seine Meinungen diskutiert? Ich hätte jetzt gedacht, "man" (also die öffentlichen Medien, die Leute am Stammtisch, die Politiker, ich, du er sie es...) entscheiden selbst, worüber sie diskutieren wollen.
Nun, ich würde es so formulieren: Lefebvre und die SSPX haben ein Anrecht darauf, dass ihre theologischen (!) Ansichten nicht rundheraus abgelehnt werden. In der Tat kann dann jeder noch immer entscheiden, ob er dann die Diskussion wirklich aufnehmen will.
Zitat von Frank2000Noch eine Frage zur kirchenrechtlichen Seite: wenn Levebre automatisch exkommuniziert wird auf Grund seiner Tat, wie kann dann überhaupt die Exkommunion zurückgenommen werden?
Lefebvres Exkommunikation kann in der Tat nicht mehr zurückgenommen werden, posthum geht das nicht.
Die Exkommunikation der vier von ihm geweihten Bischöfe kann hingegen aufgehoben werden, wenn der Grund für die Exkommunikation wegfällt respektive die Gemeinschaft mit der Kirche auf dem Wege der Versöhnung wieder hergestellt wird. Beispielsweise könnte ein Schismatiker den ernstlichen Wunsch ausdrücken, zur Kirche zurückzukehren - nach CIC darf dann die Aufhebung der Exkommunikation nicht versagt werden (das als kleiner Vorgriff auf Teil 2 der Serie ).
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Zitat von Frank2000 Noch eine Frage zur kirchenrechtlichen Seite: wenn Levebre automatisch exkommuniziert wird auf Grund seiner Tat, wie kann dann überhaupt die Exkommunion zurückgenommen werden? Ansonsten danke an Gorgasal für diesen informativen Artikel.
Die Exkommunikation als Tatstrafe hat die Pristerweihe ohne Zustimmung des Vatikans als Ursache. Der Vatikan hebt die Eskommunikation auf und anerkennt die Priesterweihe, so mein Verständnis. (Ich bin kein Jurist, erst recht kein Kirchenrechtler, aber Jura folgt meist logischen Grundsätzen und mit denen kann ich bestens umgehen).
Fast. Die Bischofsweihen (die Priesterweihen zuvor waren zwar auch ein Problem, aber ein deutlich geringeres und ohne Exkommunikation) sind automatisch gültig, auch im Zustand der Exkommunikation. Daher bestand die begründete Sorge, die vier SSPX-Bischöfe würden ihrerseits Bischöfe weihen und damit das Schisma perpetuieren. "Anzuerkennen" gibt es also nichts.
Allerdings durften die exkommunizierten Bischöfe keine Messe feiern. Das dürfen sie im übrigen auch jetzt nicht. Sie sind weiter suspendiert.
Ein Vergleich: ein nicht oder nicht mehr approbierter Arzt darf auch niemanden behandeln, aber wenn er mich abhört, ist er möglicherweise genauso gut wie ein approbierter Arzt.
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Danke, werter Gansgouter, dass Sie mir so kompetent unter die Arme greifen
Zitat von GansguoterDas inkriminierte Karfreitagsgebet ist übrigens wiederholt geändert worden. Das Gebet für die "perfidi Iudaei" hat man in den 60ern abgeschafft, und Benedikt hat den Text vor anderthalb Jahren noch einmal geändert. Siehe http://www.oecumene.radiovaticana.org/te...lo.asp?c=184633
Mittlerweile wird auch in der revidierten tridentinischen Messe nicht mehr explizit für die Bekehrung der Juden gebetet.
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Vielen Dank für diesen Artikel. Ich bin auf die beiden anderen Teile schon gespannt.
Ich hatte mir vorher gar nicht klar gemacht, daß Exkommunikation kein Ausschluß aus der Kirche bedeuten kann. Eigentlich ist es offensichtlich: Die Taufe kann ja nicht rückgängig gemacht werden.
Liebe Grüße
Kaa
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt
Zitat von KaaIch hatte mir vorher gar nicht klar gemacht, daß Exkommunikation kein Ausschluß aus der Kirche bedeuten kann. Eigentlich ist es offensichtlich: Die Taufe kann ja nicht rückgängig gemacht werden.
In einer anderen Diskussion hat jemand genau diese Tatsache als "Frechheit" seitens der Kirche bezeichnet.
-- Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009
Im zweiten Teil der Serie geht es um die Aufhebung der Exkommunikationen und deren Bedeutung für die vier SSPX-Bischöfe.
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was mir am zweiten Teil Ihrer Serie noch deutlicher geworden ist als am ersten: Dieses Juristische am Katholizismus.
Die Katholische Kirche ist in gewisser Weise der - im doppelten Wortsinn - juristische Nachfolger des Römischen Reichs. Aber was hat das eigentlich mit Religion zu tun?
Religion, das ist - nach meinem Verständnis als Nichtreligiöser - ein Gemeinschaftserlebnis. Man läßt sich gemeinsam ergreifen von diesem Schauder der Transzendenz - daß wir nämlich nichts wissen können, daß uns das schier das Herz verbrennen will.
Man feiert, man erlebt, man fühlt sich aufge- und erhoben. Es ist ein vermutlich phylogenetisch sehr altes Erleben der Gemeinschaft; zugleich des Überschreitens dieser Gemeinschaft, weil sie aus sich selbst heraus nicht begründbar ist.
Aber Gesetze, aber ein Codex? Was hat das mit Religion zu tun?
Zitat von Zettel Religion, das ist - nach meinem Verständnis als Nichtreligiöser - ein Gemeinschaftserlebnis. Man läßt sich gemeinsam ergreifen von diesem Schauder der Transzendenz - daß wir nämlich nichts wissen können, daß uns das schier das Herz verbrennen will.
Man feiert, man erlebt, man fühlt sich aufge- und erhoben. Es ist ein vermutlich phylogenetisch sehr altes Erleben der Gemeinschaft; zugleich des Überschreitens dieser Gemeinschaft, weil sie aus sich selbst heraus nicht begründbar ist.
Aber Gesetze, aber ein Codex? Was hat das mit Religion zu tun?
Lieber Zettel
Ich mußte lachen, und nun will ich versuchen mir und Dir zu erklären, warum.
Religion ist eine Beziehung zu Gott. Bei uns Christen oder christlich sozialisierten Religiösen zu einem liebenden, verzeihenden, persönlichen Gott. Das mit der Gemeinschaft ... das ist nett, wenn es da ist - Religion läßt sich auch leichter leben in einer solchen Gemeinschaft - aber sie verführt auch dazu, vom Wesentlichen abzukommen - von der eigenen Beziehung zu Gott.
Das Dumme am "Herz verbrennen" ist, ich glaube mich zu erinnern daß Meister Eckhart sowas mal gesagt hat, ist, was machst Du mit Deiner Religion, wenn der Brand aufhört? Sehr viele Heilige hatten Zeiten einer Glaubenskrise. Religion ist nicht nur (ich glaube sogar nicht wesentlich) eine Sache des Herzens. Sie ist eine Sache des Geistes.
Wenn Du das wirklich glaubst: " Es ist ein vermutlich phylogenetisch sehr altes Erleben der Gemeinschaft;" *kicher*, dann wundert mich nicht, daß Du Dich nicht mal dagegegen absicherst, jemals religiös zu werden. Das kann man als denkender Erwachsener nicht anstreben. Das einzige, was gegen Religion spricht, ist, daß man nicht weiß, ob das Gegenüber auch existiert.
Das ist kein so gravierender Einwand, wie es scheinen mag. Einen freien Willen gibt es nicht, wenn es keinen Gott gibt. Davon bin ich überzeugt, daß eine Existenz von Gott der einzige Ausweg aus dem Willensdilemma ist. Dennoch fordere ich nicht, Gott, falls er nicht existiert, sofort anzuschaffen - nein, mein Argument geht in die andere Richtung: Selbst wenn es keinen freien Willen gibt, gibt es Aspekte unserer Gesellschaft, die einfach durch die Annahme (als Gewissheit) eines freien Willens funktionieren. Es ist dafür nicht wichtig, daß der freie Wille existiert.
Drum, und da entferne ich mich weit von fast allen anderen Religiösen und damit auch weit von Deiner möglichen Fragestellung, ist es für mich egal, ob Gott existiert - ich kann das eh nicht ändern. Er existiert oder er existiert nicht, außer wenn er nur durch den Akt des gemeinschaftlichen Glaubens entsteht - was auch möglich ist. Aber ich kann an den Vorteilen der Religion teilhaben, indem ich mich so verhalte, innerlich, betend, im Gespräch mit Gott, ohne daß ich überhaupt glauben muß, daß er existiert.
Das mit den Gesetzen überlasse ich im Fundierten Gorgasal. Die Kirche ist nicht nur eine Glaubensgemeinschaft im Sinne von "Leute die zusammen good feelings haben". Sie glauben an etwas _Bestimmtes_. Und der christliche Gott stellt auch einige kleinere Ansprüche, Gebote. Die katholische Kirche bewahrt Gottes Wort über die Zeit. Das kann sie nicht, wenn sie ins Beliebige abdriften kann. Du wolltest provozieren, das weißt Du auch.
Liebe Grüße Kaa
Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus Autor im Netz bekannt
ich bin weit davon entfernt, für diese Fragen Fachwissen zu haben, aber das hat mich noch nie gehindert, meine Meinung zu vertreten. Ich bin da sehr bei Kaa.
Wenn ich kurz das Wesen vom Glauben beschreiben würde, dann als "Anerkennung der eigenen Schwäche" (Man kann es sogar formal begründen: Wenn Gott allmächtig ist, dann ist es der Mensch nicht.)
Dieser offensive Umgang mit der eigenen (unvermeidlichen) Schwäche, dreht sich dann wieder in Stärke. Das tagtägliche Frustrationserlebnis verringert sich (weil man sich damit abfindet, gewisse Dinge nicht ändern zu können), man fühlt sich anderen (sind ja auch nur Menschen) nicht unterlegen,...
Und darüberhinaus, ist es ein Akt der Bescheidenheit und damit Voraussetzung für das Akzeptieren von Sitten und moralische Regeln und die damit einhergehende Selbstrestriktion.
Zitat von dirkWenn ich kurz das Wesen vom Glauben beschreiben würde, dann als "Anerkennung der eigenen Schwäche"
Genau das, lieber Dirk, ist die Grundlage meines Unglaubens.
Wir sind Primaten, aus einer Laune der Evolution heraus mit einem Gehirn gesegnet - oder geplagt -, das es uns ermöglicht, hier und da a bisserl über den Tellerrand dessen hinauszugucken, was für das Überleben einer Horde in der Savanne erforderlich ist.
Das Äußerste, was wir an Erkenntnis erreichen können, ist die Einsicht in diese Beschränktheit.
Nur ist diese, zugegeben, nicht ersprießlich. Also, lieber Dirk, zappeln wir und greinen wir, auf daß die Götter uns doch noch etwas von dem verraten, was wir nicht wissen können. Oder Gott.
denken Sie denn bei der Rekigion zunächst an eine deskriptive Theorie der Welt (Erschaffung der Welt, Vertreibung aus dem Paradies,...) oder an eine Beziehung zwischem dem Gläubigen und Gott?
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