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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 166 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

19.08.2009 17:59
Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Die Meldung, die ich in der Version des Kölner Domradios zitiere, sprang mir heute als Aufmacher unserer Regionalzeitung entgegen: Jedes vierte Kind in NRW sei arm, hieß es da.

Zufällig hatte ich heute über die Demographie Indiens recherchiert und daraus in Erinnerung, daß laut Wikipedia 22 Prozent der Inder arm sind.

Erstaunliche Zahlen, in ihrer Gegenüberstellung. Und Anlaß, in dieser Marginalie wieder einmal auf die Widersinnigkeiten einer relativen Definition von Armut aufmerksam zu machen.

Marriex Offline



Beiträge: 185

19.08.2009 21:01
#2 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Ein vergleichbares Ärgernis ist die Bezeichnung des durchschnittlichen Sterbealters als Lebenserwartung.

Bernd314 Offline



Beiträge: 133

19.08.2009 23:12
#3 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

In Antwort auf:

... fordert einen Rechtsanspruch auf eine existenzsichernde Grundsicherung von monatlich 502 Euro pro Kind.



Also z.B. bei einer ganz normalen Familie mit 2 Kindern: rund 500*2 + 800 (Hartz-IV incl. Wohngeld etc.) = 1800 Euro netto reine Transferleistung fürs Nichtstun.
Für diesen Nettoverdienst müsste auf der anderen Seite ein ehrlich arbeitender Mensch erst mal rund 3000 Euro brutto verdienen !

Merken die Linken nicht einmal, daß die damit den Ast (nämlich die Motivation aller ehrlich arbeitenden Menschen) absägen, auf dem wir alle sitzen ?





Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

20.08.2009 00:21
#4 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Zitat von Bernd314
In Antwort auf:

... fordert einen Rechtsanspruch auf eine existenzsichernde Grundsicherung von monatlich 502 Euro pro Kind.


Also z.B. bei einer ganz normalen Familie mit 2 Kindern: rund 500*2 + 800 (Hartz-IV incl. Wohngeld etc.) = 1800 Euro netto reine Transferleistung fürs Nichtstun.

Die Idee gibt's auch in anderen Geschmacksrichtungen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bedingungsloses_Grundeinkommen

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

califax Offline




Beiträge: 1.502

20.08.2009 00:35
#5 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Zitat von Gorgasal
Zitat von Bernd314
In Antwort auf:

... fordert einen Rechtsanspruch auf eine existenzsichernde Grundsicherung von monatlich 502 Euro pro Kind.


Also z.B. bei einer ganz normalen Familie mit 2 Kindern: rund 500*2 + 800 (Hartz-IV incl. Wohngeld etc.) = 1800 Euro netto reine Transferleistung fürs Nichtstun.

Die Idee gibt's auch in anderen Geschmacksrichtungen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bedingungsloses_Grundeinkommen


Dabei ist die Idee an und für sich nicht schlecht, wenn a) alle anderen staatlichen Zuwendungen dafür gestrichen werden, b) keine Bedingungen gestellt werden (Wohlfahrt also ohne Schikane daherkommt) und c) Eigenverdienst anteilsweise (mehr als 50 cent pro selbstverdientem Euro) als Zusatzverdienst beim Versorgten bleibt.
So würden sich auch schlecht bezahlte Jobs lohnen, die Bürokratie könnte deutlich zusammengestrichen werden, die Versorgten behielten ihre Würde und man wäre einen Haufen unberechenbare Verpflichtungen los.
Allerdings wäre der Preis wohl zunächst eine deutlich höhere Inflation, die man aber wieder einpendeln könnte.

Klug und fleißig - Illusion
Dumm und faul - das eher schon
Klug und faul - der meisten Laster
Dumm und fleißig - ein Desaster

The Outside of the Asylum

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 1.997

20.08.2009 00:41
#6 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Ich hab gestern Abend entgegen meiner Gewohnheit (es regt einfach auf) irgend so eine Polit-Talkshow gesehen, Teilnehmer waren die Marquardt und irgendein Gegner ihrer sozialistischen Paradies-Ideen, der gemeint hat, dass ein Familienvater mit Frau und 2 Kindern lt. seiner Rechnung mit ALG II ein höheres Einkommen hätte, als wenn er einen Job mit dem geforderten, gesetzl. Mindestlohn von 7,50 Euro annehmen würde.

K.A., ob das stimmt, ist aber interessant; Marquardt hat dann natürlich entgegnet, dass sie persönlich ja einen Mindestlohn von 10-11 Euro fordern würde. Komisch, warum verlangt niemand einen Mindestlohn von 200 Euro/Stunde? Wäre doch viel besser, oder?

F.Alfonzo

Abraham Offline



Beiträge: 174

20.08.2009 08:22
#7 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Die Verwendung eines relativen Armutsbegriffs ist an sich nicht widersinnig, weil das Armutsempfinden vom Umfeld abhängt, in dem man lebt. Sie wird nicht nur in Deutschland praktiziert, sondern z. B. auch von OECD und WHO. Die Festlegung der Grenze ist auch nicht willkürlich. Sie ist nur nicht naturgegeben, sondern Ergebnis einer politischen Diskussion, in die Wertvorstellungen eingehen. Zu kritisieren ist höchstens das Weglassen des Adjektivs "relativ". Das halte ich aber auch für eine eher lässliche Sünde, weil ich nicht glaube, dass es viele Deutsche gibt, denen z. B. der Unterschied zwischen (relativer) Armut in Indien und (relativer) Armut in Deutschland nicht bewusst ist.

Ein größerer Fehler besteht meiner Ansicht nach darin, dass selten gefragt wird, wie lange Menschen im Schnitt bei uns und anderswo relativ arm sind. Die zeitliche Veränderung ist ganz entscheidend, wenn man z. B. Armut in Deutschland und USA vergleicht. Kurze relative Armut ist akzeptabel, dauerhafte nicht.

Eine ganz andere Frage ist, wie man dauerhafte relative Armut bekämpfen soll. Ich bin auf Ihrer Seite, lieber Zettel, wenn Sie sich dagegen aussprechen, sie schlicht durch Umverteilung zu beseitigen, weil das dazu führt, dass am Ende viele Menschen absolut arm sind.

Grüße,

Abraham

Bernd314 Offline



Beiträge: 133

20.08.2009 08:52
#8 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

In Antwort auf:

weil das Armutsempfinden vom Umfeld abhängt, in dem man lebt.



Ersetze "Armutsempfinden" durch "Neid".

In Antwort auf:

Die Verwendung eines relativen Armutsbegriffs ist an sich nicht widersinnig



Natürlich ist der "relativen Armutsbegriff" wie jeder wohldefinierte begriff nicht "an sich widersinnig" ... er ist aber als Kampfbegriff der Linken bewusst psychologisch/emotional irreführend, da die meisten Menschen mit Armut eben die Bilder der absoluten Armut ("Kinder in Lumpen" etc.)) assozieren.

Stefanie Offline



Beiträge: 606

20.08.2009 10:51
#9 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Was mir an den Diskussionen um den Mindestlohn auffällt ist die gebetsmühlenartige Forderung danach, dass ein Gehalt dafür reichen müsse, die Familie zu ernähren. Diese Forderung steht wie in Stein gemeißelt als Definition im Raum ohne dass mal jemand hinterfragt, was bedeutet das eigentlich wirklich.

Diese Forderung beinhaltet, dass ein Gehalt dazu reichen müsse, eine siebenköpfige Familie mit einem Verdiener ernähren zu können. Ich frage mich dann immer, geht man dabei davon aus, dass nur ein Elternteil existiert? Ist es für die Äußernden abwegig, dass eine Mutter auch arbeiten kann? Wieso wird nie auch nur angedeutet, dass die Regel doch die sein kann, dass zwei Gehälter für eine Familie reichen müssen und nicht nur eines – denn wenn nicht gerade das Unglück geschah, dass ein Elternteil starb, gibt es zwei Erwachsene, die doch beide zum Einkommen mit beitragen können.

Frauenpolitisch finde ich diese Forderung auch höchst bedenklich. Solange eine Gesellschaft nicht einmal darüber diskutiert, dass in einer Familie zwei für ein Einkommen sorgen können und statt dessen immer nur gefordert wird, ein Einkommen müsse reichen, ist es in den Köpfen auch nicht selbstverständlich, dass Frau arbeitet. Denn wäre dies selbstverständlich, dann gebe es nicht die Diskussion, ein Einkommen müsse reichen. Frauen, wenn sie nicht gerade einer bürgerlichen Schicht entstammten, haben immer für das Überleben der Familie mitgearbeitet und nun gibt es sie einfach nicht mehr als Verdiener in den Diskussionen.

Würde die Politik Frauen als gleichberechtigt ansehen, dann könnte man auch das gleiche von ihnen fordern; dass sie nämlich ebenfalls zum Familieneinkommen beitragen müssen. Der Rattenschwanz in der Folge wäre natürlich lang, die Kinderbetreuung bekommt der Staat nicht flächendeckend eingerichtet, maßt sich aber an, diese derart zu regeln, dass Eltern nicht einfach die Betreuung organisieren können, wie es ihnen passt, weil zig Regularien eingehalten werden müssen und das ganze so zu einem riesen Kostenfaktor wird. Ferner gibt es nicht genügend Arbeitsplätze, so dass man dann wohl lieber fordert, ein Einkommen müsse reichen als zu sagen, Eltern, warum soll nur einer von Euch ran. Da schröpft man lieber die Singles bis aufs Blut durch Steuern und Abgaben – unter dem Vorwand, auch Singles müssen einen Beitrag zur Gesellschaft leisten, als ob dies nur Familien tun würden.

Und wenn sich die Politiker schon Sorge um die Einnahmen der künftigen Renten machen aufgrund von Ausfällen von Verdienern mangels Nachwuchs, dann ist es doch einfaches Menschen aus anderen Ländern in unser Land zu locken, die dann für die Renten mit aufkommen. Aber nein, bei den gut Qualifizierten werden Hürden aufgebaut, während unzureichend Ausgebildete relativ einfach ins Land kommen über den Familiennachzug. Es fehlen trotz der Krise auch Ingenieure und Facharbeiter, solange die aber nicht über 60.000 € – da liegt meine ich grad die Grenze – verdienen, keine Chance. So gehen uns z.B. viele gut zen qualifizierte Berufsanfänger flöten. Abgesehen davon, dass Deutschland ehe nicht das Land ist, welches die Qualifizierten anzieht. Gut ausgebildete Türken z.B. bevorzugen auch die USA, obwohl sie ansonsten die größte Gruppe der Einwanderer bei uns bilden.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

20.08.2009 11:46
#10 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Zitat von Abraham
Eine ganz andere Frage ist, wie man dauerhafte relative Armut bekämpfen soll.


"Wie" oder "ob"?

Zitat von Joh 12,8
Die Armen habt Ihr allezeit bei Euch.

Der Kontext ist ein anderer, aber in Anbetracht solcher Artikel frage ich mich wirklich, inwieweit es überhaupt sinnvoll ist, dauerhafte relative Armut allgemein bekämpfen zu wollen:
http://www.faz.net/s/RubCD175863466D41BB...tml?rss_aktuell

Via: http://www.antibuerokratieteam.net/2009/...h-mir-verdient/

Vielleicht sollten wir uns erst einmal Gedanken darüber machen, welche Arten von relativer Armut tatsächlich bekämpft werden sollen - und uns andererseits darüber freuen, dass Martin nicht in absoluter Armut lebt.

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.08.2009 11:54
#11 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Zitat von Abraham
Die Verwendung eines relativen Armutsbegriffs ist an sich nicht widersinnig, weil das Armutsempfinden vom Umfeld abhängt, in dem man lebt.

Nur sehr begrenzt. Im wesentlichen ist "Armut" mit objektiven Kriterien wie Ernährung, Kleidung, Wohnung verknüpft. Da gibt es zwar auch Unterschiede zwischen Kulturen, was als ausreichende Versorgung gilt, aber die sind hier nicht relevant - nach objektiven Kriterien gibt es im wesentlichen überhaupt keine Armut in Deutschland.
Der "relative Armutsbegriff" bezieht sich auf Konsummöglichkeiten weit überhalb der Armutsschwelle, das ist letztlich nur ein umformulierter Neid.

In Antwort auf:
Sie wird nicht nur in Deutschland praktiziert, sondern z. B. auch von OECD und WHO.

Das heißt nur, daß dort dieselben vermurksten Denkweisen üblich sind.

In Antwort auf:
Die Festlegung der Grenze ist auch nicht willkürlich.

Die Festlegung ist völlig willkürlich - es gibt nicht den mindesten Anhaltspunkt dafür, daß die gewählte Prozentzahl irgendeinen Sinn hätte.

Sie kann je nach Bezugsrahmen auch zu völlig absurden Ergebnissen führen. Daß nämlich "nicht arme" Menschen an Hunger sterben können (weil die Bezugsgruppe auch fast nichts verdient) oder daß Millionäre mit Yacht und Villa als "arm" gelten.

In Antwort auf:
Sie ist nur nicht naturgegeben, sondern Ergebnis einer politischen Diskussion, in die Wertvorstellungen eingehen.

Sie ist Ergebnis eines politischen Prozesses, in dem sachlich überhaupt nicht diskutiert wurde. Da haben schlicht Lobbies erfolgreich ihre Agenda durchgesetzt.

In Antwort auf:
Ein größerer Fehler besteht meiner Ansicht nach darin, dass selten gefragt wird, wie lange Menschen im Schnitt bei uns und anderswo relativ arm sind.

Bei objektiv definierten Problemen (z. B. Arbeitslosigkeit) ist das eine wichtige Frage.
Bei der unsinnig definierten deutschen Armut ist aber immer dafür gesorgt, daß eine größere Gruppe der Bevölkerung als "arm" gilt - das ist ja Sinn der Sache, die Lobbies brauchen "Arme" zur Existenzrechtfertigung.
Und es würde nichts besser machen, wenn in dieser Gruppe ein höherer Austausch stattfinden würde, d.h. wenn im Wechsel andere Menschen als "arm" deklariert werden.

In Antwort auf:
Eine ganz andere Frage ist, wie man dauerhafte relative Armut bekämpfen soll.

Die kann man nicht wirklich bekämpfen - das ist ja der Witz dieser Definition.
Die relative Armut würde nur verschwinden, wenn man eine sozialistische Gesellschaft mit weitgehender Umverteilung und fast gleichem Einkommensniveau für Alle erzwingen würde.
Und dann bekommt man eine Gesellschaft, die wirklich arm ist.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.08.2009 13:53
#12 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Zitat von califax
Dabei ist die Idee an und für sich nicht schlecht, wenn a) alle anderen staatlichen Zuwendungen dafür gestrichen werden, b) keine Bedingungen gestellt werden (Wohlfahrt also ohne Schikane daherkommt) und c) Eigenverdienst anteilsweise (mehr als 50 cent pro selbstverdientem Euro) als Zusatzverdienst beim Versorgten bleibt.

Das Problem, lieber Califax, ist aus meiner Sicht, daß diese Grundversorgung so hoch sein würde, daß es für viele keinen Anreiz zum Arbeiten mehr gibt. Man sieht ja, wohin die Forderungen gehen: 502 Euro pro Monat pro Kind. Mit vier Kindern braucht niemand mehr zu arbeiten.

Was wäre "Zusatzverdienst"? Wenn jeder Bürger die Grundversorgung bekommt, dann wäre jedes Einkommen "Zusatzverdienst", würde also nach Ihrem Vorschlag nur zu fünfzig Prozent bei demjenigen ankommen, der es sich erarbeitet. Oder soll die Grundversorgung doch nur einem Teil der Bürger gewährt werden? Dann sind wir keinen Schritt weiter; denn dann geht es wieder los mit der Prüfung der Bedürftigkeit usw.

Herzliich, Zettel

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

20.08.2009 14:19
#13 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Zitat von Zettel
Zitat von califax
Dabei ist die Idee an und für sich nicht schlecht, wenn a) alle anderen staatlichen Zuwendungen dafür gestrichen werden, b) keine Bedingungen gestellt werden (Wohlfahrt also ohne Schikane daherkommt) und c) Eigenverdienst anteilsweise (mehr als 50 cent pro selbstverdientem Euro) als Zusatzverdienst beim Versorgten bleibt.

Das Problem, lieber Califax, ist aus meiner Sicht, daß diese Grundversorgung so hoch sein würde, daß es für viele keinen Anreiz zum Arbeiten mehr gibt. Man sieht ja, wohin die Forderungen gehen: 502 Euro pro Monat pro Kind. Mit vier Kindern braucht niemand mehr zu arbeiten.

Das kommt natürlich ganz darauf an, wie man ein solches Konzept ausgestaltet. Und wenn die Ansprüche niedrig genug sind, hat man auch mit dem aktuellen Hartz IV-Satz keinen Anreiz zum Arbeiten. Was ich gut finde: absolute Armut sollte es in Deutschland nicht geben. Und wenn dieser Minimalsatz jemandem zum Leben ausreicht, tut mir das nicht sonderlich weh; jedenfalls weniger als wenn der Minimalsatz so niedrig wäre, dass jeder einen Arbeitsanreiz hat - dann liegt er nämlich wohl nicht mehr über der Schwelle der absoluten Armut.

Zitat von Zettel
Was wäre "Zusatzverdienst"? Wenn jeder Bürger die Grundversorgung bekommt, dann wäre jedes Einkommen "Zusatzverdienst", würde also nach Ihrem Vorschlag nur zu fünfzig Prozent bei demjenigen ankommen, der es sich erarbeitet. Oder soll die Grundversorgung doch nur einem Teil der Bürger gewährt werden? Dann sind wir keinen Schritt weiter; denn dann geht es wieder los mit der Prüfung der Bedürftigkeit usw.

Das Problem kann man mit einer negativen Einkommensteuer lösen, wahlweise als Flat Tax oder progressiv:
http://en.wikipedia.org/wiki/Negative_income_tax

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.08.2009 14:54
#14 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Zitat von Abraham
Die Verwendung eines relativen Armutsbegriffs ist an sich nicht widersinnig, weil das Armutsempfinden vom Umfeld abhängt, in dem man lebt. Sie wird nicht nur in Deutschland praktiziert, sondern z. B. auch von OECD und WHO.

Was meinen Sie, lieber Abraham, mit "Armutsempfinden"? Mein Armutsempfinden ist so, daß ich jemanden als arm wahrnehme, der sich nicht ordentlich kleiden und anständig ernähren kann und/oder der kein Dach über dem Kopf hat und keine Gesundheitsversorgung.

Jemanden, der weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens verdient, kann ich nicht allein deswegen als arm empfinden. Zumal, wie in dem Artikel erläutert, ja die so definierte Armut von der Einkommensvereilung abhängt. Wenn alle nur 500 Euro im Monat verdienen, ist niemand arm. Je nachdem, welche Region man als Bezugsgröße nimmt, ist jemand mal arm und mal nicht. Entspricht das, lieber Abrahem, wirklich Ihrem "Armutsempfinden"?

Zitat von Abraham
Die Festlegung der Grenze ist auch nicht willkürlich. Sie ist nur nicht naturgegeben, sondern Ergebnis einer politischen Diskussion, in die Wertvorstellungen eingehen.

Welche Wertvorstellung beinhaltet denn, daß jemand, der arm ist, diesen Status dadurch verliert, daß man die Steuern für mittlere Einkommen erhöht?

Welche politische Diskussion hat zu dem Ergebnis geführt, daß man mal 50, mal 60 Prozent des Durchschnittseinkommens als Kriterium nimmt? Warum nicht 30, 50 oder 65?

Natürlich ist Politik im Spiel; aber in einer anderen Hinsicht. Ich habe das in dieser Folge der Serie zur Armut diskutiert: Relative Armut kann nur dann verschwinden, wenn alle dasselbe verdienen. In einer Gesellschaft mit mit einem mittleren oder starken Einkommensgefälle ist sie definitionsgemäß unvermeidlich.

Die Einkommen können sich noch so sehr verbessern - die Armut bleibt. Wenn in einem Öl-Emirat das Durchschnittseinkommen bei 200.000 Dollar im Jahr liegt, dann ist eben jemand arm, der weniger als 120.000 Dollar p.a. verdient. Er lebt prächtig, aber er ist arm.

Und das ist natürlich von der Linken politisch gewollt. Sie braucht die "Ungerechtigkeit" in der Gesellschaft wie die Luft zum Atmen. Der relative Armutsbegriff ist der ideale "Nachweis", daß wir in einer ungerechten Gesellschaft leben.

Zitat von Abraham
Ein größerer Fehler besteht meiner Ansicht nach darin, dass selten gefragt wird, wie lange Menschen im Schnitt bei uns und anderswo relativ arm sind. Die zeitliche Veränderung ist ganz entscheidend, wenn man z. B. Armut in Deutschland und USA vergleicht.

Das stimmt. Zu den "Armen" gehören zum Beispiel viele Studenten, Lehrlinge usw. Die meisten bleiben das natürlich nicht.

Zitat von Abraham
Eine ganz andere Frage ist, wie man dauerhafte relative Armut bekämpfen soll. Ich bin auf Ihrer Seite, lieber Zettel, wenn Sie sich dagegen aussprechen, sie schlicht durch Umverteilung zu beseitigen, weil das dazu führt, dass am Ende viele Menschen absolut arm sind.

Umverteilung, lieber Abraham, ist aber die einzige Möglichkeit, diese "Armut" zu beseitigen; siehe oben. Und niemand wird sagen wollen, daß Armut etwas Notwendiges ist. Wenn man von Armut spricht, dann schließt das ein, daß dies ein unerwünschter Zustand ist. Der relative Armutsbegriff beinhaltet die Fordernung nach Umverteilung.

Der relative Armutsbegriff ist also in Wahrheit ein Kampfbegriff derer, die eine egalitäre Gesellschaft wollen. Deshalb halte ich ihn nicht nur für überflüssig, sondern für schädlich.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.08.2009 15:05
#15 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Zitat von Stefanie
Was mir an den Diskussionen um den Mindestlohn auffällt ist die gebetsmühlenartige Forderung danach, dass ein Gehalt dafür reichen müsse, die Familie zu ernähren. Diese Forderung steht wie in Stein gemeißelt als Definition im Raum ohne dass mal jemand hinterfragt, was bedeutet das eigentlich wirklich.

Diese Forderung beinhaltet, dass ein Gehalt dazu reichen müsse, eine siebenköpfige Familie mit einem Verdiener ernähren zu können. Ich frage mich dann immer, geht man dabei davon aus, dass nur ein Elternteil existiert?

Das ist ein guter Punkt, liebe Stefanie. Wobei seltsamerweise dieses Familienmodell des einzigen "Ernährers" just von denen bei ihrer Argumentation impliziert wird, die sich sonst vehement gegen das "Rollenklischee" der Hausfrau wehren.

In vielen Familien gibt es ja nicht nur zwei, sondern noch mehr Verdiener, wenn die älteren Kinder bereits ein eigenes Einkommen haben.

In den USA ist es üblich, grundsätzlich mit der Meßgröße "Haushaltseinkommen" zu rechnen. In Deutschland ist das, jedenfalls in der politischen Diskussion, leider eher unüblich.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

20.08.2009 15:11
#16 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Lieber R.A.,

leider habe ich Ihren Beitrag erst gelesen, nachdem ich meine Antwort an Abraham abgeschickt hatte.
Sonst hätte ich eigentlich nur auf Sie zu verweisen brauchen.

Herzlich, Zettel

Abraham Offline



Beiträge: 174

20.08.2009 20:40
#17 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Lieber Zettel, Bernd314, R.A. und Gorgosal,

meiner Ansicht nach machen Sie alle zwei grundlegende Fehler.

Zum einen verabsolutieren Sie Ihr eigenes Wertesystem. Wer den Begriff "relative Armut" verwendet, bringt damit ein Werturteil zum Ausdruck. Er sagt, dass er einen Mißstand darin sieht, dass viele Menschen mit einem relativ niedrigen Einkommen zurecht kommen müssen, das einen gewissen Abstand zum Durchschnittseinkommen überschreitet. Wenn materielle Gleichheit für Sie überhaupt keinen Wert hat, gibt es natürlich keine relative Armut. Aber wie kommen Sie darauf, allen anderen eine "vermurkste Denkweise" oder schäbigen Neid anzulasten, nur weil materielle Gleichheit (ich meine natürlich nicht absolute Gleichheit) in ihrem Wertekanon eine Rolle spielt? Es sind ja nicht bloß ein paar Linksextremisten, die von "relativer Armut" sprechen. Der Begriff wird ganz selbstverständlich von der großen Mehrheit der Gesellschaft verwendet, und zwar nicht nur von der deutschen. "Jeder vierte Minijobber ist von Armut bedroht", war heute eine Überschrift in der FAZ. Es ging um eine Untersuchung des Statistischen Bundesamtes. Sind die Mitarbeiter des Bundesamtes und die Journalisten des Wirtschaftsteils der FAZ Linksradikale? Offenbar bringt doch der Begriff "relative Armut" ein Werteempfinden des überwiegenden Teils der Gesellschaft zum Ausdruck, in der Sie und ich leben. Ich finde, Sie sollten das einfach zur Kenntnis nehmen.

Zum anderen versuchen Sie, den Begriff "relative Armut" dadurch ad absurdum zu führen, dass Sie darauf hinweisen, dass er unter extremen Bedingungen völlig sinnlos wäre (alle sind Einkommensmillionäre, einer verdient bloß eine halbe Million). Das halte ich für einen grundlegenden Fehler. Solche Gesellschaft gibt es ja nicht. Die Frage ist doch nur, ob der Begriff heute in den gegebenen Gesellschaften einen Sinn hat, er muss nicht "grenzenlos" sinnvoll sein. Ich denke, das ist in der Tat der Fall. Wer z. B. mit den Regelleistungen des Arbeitslosenngeldes II (http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitslose...I#Regelleistung) auskommen muss (351 Euro für eine alleinstehende Person plus Unterkunft und Heizung), ist nicht absolut arm, weil er alles Lebensnotwendige und auch noch ein bisschen mehr hat, aber mit Ihren Beipielen vom Halbmillionär unter Vollmillionären hat diese gesellschaftliche Realität nichts zu tun. Auch ich empfinde das, wenn es sich nicht um einen vorübergehenden Zustand handelt, sondern um einen dauerhaften, als Mißstand, und den Begriff "relative Armut" finde ich hier angemessen.

Ich stimme auch nicht damit überein, dass man nur durch sozialistische Gleichmacherei die relative Armut bekämpfen kann. Viel bessere Kampfinstrumente sind m. E. eine liberale Wirtschaftspolitik, die Chancen zur Arbeit schafft, eine gute Schulpolitik, die faire Bildungschancen gibt und auch ein gewisser Druck, der Menschen dazu veranlasst, selbst alle Kräfte zu mobilisieren, um die Armut zu überwinden. Ich halte es z. B. für sinnvoll, die Bezugsdauer für Alg II nach amerikanischem Vorbild zu begrenzen (außer für arbeitsunfähige Menschen). Wenn alle Arbeitsfähigen Arbeit hätten, gäbe es immer noch große Einkommensunterschiede. Aber die relative Armut bliebe nicht etwa unverändert, sondern sie würde drastisch sinken, da das Gros der Einkommen heute im mittleren Bereich liegt und sich die untersten Einkommen in Richtung der mittleren verschieben würden, auch wenn sich damit der Mittelwert etwas nach oben bewegen würde.

Ich stimme Ihnen zu, dass für Linksradikale Armut ein Kampfbegriff ist. Sie arbeiten Ihnen aber in die Hände, wenn Sie die Existenz von (relativer) Armut in unserer Gesellschaft schlicht leugnen. Liberale sollten sich durch bessere Ideen zur Lösung solcher Probleme auszeichnen, nicht durch ihre Verleugnung.

Ich komme zu meinem Ceterum Censeo. Ihre ganz einhellige Reaktion auf mein Schreiben hat eindrucksvoll demonstriert, wie homogen die Denkweise der ZR-Diskutanten ist. Sie haben im Wesentlichen alle die gleichen Argumente gebracht. ZR versorgt eine Klientel mit einer ganz bestimmten Denkweise mit Argumenten, die sie in ihrer eigenen Meinung bestärkt und die sie nach außen tragen kann. Andersdenkende zieht man so nicht an, und, was schlimmer ist, lieber Zettel, Sie behindern Ihre eigenen Entwicklungsmöglichkeiten. Suchen Sie doch mal gezielt nach Meldungen, die für viele Leser interessant sein könnten, weil die "Mainstream-Medien" sie vielleicht übersehen haben, und die eigentlich nicht zu Ihrem Weltbild passen.

Grüße,

Abraham

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

20.08.2009 22:00
#18 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Zitat von Abraham
Aber wie kommen Sie darauf, allen anderen eine "vermurkste Denkweise" oder schäbigen Neid anzulasten, nur weil materielle Gleichheit (ich meine natürlich nicht absolute Gleichheit) in ihrem Wertekanon eine Rolle spielt? ... Offenbar bringt doch der Begriff "relative Armut" ein Werteempfinden des überwiegenden Teils der Gesellschaft zum Ausdruck, in der Sie und ich leben. Ich finde, Sie sollten das einfach zur Kenntnis nehmen.

Natürlich steht Ihnen Ihre Meinung zu. Und um meine Meinung zu präzisieren: ich würde nicht von "vermurkster Denkweise", sondern in der Tat von Neid sprechen. Und nur weil der Neid weit verbreitet ist, macht ihn das nicht sympathischer.

Vorschlag: nehmen Sie Ihren Absatz und ersetzen Sie sinngemäß "relative Armut" durch "Steuerhinterziehung" oder "Schwarzarbeit", die ja eine vergleichbare Prävalenz wie relative Armut haben. Dann sind wir schnell bei Aussagen wie "Offenbar bringen doch Steuerhinterziehung/Schwarzarbeit ein Werteempfinden des überwiegenden Teils der Gesellschaft zum Ausdruck. Ich finde, Sie sollten das einfach zur Kenntnis nehmen." Würden Sie diese Argumentation auch unterschreiben?

Zitat von Abraham
Zum anderen versuchen Sie, den Begriff "relative Armut" dadurch ad absurdum zu führen, dass Sie darauf hinweisen, dass er unter extremen Bedingungen völlig sinnlos wäre (alle sind Einkommensmillionäre, einer verdient bloß eine halbe Million). Das halte ich für einen grundlegenden Fehler.

Dass das nicht sonderlich aussagefähig ist, will ich Ihnen gerne zugestehen, auch wenn ich nicht von "grundlegenden Fehlern" sprechen würde.

Zitat von Abraham
Ich stimme auch nicht damit überein, dass man nur durch sozialistische Gleichmacherei die relative Armut bekämpfen kann. Viel bessere Kampfinstrumente sind m. E. eine liberale Wirtschaftspolitik, die Chancen zur Arbeit schafft, eine gute Schulpolitik, die faire Bildungschancen gibt und auch ein gewisser Druck, der Menschen dazu veranlasst, selbst alle Kräfte zu mobilisieren, um die Armut zu überwinden. Ich halte es z. B. für sinnvoll, die Bezugsdauer für Alg II nach amerikanischem Vorbild zu begrenzen (außer für arbeitsunfähige Menschen).

Ich glaube, um den Martin aus dem oben verlinkten FAZ-Artikel aus der relativen Armut herauszuführen, in der er sich ganz behaglich eingerichtet hat, ist ein ziemlich extremer Druck nötig. Und den würde ich dann lieber nicht haben, weil es neben dem einen Martin zehn andere gibt, die dann tatsächlich in die absolute Armut abrutschen würden. Einer Bürokratie die Bestätigung der Arbeitsfähigkeit abzuverlangen: damit hätte ich Schwierigkeiten. Ich habe einen gewissen Einblick, wie gut Richter psychologische Gutachten bewerten können; wenn die Gutachten dann über die psychische Gesundheit und die Arbeitsfähigkeit erstellt werden, rechne ich mit einem Haufen denkbar unangenehmer Fehlentscheidungen. Dann lieber viele relativ Arme.

--
Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

Inger Offline



Beiträge: 296

20.08.2009 22:40
#19 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Liebe Stefanie,
selbstverständlich haben auch Frauen, die aus bürgerlichen Verhältnissen kommen, schon immer ihren Beitrag zum "Wohl der Familie" geleistet, aber sehr wahrscheinlich hatten sie eher als Frauen aus "einfachen Verhältnissen" die Chance, einen später einträglichen Beruf zu erlernen- heute ist es wieder ganz ähnlich, nur daß viel Löhne nicht einmal für eine Person ausreichen, wenn sie aus dem Elternhaus geht. Wir bezahlen für unsere Mobilität eine Menge Geld, die Kaltmiete ist nicht unerheblich, die Haushaltshilfen ( Waschmaschine, Spülmaschine usw.) wollen zumindest angespart werden. Und etwas haben wir ja auch von den Neu-Fünf-Ländern gelernt: Da wird nicht einmal geheiratet, wenn zwei Kinder da sind. Die Mütter sind also "alleinerziehend" und allmählich so abgeschafft, wie weiland im Sozialismus. Das alles unter dem Motto der Gleichberechtigung. Ich bewundere Paare, die sich wenigstens zeitweilig auf ein Gehalt beschränken (wenn es denn ausreichen sollte) und sich für Kinder entscheiden, ohne sie auch noch in den ersten drei Lebensjahren im Hort in der Reihe auf dem Topf sitzen zu lassen.
Freundliche Grüße,
Inger

Bernd314 Offline



Beiträge: 133

20.08.2009 22:58
#20 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Zitat von Gorgasal
Zitat von Abraham
Eine ganz andere Frage ist, wie man dauerhafte relative Armut bekämpfen soll.

"Wie" oder "ob"?



Das "Wie" ist einfach: Die "relative Armut" kann per Definition natürlich nur durch die völlige Gleichschaltung aller Einkommen beseitigt werden.

Denn solange irgendeine Person A noch mehr verdient als irgendeine andere Person B, wäre ja B "relativ arm" gegenüber A.

Das ist das schöne am Kapitalismus: Er hat in den meisten Teilen der Welt die absolute (also die wirkliche) Armut besiegt (zum Preis einer ungleichen Einkommensverteilung d.h. einer "realtiven", also nur in den Köpfen existierenden Armut (=Neid) ).

Demgegenüber strebt der Sozialismus die Abschaffung des Neides, also der "realtiven Armut", d.h. die Gleichheit der Einkommensverteilung an: auch wenn das am Ende nur um den Preis einer absoluten Armut für alle geschieht.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

20.08.2009 23:10
#21 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Zitat von Bernd314
Demgegenüber strebt der Sozialismus die Abschaffung des Neides, also der "realtiven Armut", d.h. die Gleichheit der Einkommensverteilung an: auch wenn das am Ende nur um den Preis einer absoluten Armut für alle geschieht.

Wobei auch der real existierende Sozialismus die "relative Armut" nicht abgeschafft hat. Auf dem Papier haben zwar alle etwa das gleiche verdient, aber die einen konnten in Läden mit Westware einkaufen, die anderen nicht... "All animals are equal, but some are more equal than others."

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Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. - Martin Mosebach, Spiegel 7/2009

califax Offline




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21.08.2009 01:13
#22 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Der Anreiz wäre immer da, da jede bezahlte Arbeit das Einkommen effektiv erhöht.
Das Problem der Bedürftigkeit müßte über die Steuer geregelt werden. Für jeden verdienten Euro werden ja 49 Cent oder weniger aus der Grundversorgung gestrichen.
Ab einem bestimmten Einkommen erreicht man null Euro Grundversorgung - Das ist das steuerfreie Grundeinkommen.
Darüber läuft dann wieder normale Besteuerung.
Die Steuersätze und die Höhe der Grundversorgung sind natürlich der Knackpunkt - aber das ist eben das täglich Brot der Politik, daß solche Sachen ständig angepaßt und neu verhandelt werden müssen.
Mir persönlich wäre eine Flat Tax am liebsten. Sie ist am einfachsten zu berechnen und belohnt auch den Geschäftssinn der kleinen Leute (diejenigen, die sich keine teure Anlagefirma leisten können sondern ihren normalen Lohn oder den Dönergewinn versteuern müssen).
Man kann das aber auch progressiv machen. Für mich wäre das Verhandlungsmasse. Wichtig wäre mir die Umstellung des Wohlfahrtsystems.

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The Outside of the Asylum

Zettel Offline




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21.08.2009 02:19
#23 Relative Armut Antworten

Zitat von Abraham
Zum einen verabsolutieren Sie Ihr eigenes Wertesystem.

Diese Kritik verstehe ich nicht, lieber Abraham. Ich habe mich in dem Artikel mit dem nachweisbaren Widersinn einer Armutsdefinition beschäftigt, die als arm jeden definiert, der weniger als 50 oder 60 Prozent des Medians aller Einkommen in seiner Region bezieht. Der Widersinn springt schon durch das "in seiner Region" ins Auge, denn es ist völlig beliebig, ob man das als sein Bundesland - in Frankreich sein Département - seine Nation oder die EU definiert. Oder irgendwas dazwischen; sagen wir, die neu beigetretenen Länder aus dem Ex-Sowjetimperium. Je nachdem, wie man sich entscheidet, ist dieselbe Person mal arm und mal nicht.

Zitat von Abraham
Wer den Begriff "relative Armut" verwendet, bringt damit ein Werturteil zum Ausdruck. Er sagt, dass er einen Mißstand darin sieht, dass viele Menschen mit einem relativ niedrigen Einkommen zurecht kommen müssen, das einen gewissen Abstand zum Durchschnittseinkommen überschreitet.

Würde er das als seine subjektive Meinung kundtun, dann wäre ja alles in Ordnung. Er sagt aber: "Es gibt soundsoviel Prozent Arme" (siehe die Schlagzeilen à la "Jedes vierte Kind in NRW ist arm"). Er macht also genau das, was Sie anderen und mir vorwerfen: Er verabsolutiert sein Wertsystem. Er formuliert seine persönliche Meinung so, daß sie wie ein statistisches Faktum erscheint.

Zitat von Abraham
Es sind ja nicht bloß ein paar Linksextremisten, die von "relativer Armut" sprechen. Der Begriff wird ganz selbstverständlich von der großen Mehrheit der Gesellschaft verwendet, und zwar nicht nur von der deutschen.

Dazu hat Gorgasal schon geantwortet: Auch Mehrheiten können irren.

Zitat von Abraham
Zum anderen versuchen Sie, den Begriff "relative Armut" dadurch ad absurdum zu führen, dass Sie darauf hinweisen, dass er unter extremen Bedingungen völlig sinnlos wäre (alle sind Einkommensmillionäre, einer verdient bloß eine halbe Million). Das halte ich für einen grundlegenden Fehler. Solche Gesellschaft gibt es ja nicht.

Sie haben, lieber Abraham, die Logik dieser Extrembeispiele mißverstanden. Natürlich gibt es kein Land, in dem niemand unter Armut leiden muß, weil alle nur 500 Euro im Monat verdienen. Aber die Logik eines Meßwerts wird deutlicher, wenn man anschaut, wie er sich verhält, wenn man den Parametern Extremwerte zuweist. Das ist wie bei einer Gleichung, die Sie besser verstehen, wenn Sie sich ansehen, wie sie sich verhält, wenn man diese oder jene Variable gegen Null oder gegen Unendlich gehen läßt.

Was ich an diesen Beispielen aufzeige, gilt durchaus auch für realistische Fälle: Dieser Meßwert mißt nicht, wie gut oder wie schlecht es den Schlechterverdienenden geht, sondern wie groß die Spreizung der Einkommen ist. Es ist, wenn man so will, ein extrem vereinfachter Gini-Koeffizient.

Sie können das daran sehen, daß es in Ungarn weniger Arme gibt als in Deutschland. Natürlich verdienen die unteren Einkommensklassen dort weniger als in Deutschland, auch nach Kaufkraft. Aber es gibt eben nicht so viele gut oder sehr gut Verdienende wie in Deutschland.

Zitat von Abraham
Ich stimme auch nicht damit überein, dass man nur durch sozialistische Gleichmacherei die relative Armut bekämpfen kann. Viel bessere Kampfinstrumente sind m. E. eine liberale Wirtschaftspolitik, die Chancen zur Arbeit schafft, eine gute Schulpolitik, die faire Bildungschancen gibt und auch ein gewisser Druck, der Menschen dazu veranlasst, selbst alle Kräfte zu mobilisieren, um die Armut zu überwinden.

Damit werden Sie erreichen, lieber Abraham, daß es den Schlechterverdienenden besser geht; daß sie sich mehr leisten können usw. Sie werden aber zugleich die Armut vergrößern.

Denn alle diese Maßnahmen führen ja auch dazu, daß die Einkommen der Besserverdienenden steigen; und zwar in der Regel stärker als die der Schlechterverdienden; jede Liberalisierung erhöht in der Tendenz die Spreizung der Einkommen. Die relative Armut wird also wachsen. Sie können das am Effekt der Reaganomics sehen: Den meisten Amerikanern ging es besser, aber die Spreizung der Einkommen nahm zu.

Zitat von Abraham
Ich stimme Ihnen zu, dass für Linksradikale Armut ein Kampfbegriff ist. Sie arbeiten Ihnen aber in die Hände, wenn Sie die Existenz von (relativer) Armut in unserer Gesellschaft schlicht leugnen.

Hatten Sie uns nicht oben erklärt, daß der Begriff der relativen Armut eine subjektive Wertentscheidung beinhalte? Wie kann man die Existenz von etwas leugnen, das doch nur als Wertentscheidung anderer existiert?

Zitat von Abraham
ZR versorgt eine Klientel mit einer ganz bestimmten Denkweise mit Argumenten, die sie in ihrer eigenen Meinung bestärkt und die sie nach außen tragen kann. Andersdenkende zieht man so nicht an

Das weiß ich nicht. Ich kann mir nur die Zahl der Pageviews ansehen; sie liegt im Augenblick zwischen 700 und 1200 am Tag. Wieviele der Leser Andersdenkende sind, kann ich nicht sagen. Jedenfalls steigt die Leserzahl stetig und liegt im Augenblick zwischen 30 und mehr als 50 Prozent höher als im jeweiligen Vergleichsmonat des Vorjahrs (Juni plus 51 Prozent; Juli plus 36 Prozent; August hochgerechnet plus 30 Prozent).

Darüber freue ich mich; und besonders gefreut hat mich, daß seit ein paar Tagen alle Artikel in ZR im Internetportal der FDP und der Friedrich-Naumann-Stiftung verlinkt werden.

Herzlich, Zettel

Abraham Offline



Beiträge: 174

21.08.2009 10:22
#24 RE: Relative Armut Antworten

In Antwort auf:
Zitat von Abraham
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Zum einen verabsolutieren Sie Ihr eigenes Wertesystem.
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Diese Kritik verstehe ich nicht, lieber Abraham. Ich habe mich in dem Artikel mit dem nachweisbaren Widersinn einer Armutsdefinition beschäftigt, die als arm jeden definiert, der weniger als 50 oder 60 Prozent des Medians aller Einkommen in seiner Region bezieht. Der Widersinn springt schon durch das "in seiner Region" ins Auge, denn es ist völlig beliebig, ob man das als sein Bundesland - in Frankreich sein Département - seine Nation oder die EU definiert. Oder irgendwas dazwischen; sagen wir, die neu beigetretenen Länder aus dem Ex-Sowjetimperium. Je nachdem, wie man sich entscheidet, ist dieselbe Person mal arm und mal nicht.



Ein Außenstehender könnte natürlich ein beliebiges Bezugssystem definieren. Es kommt aber darauf an, womit die Bürger selbst ihren Status vergleichen. Seit ich ins Berufsleben eingetreten bin, vergleiche ich mein Einkommen in erster Linie mit dem anderer erwachsener Menschen in Deutschland und bin zufrieden, weil ich über dem Durchschnitt liege. Dass ich mich gerade auf Deutschland beziehe, liegt daran, dass ich in einer Gesellschaft lebe, in der die nationale Identität noch eine große Rolle spielt ("Wir sind Weltmeister"). Nach meiner Erfahrung vergleichen andere Menschen im Prinzip genauso wie ich. Die gängige relative Armutsdefinition ist sinnvoll, weil das Bezugssystem (die Nation) mit demjenigen der allermeisten Bürger übereinstimmt. Der Mensch hat noch andere Identitäten als die nationale. Ich vergleiche meinen Status mehr mit dem der Westdeutschen als mit dem der Ex-DDR-Bürger. Aber ein nationales Denken ist schon da, und die meisten Menschen in West und vor allem natürlich in Ost empfinden es ja auch als Mißstand, dass der Osten wirtschaftlich dem Westen noch weit hinterherhinkt, und dieser Mißstand wird stärker als derjenige empfunden, dass beispielsweise das Durchschnittseinkommen in Ungarn niederiger ist als in Deutschland.

In Antwort auf:
Zitat von Abraham
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Wer den Begriff "relative Armut" verwendet, bringt damit ein Werturteil zum Ausdruck. Er sagt, dass er einen Mißstand darin sieht, dass viele Menschen mit einem relativ niedrigen Einkommen zurecht kommen müssen, das einen gewissen Abstand zum Durchschnittseinkommen überschreitet.
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Würde er das als seine subjektive Meinung kundtun, dann wäre ja alles in Ordnung. Er sagt aber: "Es gibt soundsoviel Prozent Arme" (siehe die Schlagzeilen à la "Jedes vierte Kind in NRW ist arm"). Er macht also genau das, was Sie anderen und mir vorwerfen: Er verabsolutiert sein Wertsystem. Er formuliert seine persönliche Meinung so, daß sie wie ein statistisches Faktum erscheint.


Ich finde es legitim, einen Maßstab für relative Armut festzulegen, wenn das nicht nur dem Empfinden von einigen Individuen entspricht, sondern dem der Mehrheit der Gesellschaft.

In Antwort auf:
Zitat von Abraham
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Es sind ja nicht bloß ein paar Linksextremisten, die von "relativer Armut" sprechen. Der Begriff wird ganz selbstverständlich von der großen Mehrheit der Gesellschaft verwendet, und zwar nicht nur von der deutschen.
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Dazu hat Gorgasal schon geantwortet: Auch Mehrheiten können irren.



Sicher können Mehrheiten irren. Es handelt sich aber um eine Wertfrage, und da kann man sich schlecht irren. Jeder muss sich allerdings fragen, welche Wertmaßstäbe anderer er anerkennen will und welche nicht. Ich würde z. B. nicht einen Wertmaßstab akzeptieren, nach dem eine Klitorisbeschneidung bei kleinen Mädchen vorgenommen werden muss. Eine allgemeine Regel gibt es natürlich nicht, denn dafür bräuchte man ja ein übergeordnetes, von allen anerkanntes Wertesystem. Ich tendiere dazu, alle Wertesysteme anzuerkennen, die weder mir noch anderen erheblich schaden. Ich schlage Ihnen also vor, die Verwendung des Begriffs "relative Armut" nicht als irrig oder verurteilenswert anzusehen, solange er nicht aus dem Mund von Linksradikalen kommt, die damit sozialistische Umverteilungsforderungen begründen wollen.

In Antwort auf:
Zitat von Abraham
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Zum anderen versuchen Sie, den Begriff "relative Armut" dadurch ad absurdum zu führen, dass Sie darauf hinweisen, dass er unter extremen Bedingungen völlig sinnlos wäre (alle sind Einkommensmillionäre, einer verdient bloß eine halbe Million). Das halte ich für einen grundlegenden Fehler. Solche Gesellschaft gibt es ja nicht.
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Sie haben, lieber Abraham, die Logik dieser Extrembeispiele mißverstanden. Natürlich gibt es kein Land, in dem niemand unter Armut leiden muß, weil alle nur 500 Euro im Monat verdienen. Aber die Logik eines Meßwerts wird deutlicher, wenn man anschaut, wie er sich verhält, wenn man den Parametern Extremwerte zuweist. Das ist wie bei einer Gleichung, die Sie besser verstehen, wenn Sie sich ansehen, wie sie sich verhält, wenn man diese oder jene Variable gegen Null oder gegen Unendlich gehen läßt.

Was ich an diesen Beispielen aufzeige, gilt durchaus auch für realistische Fälle: Dieser Meßwert mißt nicht, wie gut oder wie schlecht es den Schlechterverdienenden geht, sondern wie groß die Spreizung der Einkommen ist. Es ist, wenn man so will, ein extrem vereinfachter Gini-Koeffizient.

Sie können das daran sehen, daß es in Ungarn weniger Arme gibt als in Deutschland. Natürlich verdienen die unteren Einkommensklassen dort weniger als in Deutschland, auch nach Kaufkraft. Aber es gibt eben nicht so viele gut oder sehr gut Verdienende wie in Deutschland.



Ich denke, dass ich schon verstanden habe, was Sie mir mit Ihren Beispielen erklären wollten, lieber Zettel. Wenn ein Begriff aber nur in bestimmten Grenzen sinnvoll anwendbar ist (und welcher Begriff ist das nicht?) kann man seine Sinnlosigkeit nicht beweisen, indem man sich in den "Wertebereich" begibt, wo er tatsächlich unsinnig ist. Ich glaube, Gorgasal hat das verstanden.

In Antwort auf:
Zitat von Abraham
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Ich stimme auch nicht damit überein, dass man nur durch sozialistische Gleichmacherei die relative Armut bekämpfen kann. Viel bessere Kampfinstrumente sind m. E. eine liberale Wirtschaftspolitik, die Chancen zur Arbeit schafft, eine gute Schulpolitik, die faire Bildungschancen gibt und auch ein gewisser Druck, der Menschen dazu veranlasst, selbst alle Kräfte zu mobilisieren, um die Armut zu überwinden.
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Damit werden Sie erreichen, lieber Abraham, daß es den Schlechterverdienenden besser geht; daß sie sich mehr leisten können usw. Sie werden aber zugleich die Armut vergrößern.

Denn alle diese Maßnahmen führen ja auch dazu, daß die Einkommen der Besserverdienenden steigen; und zwar in der Regel stärker als die der Schlechterverdienden; jede Liberalisierung erhöht in der Tendenz die Spreizung der Einkommen. Die relative Armut wird also wachsen. Sie können das am Effekt der Reaganomics sehen: Den meisten Amerikanern ging es besser, aber die Spreizung der Einkommen nahm zu.



Spreizung der Einkommen bedeutet nicht unbedingt, dass auch die relative Armut zunimmt. Wenn viele Menschen Arbeit finden, die vorher nur von Sozialhilfte gelebt haben, kann die relative Armut abnehmen, auch wenn die wohlhabendsten Personen der Gesellschaft von der Entwicklung noch mehr profitiert haben. Jedenfalls ist eine liberale Politik geeignet, den anstößigsten Teil der relativen Armut (Sozialhilfeempfänger) zu reduzieren. An sich spricht Ihr Argument nicht gegen den Begriff "relative Armut", sondern für eine Verfeinerung des Begriffs, bei dem der Anteil der relativ Armen mit besonders niedrigen Einkommen stärker gewichtet wird als der Rest.

In Antwort auf:
Zitat von Abraham
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Ich stimme Ihnen zu, dass für Linksradikale Armut ein Kampfbegriff ist. Sie arbeiten Ihnen aber in die Hände, wenn Sie die Existenz von (relativer) Armut in unserer Gesellschaft schlicht leugnen.
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Hatten Sie uns nicht oben erklärt, daß der Begriff der relativen Armut eine subjektive Wertentscheidung beinhalte? Wie kann man die Existenz von etwas leugnen, das doch nur als Wertentscheidung anderer existiert?



Da habe ich tatsächlich nicht sauber argumentiert, zugestanden. Ich ändere die Formulierung: "Sie arbeiten Ihnen aber in die Hände, wenn Sie sich in einem wichtigen Punkt von den Wertmaßstäben unserer Gesellschaft, in der relative Armut (vor allem der "untere Teil") als anstößig gilt, distanzieren, und die Lösungsvorschläge für das von der großen Mehrheit gesehene gewichtige Problem den Linksradikalen überlassen."


Stefanie Offline



Beiträge: 606

21.08.2009 11:28
#25 RE: Marginalie: Armut in NRW und in Indien Antworten

Lieber Inger,

„Ich bewundere Paare, die sich wenigstens zeitweilig auf ein Gehalt beschränken (wenn es denn ausreichen sollte) und sich für Kinder entscheiden, ohne sie auch noch in den ersten drei Lebensjahren im Hort in der Reihe auf dem Topf sitzen zu lassen.“

Was ist denn bewundernswert daran, dass wenn ein Paar ein ausreichendes Einkommen hat, einer daheim bleibt um die Kinder zu erziehen? Das ist eine Entscheidung über die Lebensführung, die wohl eher die Regel als die Ausnahme ist. Die über Jahrzehnte als einzige Option gesellschaftsfähig war, denn noch bis heute gelten viele Müttern, die auch arbeiten wollen, als Rabenmütter in Deutschland. Das Ausland sieht das häufig sehr viel entspannter.

Für mich ist bewundernswert, eine Frau mit geringem Einkommen, die weiß, sie wird mit dem Kind allein dastehen und sich dennoch dafür entscheidet, es zu bekommen und dann alleine durchzubringen. Für mich ist bewundernswert ein Bekannter, der bevor es die Elternzeit in der jetzigen Form gab, sich dafür entschied, das Kind zu hüten und seine Frau arbeiten zu lassen. Die Frau verdiente mehr und er sagte, es reicht für beide, so dass er für ein Jahr aussetzen wird. Der Herr ist fachlich top und eine sehr starke Persönlichkeit, so dass er die Behörde, für die er arbeitet, so richtig aufmischte. Es gab nur eine Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte, so dass er null Ansprechpartner hatte was dann seine spätere Teilzeittätigkeit etc. anbelangte. Er war der erste Mann dort, der daheim blieb, und wurde hinter seinem Rücken auch belächelt. Mehr von den Männern, die das dann aber sehr bald einstellten, weil der Bekannte von mir aufgrund seiner Fähigkeiten dennoch seine Karriere unbeirrt fortsetzte und aufgrund seiner Persönlichkeit diese lästernden Herren schnell alt aussehen lassen konnte. Die Damen waren eher begeistert und regten sich über die Männer auf, die ihn als Weichei darstellen lassen wollten. Das ist mutig, als erster Mann in Elternzeit zu gehen und zu wissen, die ewig Gestrigen werden sich das Maul zerreißen. Es aber nicht mutig das zu tun, was fast alle machen. Meine Meinung.

Nur weil es nicht mutig ist, das zu machen, was die anderen überwiegend machen, ist es nicht schlecht oder falsch. Jeder soll das machen, was er will. Aber keiner soll von der Gesellschaft oder Dritten verlangen, dass seine Familienplanung und Lebensführung von der Gesellschaft oder Dritten finanziert wird. Jeder kann Kinder in die Welt setzen wie er will und sich auch entscheiden, daheim zu bleiben. Sich aber zu entscheiden daheim zu bleiben unter der Annahme, die Gesellschaft oder Dritte müssen mein privates Kinderkriegen und meine persönliche Entscheidung daheim zu bleiben finanzieren, das kann nicht sein. Dass Singles sich schon an Steuern dumm und dämlich zahlen, weil sie dafür bezahlen müssen, dass sie keine Kinder haben, während die „Besitzer“ :-) von Kindern steuerprivilegiert sind und von der Gesellschaft finanzielle Zuschüsse für die Verwirklichung ihres privaten Kinderwunsches bekommen (kein Mensch zeugt Kinder, weil er dem Vaterstaat dienen will. Komm ins Schlafzimmer Schätzen, Renten sichern...) in der Form von Kindergeld etc. ist das eine (die Begründung mit den Renten zieht für mich nicht, denn man muss keine eigenen Kinder als Beitragszahler haben, sondern kann Menschen ins Land dafür holen), aber das Unternehmen bzw. deren Eigentümer letztlich, die Lebenswünsche eines Paares finanzieren sollen, kann nicht sein. Habe ich nicht das Geld daheim zu bleiben, dann muss ich halt dazu verdienen. Ich kann aber nicht als Prinzip vom Arbeitgeber meines Partners verlangen, dass dieser meine privaten Wünsche finanziert, sprich, dass ich nicht arbeiten gehen will – und nach meiner Auffassung kann man das auch nicht vom Staat verlangen.

Viele Grüße

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