Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht - für mich ist es immer ein Vergnügen, Hans-Werner Sinn zu hören; sei es in einem Vortrag, sei es im Interview.
So soll ein Hochschullehrer sein: Mit souveräner Beherrschung seines Stoffs; so souverän, daß er ihn einfach und verständlich darstellen kann. Kompliziert drückt sich nur aus, wer seinen Gegenstand nicht beherrscht und/oder wer nichts zu sagen hat.
In dem Interview, dem ich das Zitat des Tages entnommen habe, sagt Sinn wenig Neues; was gäbe es auch Neues zu sagen? Aber er sagt das Bekannte wieder einmal auf diese unnachahmliche Weise.
Das Fazit ist im Grunde trivial: Ginge es nach ökonomischer Vernunft, dann müßte Griechenland aus dem Euro ausscheiden. Aber das politische Kräfteverhältnis ist so, daß es ihn behalten wird - zum Nutzen der Gläubiger, zum Nutzen der Bürokratien, zum Schaden der Bürger Griechenlands und auch Deutschlands.
Immer wieder erstaunlich, dass Sie der Kritik Sinns derartigen Platz einräumen, wo doch in den Implikationen dieser Kritik die - Ihrer Meinung nach - größte Kanzlerin aller Zeiten wahlweise als ahnungslose Versagerin, Sklavin der Interessen der Banken-Lobby oder gewissenlose Enteignerin des deutschen Steuerzahlers erscheint. Wie passt das eigentlich zusammen?
Zitat von notquite im Beitrag #2Immer wieder erstaunlich, dass Sie der Kritik Sinns derartigen Platz einräumen, wo doch in den Implikationen dieser Kritik die - Ihrer Meinung nach - größte Kanzlerin aller Zeiten wahlweise als ahnungslose Versagerin, Sklavin der Interessen der Banken-Lobby oder gewissenlose Enteignerin des deutschen Steuerzahlers erscheint. Wie passt das eigentlich zusammen?
"Größte Kanzlerin aller Zeiten" ist ja trivial, da sie die einzige deutsche Kanzlerin ist. Geschrieben habe ich das aber nie.
Ebenso hat Sinn nichts von dem gesagt oder geschrieben, was Sie ihm unterstellen.
Die Einführung und Abwertung der Drachme wäre eine Lösung von hinten durchs Auge, und würde in bestehende Verträge eingreifen. Auch in die Verträge derjenigen Schuldner, die noch zahlungsfähig sind.
Griechenland wird von alleine wettbewerbsfähig, sobald die Löhne und Mieten sinken, was sie auf einem freien Markt auch täten.
Zitat von Zettel im Beitrag #3Ebenso hat Sinn nichts von dem gesagt oder geschrieben, was Sie ihm unterstellen.
Was davon hat er denn bitte nicht gesagt oder geschrieben? Meine Formulierung war vielleicht etwas verkürzt, aber im Grunde gibt sie Sinns Position eins zu eins wieder.
Der deutsche Steuerzahler als DER große Verlierer der ganzen "Rettung" - Check.
Schrittweise enteignet durch Übernahme extremer Haftungsrisiken, die die Kanzlerin und ihr Finanzminister - für dessen ständige Heuchelei und "Wendigkeit" ja inzwischen selbst der FAZ die verharmlosenden Formulierungen ausgehen - im Inland entweder verharmlosen oder leugnen, bei internationalen Verhandlungen aber Stück für Stück vorantreiben - Check.
Eine Politik, die weder den Geretteten noch den Rettern nutzt, wohl aber den internationalen Großbanken - Check.
Alles abgeleitet aus O-Tönen von Sinn, und alles direkt gegen Merkel und Schäuble als deutsche Exekutoren der "Rettungspolitik" gerichtet.
Zitat Griechenland wird von alleine wettbewerbsfähig, sobald die Löhne und Mieten sinken, was sie auf einem freien Markt auch täten.
Leider hat es nicht unbedingt etwas mit der Verfasstheit von Märkten zu tun, wenn sich Mengen anpassen statt Preise. Und das ist das Problem bei der internen Abwertung.
Zitat von Zettel im Beitrag #3Ebenso hat Sinn nichts von dem gesagt oder geschrieben, was Sie ihm unterstellen.
Was davon hat er denn bitte nicht gesagt oder geschrieben? Meine Formulierung war vielleicht etwas verkürzt, aber im Grunde gibt sie Sinns Position eins zu eins wieder.
Nein. Wenn Sie jemandem etwas zuschreiben wollen, dann zitieren Sie ihn bitte. Und zwar wörtlich.
Es ist inakzeptabel, anderen etwas zu unterstellen, was sie weder gesagt/geschrieben noch gemeint haben. Das untergräbt jede rationale Diskussion.
Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. Wörtlich.
Zitat Eine Politik, die weder den Geretteten noch den Rettern nutzt, wohl aber den internationalen Großbanken
Diese Aussage ist falsch, aber inzwischen fest etabliert in der Bevölkerung als Erklärung für die auf uns zukommenden Lasten.
Die Banken sind von den Staaten gedrängt, deren Schulden abzukaufen, weil eine Direktfinanzierung durch die EZB (noch) verboten ist.
Würde man die Banken nicht retten, würden diese den Turbosozialstaaten längst kein Geld mehr leihen. Womit das Problem erst garnicht entstanden wäre.
Linke Medien (also fast alle) und Politik schieben die Schuld an der Staatsfinanzkrise nun Banken und Märkten zu, um vom Versagen des sozialstaatlichen Stimmenkaufs abzulenken.
Aber es gibt eine Lösung, und die wird an den Börsen derzeit eingepreist.
Die FED finanziert bereits direkt den Obama-Haushalt mit über 40 Mrd $ monatlich, plus 45 Mrd $ um faule Hypothekenkredite aufzukaufen. Macht über eine Billion jährlich die direkt den Konsumenten zugute kommt. Natürlich profitiert auch Wallstreet, indem diese Billion von der Bevölkerung ausgegeben wird. Und bei Bedarf lässt sich diese Summe vervielfachen.
Eigentlich könnte man gleich aufhören Steuern zu erheben.
Die EZB bewegt sich ebenfalls in diese Richtung. Der Aufkauf von Schrottanleihen von Turbosozialstaaten wie Griechenland ist nichts anderes als letztlich die Direktfinanzierung durch die elektronische Notenpresse.
Der übliche Einwand lautet immer: Aber das gibt doch Inflation.
So sah ich das auch bislang. Doch wo ist die Inflation ? Außer in den Rohstoffpreisen, und deren Anstieg ist Folge global steigender Nachfrage, im Verhältnis zum Geldmengenwachstum bislang erstaunlich gering.
Die globale Finanzwirtschaft ist in einer Form zentral gelenkter Geldwirtschaft, einer Geld-Planwirtschaft übergegangen.
Das funktioniert deshalb, weil es keine Ausweichmöglichkeiten gibt zu $ und €. Denn der Yuan ist an den $ gekoppelt, und der SFR wird ebenfalls bei Bedarf per elektronischer Notenpresse so lange nachgedruckt, bis genügend vorhanden ist um ihn gegen den € bei 1,20 zu stabilisieren. Im Prinzip kann man so global verfahren. D.h. es entsteht ein globales System fester Wechselkurse, in der Marktkräfte keine Chance mehr haben.
Schon heutige Schulden sind unbezahlbar. Allein die BRD ist mit 3 Billionen (eine davon wg. Club-Med-Bürgschaften) + 3-5 Billionen für Beamtenpensionen und künftigen Sozialleistungen = implizite Staatschuld, längst bankrott.
Man wird darum garnicht umhin kommen, per Geldvermehrung all diese Ansprüche zu befriedigen. Täte man dies nicht, bzw. gibt man nur noch aus, was der Staat auch einnimmt, wäre eine Rezession wie 1929 die Folge. Und das würden die Linken nutzen um erneut eine Form sozialistischer Diktatur zu errichten, zumindest in Europa.
Interessant ist, daß das Römische Imperium ebenfalls eine massive Inflation durchlebte.
Unter Augustus war eine Silbermünze zu 100% Silber, bei Nero nur noch 70-80%, am Schluß unter 1%. Doch kollabiert ist es nicht aufgrund von Inflation, sondern wegen dem Ansturm expansiver Völker und einem Klimawandel zur Abkühlung hin.
Dosiert man also die zusätzlichen Geldmengen so, daß es keine Inflation bei Konsumgütern und Dienstleistungen gibt, hält man mit diesen Maßnahmen nur den Status Quo aufrecht. Es ist darum letztlich unnötig, auf die Ersparnisse der Bundesbürger zuzugreifen, um den Club Med zu finanzieren. Nur muß diese Form der Staatsfinanzierung in den Währungsgroßräumen relativ synchron ablaufen.
In diese Richtung wird es gehen - die Alternative wäre schließlich die offenen Rechnungen zu begleichen. Und das will niemand, am allerwenigsten die größten Profiteure der Verschuldung, die vielen kleinen Leute.
Es ist wirklich nicht sehr viel neu von dem was Sinn in dem Interview sagt. Doch die Zusammenhänge sind so klar beschrieben, dass alle Entgegnungen die man in der Presse lesen konnte geradezu lächerlich wirken.
Was mich aber noch viel mehr erstaunt, warum die linken Parteien, von der SPD angefangen, nicht Sinns Argumentationskette aufgreifen, die einen Zusammenhang zwischen der Ankündigung des Euro über Kapitalmarktsflüsse hin zur Arbeitsmarktkrise in Deutschland und deren Arbeitsmarktreformen (Harz 4) aufzeigt. Ach das stellt er sehr schlüssig dar. Eigentlich müsste dies doch eine Steilvorlage für die Linken sein, die doch angeblich immer ein Herz für die Schwachen der Gesellschaft hatt.
Zitat von Zettel im Beitrag #7 Nein. Wenn Sie jemandem etwas zuschreiben wollen, dann zitieren Sie ihn bitte. Und zwar wörtlich.
Etwas zuzuschreiben oder die Konsequenz abzuleiten sind zwei Dinge, lieber Zettel. Natürlich sagt Sinn nicht "Die Kanzlerin ist unfähig." oder "Die Kanzlerin ist eine Sklavin der Banken." oder "Der Kanzlerin ist das Volk egal.". Das wäre untypisch für ihn und wäre vermutlich auch schlecht für sein Institut. ABER: Welcher andere Schluss bleibt denn ? Tertitium non datur möchte man sagen, aber es sind ja eher drei Möglichkeiten ohne vierte. Das Prinzip bleibt sich jedoch gleich: Welche Alternative bleibt denn ? Wenn das, was Sinn sagt, richtig ist, und da gehen wir ja davon aus, was sagt das über eine Kanzlerin, die genau diese falsche Politik verfolgt ? Sie sind durchaus gebeten diese Frage anstelle von Sinn zu beantworten. Welcher Schluss bleibt ?
Ich meine nämlich tatsächlich auch, dass Sinn einen der drei Schlüsse gezogen hat, aber zu höflich und zu klug ist, dies öffentlich zu sagen. Aber einen Schluss muss man ziehen, zumindest wenn man die Analyse von Sinn zuende denken will. Welcher, das ist natürlich jedem selbst überlassen. Was aber nichts daran ändert, dass jeder für sich bezeichnend für die Frau Bundeskanzler ist.
Ich würde gerne ihren Schluss hören. Denn ich neige zur Vermutung, wenn Sie die Kanzlerin verteidigen, was ich erwarten würde, sich sehr schnell ein Widerspruch zu den Aussagen von Sinn ergeben wird. Aber ich bitte Sie, mich gerne eines besseren zu belehren.
Zitat von Zettel im Beitrag #7 Nein. Wenn Sie jemandem etwas zuschreiben wollen, dann zitieren Sie ihn bitte. Und zwar wörtlich.
Etwas zuzuschreiben oder die Konsequenz abzuleiten sind zwei Dinge, lieber Zettel. Natürlich sagt Sinn nicht "Die Kanzlerin ist unfähig." oder "Die Kanzlerin ist eine Sklavin der Banken." oder "Der Kanzlerin ist das Volk egal.". Das wäre untypisch für ihn und wäre vermutlich auch schlecht für sein Institut. ABER: Welcher andere Schluss bleibt denn ?
Daß er, lieber Llarian, meint, was er sagt. Er sagt:
Zitat Sie wird stark bedrängt, und der Druck kommt von allen Seiten. Der Druck kommt von den Vertretern der südlichen Länder. Er kommt insbesondere von Frankreich.
Europapolitik wird nicht allein in Berlin gemacht. Es der Kanzlerin vorzuwerfen, daß sie die deutschen Interessen oft nicht gegen die geballten Interessen einer Mehrheit der EU-Länder durchsetzen kann, ist schlicht unfair.
Und Sinn das zu unterstellen, was Sie zitieren, ist nicht nur unfair, sondern ohne jede empirische Basis. Jeder kann sich das ja selbst so zurechtlegen; aber es gibt keine Rechtfertigung dafür, Hans-Werner Sinn zu unterstellen, daß er das meint.
Zitat von 123 im Beitrag #8Die EZB bewegt sich ebenfalls in diese Richtung. Der Aufkauf von Schrottanleihen von Turbosozialstaaten wie Griechenland ist nichts anderes als letztlich die Direktfinanzierung durch die elektronische Notenpresse.
Der übliche Einwand lautet immer: Aber das gibt doch Inflation.
So sah ich das auch bislang. Doch wo ist die Inflation ? Außer in den Rohstoffpreisen, und deren Anstieg ist Folge global steigender Nachfrage, im Verhältnis zum Geldmengenwachstum bislang erstaunlich gering.
Die Inflation ist doch schon da, allerdings nicht dort, wo man zuerst hinschaut, wenn man das Wort hört, nämlich bei den Verbraucherpreisen, sondern bei den Vermögenspreisen: Edelmetalle, Immobilien und AAA-Anleihen (und selbst Ramsch-Anleihen) sind in den letzten Jahren derart teuer geworden, daß man durchaus schon von einer Blase sprechen könnte.
Der Grund dafür ist übrigens gar nicht so sehr der (direkte oder indirekte) Aufkauf von Staatsanleihen, sondern daß fast alle Zentralbanken schon seit rund einem Jahrzehnt eine Niedrigzinspolitik fahren und das seit der Finanzkrise besonders aggressiv tun.
Zitat von Zettel im Beitrag #1Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht - für mich ist es immer ein Vergnügen, Hans-Werner Sinn zu hören; sei es in einem Vortrag, sei es im Interview.
So soll ein Hochschullehrer sein: Mit souveräner Beherrschung seines Stoffs; so souverän, daß er ihn einfach und verständlich darstellen kann. Kompliziert drückt sich nur aus, wer seinen Gegenstand nicht beherrscht und/oder wer nichts zu sagen hat.
In dem Interview, dem ich das Zitat des Tages entnommen habe, sagt Sinn wenig Neues; was gäbe es auch Neues zu sagen? Aber er sagt das Bekannte wieder einmal auf diese unnachahmliche Weise.
Vielen Dank für den Hinweis auf das Interview; ich habe es mir heute früh angesehen.
Interessant fand ich gegen Ende auch Sinns Hinweis auf das Plenum der Ökonomen, das mir bisher entgangen war. Vielleicht interessiert es ja auch andere hier: http://www.wiso.uni-hamburg.de/lucke/
Zitat von notquite im Beitrag #2Immer wieder erstaunlich, dass Sie der Kritik Sinns derartigen Platz einräumen, wo doch in den Implikationen dieser Kritik die - Ihrer Meinung nach - größte Kanzlerin aller Zeiten wahlweise als ahnungslose Versagerin, Sklavin der Interessen der Banken-Lobby oder gewissenlose Enteignerin des deutschen Steuerzahlers erscheint. Wie passt das eigentlich zusammen?
Professor Sinn sagt geradezu das Gegenteil:
Zitat "Frau Merkel müsste dagegen sein, ist ja auch dagegen. Sie hält ja auch dagegen. Man kann ihr ja nicht in Abrede stellen, dass sie nun gar nichts tut, sondern sie hat einen ganz, ganz schwierigen Kurs zu fahren. Aber ich würde mir schon wünschen, dass Frau Merkel mehr auf die lange Frist schaut, denn es geht nicht darum die Finanzmärkte jetzt bis zur nächsten Wahl zu beruhigen. Es geht darum für unsere Kinder eine Perspektive zu schaffen und zu verhindern, dass unsere Kinder zu Gläubigern der südlichen Länder werden, damit sie in Frieden mit ihnen leben können."
Die sogenannte Banken-Lobby verdient gar nicht diese Bezeichnung, weil zum einen die Banken, auch oder vor allem, die Interessen der Staaten umsetzen und zum anderen meist als öffentliche Institute den Staat selbst repräsentieren.. Was die Enteignung des Steuerzahlers anbelangt, so ist das recht trivial; Schulden des Staates werden nun einmal vom Steuerzahler beglichen, ob nun durch einen Schuldenschnitt, eine Geldentwertung oder Steuererhöhungen. Oder von allem ein bisschen. Wie schwierig die Situation und keine einfache Lösung in Sicht ist, macht deutlich, dass auch Professor Sinn strikt gegen einen einseitigen Austritt Deutschlands aus der Eurozone ist. Da Griechenland und andere Länder nur freiwillig oder besser gezwungener Maßen diese verlassen werden, muss Deutschland also auch in diesem Punkt Partner und Mehrheiten finden.
Das geht mir genau so, besonders weil ich, ein blutiger Laie auf dem Gebiet der Ökonomie, durch Sinn verstehen kann, wie die Dinge zusammen hängen. Immer wenn ich, wo auch immer, auf Prof. Sinns Äußerungen stoße, lese ich die gerne, höre ihm gerne zu.
In dem Interview sprach Sinn ja auch an, wie sehr er sich damals geirrt hatte, als er auf die Einhaltung der Bailout-Klausel im Maastrichtvertrag vertraute. Ich glaube, wie ich haben auch viele andere hier mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, wie schnell und gründlich der Vertrag gebrochen wurde.
Was ich nicht verstehe ist, warum das so folgenlos gemacht werden kann. Vertragsbruch ist doch ein deftiges Vergehen und ich frage mich auch, welche Möglichkeiten es für uns Bürger oder Institutionen oder Abgeordnete oder wen auch immer gibt, sich juristisch dagegen zu wehren. Ich kenne keine, weiß jemand Antworten? Muss man sich das bieten lassen von den Regierenden? Der Verstoss gegen die No-Bailout-Klausel bedeutet doch einen klaren Wegfall der Geschäftsgrundlage. Wir durften als Wähler zwar nicht über den EURO abstimmen und nun liegt das Kind im Brunnen. Hätte man uns aber damals gleich gesagt, dass wir Deutschen mit dem EURO für Europas Schulden haften müssten, wäre aber die Hölle los gewesen in Deutschland.
Zitat von rakatak im Beitrag #15 Was ich nicht verstehe ist, warum das so folgenlos gemacht werden kann. Vertragsbruch ist doch ein deftiges Vergehen und ich frage mich auch, welche Möglichkeiten es für uns Bürger oder Institutionen oder Abgeordnete oder wen auch immer gibt, sich juristisch dagegen zu wehren. Ich kenne keine, weiß jemand Antworten? Muss man sich das bieten lassen von den Regierenden? Der Verstoss gegen die No-Bailout-Klausel bedeutet doch einen klaren Wegfall der Geschäftsgrundlage. Wir durften als Wähler zwar nicht über den EURO abstimmen und nun liegt das Kind im Brunnen. Hätte man uns aber damals gleich gesagt, dass wir Deutschen mit dem EURO für Europas Schulden haften müssten, wäre aber die Hölle los gewesen in Deutschland.
Das ist die Sichtweise der EU:
Zitat von Frau Viviane Reding, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und EU-JustizkommissarinDas Bail out-Verbot ist in Deutschland so berühmt, dass der Text des Artikels 125 AEUV es sogar auf die Titelseiten nicht nur des Spiegel, sondern sogar, im Mai 2010, auf die Titelseite der Bild-Zeitung geschafft hat. Im Volksmund wird das "Bail out"-Verbot meist so verstanden: Man hat uns rechtlich garantiert, dass wir niemals für andere Euro-Staaten zahlen müssen. Und jetzt müssen wir doch täglich Milliardenbeträge nach Südeuropa pumpen. Sie erkennen dies sicherlich aus den Talkshows der letzten zwei Wochen wieder.
Mit der rechtlichen Lage haben solche populärwissenschaftlichen Aussagen allerdings nur wenig zu tun. Das erschließt sich bereits bei der Lektüre des Wortlauts des Artikels 125 AEUV. Dort heißt es eben nicht: Ein Euro-Staat darf einem anderen Euro-Staat nicht finanziell unter die Arme greifen. Vielmehr heißt es dort: Ein Euro-Staat haftet nicht für die Schulden eines anderen Euro-Staats und tritt nicht in diese ein. Mit anderen Worten: Ausgeschlossen werden hier nur eine automatische Mithaftung eines Euro-Staats für einen anderen sowie ein Schuldbeitritt. Nicht ausgeschlossen wird damit die freie Entscheidung jedes souveränen Staats, ob er einem Nachbarstaat einen Kredit gewährt oder ihn anderweitig finanziell unterstützt.
Dies bestätigt auch eine systematische Lesart der Verträge. Drei Artikel vor dem berühmten Artikel 125 AEUV steht Artikel 122 AEUV, der in der deutschen Diskussion praktisch nie Erwähnung findet. Dort heißt es, dass der Rat der EU-Finanzminister mit qualifizierter Mehrheit beschließen darf, einem EU-Mitgliedstaat, der sich aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse in Schwierigkeiten befindet, einen finanziellen Beistand der Union zu gewähren. In der deutschen juristischen Literatur heißt es dazu regelmäßig, diese Vorschrift sei restriktiv zu interpretieren, Artikel 125 AEUV dagegen weit auszulegen, denn Artikel 125 AEUV sei die Regel, Artikel 122 die Ausnahme.
Ein willkommener Beitrag um meinen Einstand im Forum geben. In diesem Sinne:
Festzuhalten ist ja, wie das in Zettels Beitrag durch kam, dass es das Verdienst Sinns ist, ein komplexes Thema einer breiten Öffentlichkeit näherzubringen. Nach dieser Feststellung muss man zunächst einen Punkt machen und durchatmen. Als Volkswirt im Elfenbeinturm ist es zuweilen kaum begreiflich, wie schlecht die Öffentlichkeit über banalste ökonomische Zusammenhänge und aktuelle Vorgänge informiert ist. (Und leider muss man nach meiner Beobachtung Studenten der VWL im 5. oder 6. Semester, das heißt kurz vor ihrem Abschluss in eingeschränktem Maße dort einbeziehen...) Dass es kaum begreiflich ist meint aber nicht, dass "die Öffentlichkeit" eine Schuld in irgendeiner Form trifft (darüber könnte man an anderer Stelle diskutieren - Stichwort Allgemeinbildung, aber das soll hier nicht das Thema sein), sondern ich will lediglich meine tatsächliche Verwunderung ausdrücken, wie laut man rufen, ja schreien muss, um zumindest den Kern einer Botschaft zu kommunizieren. Die Schreie Sinns gehen den Fachkundigen mittlerweile auf die Nerven und man rollt mit den Augen, angesichts seiner einfachen, platten Sprache (aus Sicht der Bewohner des Elfenbeinturms). Aber man muss wohl akzeptieren, dass es eines solchen Krawalls bedarf. Die Vorgänge zu beobachten sensibilisiert mich aber als, würde ich behaupten, breit interessierten aber doch in der Wahrnehmung insbesondere im Bereich Kultur und Gesellschaft mit blinden Flecken versehenen Menschen dafür, wie viel "Krach" es wahrscheinlich bedarf, um mir einen Gedanken näher zu bringen, welcher im Umfeld des Feuilletons diskutiert wird. Das als Vorwort. Interessant ist nun zu beobachten, was die so informierte Öffentlichkeit nun aus den Aussagen Sinns macht. Die Thesen bergen natürlich ideologischen Sprengstoff in sich. Diesen nutzt Sinn in seinen prägnanten Formulierungen, denn anscheinend ist nur eine wohl dosierte Form des Populismus (und diesen Begriff verstehe ich wertfrei bzw. zumindest nicht negativ konnotiert, weil ich glaube, dass Politik die im Streit der Meinungen sich befindet, immer populistisch ist und sein muss, da dies notwendige Bedinung eines freiheitlich demokratischen Systems ist) notwendig, um die Öffentlichkeit zu erreichen. Was nun "wohl dosiert" heißt, darüber kann man freilich streiten. Was aber, um zur Ausgangsfrage zurückzukommen, macht die Öffentlichkeit daraus? Auf Basis der Formulierungen Sinns verselbstständigt sich die Debatte und nimmt ideologische Züge an, die nicht mehr als hilfreich angesehen werden können. Einerseits. Andererseits ist vielleicht eine aus Unsicherheit, Angst und einem Gefühl der Hilflosigkeit geborene "Hysterie" der Öffentlichkeit das einzige Mittel um auf die deutsche Politik den Druck auszuüben, der einen hinreichenden darstellt, um politischen Druck seitens Frankreichs und anderer auszugleichen. Ich habe also eine ambivalente Meinung. Die Frage ist also: Braucht eine zunehmend emotionslose, technokratische Politik, die "das große Ganze" im Blick zu haben glaubt und "Visionen" zu verfolgen glaubt, aber offenbar nicht in der Lage ist diese narrativ zu kommunizieren, den hysterischen Druck der öffentlichen Meinung um zu erkennen, dass diese Visionen (Frieden in Europa, etc pp) nachhaltig (!) nur umsetzbar sind, wenn man die Interessen der Bevölkerung der Staaten Europas ausgleicht? Und dass ein solcher Interessenausgleich im Rahmen eines gesellschaftlichen Dialoges der Europäer, einer europäischen Öffentlichkeit bedarf? Eine solche gibt es nicht, sie zu schaffen sollte die Vision der Politik sein, denn sie ist Bedingung der Möglichkeit eines politisch institutionalisierten Interessenausgleiches. Mit dem Euro hat man versucht den umgekehrten Weg zu gehen. Die Politik schafft ein "Interessenausgleich" dessen Definition insofern seelenlos ist, als dass die Interessen nicht von denen aufgenommen wurden, für die ein Ausgleich gesucht wird, sondern von politischem Dünkel willkürlich bestimmt wurden, in dem Glauben, dass eine europäische Öffentlichkeit schon daraus erwachsen würde. Ein Fehler. Es muss schon "organisch" zusammenwachsen was zusammen gehört. Ein Blick in die Ideen der Historischen Schule der Nationalökonomie hilft - trotz ihrer methodischen Mängel - um zumindest einen Eindruck zu gewinnen, was Möglichkeiten und Grenzen der Ökonomie als Mittel zum Zweck sind oder besser gesagt, dass Ordnungspolitik nur in begrenztem Maße Kultur steuern kann, sondern im besten Falle Spiegel dieser ist und Leitplanken ihrer Entwicklung darstellt. Ob das, was in Deutschland und vor allem Frankreich zur Zeit geschieht noch Ordnungspolitik ist oder das Gebiet der marktwirtschaftlichen Grundordnung längst verlassen hat - nun ich will hier keinen Roman schreiben.
Zitat von Economist im Beitrag #17 Angst und einem Gefühl der Hilflosigkeit geborene "Hysterie" der Öffentlichkeit das einzige Mittel um auf die deutsche Politik den Druck auszuüben, der einen hinreichenden darstellt, um politischen Druck seitens Frankreichs und anderer auszugleichen. Ich habe also eine ambivalente Meinung. Die Frage ist also: Braucht eine zunehmend emotionslose, technokratische Politik, die "das große Ganze" im Blick zu haben glaubt und "Visionen" zu verfolgen glaubt, aber offenbar nicht in der Lage ist diese narrativ zu kommunizieren, den hysterischen Druck der öffentlichen Meinung um zu erkennen, dass diese Visionen (Frieden in Europa, etc pp) nachhaltig (!) nur umsetzbar sind, wenn man die Interessen der Bevölkerung der Staaten Europas ausgleicht? Und dass ein solcher Interessenausgleich im Rahmen eines gesellschaftlichen Dialoges der Europäer, einer europäischen Öffentlichkeit bedarf? Eine solche gibt es nicht, sie zu schaffen sollte die Vision der Politik sein, denn sie ist Bedingung der Möglichkeit eines politisch institutionalisierten Interessenausgleiches. Mit dem Euro hat man versucht den umgekehrten Weg zu gehen. Die Politik schafft ein "Interessenausgleich" dessen Definition insofern seelenlos ist, als dass die Interessen nicht von denen aufgenommen wurden, für die ein Ausgleich gesucht wird, sondern von politischem Dünkel willkürlich bestimmt wurden, in dem Glauben, dass eine europäische Öffentlichkeit schon daraus erwachsen würde. Ein Fehler. Es muss schon "organisch" zusammenwachsen was zusammen gehört.
Vielen Dank für die klaren Worte. Ich bin ebenfalls der Meinung dass es keine europäische Öffentlichkeit gibt, nicht einmal eine europäische Identität. Diese existiert nur in Sonntagsreden, oder in Abgrenzung zu anderen Identitäten (Amerikaner, Japaner, Chinesen). Doch selbst in solchen Abgrenzungen ist die europäische Identität von untergeordnetem Rang und deutlich von der jeweils nationalen überlagert. Künstlich eine europäische Öffentlichkeit herstellen zu wollen halte ich für chancenlos. So etwas kann nur durch einen langen Prozess geschehen, und selbst dann ist es fraglich dass es klappt.
Zitat von rakatak im Beitrag #15 Was ich nicht verstehe ist, warum das so folgenlos gemacht werden kann. Vertragsbruch ist doch ein deftiges Vergehen und ich frage mich auch, welche Möglichkeiten es für uns Bürger oder Institutionen oder Abgeordnete oder wen auch immer gibt, sich juristisch dagegen zu wehren. Ich kenne keine, weiß jemand Antworten? Muss man sich das bieten lassen von den Regierenden? Der Verstoss gegen die No-Bailout-Klausel bedeutet doch einen klaren Wegfall der Geschäftsgrundlage. Wir durften als Wähler zwar nicht über den EURO abstimmen und nun liegt das Kind im Brunnen. Hätte man uns aber damals gleich gesagt, dass wir Deutschen mit dem EURO für Europas Schulden haften müssten, wäre aber die Hölle los gewesen in Deutschland.
Das ist die Sichtweise der EU:
Zitat von Frau Viviane Reding, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und EU-JustizkommissarinDas Bail out-Verbot ist in Deutschland so berühmt, dass der Text des Artikels 125 AEUV es sogar auf die Titelseiten nicht nur des Spiegel, sondern sogar, im Mai 2010, auf die Titelseite der Bild-Zeitung geschafft hat. Im Volksmund wird das "Bail out"-Verbot meist so verstanden: Man hat uns rechtlich garantiert, dass wir niemals für andere Euro-Staaten zahlen müssen. Und jetzt müssen wir doch täglich Milliardenbeträge nach Südeuropa pumpen. Sie erkennen dies sicherlich aus den Talkshows der letzten zwei Wochen wieder.
Mit der rechtlichen Lage haben solche populärwissenschaftlichen Aussagen allerdings nur wenig zu tun. Das erschließt sich bereits bei der Lektüre des Wortlauts des Artikels 125 AEUV. Dort heißt es eben nicht: Ein Euro-Staat darf einem anderen Euro-Staat nicht finanziell unter die Arme greifen. Vielmehr heißt es dort: Ein Euro-Staat haftet nicht für die Schulden eines anderen Euro-Staats und tritt nicht in diese ein. Mit anderen Worten: Ausgeschlossen werden hier nur eine automatische Mithaftung eines Euro-Staats für einen anderen sowie ein Schuldbeitritt. Nicht ausgeschlossen wird damit die freie Entscheidung jedes souveränen Staats, ob er einem Nachbarstaat einen Kredit gewährt oder ihn anderweitig finanziell unterstützt.
Dies bestätigt auch eine systematische Lesart der Verträge. Drei Artikel vor dem berühmten Artikel 125 AEUV steht Artikel 122 AEUV, der in der deutschen Diskussion praktisch nie Erwähnung findet. Dort heißt es, dass der Rat der EU-Finanzminister mit qualifizierter Mehrheit beschließen darf, einem EU-Mitgliedstaat, der sich aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse in Schwierigkeiten befindet, einen finanziellen Beistand der Union zu gewähren. In der deutschen juristischen Literatur heißt es dazu regelmäßig, diese Vorschrift sei restriktiv zu interpretieren, Artikel 125 AEUV dagegen weit auszulegen, denn Artikel 125 AEUV sei die Regel, Artikel 122 die Ausnahme.
Danke für ihre Verweise auf Viviane Reding und ihre Sichtweise. Mich kann sie verblüffen damit, denn ich bin Laie. Dass aber Hans-Werner Sinn ebenfalls überrascht war, wie schnell die No-Bailout-Klausel über Bord ging und das als angesehener Fachmann, der er ist, das erklärt sich damit nicht. Ich finde, dass man so nicht mit uns Wählern umgehen kann, dass man komplizierte, undeutliche Verträge zusammen schustert und nachher mit dem Finger auf die Menschen zeigt:"Ihr seid nur zu dumm das zu verstehen!". Das hat in der EU Methode. Im ESM-Vertrag waren die Kröten sogar in den Fussnoten versteckt, Kröten wie Immunität für Mitglieder des Gouverneursrats, keine Möglichkeit auszutreten, unbegrenzte Haftung, Verschwiegenheitspflicht etc.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #16 Das ist die Sichtweise der EU:
Zitat von Frau Viviane Reding, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und EU-JustizkommissarinDas Bail out-Verbot ist in Deutschland so berühmt, dass der Text des Artikels 125 AEUV es sogar auf die Titelseiten nicht nur des Spiegel, sondern sogar, im Mai 2010, auf die Titelseite der Bild-Zeitung geschafft hat. Im Volksmund wird das "Bail out"-Verbot meist so verstanden: Man hat uns rechtlich garantiert, dass wir niemals für andere Euro-Staaten zahlen müssen. Und jetzt müssen wir doch täglich Milliardenbeträge nach Südeuropa pumpen. Sie erkennen dies sicherlich aus den Talkshows der letzten zwei Wochen wieder.
Mit der rechtlichen Lage haben solche populärwissenschaftlichen Aussagen allerdings nur wenig zu tun. Das erschließt sich bereits bei der Lektüre des Wortlauts des Artikels 125 AEUV. Dort heißt es eben nicht: Ein Euro-Staat darf einem anderen Euro-Staat nicht finanziell unter die Arme greifen. Vielmehr heißt es dort: Ein Euro-Staat haftet nicht für die Schulden eines anderen Euro-Staats und tritt nicht in diese ein. Mit anderen Worten: Ausgeschlossen werden hier nur eine automatische Mithaftung eines Euro-Staats für einen anderen sowie ein Schuldbeitritt. Nicht ausgeschlossen wird damit die freie Entscheidung jedes souveränen Staats, ob er einem Nachbarstaat einen Kredit gewährt oder ihn anderweitig finanziell unterstützt.
Dies bestätigt auch eine systematische Lesart der Verträge. Drei Artikel vor dem berühmten Artikel 125 AEUV steht Artikel 122 AEUV, der in der deutschen Diskussion praktisch nie Erwähnung findet. Dort heißt es, dass der Rat der EU-Finanzminister mit qualifizierter Mehrheit beschließen darf, einem EU-Mitgliedstaat, der sich aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse in Schwierigkeiten befindet, einen finanziellen Beistand der Union zu gewähren. In der deutschen juristischen Literatur heißt es dazu regelmäßig, diese Vorschrift sei restriktiv zu interpretieren, Artikel 125 AEUV dagegen weit auszulegen, denn Artikel 125 AEUV sei die Regel, Artikel 122 die Ausnahme.
Tut mir leid, es so direkt sagen zu müssen, aber Frau Reding lügt ganz einfach.
Wer den Art. 125 AEUV liest, sollte einfach auch den Absatz 2 lesen. Dort ist klar und unmißverständlich von einem Verbot die Rede.
"Der Rat kann erforderlichenfalls auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments die Definitionen für die Anwendung der in den Artikeln 123 und 124 sowie in diesem Artikel vorgesehenen Verbote näher bestimmen."
Zweitens ist das Verbot doch systematisch auch einleuchtend. Es sollte Staaten, die keine Disziplin üben, jegliche Hoffnung nehmen, auf die Hilfe der Anderen zu setzen.
Die damalige französische Finanzministerin Lagarde hat den Verstoß ja auch offen eingeräumt.
Der EUGH hat natürlich alles durchgewunken und für rechtmäßig erklärt, das tut der EUGH aber immer. Wer den für ein klassisches Gericht hält, ist selber schuld.
Zitat von Fritz im Beitrag #20Tut mir leid, es so direkt sagen zu müssen, aber Frau Reding lügt ganz einfach.
Wer den Art. 125 AEUV liest, sollte einfach auch den Absatz 2 lesen. Dort ist klar und unmißverständlich von einem Verbot die Rede.
"Der Rat kann erforderlichenfalls auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments die Definitionen für die Anwendung der in den Artikeln 123 und 124 sowie in diesem Artikel vorgesehenen Verbote näher bestimmen."
Zweitens ist das Verbot doch systematisch auch einleuchtend. Es sollte Staaten, die keine Disziplin üben, jegliche Hoffnung nehmen, auf die Hilfe der Anderen zu setzen.
Die damalige französische Finanzministerin Lagarde hat den Verstoß ja auch offen eingeräumt.
Der EUGH hat natürlich alles durchgewunken und für rechtmäßig erklärt, das tut der EUGH aber immer. Wer den für ein klassisches Gericht hält, ist selber schuld.
Ich denke, man sollte sich keine Illusionen machen: Der EU-Vertrag ist so geschrieben, dass Volk und Parlament, das sich ja eh mit einer oberflächlichen Betrachtung zufriedengibt, im politischen Smalltalk eingelullt werden können. Aber erst, wenn es dann hart auf hart geht, erfährt man was Sache ist. Es ist immer einfacher, gegen Klartext auf die Barrikaden zu gehen, als gegen Interpretationen. Nur so lassen sich über 300 Millionen Menschen über den Tisch ziehen.
In aller Kürze zu meiner Person: Ich verantworte die Kapitalanlage für einen Pensionsfonds mit einem Umfang im Bereich eines zweistelligen Milliardenbetrags. Insofern habe ich die "Freude" mich mit der Eurokrise seit April 2010 zu beschäftigen. Und zwar während der Arbeit, in der "Freizeit" und manchmal träumt man sogar davon. Im Herbst 2011 hatte ich tatsächlich die Befürchtung, dass die Sache schief gehen könnte. Nach einigen Entscheidungen (Fiskalpakt und LTRO) und personellen Änderungen( Draghi, Monti, Rajoy) haben wir die Sache positiv gesehen und sind von einer Stabilisierung ausgegangen. Wir haben also eher den Schmiedings und Fels'- und den handelnden Personen Draghi, Merkel, Monti, Rajoy geglaubt als den Sinns, Buiters (Citibank), Polleits (ex Barclays) und auch den sonstigen Weltuntergangspropheten, die die Buchhandlungen und das Internet bevölkern. Wir haben also unter der Prämisse einer Stabilisierung, Anlagen mit gutem Chancen-Risiko-Verhältnis gekauft (viel Risiken dürfen wir eh nicht nehmen). Dies hat uns ein Ergebnis von über 20% in 2012 gebracht. Insofern habe ich meinen Frieden mit der Eurokrise und insbesondere mit vielen Publizisten gemacht.
Zu Herrn Sinn:
Zitat von Zettel im Beitrag #1Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht - für mich ist es immer ein Vergnügen, Hans-Werner Sinn zu hören; sei es in einem Vortrag, sei es im Interview.
So soll ein Hochschullehrer sein: Mit souveräner Beherrschung seines Stoffs; so souverän, daß er ihn einfach und verständlich darstellen kann. Kompliziert drückt sich nur aus, wer seinen Gegenstand nicht beherrscht und/oder wer nichts zu sagen hat.
In dem Interview, dem ich das Zitat des Tages entnommen habe, sagt Sinn wenig Neues; was gäbe es auch Neues zu sagen? Aber er sagt das Bekannte wieder einmal auf diese unnachahmliche Weise.
Das Fazit ist im Grunde trivial: Ginge es nach ökonomischer Vernunft, dann müßte Griechenland aus dem Euro ausscheiden. Aber das politische Kräfteverhältnis ist so, daß es ihn behalten wird - zum Nutzen der Gläubiger, zum Nutzen der Bürokratien, zum Schaden der Bürger Griechenlands und auch Deutschlands.
Dem muss ich widersprechen. Vielleicht drückt er sich einfach aus. Ja sehr einfach. So einfach sogar, dass er einfach das wegläst, was ihm in seiner Argumentation nicht in den Kram passt. So einfach, dass ihn jeder versteht. Und er sagt sogar das, was jeder denkt. Letztendlich ist er ein Populist.
Ja ich weiss, eine ungeheuerliche Behauptung. Ich werde versuchen Sie zu begründen.
Ich werde nicht weit ausholen und auf seine letzten Bücher eingehen, mit denen er sich m.E. eigentlich schon disqualifiziert hat (Seine breite Batterie von notwendigen Reformen um Deutschland zu retten, war nicht nötig. Das Ziel wurde durch die erheblich moderaten Reformen in der Praxis (Agenda 2010, Lohnzurückhaltung) erreicht. Die Basarökonomie empirisch nach wenigen Jahren widerlegt.)
Zu dem Interview:
1) Zitat Sinn:"Es gibt die Länder Südeuropas, die sich stark verschuldet haben, privat und öffentlich. " Er, der Populist Sinn, sagt damit genau dass, was viele gerne hören mögen. Die Südländer konsumieren (durch Verschuldung) und wir bezahlen dass. Kann man ja überall lesen und ist ja auch "Common Sense". Und es ist falsch.
Nehmen wir Italien: Die öffentliche Verschuldung ist hoch (bei 120% des BIP)), aber die private ist niedrig (<60% des BIP). Und gleichzeitig hat der italienische Staat Vermögenswerte in ähnlicher Höhe der Schulden und die Italiener haben Vermögenswerte in Höhe von mehr als dem 6- fachen des BIP. Sie liegen damit vor Deutschland, Japan und den USA. Diese größen Anteil an Vermögenwerten haben die Italiener, weil Sie ein sehr sparsames Volk sind, die Sparquote lag immer sehr hoch (noch weit über der Deutschen).
Spanien: Hier war bis 2009 die Staatsverschuldung gering (ich glaube unter 40% des BIP). Hier war es die Immobilienblase (ähnlich wie in dem nördlichen Irland) die zu einer hohen Verschuldung der privaten und nach Ihrem Platzen auch zu steigenden Schulden des Staates geführt haben (aber z.Z. immer noch geringer als in Detuschland)
Griechenland:Hier ist der Staat übermäßig verschuldet, die privaten sind es m.E. nicht. Und der Staat hält erhebliche Vermögenswerte. Auch hier haben wir keine Verschuldung durch übermäßigen Konsum, sondern eher ein völliges Versagen das Staates seine Finanzen zu managen.
Portugal: Hier mag es so sein.
Die Behauptung (Zitat) ist also in Ihrer extremen Vereinfach falsch
2)Zitat Sinn: "Seit 2007 spielten aber die Finanzmärkte nicht mehr mit. Es blieben und bleiben nur öffentliche Rettungskredite."
Vielleicht eine Kleinigkeit, aber wieder falsch. Bis März 2010 könnte sich Griechenland ganz problemlos refinanzieren. Die funktionierte sogar noch, als harauskam, dass man über die Höhe der Schulden und die Neuverschuldung die Unwahrheit gesagt hatte. Problematisch wurde es erst als im März 2010 es ein Downgrade von Moody's und/oder S&P gab. Soviel auch zur effizienz von Märkten.
Zum Punkt: Wir treten mal schnell kurzzeitig aus der Währungsunion aus und dann wird alles gut beim nächsten Mal.
Zitat von Kapitalanleger im Beitrag #22 Wir haben also unter der Prämisse einer Stabilisierung, Anlagen mit gutem Chancen-Risiko-Verhältnis gekauft (viel Risiken dürfen wir eh nicht nehmen). Dies hat uns ein Ergebnis von über 20% in 2012 gebracht.
Lieber Kapitalanleger,
da drängt sich mir als Laie die Frage auf, ob das nicht eventuell an der Stampede all jener liegt, die mit billigen Liquiditätsinfusionen der Zentralbanken gedopt nun alle in genau dieselben Anlagen gehen? Wenn das so wäre, wärs ja blöd. Irgendwann haben da doch alle mal den Sack voll, und wenn die ersten paar Großadressen dann auch real Kasse machen wollen ist keiner mehr da, der das Zeugs noch zu den hohen Preisen kaufen will.
Zitat von Kapitalanleger im Beitrag #22Griechenland:Hier ist der Staat übermäßig verschuldet, die privaten sind es m.E. nicht. Und der Staat hält erhebliche Vermögenswerte.
Hierzu auch noch eine Laienfrage: Sie erwähnen die staatlichen Vermögenswerte von Griechenland und Italien. In den meisten Ländern wird das ähnlich aussehen. Warum können wir uns dann die ganzen "Rettungsaktionen" nicht eigentlich sparen? Wenn die Staaten schon nicht haushalten können und nie mit ihren Steuereinnahmen auskommen, warum bangt man ständig darum, dass die Kapitalanleger nur ja keine zu hohen Zinsen für die ständig neu aufgelegten Staatsanleihen verlangen mögen? Warum müssen Gott und die Welt denn ständig für solche Länder bürgen? Die könnten doch einfach ihre "erheblichen Vermögenswerte" versilbern! Oder mangelt's da im Zweifelsfall dann doch an solventen Interessenten? Irgendwer müsste ja z.B. dazu bereit sein, ein griechisches Staatsunternehmen (mit all den allzeit streikbereiten Besitzständlern) zu kaufen. Und das ging irgendwie nicht so richtig geschmeidig, wenn ich mich richtig erinnere.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Calimeros Rumpelkammer - Ein Raum für freie Rede und Gedanken, mittendrin im Irrenhaus.
Zitat Er, der Populist Sinn, sagt damit genau dass, was viele gerne hören mögen. Die Südländer konsumieren (durch Verschuldung) und wir bezahlen dass. Kann man ja überall lesen und ist ja auch "Common Sense".
Lieber Kapitalanleger, in Ermangelung tieferer Sachkenntnis und als Laie bin ich bin ich angewiesen auf griffige Problembeschreibungen, und ich halte es da mit Adenauer, der sinngemäß das folgende gesagt hat: Probleme, oberflächlich betrachtet, erscheinen oft kompliziert, in der Tiefe begriffen, sind die Dinge aber meist ganz einfach. Daher schätze ich die Publikationen von Sinn oder auch Sarrazin. Ich fasse jetzt einmal zusammen, was ich, auf der einfachsten Ebene, von der Eurokrise verstanden zu haben glaube:
Staaten haben sich aus freien Stücken und ohne Not verschuldet, bis zum drohenden Zahlungsausfall. Die Weltfinanzkrise 2007 hat hier als Brandbeschleuniger fungiert, aber nicht als Ursache. Nun versucht man, diese Staaten zu retten, indem ein Kapital- und (mittelfristig auch) Wohlstandstransfer von Nord nach Süd stattfindet. Hierzu wird geltendes Recht fortgesetzt gebrochen (No-Bailout, zunehmend direkte EZB-Staatsfinanzierung), ideologisch amalgamiert durch Schreckensszenarien vom Typ "scheitert der Euro, scheitert Europa" oder das an die Wandmalen von Kriegsszenarien.
Nun bilde ich mir nicht ein, die europ. Staatschuldenkrise im adenauerschen Sinne "tief" verstanden zu haben, daher meine Frage an Sie und die anderen Diskutanten mit größerem ökonomischen Sachverstand als ich ihn habe: Ist meine obige Beschreibung, trotz gröbster (und für Fachleute sicher schmerzlicher) Vereinfachung dennoch sachlich richtig? Und wenn nein, wo ist der/sind die Fehler?
Edit/Ergänzung: Im übrigen halte ich die Brandmarkung eines Argumentes oder eines Argumentierenden als "populistisch" für ein moralisierendes Pseudoargument, das vermutlich noch nie irgendeine Diskussion weiter gebracht hat, aber gut in der Lage ist, die Atmosphäre einer Diskussion zu vergiften. Ob ein Argument als populistisch bewertet wird, hat nichts mit seiner inhaltlichen Stichhaltigkeit zu tun und offenbart in aller Regel argumentative Schwächen des solcherart Bewertenden. Herzliche Grüße, Andreas Döding
ich grüße Sie und möchte Ihnen ein paar Anmerkungen zu Ihrem „Erstling“ anbieten.
Ein willkommener Beitrag um meinen Einstand im Forum geben. In diesem Sinne:
Festzuhalten ist ja, wie das in Zettels Beitrag durch kam, dass es das Verdienst Sinns ist, ein komplexes Thema einer breiten Öffentlichkeit näherzubringen. Nach dieser Feststellung muss man zunächst einen Punkt machen und durchatmen. Als Volkswirt im Elfenbeinturm ist es zuweilen kaum begreiflich, wie schlecht die Öffentlichkeit über banalste ökonomische Zusammenhänge und aktuelle Vorgänge informiert ist. (Und leider muss man nach meiner Beobachtung Studenten der VWL im 5. oder 6. Semester, das heißt kurz vor ihrem Abschluss in eingeschränktem Maße dort einbeziehen...) Was sagt DAS über die Qualität der Lehre? Vernichtendes! Es entspricht übrigens meiner eigenen Erfahrung. Studenten der Ökonomie sind überwiegend kritiklos, Professoren der Ökonomie daher „nicht gefordert“. Fordert man sie (als Student haben ich das getan), bringt man die Damen und vor allem Herren sehr rasch ins Schlingern denn ökonomische Theorien, ich greife Ihr Bild vom Elfenbeinturm auf, halten dem ökonomischen Praxistest mitunter nicht stand.
Dass es kaum begreiflich ist meint aber nicht, dass "die Öffentlichkeit" eine Schuld in irgendeiner Form trifft (darüber könnte man an anderer Stelle diskutieren - Stichwort Allgemeinbildung, aber das soll hier nicht das Thema sein), sondern ich will lediglich meine tatsächliche Verwunderung ausdrücken, wie laut man rufen, ja schreien muss, um zumindest den Kern einer Botschaft zu kommunizieren. HIER müssen Sie aber gar nicht schreien. Alle lesen aufmerksam mit.
Die Schreie Sinns gehen den Fachkundigen mittlerweile auf die Nerven und man rollt mit den Augen, angesichts seiner einfachen, platten Sprache (aus Sicht der Bewohner des Elfenbeinturms). Sehen Sie, der Beitrag dieser Bewohner des Elfenbeinturms war in den vergangenen Dekaden sehr überschaubar. Die Tatsache, daß Sinn eine so bemerkenswerte Popularität erlangt hat, ist ja der Beweis, daß es nicht am Interesse der Öffentlichkeit mangelt sondern vielmehr ein erschreckendes Versagen der Ökonomie als Wissenschaft vorliegt.
Aber man muss wohl akzeptieren, dass es eines solchen Krawalls bedarf. Nun ja, vielleicht ist der „Krawall“ eine notwendige Folge der eingetretenen realökonomischen Probleme. Wissen Sie, solange man die Kopfgeburten im Elfenbeinturm bei einem Tässchen Kaffee in Ruhe betrachtet und die Konsequenzen nicht zu spüren bekommt, ist das alles ein lustiges Spielchen. Tatsache ist aber, daß in Griechenland und Spanien das Volk auf die Straße geht und sich in Deutschland die Inlation breit macht und damit insbesondere die kleinen, arbeitenden und sparenden Menschen unter Druck kommen. Denn eines möchte ich doch hier eindeutig feststellen: Die Inflation ist da. Beispiel und Beweis: Kaufen Sie doch gelegentlich an einer Autobahnraststätte eine Flasche Mineralwasser und ein belegtes Brötchen. Wenn Ihnen dieses Kunststück für weniger als 5 Euro gelingt (immerhin 10 Mark = mehr als der gesamte Tagessatz nach ‚Hartz IV), posten Sie doch bitte den Beleg.
Die Vorgänge zu beobachten sensibilisiert mich aber als, würde ich behaupten, breit interessierten aber doch in der Wahrnehmung insbesondere im Bereich Kultur und Gesellschaft mit blinden Flecken versehenen Menschen dafür, wie viel "Krach" es wahrscheinlich bedarf, um mir einen Gedanken näher zu bringen, welcher im Umfeld des Feuilletons diskutiert wird. Das als Vorwort.
Viele Worte, für ein „Vorwort“ vielleicht schon zu viele; aber noch nichts zur aktuellen Eurokrise, wenn Sie mir den Hinweis gestatten.
Interessant ist nun zu beobachten, was die so informierte Öffentlichkeit nun aus den Aussagen Sinns macht. Finden Sie? Viel interessanter ist es doch, weshalb noch immer viele Ökonomen meinen, der Krise sei irgendwie beizukommen ohne die ökonomischen Fakten und denklogischen Bruchstellen des ganzen Eurokonstruktes zur Kenntnis zu nehmen. Die Öffentlichkeit befindet sich insbesondere in Deutschland doch teilweise noch immer im Tiefschlaf und ich sehe das insbesondere bei den sogenannten Bildungseliten, die in gut abgesicherten Posten an Universitäten sitzen und fleißig grüne Tagträume unterstützen, die zusätzlich zu den Belastungen aus einer völlig verfehlten Europapolitik über die Inflationierung der Energiepreise auf uns Bürgern Lasten. Zeichen dieses Tiefschlafs werden eindrucksvoll durch eine jüngst vorgenommene Untersuchung durch Infratest Dimap belegt, wonach knapp 30 % der Befragten glauben, die Grünen seien der Garant für in Zukunft bezahlbare Energiepreise. Selten so gelacht, ;-) Ausgerechnet jene Partei, die mit dem netten aber total fehlgeleiteten Minister Altmeier die Errichtung von Windmühlchen feiert, für deren Energieausbeute die Verbraucher zahlen, egal ob der Strom genutzt wird oder wirkungslos verpufft.
Die Thesen bergen natürlich ideologischen Sprengstoff in sich. Diesen nutzt Sinn in seinen prägnanten Formulierungen, denn anscheinend ist nur eine wohl dosierte Form des Populismus (und diesen Begriff verstehe ich wertfrei bzw. zumindest nicht negativ konnotiert, weil ich glaube, dass Politik die im Streit der Meinungen sich befindet, immer populistisch ist und sein muss, da dies notwendige Bedinung eines freiheitlich demokratischen Systems ist) notwendig, um die Öffentlichkeit zu erreichen. Was nun "wohl dosiert" heißt, darüber kann man freilich streiten. Da machen Sie aber nun doch um den vergleichsweise schlichten Gegenstand der „Wissenschaft“ Ökonomie (ich bestreite das zuweilen ganz gerne, *Ironie an* daß es sich bei einem derart schwammigen Untersuchungsgegenstand überhaupt um eine solche handelt *Ironie aus*) ein ziemlich großes Geheimnis. Gewiß sind die Kenntnisse über Wirtschaft in der Bevölkerung gering bis sehr gering. Dies liegt aber nun nicht daran, daß diese Kenntnisse irgendwie schwierig zu erlangen seien. Was aber, um zur Ausgangsfrage zurückzukommen, macht die Öffentlichkeit daraus? Auf Basis der Formulierungen Sinns verselbstständigt sich die Debatte und nimmt ideologische Züge an, die nicht mehr als hilfreich angesehen werden können. Einerseits. Andererseits ist vielleicht eine aus Unsicherheit, Angst und einem Gefühl der Hilflosigkeit geborene "Hysterie" der Öffentlichkeit das einzige Mittel um auf die deutsche Politik den Druck auszuüben, der einen hinreichenden darstellt, um politischen Druck seitens Frankreichs und anderer auszugleichen. Aus diesen vielen Worten kann ich die erste Aussage destillieren, die ich unterschreiben würde. Es braucht p o l i t i s c h e n Druck auf die deutsche Regierung, die Landesinteressen im europäischen Kakophonie-Konzert deutlicher zu vertreten. Und es braucht in der Politik vor allem die Ehrlichkeit, den Deutschen nicht fortgesetzt einzureden, „Deutschland“ profitiere vom Euro. Die Frage, die nämlich gestellt werden muß ist die: WER in Deutschland profitiert vom Euro? Kleine Unternehmen, Arbeitnehmer, Rentner und Sparer (die weit überwiegende Mehrheit) nämlich überwiegend nicht. Und bei Licht betrachtet profitiert auch die Exportindustrie nur auf den ersten Blick. Ich warte noch immer auf den Ökonomen, der mir das Geschäftsmodell erklärt, Habenichtsen auf Pump Waren und Dienstleistungen zu liefern, die dann niemals bezahlt werden. Sowas ist kein Geschäftsmodell sondern Selbstbetrug. So haben wir denn auch noch gelernt, daß im magischen Viereck eine AUSGEGLICHENE Außenhandelsbilanz anzustreben ist. Wir aber liefern, lassen uns wertlose Zahlungsversprechen geben und wenn es ans Glattstellen geht, sagt der Gläubiger: Ätsch, pleite, zahl mal selber. Tolle Ökonomie. Oder wie sehen Sie das im Elfenbeinturm?
Ich habe also eine ambivalente Meinung. Die Frage ist also: Braucht eine zunehmend emotionslose, technokratische Politik, die "das große Ganze" im Blick zu haben glaubt und "Visionen" zu verfolgen glaubt, aber offenbar nicht in der Lage ist diese narrativ zu kommunizieren, den hysterischen Druck der öffentlichen Meinung um zu erkennen, dass diese Visionen (Frieden in Europa, etc pp) nachhaltig (!) nur umsetzbar sind, wenn man die Interessen der Bevölkerung der Staaten Europas ausgleicht? Und dass ein solcher Interessenausgleich im Rahmen eines gesellschaftlichen Dialoges der Europäer, einer europäischen Öffentlichkeit bedarf? Eiwei. Nun kommt aber doch sehr viel weiße Salbe ins Spiel, wenn sie mir die launige Anmerkung gestatten. Die von Ihnen beschworene „europäische Öffentlichkeit“ ist eine Chimäre, die von Politikern gerne vorgeführt wird. Real ist hingegen die jederzeit aktivierbare, dumpfe Reaktion der Massen, die mit ihren realökonomischen Lagen konfrontiert ist. Wie schnell der Kanzlerin in Südeuropa das Bärtchen angeklebt war, ist der Beweis der Richtigkeit dieser Aussage. Eine solche gibt es nicht, sie zu schaffen sollte die Vision der Politik sein, denn sie ist Bedingung der Möglichkeit eines politisch institutionalisierten Interessenausgleiches. Sie gibt es nicht, gut so. Nein, Europa ist auch für die junge, mobile Generation noch lange nicht Identitätsstiftend, wird es auch (hoffentlich) nie in der Weise werden, wie es der Begriff der „europäischen Öffentlichkeit“ gerne nahelegen will. Was europäische Öffentlichkeit ist, kann man bei den abgehobenen EU-Institutionen sehen. Antidemokratische Technokratenzirkel können keinen Respekt der Völker erwarten, sie haben den auch nicht verdient. Europa wird auf demokratischem Weg niemals „ein Land“ werden.
Mit dem Euro hat man versucht den umgekehrten Weg zu gehen. Die Politik schafft ein "Interessenausgleich" dessen Definition insofern seelenlos ist, als dass die Interessen nicht von denen aufgenommen wurden, für die ein Ausgleich gesucht wird, sondern von politischem Dünkel willkürlich bestimmt wurden, in dem Glauben, dass eine europäische Öffentlichkeit schon daraus erwachsen würde. Ein Fehler. EIN Fehler, es gibt derer viele weitere.
Es muss schon "organisch" zusammenwachsen was zusammen gehört. Wer sagt, daß Europa zusammengewachsen zusammen gehört? Die Geschichte zeigt, daß Europa immer ein Ort schwerster Konflikte war. Das alles ist jederzeit wieder abrufbar. Ziel und Aufgabe deutscher Politik hat es daher zu sein, in dieser Konfliktlage unsere nationalen Interessen zu vertreten und zu verteidigen und dabei das Wohl der Deutschen im Auge zu behalten.
Ein Blick in die Ideen der Historischen Schule der Nationalökonomie hilft - trotz ihrer methodischen Mängel - um zumindest einen Eindruck zu gewinnen, was Möglichkeiten und Grenzen der Ökonomie als Mittel zum Zweck sind oder besser gesagt, dass Ordnungspolitik nur in begrenztem Maße Kultur steuern kann, sondern im besten Falle Spiegel dieser ist und Leitplanken ihrer Entwicklung darstellt. Ob das, was in Deutschland und vor allem Frankreich zur Zeit geschieht noch Ordnungspolitik ist oder das Gebiet der marktwirtschaftlichen Grundordnung längst verlassen hat - nun ich will hier keinen Roman schreiben.
Leider haben Sie es nach meiner unmaßgeblichen Ansicht aber längst getan. Ganz am Schluß werfen sie dann noch eine diskussionswürdige Sachfrage auf, geben aber nicht einmal ansatzweise Ihre eigenen Vorschläge zur Beantwortung preis. Würden Sie es bitte tun?
Grüße Ich freue mich auf den spannenden Dialog mit Ihnen. Weihnachtliche Grüße Horst H.
Die Zensur ist die jüngere von zwei schändlichen Schwestern, die ältere heißt Inquisition. Nestroy
Der Glaube an eine größere und bessere Zukunft ist einer der mächtigsten Feinde gegenwärtiger Freiheit. Aldous Huxley
Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Erich Kästner
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