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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 150 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Calimero Offline




Beiträge: 3.280

21.03.2013 12:49
#76 Umgangsformen + Moderation Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #72
P.S.: Ob ein "dass ich nicht lache" beim Hausherrn dieses Blogs durchgegangen wäre? Frage nur mal so... Mich selbst stört es nicht, aber es gibt doch viele, denen etwas an den Umgangsformen hier liegt.

Da ich für diesen Thread ja irgendwie verantwortlich bin habe ich mich das auch gefragt. Sprich, hätte ich jetzt insistieren sollen? Gar nicht so einfach, denn ich habe zwar auch kurz gestockt, fand es dann aber doch nicht so schlimm (bei einem "Unsinn" hätte ich natürlich gerüffelt ).
Ich denke, an den Umgangsformen hier liegt uns allen sehr viel, deshalb auch danke für deine Anmerkung. Nur möchte ich persönlich mich nicht immer fragen: "Wie hätte Zettel jetzt reagiert?". Es würde wohl auch unglaubwürdig wirken, wenn ich (oder ein anderer Moderator) versuchte Zettel dahingehend nachzueifern. Ich kann mir ja nicht die zettelsche Autorität wie einen Sheriff-Stern anheften. Das würde albern aussehen.
Also wird die Moderation hier und in den Threads anderer Autoren wohl etwas inkonsistenter werden, als wir es von Zettel gewohnt sind. Ich möchte jedenfalls nicht, dass meine Moderation, obgleich natürlich im gewohnten ZkZ-Rahmen bleibend, zu einer Art Kulthandlung wird - einer Zettel-Autokorrektur. Ich kann Zettel nicht kopieren, aber es ist doch schön zu sehen, dass die Diskussionsteilnehmer da auch weiterhin selbst drauf achten. Bevor eine Moderation überhaupt notwendig wird.

Beste Grüße, Calimero

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

21.03.2013 12:55
#77 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Auch ein ganz wichtiger Aspekt: Wegen des immer bekannten Risikos von Bankpleiten in Zypern waren die Zinsen dort deutlich höher als in Deutschland.
Der allseits bemitleidete zyprische Kleinsparer hätte sich also selbst mit der angedachten 6,75% Vermögenssteuer noch deutlich besser gestellt als ein deutscher Kleinsparer.

Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 186

21.03.2013 13:22
#78 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #77
Auch ein ganz wichtiger Aspekt: Wegen des immer bekannten Risikos von Bankpleiten in Zypern waren die Zinsen dort deutlich höher als in Deutschland.
Der allseits bemitleidete zyprische Kleinsparer hätte sich also selbst mit der angedachten 6,75% Vermögenssteuer noch deutlich besser gestellt als ein deutscher Kleinsparer.



Sicher, die Zinsen dort waren höher.

Aber hätten die zyprischen Kleinsparer - deren ökonomischen Kenntnisse nun auch nicht so viel besser sein dürften als die ihrer deutschen Pendants - nun zufälligerweise doch von diesem höheren Risiko gewusst, und ergo ihr Erspartes zur Kreissparkasse Pusemuckel getragen: wetten, die EU-Granden hätten auch an dieser Kapitalflucht irgendwas auszusetzen gehabt und sie zu verhindern versucht?

Beste Grüße,

Carlo M Dimhofen

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

21.03.2013 14:12
#79 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von R.A.
Zum Einen ist es erstaunlich ungerecht, daß allen Bürgern mit Geldvermögen Schmerzen zugefügt werden, weil andere Bürger (mit zu hohen Lohnforderungen) die Wettbewerbsfähigkeit beschädigt haben.

Ich kann diese Schmerzen bei einer Abwertung nicht erkennen. Worin sollen die bestehen? Dass ein Geldvermögen in Landeswährung gemessen an einer Auslandswährung weniger wert ist? Wen stört das? Außerdem bedingen sich hohe Schulden und Geldvermögen. Das eine wird man ohne das andere nicht los.

Zitat von R.A.
Zum Anderen kann ich nicht feststellen, daß die klassischen Weichwährungsländer mit ihrer Taktik wirklich erfolgreich waren. Die Abwertungen haben zwar meistens dazu geführt, daß keine akute Krise ausgebrochen ist (und die abwertenden Politiker wiedergewählt wurden). Aber genau deswegen wurden die strukturellen Ursachen der Probleme nie angegangen.

Vielleicht, weil diese "Probleme" eben auch nie als solche empfunden wurden? Oder weil man sie für deutlich weniger schlimm hielt als andere? Wer sind wir denn, dass wir anderen Ländern vorschreiben, was die als Problem anzusehen haben?

Zitat von R.A.
Es besteht immerhin eine kleine Chance, daß einige Südländer jetzt endlich ihre Hausaufgaben machen, wenigstens teilweise, daß sie nötige Kürzungen vornehmen und damit echte Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Schmerzhaft für die Betroffenen, aber mit einer echten Zukunftsperspektive.

Was die Menschen von dieser "Zukunftsperspektive" halten, zeigen sie ja an den Wahlurnen, und das nicht nur durch die Grillos, sondern auch durch die Berlusconis dieser Welt. Ich halte es bei steigenden zweistelligen Raten der Jugendarbeitslosigkeiten auch von Zynismus, das Wort "Zukunftsperspektive" in den Mund zu nehmen.Der Prozess innerer Abwertungen führt, wenn die Unterschiede so krass sind wie in den bekannten Fällen, also bis zu 30% Abwertungsbedarf, dazu, dass bei der erfolgreichen Operation der Patient leider zwischendurch kurz mal eben verstirbt.(Europa-)Politisch ist das Ganze ein Desaster, weil der Anpassungsprozess als von außen aufgezwungenes Diktat (Versailles lässt grüßen!) erscheint, gegen den Widerstand zu leisten geradezu zur nationalen Pflicht wird.

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L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

MadBaron Offline



Beiträge: 52

21.03.2013 14:19
#80 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #75

Wer zum Beispiel den ESM grundsätzlich ablehnt, wird derzeit von den demokratischen Parteien nicht bedient. Aber es ist ein deutlicher Unterschied zwischen einer FDP, bei der die ESM-Ablehnung innerparteilich nur knapp gescheitert ist und einer SPD, die gerne einen noch viel größeren ESM möchte.
Und da man normalerweise den ESM ablehnt, weil man an soliden Staatsfinanzen und weniger Belastung der Bürger interessiert wird, wird man auch da unter den ESM-Befürwortern deutliche Unterschiede finden.



Ich stimme natürlich zu, dass es nie eine perfekte Wahloption geben wird.

Aber es gibt auch K.O. Kriterien. Diese liegen für mich persönlich z.B. in der Eurorettung. Aktuell erfüllt die FDP dieses Kriterium nicht in meinem Sinne. Für mich liegt es näher zu interpretieren, dass ich bei der Stimmabgabe für die FDP mit der aktuellen Politik einverstanden bin, als dass ich mit meiner Stimme die gescheiterte Anti-ESM Strömung unterstützen möchte. Ich werde also mit der Nichtvergabe meiner Stimme an die FDP zeigen, dass ich mit der Politik der letzten Legislaturperiode nicht einverstanden war und nicht, dass ich nicht liberalere Politik im Bundetag sehen möchte. Zumal ich an verschiedenen Stellen über mehrheitliche politische Auffassungen in verschiedenen Kreisverbänden der FDP informiert wurde, die mindestens der SPD, wenn nicht "Schlimmeren" gut zu Gesicht stehen würden. Aus meiner Sicht ist es hier ähnlich wie beim Euro, eine wahre Chance auf eine liberale Bereinigung bei der FDP bringt erst der Crash.

Jetzt bin ich schon soweit, dass keine der heutigen Bundestagsparteien für mich wählbar ist. Sollten es jetzt weder die PDV noch die AfD schaffen, die für Neu- oder Kleinparteien nicht unerheblichen Vorraussetzungen für die Teilnahme an der Bundestagswahl zu erfüllen und somit nicht zur Wahl zur Verfügung zu stehen, dann wird es interessant. Entweder ich werde erstmalig zum Protest-Nichtwähler, oder ich gebe meine Stimme der Tierschutzpartei oder Autofahrerpartei, deren parteiliche Organisation ich persönlich als absurd empfinde. Zweites erscheint mir nicht zielführend.

Nach den besonders einschneidend, negativen Erfahrungen mit der Bundespolitik der letzten 4 Jahre (zumindest mitgetragen durch eine von mir gewählte Partei), ist Nichtwählen diesesmal eine realistische Option.

Nachtrag: Ich sehe gerade, eine ähnliche Diskussion wird auch im thread Alternative für Deutschland geführt

---
Edit: Ergänzung Nachtrag, Rechtschreibkorrektur

Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 186

21.03.2013 14:25
#81 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #79
(Europa-)Politisch ist das Ganze ein Desaster, weil der Anpassungsprozess als von außen aufgezwungenes Diktat (Versailles lässt grüßen!) erscheint, gegen den Widerstand zu leisten geradezu zur nationalen Pflicht wird.


Sehr richtig, werter Rayson. Am Schlimmsten in der ganzen Debatte finde ich in diesem Zusammenhang das Gerede vom Euro als Friedensprojekt. Genau das Gegenteil ist doch der Fall.

Was wäre denn, ohne Euro, in der gegenwärtigen Krise geschehen? Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, nun auch Zypern - sie hätten wie gewohnt ihre Währungen abgewertet. Ob das nun eine nachhaltige Strategie (in nordeuropäischen Augen) darstellt oder nicht - für Deutsche, Niederländer, Briten etc. wäre der Urlaub an der Sonne erschwinglicher geworden (ebenso der SEAT, die neue Spülmaschine von Zanussi, der Vinho Verde...). Der deutsche Gast wäre von seinem griechischen Hotelier wie ein länger nicht gesehenes Familienmitglied in die Arme geschlossen worden - und das, darauf lege ich wert, nicht nur seines Geldes wegen.

Und was haben wir nun stattdessen, mit dem friedensstiftenden Euro?

Beste Grüße,

Carlo M Dimhofen

P.S.: Ja, ich bin unsachlich... Aber das mediale Gerede von den faulen Griechen, den zockenden Zyprioten und den mafiosen Russen nervt mich nicht weniger als brennende deutsche Fahnen in Athen oder Nikosia...

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

21.03.2013 14:32
#82 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von Llarian
Denn die gelieferten Waren, die man aus eigenen Abgaben finanziert, sind kein Geschäft sondern ein Verlust.


Richtig, fragt sich nur, für wen. Hinter "man" verstecken sich ja unterschiedliche Personen.

TF Offline



Beiträge: 281

21.03.2013 14:46
#83 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #79

Zitat von R.A.
Zum Einen ist es erstaunlich ungerecht, daß allen Bürgern mit Geldvermögen Schmerzen zugefügt werden, weil andere Bürger (mit zu hohen Lohnforderungen) die Wettbewerbsfähigkeit beschädigt haben.
Ich kann diese Schmerzen bei einer Abwertung nicht erkennen. Worin sollen die bestehen? Dass ein Geldvermögen in Landeswährung gemessen an einer Auslandswährung weniger wert ist? Wen stört das?


Das stört im wirklichen Leben z. B. ganz gewaltig an der Zapfsäule und überhaupt bei Importen. Die können z. B. im Fall von Griechenland schlecht substituiert werden, da Griechenland schon vor Euro-Einführung nur eine schwache industrielle Basis hatte. Wo nichts ist, kann auch nichts wettbewerbsfähig werden. Und Wettbewerbsmängel lassen sich allenfalls begrenzt durch den Wechselkurs kompensieren. Der Verkauf von Ladas in Deutschland wird garantiert nicht stark steigen, wenn der Rubelkurs fällt. Die deutsche Industrie müsste auch mit Drachme sicher keine Angst vor Griechen haben.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

21.03.2013 14:49
#84 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #78
Aber hätten die zyprischen Kleinsparer - deren ökonomischen Kenntnisse nun auch nicht so viel besser sein dürften als die ihrer deutschen Pendants - nun zufälligerweise doch von diesem höheren Risiko gewusst

Zugegeben habe ich noch nie eine zyprische Zeitung gelesen.
Aber die Schieflage der dortigen Banken müßte dort eigentlich über Monate ein ganz wesentliches Thema in allen Medien gewesen sein.

Zitat
und ergo ihr Erspartes zur Kreissparkasse Pusemuckel getragen: wetten, die EU-Granden hätten auch an dieser Kapitalflucht irgendwas auszusetzen gehabt und sie zu verhindern versucht?


Diese Vermutung ist eigentlich schon widerlegt. Denn es war ja über die ganzen Jahre möglich, zyprisches Geld nach Posemuckel zu transferieren. Dann hätte man natürlich keine Zinsgewinne mehr gehabt.

Und wenn jetzt jemand diese Zinsgewinne in den Bereich der deutschen Einlagensicherung (zu der er nie etwas beigetragen hat) transferiert, um es vor der faktisch schon eingetragenen Pleite zu retten - dann fände ich das auch nicht wirklich richtig.
Ohne mir Gedanken über die genaue juristische Konstruktion zu machen: Ich fände es legitim, wenn Deutschland mit irgendwelchen Maßnahmen solche Gelder raushalten würde.

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

21.03.2013 14:58
#85 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #81
Am Schlimmsten in der ganzen Debatte finde ich in diesem Zusammenhang das Gerede vom Euro als Friedensprojekt. Genau das Gegenteil ist doch der Fall.

Richtig. Gestern nacht habe ich mir, aus Interesse an Bernd Lucke von der AfD, mal Anne Will in der Mediathek angesehen. Als es darum ging, dass die AfD die Rückkehr zu den nationalen Währungen als sinnvoller erachtet als das sture Festhalten an der ökonomischen Desasterwährung Euro, fragte die Moderatorin Bernd Lucke erstmal mit Empörungsvibrato in der Stimme, ob er denn "national" denke. "Ist das nicht sogar nationalistisch?"
An dieser Stelle einhakend ist dann auch Edmund Stoiber ausgetickt. Ich habe jetzt kein O-Ton Transkript vor mir liegen, aber er ging aufgrund der politischen Dimension des Euros völlig in die Luft. Ständig sagte er dazu, dass er nicht von der ökonomischen Seite reden wolle, "aber das politische...!!!".

Es wurde klar wie noch nie, dass in der hohen Politik das grundlegende ökonomische Fiasko völlig ausgeblendet wird. Wichtig ist, dass in der Tradition eines Adenauer, de Gasperi, Schuman, Kohl et al! usw...

Die sorgen sich darum, dass ihre Gipfeltreffen und Klassenfotos gestört werden könnten. Dass man nicht mehr alles untereinander abstimmen muss und x-undzwanzig Unterschriften unter gesiegelten Verträgen stehen könnten. Dass es Maurice dem Lackierer und Herbert dem Tischler völlig Wurst ist wo die Politschranzen ihre nächste Autokolonne hinfahren lassen, blenden die komplett aus! "Es geht hier nicht um das Ökonomische! Aber die politische Dimension!!!"
Sorry, aber für die Leute die den ganzen Eurowährungsfriedenszauber mit Arbeitslosigkeit und Austeritätsauswirkungen ausbaden müssen, ist das Ökonomische das Wichtigste. Für Politiker wie Stoiber ist Ökonomie wahrscheinlich irgendwas mit Konzernen und BIP's. Dass die europäischen Völker unter dem Gemeinschaftswährungs-Wahnsinn leiden könnten - und das ganz konkret ökonomisch - ist für die Obertanen anscheinend zu weit weg. Hat ja keine politische Dimension.

Ich hätte den Liebermann machen können.

Beste Grüße, Calimero

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

21.03.2013 15:13
#86 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #79
Ich kann diese Schmerzen bei einer Abwertung nicht erkennen. Worin sollen die bestehen?

Da müssen alle Bürger für Importgüter mehr bezahlen, weil irgendwelche Branchen ihre Exportgüter besser absetzen wollen. Ich finde das für die Konsumenten (oder auch die Auslandsurlauber) schon schmerzhaft.

Zitat
Außerdem bedingen sich hohe Schulden und Geldvermögen. Das eine wird man ohne das andere nicht los.


Schuldner und Gläubiger sind aber völlig verschiedene Leute. Die Abwertungspolitik nutzt den einen und schädigt die anderen - obwohl das beide nicht verdient haben.

Zitat
Wer sind wir denn, dass wir anderen Ländern vorschreiben, was die als Problem anzusehen haben?


Da bin ich völlig bei Dir!
Das gilt dann aber genauso für die Empfehlung, wieder mit eigener Währung zur alten Abwertungspolitik zurückzukehren.
Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile. Es ist Sache der betroffenen Länder, sich zu entscheiden. Die Entscheidung für den Euro ist die Entscheidung für die harte Sanierung statt der üblichen Problemverschleppung.

Zitat
Was die Menschen von dieser "Zukunftsperspektive" halten, zeigen sie ja an den Wahlurnen ...


Das haben sie bei der "Agenda2010" auch gezeigt. Zumindestens ein Teil der Wähler. Und obwohl ich die Agenda nicht so positiv sehe wie oft üblich - es war richtig den Widerstand dieser Wähler zu ignorieren.
Und Grillo hat auch keine Mehrheit - auf die schwankenden Positionen von Berlusconi gebe ich ohnehin nichts.

Zitat
Ich halte es bei steigenden zweistelligen Raten der Jugendarbeitslosigkeiten auch von Zynismus, das Wort "Zukunftsperspektive" in den Mund zu nehmen.


Ist es denn weniger zynisch, diesen Jugendlichen zu erzählen, ihre Zukunft wäre mit noch mehr Schuldensozialismus besser?

Zitat
(Europa-)Politisch ist das Ganze ein Desaster, weil der Anpassungsprozess als von außen aufgezwungenes Diktat (Versailles lässt grüßen!) erscheint, gegen den Widerstand zu leisten geradezu zur nationalen Pflicht wird.


Völlig richtig.
Ich bin ja auch gegen die aktuelle ESM-Politik mit ihren unsäglichen Troikas. Was aber eben nicht heißt, daß alle von den Troikas empfohlenen Sparrezepte falsch wären.

FrancisoDAnconia Offline



Beiträge: 74

21.03.2013 16:18
#87 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von MadBaron im Beitrag #80
[quote="R.A."|p93118]

Jetzt bin ich schon soweit, dass keine der heutigen Bundestagsparteien für mich wählbar ist. Sollten es jetzt weder die PDV noch die AfD schaffen, die für Neu- oder Kleinparteien nicht unerheblichen Vorraussetzungen für die Teilnahme an der Bundestagswahl zu erfüllen und somit nicht zur Wahl zur Verfügung zu stehen, dann wird es interessant. Entweder ich werde erstmalig zum Protest-Nichtwähler, oder ich gebe meine Stimme der Tierschutzpartei oder Autofahrerpartei, deren parteiliche Organisation ich persönlich als absurd empfinde. Zweites erscheint mir nicht zielführend.

Nach den besonders einschneidend, negativen Erfahrungen mit der Bundespolitik der letzten 4 Jahre (zumindest mitgetragen durch eine von mir gewählte Partei), ist Nichtwählen diesesmal eine realistische Option.




Damit stehen Sie zumindest von meiner Warte aus gesehen nicht alleine da. Es gibt ja immer noch keine Antwort wenn man denn hätte wählen sollen um gegen diese "Schirme" zu sein und nein die Linke ist sicherlich nicht die Alternative.

Nola Offline



Beiträge: 1.719

21.03.2013 18:38
#88 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat
Calimero
An dieser Stelle einhakend ist dann auch Edmund Stoiber ausgetickt. Ich habe jetzt kein O-Ton Transkript vor mir liegen, aber er ging aufgrund der politischen Dimension des Euros völlig in die Luft. Ständig sagte er dazu, dass er nicht von der ökonomischen Seite reden wolle, "aber das politische...!!!".

Es wurde klar wie noch nie, dass in der hohen Politik das grundlegende ökonomische Fiasko völlig ausgeblendet wird. Wichtig ist, dass in der Tradition eines Adenauer, de Gasperi, Schuman, Kohl et al! usw...




Habe ich auch gesehen, lieber Calimero, und in keiner der vielen Sendungen von Frau Will war ihr Gesicht so entstellt wie in diesen Sekunden der Frage ...ob es nicht national - gar nationalistisch oder eben auch populistisch wäre ...

Ich finde Prof. Lucke hat eine gute Figur gemacht und sich an dem allgemeinen "Gekreische" nicht beteiligt.

Aufgefallen war mir, das die Fragestellung 2 Min. vor Ende der Sendung an Herrn Lucke erfolgte, so daß eine tiefere Diskussion über die Ansichten der AfD gar nicht erst entstehen konnte.

Mein Gesamteindruck war allerdings, eine unterschwellige Hysterie in der Debatte, als wolle man sich und der AfD vorsorglich beweisen wie überflüssig sie ist.

♥lich Nola

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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

derErdmann ( gelöscht )
Beiträge:

21.03.2013 21:15
#89 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von TF im Beitrag #66
Hohe Inflation bedeutet natürlich immer auch hohe Zinsen.
Das verstehe ich nicht. Keine Rhetorik, ich verstehe es wirklich nicht.
Meiner Meinung nach kann Inflation hohe Zinsen bedeuten. Aber bedeutet Inflation zwangsläufig, in jedem Fall hohe Zinsen?

Llarian Offline



Beiträge: 7.115

21.03.2013 21:32
#90 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von TF im Beitrag #66
Das ist falsch.

Nee, isses nicht. Jedenfalls nicht mit diesen Argumenten:

Zitat
Hohe Inflation bedeutet natürlich immer auch hohe Zinsen.


Hohe Inflation vielleicht. Aber sie muss ja nicht hoch sein. Deutschland hat derzeit vielleicht 3 Prozent. Und ein Zinsniveau für Staatsanleihen das nicht wesentlich höher ist. D.h. das jedes Jahr die Schulden real drei Prozent weniger werden. Zumindest wenn man keine neuen aufnimmt.

Zitat
Man kann auch die eigene Währung nicht unendlich aufblähen, ohne dass potentielle Gläubiger daraus die Konsequenz ziehen, keinen Kredit mehr in der Landeswährung zu vergeben und dieser muss dann Anleihen in Dollar, Euro usw. begeben bzw. entsprechende Kredite aufnehmen.


Ausgerechnet die lustigen Dollars, die ja nun ganz fleissig von der US-Regierung inflationiert werden, sind nicht gerade das beste Beispiel. Und der Bund hat die letzten Jahrzehnte (!) durch keine Probleme gehabt Schuldner zu finden. Im Gegenteil. Man kann es nicht unendlich aufblähen, das ist sicher richtig, aber das ist auch gar nicht erforderlich. Schon bei 5% Inflation (und die würde ich angesichts der tollen Euro Politik demnächst erwarten) entwerten Staatsschulden bereits in 10 Jahren auf die Hälfte. Und 10 Jahre sind ja nun wirklich nicht viel.

Zitat
Der Staat kann auf die Dauer nur Inländer enteignen, aber nicht Ausländer und Staaten mit geringer Wirtschsftskraft brauchen genau die.


Na klar kann er das. Oder was sollen die anderen machen ? Einmarschieren ? Die Länder mit grosser Wirtschaftskraft (wie eben Deutschland oder die USA) haben in den letzten 50 Jahren keine Probleme gehabt Gläubiger zu finden. Und kleine Staaten haben in der Folge das Problem das sie höheren Zinsen bezahlen müssen. Aber tut denen das was ? Hat es Italien denn geschadet, dass vor 30 Jahren die Lira eher einer Achterbahn glich ? Schadet es den Amis wirklich das Sie dem Ausland inzwischen eine Billionensumme schulden ? Die drucken im Zweifelsfall einfach ein paar Dollar mehr.

Hausmann Offline



Beiträge: 710

21.03.2013 21:38
#91 RE: Umgangsformen + Moderation Antworten

OT & Guten Abend!

Zitat von Calimero im Beitrag #76
Ich denke, an den Umgangsformen hier liegt uns allen sehr viel [...]

In der Hoffnung, daß dieses fragile Unternehmen sich festigt: Mir scheint ein Moderator unabdingbar zu sein, und wenn es nur um Formfragen oder thematische Verirrungen geht. Doch wer kann eine solche Kapitäns-Aufgabe schultern?

mfG

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

21.03.2013 21:52
#92 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von R.A.
Da müssen alle Bürger für Importgüter mehr bezahlen, weil irgendwelche Branchen ihre Exportgüter besser absetzen wollen. Ich finde das für die Konsumenten (oder auch die Auslandsurlauber) schon schmerzhaft.

Das ist nach einer internen Abwertung auch nicht anders.

Zitat von R.A.
Schuldner und Gläubiger sind aber völlig verschiedene Leute. Die Abwertungspolitik nutzt den einen und schädigt die anderen - obwohl das beide nicht verdient haben.

Du scheinst davon auszugehen, dass bei der Notwendigkeit einer Abwertung vorher irgendjemand Schuld auf sich geladen hätte. Das ist aber nicht der Fall. Die Motivation und die Anreize der Menschen in Abwertungsländern sind dieselben wie woanders auch. Auf das Verhältnis von Schuldnern und Gläubigern hat eine externe Abwertung zunächst überhaupt keinen Einfluss, allerdings "gewinnen" Gläubiger, die Forderungen in ausländischer Währung halten, gegenüber Gläubigern, die Forderungen in inländischer Währung halten. Bei den Schuldnern ist es umgekehrt.

Zitat von R.A.
Das gilt dann aber genauso für die Empfehlung, wieder mit eigener Währung zur alten Abwertungspolitik zurückzukehren.
Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile. Es ist Sache der betroffenen Länder, sich zu entscheiden. Die Entscheidung für den Euro ist die Entscheidung für die harte Sanierung statt der üblichen Problemverschleppung.

Abgesehen davon, dass es im Moment diese Entscheidungsmöglichkeit offensichtlich nicht gibt, müssen wir aber schon noch einen kleinen Unterschied berücksichtigen: Es ist keine "harte Sanierung" in Sicht, die ohne Transfers aus anderen Ländern auskommt. Und sobald diese eingefordert werden, reden eben doch andere mit.

Zitat von R.A.
Das haben sie bei der "Agenda2010" auch gezeigt. Zumindestens ein Teil der Wähler. Und obwohl ich die Agenda nicht so positiv sehe wie oft üblich - es war richtig den Widerstand dieser Wähler zu ignorieren.
Und Grillo hat auch keine Mehrheit - auf die schwankenden Positionen von Berlusconi gebe ich ohnehin nichts.

Die Agenda 2010 war gegen das, was z.B. in Griechenland erforderlich ist, ein reines Zuckerschlecken. Nötig wurde sie ja übrigens vor allem wegen des Euros. Und wer in Italien wirklich keine Mehrheit hat, sind die Pro-Euro-Rettungsparteien. Gegen die Mehrheit der Wähler zu regieren, kann in einer Demokratie nicht gut gehen.Und soll es im Übrigen auch nicht.

Zitat von R.A.
Ist es denn weniger zynisch, diesen Jugendlichen zu erzählen, ihre Zukunft wäre mit noch mehr Schuldensozialismus besser?

Ja, ich glaube, dieses Wort tauschen sie gerne gegen das Abrutschen in die nicht nur relative Armut ein. Ob es aber tatsächlich zu "mehr Schuldensozialismus" kommt, ist damit noch lange nicht ausgemacht. Das erfordert neue Entscheidungen. Wie nach einer internen Abwertung auch.

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Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

Solus Offline



Beiträge: 384

21.03.2013 22:00
#93 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #75
Wer da dann blind sagt "alles nur Mist", weil keine Partei derzeit den ESM ablehnt. Und sich dann als gefrustet erklärt und nicht wählen geht. Der ist dann auch schuld, wenn die neue Regierung richtig loslegt mit Schulden machen, Steuern erhöhen und ESM ausweiten.


Ich habe so meine Probleme mit der Idee vom kleineren Übel. Wenn mir jemand die Wahl anbietet, mich zu erhängen oder zu erschießen, dann tue ich ihm doch nicht noch den Gefallen, eines von beidem zu wählen. Und die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien sind alle so weit von der Politik entfernt, die ich sehen will, dass ich mich in genau der Situation sehe.
Um bei dem Vergleich zu bleiben - man kann dann vielleicht sagen, dass ich an der Todesart Schuld bin, wenn jemand anderes für mich den Strick oder die Pistole wählt. Aber daran, dass ich danach tot bin, habe ich in beiden Fällen keinen Anteil.

Oder von einem anderen Blickwinkel her: Selbst wenn sich die Machtverhältnisse zwischen FDP und CDU wundersamerweise umkehren würden und plötzlich die FDP sagen wir mal 40% hätte. Selbst dann halte ich es für reichlich ausgeschlossen, dass sie eine Politik machen würde, der ich zustimmen könnte. Wie soll ich dann eine solche Partei wählen können? Irgendwo ist der Punkt erreicht wo praktische Abwägungen hinter die Prinzipien zurücktreten müssen. Sonst sind die Prinzipien schlicht nichtsmehr wert.

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

21.03.2013 22:26
#94 RE: Umgangsformen + Moderation Antworten

Zitat von Hausmann im Beitrag #91
In der Hoffnung, daß dieses fragile Unternehmen sich festigt: Mir scheint ein Moderator unabdingbar zu sein, und wenn es nur um Formfragen oder thematische Verirrungen geht. Doch wer kann eine solche Kapitäns-Aufgabe schultern?

Es gibt wie ehedem zwei Master-Admins und die Autoren der jeweiligen Artikel teilen sich die Aufgabe der Thread-Moderation. Eine bisher zum Glück äußerst einsatzarme Aufgabe.

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

Hausmann Offline



Beiträge: 710

21.03.2013 22:36
#95 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von Solus im Beitrag #93
Oder von einem anderen Blickwinkel her: Selbst wenn sich die Machtverhältnisse zwischen FDP und CDU wundersamerweise umkehren würden und plötzlich die FDP sagen wir mal 40% hätte. Selbst dann halte ich es für reichlich ausgeschlossen, dass sie eine Politik machen würde, der ich zustimmen könnte.

Stimmt es, daß Frank Schäffler aus dem FDP-Vorstand geflogen ist? mfG

Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 186

22.03.2013 08:55
#96 RE: Vertrauen - verschenkt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #84
Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #78
und ergo ihr Erspartes zur Kreissparkasse Pusemuckel getragen: wetten, die EU-Granden hätten auch an dieser Kapitalflucht irgendwas auszusetzen gehabt und sie zu verhindern versucht?

Diese Vermutung ist eigentlich schon widerlegt. Denn es war ja über die ganzen Jahre möglich, zyprisches Geld nach Posemuckel zu transferieren. Dann hätte man natürlich keine Zinsgewinne mehr gehabt.


Mit Verlaub, die Widerlegung sehe ich darin nicht - ja, es war möglich, aber kaum jemand hat es getan. Ob dies nun an der Gier der Zyprioten lag, oder eben daran, dass sie sich des größeren Risikos bei den eigenen Banken nicht bewusst waren, darüber können wir nur spekulieren. Ich für meinen Teil glaube für den umgekehrten Fall nicht, dass nur deshalb vermutlich wenige Deutsche ihr Geld nach Zypern gebracht haben, weil unsere Landsleute so klug, risikobewusst oder selbstlos sind, sondern einfach daher, dass Otto Normalsparer gar nicht wusste, wie hoch die Zinsen auf Zypern sind. Und ich vermute, dass Dimitrios Kanonikektos in Nikosia die unterschiedlichen Zinssätze und Risiken innerhalb der Eurozone ebenfalls eher weniger auf dem Schirm hatte. Gut, Sie mögen dies anders bewerten - wie gesagt, hier können wir nur spekulieren.

Ich bleibe allerdings bei meiner Vermutung: hätten die Zyprioten, aus Risikobewusstsein heraus, in signifikanten Zahlen ihr Erspartes von ihren heimischen Banken abgezogen und auf sichere Konten in Deutschland transferiert, hätte Brüssel dem in irgendeiner Form einen Riegel vorgeschoben. Die zyprischen Banken wären zu ihrer Regierung gerannt, diese hätte sich in Brüssel beschwert ("Die Deutschen ruinieren mit ihren stabilen Geldinstituten unsere Finanzwirtschaft!"), und in der Folge wäre das Recht des freien Kapitalverkehrs genauso ausser Kraft gesetzt worden wie bereits andere Rechte zuvor.

Ja, auch das ist eine reine Vermutung - ich habe einfach schon zu viel interventionistischen Irrsinn in den letzten Jahren gesehen, um der politischen Klasse in Europa allgemein, und im Brüsseler Umfeld ganz besonders, nicht jede Sauerei zuzutrauen.

Zitat von R.A. im Beitrag #84
Und wenn jetzt jemand diese Zinsgewinne in den Bereich der deutschen Einlagensicherung (zu der er nie etwas beigetragen hat) transferiert, um es vor der faktisch schon eingetragenen Pleite zu retten - dann fände ich das auch nicht wirklich richtig.
Ohne mir Gedanken über die genaue juristische Konstruktion zu machen: Ich fände es legitim, wenn Deutschland mit irgendwelchen Maßnahmen solche Gelder raushalten würde.



Ich könnte mir vorstellen, dass die deutschen Banken das ein wenig anders sehen...

Beste Grüße,

Carlo M Dimhofen

P.S.: Ein kleiner Gedanke noch zu der Idee, man hätte ja generell als Zypriot sein Geld auf sicheren, dafür auch ertragsärmeren Konten im Ausland deponieren können. Sind von dem Zugriff denn wirklich nur zinsstarke Sparguthaben betroffen, oder auch das alltägliche Girokonto? Mir scheint letzteres der Fall zu sein, zumindest wenn ich höre, dass die britische Regierung nun die Bezüge ihrer Militärangehörigen auf Zypern einfliegen lässt, da sie über die Bankautomaten evtl. nicht mehr an ihr Geld kommen.

Sollten aber auch diejenigen Konten - ob Giro oder in welcher Form auch immer - betroffen sein, von denen aus die besagte Familie Kanonikektos ihre alltäglichen Transaktionen (Miete, Wasser, Strom, Rechnungen) betreibt, wäre der Fall ein ganz anderer. Die Modalitäten grenzüberschreitender Zahlungen sind nach wie vor recht kompliziert - meine Eltern z.B. haben ein Konto in Spanien, von dem aus sie die Umlagen für ihre dortige Ferienwohnung bezahlen können. Von einem deutschen Konto ist das ausgesprochen umständlich.

Von daher wäre dann also die Aussage: "Die Zyprioten haben doch wissen müssen, wie wacklig ihre Banken sind - also: mitgefangen, mitgehangen" ausgesprochen unredlich. Wie gesagt: wenn denn auch solche Alltagskonten betroffen wären.

notquite Offline



Beiträge: 506

22.03.2013 11:37
#97 RE: Umgangsformen + Moderation Antworten

Man entschuldige meine Naivität, aber ich finde es in der deutschen Debatte erstaunlich, dass hier nun ein eindeutiger Schwerpunkt darauf gelegt wird, dass man die Zyprer eben nicht zur Kasse beten dürfe. Wieso eigentlich nicht? Im Schatten des Euro hat sich dieses Land wie so viele andere einen Wohlstand erschlichen, der ihm unter normalen Zuständen im globalen Vergleich nicht zusteht. Man hat sich als Banken-, Steuervermeidungs- und Schwarzgeldstandort mit im Vergleich zu Deutschland obszön hohen Zinsen positioniert und die so angezogenen Gelder praktischerweise gleich in Griechenland investiert. Das ist der Kern der Krise. Auf Welt Online war gestern ein Artikel zu lesen, wonach die Differenz in den Realzinsen zwischen DE und Zypern so hoch war, dass selbst nach einer Einmalzahlung von 15 % (!) ein zypriotischer Bankkunde immer noch auf dem gleichen Stand wäre wie ein deutscher Kunde ohne eben diese Abgabe (real hat der deutsche Kunde in 5 Jahren 0,1 Prozent Zuwachs erwirtschaftet).

Man sollte hier ja auch die Alternativen sehen. Wenn die zypriotischen Bankkunden sich nicht beteiligen müssen, dann wird am Ende entweder der ganze Staat Insolvenz anmelden oder - wahrscheinlicher - wieder die EU, also wir die Rechnung zahlen (genau genommen zahlen wir ja auch dann zwei Drittel der Rechnung, wenn das Paket in der den Zyprioten aufgezwungenen Form beschlossen wird). Wieso genau sollte das in unserem Interesse sein?

Gerade mit Blick auf die zum Teil im Vergleich mit Deutschland obszön hohen Privatvermögen in Italien und Spanien (es wäre ja mal interessant, wann und wie diese entstanden sind, vor Einführung des Euro doch wohl sicher nicht ...) ist es doch praktisch zwingend, dass hier die Bürger dieser Staaten für die Party, die sie gefeiert haben, ZUERST bezahlen, und erst dann, und auch nur ergänzend, die Deutschen.

Natürlich sehe auch ich die Möglichkeit, dass es sich hier um einen Präzedenzfall handeln könnte, der auch die deutschen Sparer betreffen könnte. Auf Dauer wird sich die aktuelle Rettungspolitik aber ohnehin nicht halten lassen, die ausschließlich die Steuerzahler der Zukunft mit hundertmilliardenschweren Garantien belastet, die aktuellen Steuerzahler aber verschont.

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

22.03.2013 16:07
#98 RE: Umgangsformen + Moderation Antworten

Zitat von notquite im Beitrag #97
Man entschuldige meine Naivität, aber ich finde es in der deutschen Debatte erstaunlich, dass hier nun ein eindeutiger Schwerpunkt darauf gelegt wird, dass man die Zyprer eben nicht zur Kasse beten dürfe. Wieso eigentlich nicht? (...)
Gerade mit Blick auf die zum Teil im Vergleich mit Deutschland obszön hohen Privatvermögen in Italien und Spanien (es wäre ja mal interessant, wann und wie diese entstanden sind, vor Einführung des Euro doch wohl sicher nicht ...) ist es doch praktisch zwingend, dass hier die Bürger dieser Staaten für die Party, die sie gefeiert haben, ZUERST bezahlen, und erst dann, und auch nur ergänzend, die Deutschen.

Wer sind denn "die Zyprer"? Sind die schuld, haben die sich bereichert? Wären nicht die Bankaktionäre in der Pflicht? Könnten die Anleihehalter nicht bluten? Die Kreditgeber, welche um das Risiko wussten? Und außerdem hatte Zypern ein Jahr Zeit, um irgendwas mit Steuern zu machen. Haben sie aber nicht. Stattdessen kommt eine allgemeine Konteneinfrierung und die Überlegung bei der Masse zuzuschlagen. Es geht um Rechtssicherheit, und die ist universell.

Tja und dann ... bei wem könnte man denn praktischerweise als Nächstes ansetzen? Die Südländer gehen auf die Barrikaden, aber wer hat angeblich knapp 5 Billionen auf der hohen Kante? Wen könnte man mal nebenbei ein wenig zur Kasse bitten - für die europäische Idee und den Frieden? Wen würden die nationalen Medien nicht zur Revolte rufen - wegen der Verantwortung aus der Vergangenheit?

Beste Grüße, Calimero

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

22.03.2013 16:25
#99 RE: Umgangsformen + Moderation Antworten

Zitat von Calimero im Beitrag #98
Wer sind denn "die Zyprer"? Sind die schuld, haben die sich bereichert?

Ja, sind sie, haben sie.
Wie unten schon beschrieben (die linke zyprische Regierung wurde mit Mehrheit gewählt) bzw. verlinkt.

Zitat
Wären nicht die Bankaktionäre in der Pflicht? Könnten die Anleihehalter nicht bluten?


Wären sie, könnten sie. Ich stimme völlig zu, daß die Reihenfolge hier gar nicht gepaßt hat. Was wahrscheinlich auch daran lag, daß bei den Aktionären faktisch nichts zu holen ist - die Aktien sind ja eigentlich wertlos.

Es ist nun mal in erster Linie die Entscheidung der Zyprer, wo sie die Milliarden auftreiben. Wenn sie es sich bei ihren Sparern holen - vielleicht nur begrenzt gerecht, aber nicht unser Rroblem. Jetzt kam der Vorschlag, es sich bei den Rentnern zu holen. Den halte ich persönlich eher noch für schlechter. Aber auch das wäre eine rein innerzyprische Angelegenheit.

Zitat
Es geht um Rechtssicherheit, und die ist universell.


Rechtssicher wäre gewesen, die Banken in Insolvenz gehen zu lassen. Was ja vielleicht noch kommt (ich bin versucht, "hoffentlich" zu schreiben).
Dann werden die Sparer (und im wesentlichen nur diese) natürlich viel mehr Geld verlieren. Deswegen halte ich deren Proteste auch für wirklich doof.

MadBaron Offline



Beiträge: 52

22.03.2013 17:23
#100 RE: Umgangsformen + Moderation Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #99

Zitat
Wären nicht die Bankaktionäre in der Pflicht? Könnten die Anleihehalter nicht bluten?

Wären sie, könnten sie. Ich stimme völlig zu, daß die Reihenfolge hier gar nicht gepaßt hat. Was wahrscheinlich auch daran lag, daß bei den Aktionären faktisch nichts zu holen ist - die Aktien sind ja eigentlich wertlos.



Nach den Ausführungen von Thorsten Polleit in seinem Artikel Zypern, oder: Das Euro-Geld ist nicht mehr sicher, hätte es wohl doch anders laufen können und müssen.

Zitat
In einer funktionierenden Rechtsordnung wäre zu erwarten, dass die Verluste der Banken zunächst von ihren Eigentümern selbst getragen werden. Übersteigen die Verluste das Eigenkapital – das Eigenkapital der zypriotischen Banken beträgt etwa 15 Mrd. Euro –, und kann kein neues Eigenkapital beschafft werden, so wären die Verbindlichkeiten der Banken herabzusetzen: und zwar als erstes die nachrangigen Verbindlichkeiten („Subordinated Debt“), bei Bedarf nachfolgend dann erstrangige Anleihen („Senior Debt“), und erst dann kämen Depositen-Verbindlichkeiten (der Privatkunden) an die Reihe. Die Politik, die für Zypern vorgesehen ist, lässt jedoch zu allererst Privatkunden zur Ader – also diejenigen, die sich am wenigsten zur Wehr setzen können und die wohl auch die geringste Verantwortung tragen für die Misswirtschaft im Finanzsektor.

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