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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 134 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Paul Offline




Beiträge: 1.285

08.05.2013 12:19
#126 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von MadBaron im Beitrag #125



Bei jeder Aktion weiß man erst hinterher, ob das gewünschte Ergebnis auch wirklich eingetreten ist. Menschliches Handeln birgt immer einen Rest Unwägbarkeit.
Das habe ich gemeint.

Der Rettungsschuss kann auch das Ergebnis haben, dass die Geisel tot ist oder Andere, vielleicht sogar Unbeteiligte, in Mitleidenschaft gezogen werden.

Das hatte ich gerade noch in Erinnerung:

Zitat
Der GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen war ein Polizeieinsatz am 27. Juni 1993, bei dem die RAF-Mitglieder Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams im mecklenburgischen Bad Kleinen festgenommen werden sollten. Die Festnahme von Birgit Hogefeld verlief erfolgreich. Bei einem anschließenden Feuergefecht kamen Wolfgang Grams und der GSG-9-Beamte Michael Newrzella ums Leben.


http://de.wikipedia.org/wiki/GSG-9-Einsatz_in_Bad_Kleinen

Vielleicht gibt es noch andere bessere Beispiele.

Sowas in der Art meinte ich, als ich geschrieben habe, dass man erst hinterher weiß, ob eine Maßnahme erfolgreich war.

ungelt Offline



Beiträge: 119

08.05.2013 12:33
#127 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von MadBaron im Beitrag #125
Der "finale Rettungsschuß" darf nicht nur subjektiv mutmaßlich helfen, sondern muss objektiv der Gefahrenabwehr dienen. Dies sehe ich im Fall Daschner nicht gegeben. Im Vergleich dazu der Geiselnehmer mit der Waffe an der Schläfe der Geisel.

Da gibt es schon Unterschiede, sehe ich auch so. In beiden Fällen würde es aber der Rettung von Menschenleben dienen und in beiden Fällen wird dem "Beschuldigten" ein Schaden zugefügt. (Im Falle des "Rettungsschusses" wohl in der Regel ein deutlich schwerwiegenderer, wenn nicht gar "endgültigerer" . Im Vergleich mit einem bloßen Schreck wie im Falle Daschner sowieso.) Und in beiden Fällen würde zwischen verschiedenen Interessen abgewogen und die Rechte der Beschuldigten wären im Ergebnis ebenfalls eingeschränkt.

Ich als Laie sehe jedenfall keinen zwingenden Grund, das Eine als prinzipiell mit dem Rechtsstaat für vereinbar zu betrachten, das Andere aber nicht. (Ganz abgesehen von der Sinnhaftigkeit, wie oben schon erwähnt.) Wir haben ja aber Fachleute hier

Herzlich Ungelt

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

08.05.2013 13:31
#128 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #119
Zitat von R.A. im Beitrag #118

Und die liefern auch Resultate.


Auch solche?

Sicher.
Wenn der Vernehmer ein gelogenes Geständnis haben will, dann kriegt er mit Folter auch das.

Ich bin wirklich kein Experte auf diesem Gebiet (und möchte dies auch wirklich nicht sein). Aber als Historiker weiß ich, daß Folter insbesondere in der Kriegsführung in allen Zeiten angewendet wurde, nur in ganz wenigen Epochen und Regionen gab es wirksame Konventionen dagegen.
Und die Feldherrn haben ihre Spezialisten nicht auf die gegnerischen Gefangenen losgelassen, weil sie sadistisch veranlagt waren, sondern weil diese Verhöre zuverlässig wichtige Informationen gebracht haben. Aber eben mit Methoden, die weit über das hinausgehen, was derzeit im Kontext von waterboarding et al. als Folter diskutiert wird.

Llarian Offline



Beiträge: 6.931

08.05.2013 16:16
#129 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von ungelt im Beitrag #116
Das irritiert mich etwas. Zunächst einmal würde ich bei akuter Gefahr mein Augenmerk darauf legen, die Tat (auch mit Gewalt natürlich) zu verhindern, den Täter zu verjagen oder eben einfach unschädlich zu machen. Das "Umbringen" könnte im Extremfall nur eine Folge davon sein, niemals aber das Ziel. Zumindest nicht mein Ziel.

Wir können jetzt Haare spalten, aber so richtig weiterbringen tut uns das nicht. Ich bin davon ausgegangen, dass Sie eine Diskrepanz aufzeigen wollten zwischen dem Verhalten meiner Person in einer Situation und dem, was ich für den Rechtsstaat für richtig halte. Und ja, diese Diskrepanz ist da. Sie ist aber normal und undramatisch.

Zitat
Diesen großen Unterschied zwischen dem gedachten privaten Verhalten und den Erwartungen an den Staat verstehe ich einfach nicht.


Und ich verstehe nicht, warum Sie es nicht verstehen. Forderungen an den Staat zu erheben, die man selber nicht erfüllt (und umgekehrt) ist ebenso normal wie morgens aufzustehen. Der Staat hat in einem seiner grundlegendsten Rechte ein Diskriminierungsverbot hinterlegt. Das ich absolut unterstütze. Für den Staat. Aber doch nicht für mich. Ganz simpel: Mann und Frau sind vor dem Gesetz gleich. Nicht vor mir, da können Sie sich sicher sein. Ich halte auch O.J. Simpson für zweifelsfrei schuldig, der Staat kann das nicht tun. Die Ideale, die wir an den Staat erheben, gehen weit über das hinaus, was wir selber bereit sind zu tun. Das ist aber tatsächlich okay.

Zitat
Hatten Sie ähnliche Erlebnisse? Gibt es einen Anhaltspunkt dafür, daß man zu dieser Einstellung aus einem heute absolut verständlichen Mangel an "Gewalterfahrung" kommt.


Jetzt will ich nicht unföflich sein, lieber ungelt, aber meine Erfahrungen der Kindheit gehen nicht wirklich jeden was an. Und ich wüsste auch nicht wofür sie gut sind, ausser darauf rumzupsychologisieren und Sie können sicher sein, daran ist mir auch nicht gelegen. Ich bin mir ziemlich sicher das meine Meinung zum Rechtsstaat wenig damit zu tun hat, ob ich Gewalterfahrungen habe. Der Rechtsstaat ist ein Ideal das sich aus ethischen Werten speist, das ist eine Sache der Überzeugung und Reflektion, weniger der persönlichen Gewalterfahrung. Es sei denn diese beträfe den Staat, das wäre aber ein Spezialfall.

Zitat
Das ist in der großen Mehrheit der Fälle natürlich richtig, das war ja auch überhaupt nicht mein Thema. Es würde sich ja dabei - angenommen man würde es als Möglichkeit einführen - nicht um eine Art "Standardbehandlung" handeln. Genau wie der "finale Rettungsschuß" keine polizeiliche "Standardbehandlung" ist.
Jaja, "wehret den Anfängen" höre ich schon. Das ist aber genau so falsch wie alle anderen hundertprozentigen Lösungen. Man muß alles mit Augenmaß machen, auch wenn es dafür keine Anleitung geben kann und es auch nie "perfekt" sein wird.


Foltern mit Augenmaß ? Ich spare uns beiden den Zynismus der eigentlich hier hin gehört, nur: Das was Sie als Thema gerne ausklammern möchten ist ja nun das zentrale Problem. Zu dem Sie sich übrigens absolut nicht äussern: Was ist mit dem Unschuldigen ? Der finale Rettungsschuss hat die Eigenschaft hat die Eigenschaft, dass er den Täter zu treffen pflegt, weil man wenigstens weiss, wer das ist. Es bleibt zwar der unwahrscheinliche Fall, dass der Polizist zu dumm ist richtig zu treffen, aber das wird sehr, sehr unwahrscheinlich sein. Allein unter Verurteilten geht man von einer Quote für Justizirrtümer von bis zu 10% aus, unter Verdächtigen weit höher. Da wird der "Unfall" schnell zum Standard.

Zitat
Vielleicht ist es das, was aus der K&K Monarchie in mir übrig geblieben ist und was die beiden Kulturräume voneinander unterscheidet.


Mir ist keine solche Monarchie bekannt.

Zitat
Ich kenne übrigens das Gefühl, daß man gerade ertrinkt und den "das war's dann wohl" Gedanken relativ gut aus eigener Erfahrung. Das vergisst man sicher nicht. Meine Lebensqualität hat das aber wohl nicht beeinträchtigt, so weit ich das selber beurteilen kann. Wenn ich damit bei der Rettung eines Menschenlebens behilflich sein könnte, würde ich mich dem wohl wieder unterwerfen.


Das können Sie sich für sich ja gerne entscheiden. Aber das entscheiden Sie nicht für andere. Es gibt Menschen die stecken den Verlust einer Hand weg und leben ihr Leben. Andere hängen sich an den nächsten Baum. Mancher empfindet es als würdelos (den Wert den unsere Verfassung als mit den höchsten schützt) sich in einem Dschungel zur Belustigung der Allgemeinheit mit Maden zu ernähen, anderen macht das überhaupt nichts aus. Das Maß wann die Würde eines Menschen, seine Psyche oder seine Seele, irreperabel beschädigt wird, ist ausgesprochen unterschiedlich. Und Sie können nicht ihren Maßstab zur Allgemeingültigkeit erklären.

Zitat
Und wieso haben Sie hier so wenig Vertrauen in die Polizei, bei den anderen "kritischen" Regelungen aber offenbar genug.


Was heisst genug ? Und welche kritischen Regelungen sollen das sein ? Das Verfassungsgericht hat gerade erst dem Innenministerium verboten (!) eine Regelung zum Abschuss von Passagiermaschinen zu formulieren. Das Verfassungsgericht hat offenkundig auch kein so offensichtliches Vertrauen und duldet trotzdem den finalen Rettungsschuss.
Nebenbei gesprochen ist mein Vertrauen in die Polizei in dieser Beziehung mehr als gering. Die Polizei hat es durch die letzten Jahre sehr eindrucksvoll belegt, dass sie Gewalt in ihren Reihen duldet und nicht bereit ist dagegen vorzugehen. Wenn ein Polizist heute gewalttätiig wird, dann braucht es eindeutige (!) Kameraaufzeichnungen, damit auch nur ein Prozess zustande kommt. Andere Polizisten stehen nahezu grundsätzlich nie als Zeugen zur Verfügung (schönen Gruss vom Corpsgeist). "Gewöhnliche" Zeugen reichen für ein Urteil nahezu nie aus, da Richter die Polizisten fleissigst decken. Ich vermute Sie hatten mit dem Rechtsstaat in dieser schmutzigen Gestalt nie zu tun. Seien Sie froh darüber.

Zitat
Es kann sich daher doch auch nur um eine graduelle Verschiebung handeln, wofür ein "Mondabschuß" wohl nicht die richtige Metapher ist. Das ist einfach nicht rational.


Mich dem Rechtsstaat ist es wie mit der Schwangerschaft. Es gibt nicht ein bischen Rechtsstaat. Ein Folterstaat wird nie ein Rechtsstaat sein, das kann man auch weltweit und geschichtlich sehr gut belegen.

Zitat von Llarian im Beitrag #114
Das Ausmaß und die Dauer von "Qualen" auf den beiden beteiligten Seiten hat nicht viel miteinander zu tun? Wenn das eine direkt von dem anderen abhängen kann? In dem einen Zimmer sitzt der dringend verdächtige, im Nebenzimmer die verzweifelten Eltern, Geschwister, es geht um Leben und Tod eines Menschen. Kein Zusammenhang?

Kein Zusammenhang, ja. Denn Sie sagen es ja selbst: Ein Verdächtiger. Kein Schuldiger. Den Sie foltern wollen, in der Hoffnung (!), dass er der Täter ist. Das Problem daran ist, dass Sie ihre ganze Rechtstaatlichkeit, ihre ganze Ethik, ihren ganzen Humanismus, so sich dessen gezeihen, mit der Frage steht und fällt, ob diese Person schuldig ist. Und da eine Wahrscheinlichkeit, und gar keine kleine, besteht, dass diese Person unschuldig ist, ist ihr Zusammenhang nicht da.

Zitat
Das geschriebene Wort ist heilig, das Menschenleben nebensächlich?


Das Menschenleben ist zweifelsfrei heilig. Aber was nutzt dieses Menschenleben, wenn der Preis für dieses Leben die Barbarei ist ? Für den einzelnen bedeutet dieses Menschenleben die Welt, das ist keine Frage. Aber für eine Gesellschaft ist es einer. Und der Preis diesen einen vielleicht (!) zu retten ist die Aufgabe unserer grundlegendsten Werte. Es sind doch keine Worte in einem toten Buch, die wir verteidigen. Es sind die Werte auf denen unsere Gesellschaft aufgebaut ist. Eine Gesellschaft die die Würde und das Leben nicht achtet, nicht schützt, die kann man weltweit beobachten. Und zwei deutsche Diktaturen haben auch diese Werte nicht verteidigt. Wir sind die erste Gesellschaft auf deutschem Boden, die das erfolgreich tut. Und all das sollen wir wegwerfen.

Zitat
Das ist genau der Punkt, wo bei mir der Verstand aussetzt.


Was ich jetzt sage, bitte ich erst zuende zu lesen und nicht als Beleidigung aufzufassen, ich versichere mit allem mir gebotenen Ernst, dass ich das nicht als Beleidigung verstanden wissen will. Ich glaube auch, dass der Verstand aussetzt. Und zwar sehr bewusst. Der Verstand setzt meistens dann aus, wenn die Emotionen uns erfassen. Denn das ist die Stelle, wo Christoph weiter oben absolut recht hat, das "Kinder-Argument" ist ein ewiges Instrument um Emotionen bestimmen zu lassen und den Verstand bewusst auszuschalten. Wir sind alle Menschen, und wenn wir fühlen, dann versuchen wir diese Gefühle zu rationalisieren. Aber tatsächlich arbeiten wir nicht mehr mit dem Verstand, wir versuchen nur den Gefühlen eine rationale Begründung zuzufügen. Das wir uns irren könnten, ist da gar nicht mehr möglich. Weil wir es fühlen.

Ich habe lange ganz ähnlich gedacht, wie Sie, lieber Ungelt. Ich bin beispielsweise an der amerikanischen Justiz (die den Rechtsstaat ja schon fast zelebriert) regelmäßig verzweifelt. Aber ich habe irgendwann die tiefe Logik dahinter aufgenommen, den fundamentalen Respekt vor dem Recht und den Rechten des Einzelnen. Nach meinem Dafürhalten ist es das und nur das, was uns von der Barbarei unterscheidet. Das ist tatsächlich eine Folgerung, die aus reinen Überlegungen folgt. Sie ist nicht von Gefühlen geprägt. Wenn ich dann daran denke, dass Mörder frei kommen, weil wir in einem Rechtsstaat leben, dann will die Emotion mir die Überlegung abschnüren. Aber ich folge lieber meinem Verstand, denn der ist in der Beziehung zuverlässiger als meine Emotion.

Llarian Offline



Beiträge: 6.931

08.05.2013 16:18
#130 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #126

Der Rettungsschuss kann auch das Ergebnis haben, dass die Geisel tot ist oder Andere, vielleicht sogar Unbeteiligte, in Mitleidenschaft gezogen werden.

Das hatte ich gerade noch in Erinnerung:

Zitat
Der GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen war ein Polizeieinsatz am 27. Juni 1993, bei dem die RAF-Mitglieder Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams im mecklenburgischen Bad Kleinen festgenommen werden sollten. Die Festnahme von Birgit Hogefeld verlief erfolgreich. Bei einem anschließenden Feuergefecht kamen Wolfgang Grams und der GSG-9-Beamte Michael Newrzella ums Leben.

http://de.wikipedia.org/wiki/GSG-9-Einsatz_in_Bad_Kleinen

Vielleicht gibt es noch andere bessere Beispiele.


Das ist kein Beispiel für einen Rettungsschuss.

Llarian Offline



Beiträge: 6.931

08.05.2013 16:27
#131 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von ungelt im Beitrag #127
Im Vergleich mit einem bloßen Schreck wie im Falle Daschner sowieso.

Ich möchte mal etwas zu diesem, doch so oft wiederholten, Argument sagen:

1. Es war ein Schreck, richtig. Aber der Schreck war berechtigt, denn wie Daschner ja selber eingeräumt hat, war es keine leere Drohung. Es kam nur nicht dazu, weil Gäfgen vorher geredet hat. Die Behauptung nach einem Banküberfall, man habe gar keine Patronen in der Waffe gehabt, und daher nie wirklich jemanden bedroht, ist so hilfreich auch nicht.

2. Ein Bluff funktioniert nur so lange, bis jemand sehen will. Gäfgen war "so blöd" darauf reinzufallen, der nächste tuts nicht. Damit eine Drohung wirklich funktionieren kann, muss auch Potential dahinter sein. Wenn ein Ermittler das Recht bekommt zu drohen, aber die Ausführung ihm verboten ist, dann ist der Erfolg solcher Methoden gleich null.

Llarian Offline



Beiträge: 6.931

08.05.2013 16:32
#132 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #128
Wenn der Vernehmer ein gelogenes Geständnis haben will, dann kriegt er mit Folter auch das.

Das Problem ist, er er will ein Geständnis, weiss aber nicht ob es wahr ist.

Zitat
Und die Feldherrn haben ihre Spezialisten nicht auf die gegnerischen Gefangenen losgelassen, weil sie sadistisch veranlagt waren, sondern weil diese Verhöre zuverlässig wichtige Informationen gebracht haben.


Die hatten nur zwei Vorteile: Zum einen wussten die vielfach, dass der Gefolterte die Information tatsächlich hatte, zum anderen war es ihnen bisweilen pupsegal, wenn sie jemanden gefoltert haben, der die Information halt nicht hatte. Im letzteren Fall war die Information auch mit Sicheheit dann nicht besonders zuverlässig.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

09.05.2013 10:30
#133 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #132
Das Problem ist, er will ein Geständnis, weiss aber nicht ob es wahr ist.

Geübte Vernehmer (die in Salem waren wohl keine) sollen ein ganz gutes Gespür dafür haben, ob ein Geständnis wahr ist oder nicht.
Bei vielen Prozessen (gerade mit religiösem Hintergrund) ist den Vernehmern die Wahrheit aber gar nicht so wichtig, die wollen "Erfolge".

Zitat
Zum einen wussten die vielfach, dass der Gefolterte die Information tatsächlich hatte


Nicht unbedingt. Ein einfacher Soldat hat nicht unbedingt viel Ahnung, wo andere Truppenteile stehen oder gar was die Heeresführung so plant.

Zitat
zum anderen war es ihnen bisweilen pupsegal, wenn sie jemanden gefoltert haben, der die Information halt nicht hatte.


Richtig.
Es ist auch hoffentlich klar geworden, daß ich hier nicht argumentieren wollte, daß Folter in Strafprozessen nützlich wäre. Ich wollte im Gegenteil darauf hinweisen, daß man sich bei der Ablehnung der Folter nicht darauf verlassen sollte, daß die ohnehin nichts nützt und man daher der ethischen Argumentation ausweichen könnte.
Sie nutzt etwas, und wenn man auf diesen Nutzen (z. B. Rettung Unschuldiger) verzichten will, muß man das explizit benennen und begründen.

Reisender ( gelöscht )
Beiträge:

10.05.2013 13:51
#134 RE: Ziviler Ungehorsam Antworten

Zitat von ungelt im Beitrag #120
Ihr erster Absatz deutet darauf hin, daß Sie annehmen, ich gehöre zu den verängstigten Leuten die durch ihren täglichen Konsum der Medien verunsichert sind und Angst vor Kriminalität haben. Dem ist nicht so, weil aber dieser Eindruck zumindest bei Ihnen entstanden ist, muß ich wohl noch etwas zu meinen Motiven schreiben.


Es war nicht meine Absicht, Ihnen Angst zu unterstellen. Ich wollte nur meine Ansicht verstärken, dass wegen Einzelfällen kein funktionierendes Rechtssystem abgeändert werden sollte.

Zitat

Also, ich behaupte nicht, daß "Folter", was immer das auch ist, da oder dort eingeführt werden soll. Ich kann weder deren Wirksamkeit, noch Zuverlässigkeit beurteilen. Darin werden sich sicher auch die Fachleute nicht ganz einig sein, wie sollte ich es [so genau wissen.]

Ich behaupte aber, das "Folter" eindeutig zu einer ganzen Kategorie von Begriffen gehört, die durch eine jahrzehntelange mediale Bearbeitung eine solche emotionale Aufladung erfahren haben, daß dazu in Deutschland im Normalfall keine vernünftige Diskussion mehr möglich ist. (So wie es auch bei den Begriffen "soziale Gerechtigkeit", "Chancengleichheit", "Diskriminierung", "Atomlobby", "nachhaltig", "menschenwürdig" usw. auch der Fall ist.)



Es gibt diese Diskussion: Rettungsfolter und Folter als Nothilfe (mit Wirkung in der Zunkunft).

Zitat
Es wurde hier auch (von Christoph) argumentiert, daß Folter bei Gäfken nicht zum Erfolg geführt hätte, weil das Kind bereits tot war. Das ist aus meiner Sicht unsinnig.



Ich brachte dieses Argument.
Nach der Tat musste das Opfer als Objekt der Erpressung fort. Es wird nicht mehr benötigt und hindert am Geldausgeben. Im Idealfall wird das Opfer freigelassen.

Bei Gäfgen kam die Bekanntschaft mit dem Opfer hinzu. Zweck der Erpressung war, mit dem Lösegeld am Wohnort bleiben zu können. Das Opfer dauerhaft zu verstecken war für Gäfgen keine Option. Das war Herrn Daschner mit Sicherheit bewusst. Der Umgang mit solchen Leuten ist sein Beruf.

Unwillig könnte man vermuten, dass es sich also auch um Folter handelte, um die Strafverfolgung zu sichern.

Zitat
Der "Erfolg" ist doch an der Kooperationsbereitschaft des Täters zu messen.



Kooperation war meiner Meinung nach nicht gegeben. Es gibt sicher durch Umstände, die Folge einer Situation erzwungene Kooperation. A und B werden von C drangsaliert und schließen sich nun zusammen, obwohl sie sonst nichts miteinander zu tun haben möchten.

Folter hat das Ziel, gefügig zu machen, jemanden zu zwingen zu tun, was man selbst will. Wird gefoltert, stehen sich zwei Ansichten / Aspekte recht gegensätzlich gegenüber. Damit kommt eine Prise Vergeltung, Rache oder zu erlangende Genugtuung (über den Erfolg der Operation) hinzu. Es geht auch um die eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit (die mittelbar durchgesetzt werden). Es geht also nie nur um Informationen.

Kooperation würde voraussetzen, dass das Gegenüber mit Respekt behandelt würde, auch wenn man das Handeln und die Gedanken nicht versteht. Man müsste sich fragen, warum hat derjenige so gehandelt und wie kann man (ihm helfen), das Problem zu lösen.

Ich bin mir sicher, dass es eine respektvolle Folter nicht gibt.

Zitat
Es wurde von dem vernehmenden Polizisten übrigens auch die Abneigung der "normalen Gefangenen" gegenüber Leuten erwähnt, die sich an Kindern vergangen haben. Auch Folter - als "Drohung mit der Realität"? Das muß ihn doch ebenfalls sehr verängstigt haben!



Nun, jemanden auf die Folgen seines Handelns hinzuweisen ist doch eine Hilfe, die Situation zu lösen. Die Entscheidung, die Hilfe anzunehmen und die Verantwortung für das Handeln zu übernehmen, liegt nun beim Täter.

Zitat
Die Tabuisierung solcher Themen hat die gleichen vernichtenden Auswirkungen, wie die üblicherweise in Diktaturen verwendete "primitiven" Diskussions- bzw, Erwähnungsverbote. Die "gefühlte Realität" entfernt sich in der Gesellschaft immer mehr von der "wirklichen Realität", man lebt schließlich in einer "Scheinwelt-Blase", die eines Tages platzen muß.



Deshalb bin ich sehr dafür, über das Thema Foltern zur Informationsgewinnung zu sprechen. Ich sehe es nämlich nicht als Fortschritt an, dass heute nur noch gewaterboardet wird, anstatt den Berfragten nach der Antwort: „Ich weiß nicht“ aus dem fliegenden Hubschrauber zu werfen. Damit der Nächste schon mal eingestimmt wird (Programm Phönix) Die Blase wird platzen, da kein Problem gelöst, dafür aber auf Grund der Reaktionen auf Folter nur neue Probleme geschaffen werden.

______________________________________________________________________________________________________________

An anderer Stelle wurde argumentiert, dass es ethisch zu begründen sei, warum man zur Rettung anderer Menschen nicht foltern solle. Das Beispiel ist eine Bombe, von der wir nicht wissen, wo sie ist. Den Bombenleger habe man aber verhaftet. Die Bombe könnte jeden Augenblick explodieren. Soll nun der Bombenleger gefoltert werden, damit die Explosion verhindert werden kann?

Wie konnte der Bombenleger eigentlich verhaftet werden. Auf Grund von Denunziation? Sollte es eine Foltererlaubnis geben, wenn die Beschuldigungen nur schwer genug sind?

Gäfgen hatte Leute der Mittäterschaft beschuldigt. Vielleicht sollten diese sich um den Verbleib des Opfers kümmern und Gäfgen wüsste wirklich nichts? Die, wie sich heraus stellte, Verleumdeten sagten, sie wüssten nichts. Was nun tun? Den Informationen auf gut Glück hinterherfoltern?

Zurück zur Bombe. Die Behörden haben alles ordentlich ermittelt und deshalb den Bombenleger verhaften können. Ich halte das Fallbeispiel nun für unrealistisch. Wäre es nicht besser zur Kontrolle potenzieller Täter die allgemeine Überwachung einzuführen. Überall Kameras. Auf jeder Anschlussstelle der Autobahn registrieren, welche Kennzeichen am Fahrzeug sind. Die Inhalte der Telefongespräche und E-Mails speichern. Lauschangriffe und Infiltrierung der PC von Verdächtigen. Von jedem Bürger eine DNA-Probe und Fingerabdrücke vorrätig haben. Überall Rasterfahndung.

So hätte an Hand Gäfgens Bewegungsprofils das Opfer rechtzeitig gefunden werden können.

So hätte der Bombenbau in dem Fallbeispiel verhindert werden können. Die Überwachungsmaßnahmen sind sicher geringere Eingriffe in die Rechte der Bürger, als diese nach gutdünken auf die Streckbank zu legen.

Wie viele Bombenbauer wurden eigentlich schon verhaftet, bevor ihre Bombe explodierte?

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

16.05.2013 20:01
#135 Kleiner Schlenker Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #129
Zitat von ungelt im Beitrag #116
Vielleicht ist es das, was aus der K&K Monarchie in mir übrig geblieben ist und was die beiden Kulturräume voneinander unterscheidet.

Mir ist keine solche Monarchie bekannt.

Österreich-Ungarn? 1860er bis 1918?

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