Zitat von Techniknörgler im Beitrag #58 Auf den zweiten Teil habe ich auch geantwortet. Das haben Sie jetzt weggelassen.
Weil ich den ersten Teil kommentierte, der für sich steht. Sie haben doch einen Grund, wenn Sie einen Satz zerstückeln und die Teile in Gedankensprüngen eigenständig kommentieren. Der Verweis auf Mitverantwortung passt eben im Kontext zum Original überhaupt nicht.
Aber doch, ich bin dafür verantwortlich, wenn ich etwas potentiell Gefährliches mache, wie zum Beispiel Drogen zu konsumieren, die potentiell meine kognitiven Fähigkeiten einschränken. Sogar strafrechtlich. Warum? Wenn ich etwas risikoreiches mache, muss man mir nicht direkt etwas verbieten - bis ich zeige, dass ich damit nicht umgehen kann.
Aber natürlich, sie haben als Süchtiger schließlich den Drang etwas Illegales zu tun.
Sie schrieben das im Kontext von Hartz IV, also Arbeitslosigkeit. Wurden damals Leute entlassen, weil sie Alkohol tranken? Und war das während der Prohibition anders als zuvor? Sollte ein solcher Zusammenhang tatsächlich festgestellt worden sein?
Ja, durchaus, die Kriminalisierung verändert den Blick auf den Konsum oder gar die Sucht durch potentielle Arbeitgeber. Noch heute haben es (ehemalige) Straftäter in den USA schwerer, neue Arbeit zu finden. Ehemalige Straftaten müssen häufig auf Bewerbungsformularen aufgeführt werden.
Konkrete Statistiken habe ich nicht, aber ich habe mal (finde ich bestimmt nicht mehr) einen alten Zeitungsartikel aus der Zeit zum Mentalitätswechsel gelesen, der mit der Kriminalisierung ein herging (Google-Suche wird nichts bringen, denn der Artikel war eine Photokopie und nicht als Text gespeichert). Das wirkt nach (auch an höherem Mindestalter für den Einkauf zu erkennen).
Nachtrag: Ein ähnliches Problem erlebte man bezüglich der Indianer in Nordamerika, weswegen in Indianernationen noch heute Alkohol komplett verboten ist (soweit ich informiert bin). Warum konnten die mit Alkohol so viel schlechter umgehen als Kulturen, die bereits Erfahrung gesammelt haben? Ist die Kultur wirklich egal? Sind übrigens mit der angelsächischen Kultur in Kontakt gekommen.
Naja, jedenfalls müßte man bei (mit Blick auf Alkohol) kulturell unerfahrenen Bevölkerungen, die eben keine kulturellen "Vorerwartungen" bezüglich der Wirkungsweise von Alkohol haben können, erwarten, daß die Alkoholwirkung in seiner "chemischen Reinform" durchschlägt, wenn man den von Ihnen verlinkten Vortrag ernst nimmt. Das hieße ja, daß Alk noch viel aggressiver macht als gedacht, und daß die kulturellen Normen "erfahrener" Kulturen, allesamt diese aggressionssteigernde Wirkung erheblich reduzieren. Was ich, wie den Vortrag, für nicht überzeugend halte.
Wieso halten Sie eine Reduzierung einer (vielleicht trotzdem kulturell vermittelten, siehe später) Aggressivität für nicht plausibel? Die Zahlen sprechen doch dafür...
Der Gewaltausbruch kann im übrigen trotzdem daher kommen, dass unerfahrene Kulturen mit der berauschenden, die kognitiven Fähigkeiten einschränkenden Wirkung nicht umzugehen gelernt haben. Unerfahrene Personen können gerade beim ersten Konsum überrascht sein. Wenn die dann in der Euphorie der veränderten Wahrnehmung und dadurch beeinflussten Gefühlslage Unsinn machen, kann sich da schnell eine kulturelle Assoziation aufbauen. Ich meine, irgendwie ist ja auch die kulturelle Assoziation bei uns entstanden. Und man könnte, je nachdem wie man die Begriffe verwenden will, es trotzdem das "Wirkung der Substanz" bezeichnen, nur halt über den Transitionsriemen der Kultur, dank eine einmal angestoßenen und sich dann selbstverstärkenden Wechselwirkung durch die Assoziation.
Zitat Daß Sie hier plötzlich bereit sind, irgendwelche anderen Kausalfaktoren ("Kulturschock") zu akzeptieren spricht nicht gerade für Stringenz mit Blick auf Ihre methodische Argumentation ("Korrelation vs. Kausalität"), auf die Sie weiter oben bestanden haben.
Wieso? Wenn es für diese Annahme Gründe gibt, kann man sie doch als mögliche, alternative Erklärung heranziehen.
Dabei fällt mir eine kleine Anekdote aus eine anderen Diskussion ein. Übrigens lässt Korrelation zwar nicht auf Kausalität schließen, fehlende Korrelation aber ist ein gutes Indiz für fehlende Kausalität:
Zitat Na dann schauen wir doch mal die Korrelationskoeffizienten zu den genannten Faktoren nochmal an: Armut: 0.59 soziale Ungleichheit: ca. 0.15 Drogen: ca. 0.08 Während die Korrelation schon bereits mit der Armut (0.59) fast nicht vorhanden ist, spielen die anderen von Ihnen genannten Faktoren nochmal eine um ca. eine Grössenordnung untergeordnete Rolle. Und im Vergleich zur Verfügbarkeit von Waffen im Haushalt (Korrelation: 0.9) kann man die von Ihnen genannten Faktoren sowieso getrost vernachlässigen. Sorry, das was Sie schreiben ist einfach nur noch verblendete Waffenlobby-Propaganda. Oder ist für Sie wirklich 0.59 grösser als 0.9?
Sie sehen, als ich mit einem Waffengegner auf meinem Blog zu tun hatte, da war der Vorwurf ("denialist") genau umgekehrt begründet, wobei das Zitat keine Antwort auf meinen Beitrag war, ich hatte nie einen Zusammenhang zwischen Mord- und Suizidrate und Drogenkonsum postuliert, sondern auf einen anderen Diskussionsteilnehmer.
Eine Quelle hat er leider nicht zu allen Zahlen angegeben, aber die Zahlen zu bestreiten war "denialism". (Daher zieht dieser zur Willkür verkommene Vorwurf übrigens nicht mehr bei mir. Er war mal ein sinnvoller Begriff für Kreationisten und einige krude Leugner jeglichen Einflusses des Menschen auf das Klima. Aber ein Kampfbegriff entwickelt halt schnell eine gewisse Eigendynamik.)
Die Korrelation ist laut eine dort irgendwo verlinkten Studie allerdings wirklich erstaunlich hoch. Was nicht unbedingt Kausalität bedeutet, wer jemand anderen oder sich selber töten will, der besorgt sich halt eher eine Schusswaffe. Auch kann die Studie sicherlich in Zweifel gezogen werden. Aber gibt es irgendwo eine Studie die einen Korellationskoeffizieten zwischen Alkoholkonsum/-abhängigkeit und der homicide-rate feststellt? Das würde mich interessieren.
Interessant ist aber, wie sehr Leute bereit sind jeden anderen Faktor zu bestreiten, wenn es nur der Dämonisierung dessen dient, was sie bekämpfen.
Zitat Nachtrag. Um die Alkwirkung zu verstehen, reicht es natürlich nicht, die chem. Auswirkungen zu verstehen. "Kausale Wirkung" von Alkohol heißt eben nicht monokausal, das behaupte ich auch nicht. Es gibt den Haupteffekt Alkohol (Enthemmung, verminderte Urteilsfähigkeit), den Haupteffekt Person (psycholog. Merkmale, physiolog. Ausstattung, sozialpsycholog. Faktoren) und eine (im Einzelfall unbekannt) große Wechselwirkung zwischen beiden als nichtadditiven Effekt, in dessen Gemengelage es zu Gewalt kommen kann aber natürlich nicht muß. Das ist heute wissenschaftlicher common sense und eigentlich trivial. Das bedeutet aber auch: ohne den Alk hätte die betreffende Person x den Ausraster an jenem Abend eben nicht gehabt. Ob der Alk kausal wirkt oder nur als Trigger zur Enthemmung latent vorhandener Aggression, ist dabei mit Blick auf die Wirkung (Gewalt) egal.
Wovon ist die Person geprägt? Klar, der Kultur.
Zitat
Zitat PS: Mit Sarkasmus überzeugt man mich nicht, vor allem aber nicht mit sarkastischen Verdrehungen, die ein missverstehen-wollen anzeigen.
Das war als rhetorisches Stilmittel gedacht; nicht um Sie zu ärgern, lieber Techniknoegler. Sonst wirds doch irgendwann langweilig, da wir uns eh nicht gegenseitig überzeugen werden.
Sicher, ich habe das wohl gestern Nacht etwas zu persönlich genommen, obwohl es nicht so gemeint war. Auch der Vorwurd der missverstehens-wollens war vielleicht etwas voreilig. Nichts für ungut .
The following review of the theoretical and empirical literature outlines the potential reasons for expecting a relationship between alcohol consumption and homicide rates. A few prominent Russia-specific cultural issues, however, deserve brief attention here.
Zitat Aside from the loss of self-control, the lack of direct formal and informal social control may play a role as well. In Russia, drinking in public places is common and likely becoming more so with the privatization of alcohol outlets and alcohol production and distribution. However, the most common situation is drinking together with family, friends, and/or acquaintances in the home or some other private or semiprivate setting. Regulation by police officers, bar bouncers, other security personnel, or even passersby on the street is thus lacking, thereby potentially allowing low-level arguments to escalate into violent situations. Thus the potential disinhibition due to the binge drinking of vodka may be magnified by limited social control because of the unregulated setting in which drinking most often occurs, thereby creating situations that increase the risk of violence.
Herrvorhebung von mir. Fehlende Kontrolle, nicht nur der konsumierten Menge, sondern auch des Verhaltens durch soziale Normen hat seinen Einfluss.
Trotzdem gibt es bei der Untersuchung des Zusammenhanges eine kleine Schwierigkeit:
Zitat In Russia there is strong evidence for a positive relationship between alcohol consumption and mortality, especially from external causes,55 including homicide.56 Yet although the Russian public health and mortality crisis have received considerable scholarly attention,57–62 very little empirical work has been undertaken on homicide, despite the alarming increase in and high rate of lethal violence. This is largely because of the former Soviet government’s secrecy in regard to (and even falsification of) data on alcohol,15,63 crime,64 mortality,20,65 and socioeconomics, making methodologically rigorous research on violence in the country virtually impossible until very recently.
Zitat Und siehe da: nach drei (auch körperlich ätzenden) Tagen war ich durch damit, bis heute. All die Male davor hatte ich mich wochenlang gequält, mit(rückblickend) "gefühlten" Körpersymptomen. Der Grund war, so bin ich heute überzeugt, daß ich noch ambivalent war in der Entscheidung. Ich glaube, daß der psychische Entzug wesentlich von Ambivalenz der Entscheidung mitbestimmt wird. Erfahrungen von Vietnamsoldaten sprechen dafür, daß das sogar auch bei Heroin der Fall ist (wenngleich der Vergleich zu Tabak sich hier natürlich verbietet).
Lieber Doeding,
das deckt sich komplett mit meinen Erfahrungen. Als jahrelang sehr starker Raucher mit mehreren Versuchen zur Abstinenz (Im Urlaub in Norwegen kaufte mir meine Frau irgendwann ein Päckchen Tabak und präsentierte es mir mit den Worten: "Rauche lieber wieder...") habe ich mir das Laster während eines Segeltörns endgültig abgewöhnt, schlicht weil Kinder dabei waren und die verbliebenen "Raucheroptionen" allesamt lächerlich anmuteten.
Bezüglich Heroin: Ist Ihnen "Romancing Opiates: Pharmacological Lies And The Addiction Bureaucracy" (2006) ISBN 1-59403-087-1 von Theodore Dalrymple bekannt? Seine Thesen summiert er hier auf.
Zitat von Paul im Beitrag #66 Allerdings ist es immer problematisch Einzelerfahrungen (auch wiederholte) zu verallgemeinern. Zu viele individuelle Faktoren spielen eine große Rolle. Sowohl die Dauer und Intensität des Zigarettenkonsums, als auch die körperliche Konstitution können individuell sehr verschieden sein.
Das ist richtig, lieber Paul, nur denke ich sie haben einen viel wichtigeren Faktor vergessen: Die Persönlichkeit. Nach meiner Lebenserfahrung gibt es so etwas wie eine unterschiedliche Ausprägung der Suchtanfälligkeit. Für einen lebensbejahenden und postiv denkenden Menschen ist es, wie gesagt nach meiner Erfahrung, deutlich einfacher eine Sucht hinter sich zu lassen, als einem eher negative eingestellten Menschen in dessen Leben gerade viel schief geht.
Ich habe mal die entscheidende Passage markiert. Sie haben auch gelesen, wie sehr ich unter den Entzugserscheinungen gelitten habe. Ich weiß, Sie haben es nicht so gemeint und wollten mich auch nicht kränken, mit dieser kurzen Charakterisierung meiner Persönlichkeit. Ok und Schwamm drüber.
Einig sind wir uns darüber, dass die Suchtanfälligkeit Personenabhängig ist. Da ist Jeder anders als der Andere.
Zitat Nach 25 "glücklichen" Raucherjahren, mit täglich ca. 10 bis 15 Zigaretten, hatte ich erhebliche Entzugserscheinungen über mehrere Monate. Schweißausbruch, innere Unruhe, trockener Mund und zitternde Hände waren nicht sehr angenehm. Sie waren nicht permanent vorhanden, sondern traten eher in Schüben auf. An meine allgemeine Gereiztheit und einen großen Appetit erinnere ich mich auch nach 35 Jahren immer noch sehr deutlich. Die Angst davor, einen derartigen Entzug nicht noch einmal zu schaffen, hielt mich davon ab, rückfällig zu werden.
Zitat Eine interessante Erfahrung. Die ich nicht gemacht habe, wie schon gesagt, das körperliche Problem war nach 2 Tagen eigentlich durch, die psychologische Abhängigkeit, insbesondere beim Bier in der Kneipe, zu durchbrechen, das war deutlich schwerer.
Sie meinen nicht psychologische Abhängigkeit, sondern psychische Abhängigkeit. Mir hat ein Psychiater gesagt, dass es die nur bei nicht eine Sucht auslösenden "Stoffen" gibt. Also z.B. Kuchen. Bei Nasenspray, Alkohol, Nikotin usw. ist dieses von Ihnen als "psychologisch" beschriebene Erscheinung, eine direkte Folge der stofflichen Bedingtheit.
Meinen Nikotinentzug habe ich nur durch das ständige lutschen einer harmlosen Halstablette (Falimint) ertragen können. Von der Tablette wurde ich so abhängig, dass ich unruhig wurde, wenn nicht ständig welche in erreichbarer Nähe waren. Ich bekam Angst, dass ich den Teufel mit Beelzebub ausgetrieben habe. Der Arzt beruhigte mich und erklärte mir die psychische Abhängigkeit. Diese würde ohne weiteres zutun auch wieder verschwinden. Er hatte recht. Es dauerte aber eine lange Zeit.
Aber vielleicht kann uns Doeding zu dieser Problematik fachlich etwas schreiben.
Lieber Andreas Doeding, vielen Dank für diese Ausführungen. Da ich mich hier von hinten nach vorne "durchkämpfe", hatte ich Ihren Beitrag noch nicht gelesen, als ich mein Bitte in #81 geäußert habe.
Anscheinend gibt es zur psychischen Abhängigkeit unterschiedliche Meinungen, oder die Wissenschaft ist inzwischen zu anderen Erkenntnissen gekommen. Mich hat damals jedenfalls der Hinweis auf die psychische Abhängigkeit von Falimint getröstet, weil ich es schon mit der Angst zu tun bekommen hatte. Sicherlich gibt es auch eine Überlagerung der stofflichen Abhängigkeit mit der psychischen oder umgekehrt.
Zitat von Doeding im Beitrag #75 Und siehe da: nach drei (auch körperlich ätzenden) Tagen war ich durch damit, bis heute.
Noch ein Gedanke dazu, lieber Andreas Doeding, Gibt es auch eine "Tiefe" der Sucht? Ich weiß nicht wie ich mich ausdrücken soll. Was ich meine ist folgendes:
Viele Jahre, etwa so nach 15 Raucherjahren, war es mir möglich für einen Tag das Rauchen völlig einzustellen. Problemlos. Z.B. nach dem wöchentlichen Skatabend - meist ohne Alkohol - aber mit 20 Zigaretten in 5 Stunden, rauchte ich am nächsten Tag nicht, um meinen Körper zu entlasten. Auch im Urlaub stellte ich für 14 Tage das Rauchen ein. Kein Problem. Kein Entzug. Nach dem Urlaub habe ich mit ca. fünf Zigaretten pro Tag verhalten weiter geraucht. Das steigerte sich im Laufe des Jahres (damals machten wir nur einmal im Jahr Urlaub) bis auf 20 pro Tag und mehr. Der Urlaub war für mich auch immer "Rekonvaleszens". Ich wollte meinem Körper eine Chance geben. Wegen der problemlosen Aussetzung des Rauchens betrachtete ich mich auch nicht als Süchtiger. Das änderte sich. Schlagartig konnte ich mich am "Entzugtag" um die Mittagszeit nicht mehr beherrschen.Ich musste rauchen. Ich war süchtig.
Kann es sein, dass ich ein sehr hohes Suchtpotential hatte? (Mir fällt kein besseres Wort für das was ich meine ein. Aber ich denke, Sie verstehen mich.)
Kann es sein, dass meine Sucht sehr "tief" war und ich deshalb so unter dem Entzug gelitten habe? Bei anderen, die nicht so tief drin waren, war es eben nicht so schlimm?
Zitat von Doeding im Beitrag #75 Und siehe da: nach drei (auch körperlich ätzenden) Tagen war ich durch damit, bis heute.
Noch ein Gedanke dazu, lieber Andreas Doeding, Gibt es auch eine "Tiefe" der Sucht? Ich weiß nicht wie ich mich ausdrücken soll. Was ich meine ist folgendes:
Viele Jahre, etwa so nach 15 Raucherjahren, war es mir möglich für einen Tag das Rauchen völlig einzustellen. Problemlos. Z.B. nach dem wöchentlichen Skatabend - meist ohne Alkohol - aber mit 20 Zigaretten in 5 Stunden, rauchte ich am nächsten Tag nicht, um meinen Körper zu entlasten. Auch im Urlaub stellte ich für 14 Tage das Rauchen ein. Kein Problem. Kein Entzug. Nach dem Urlaub habe ich mit ca. fünf Zigaretten pro Tag verhalten weiter geraucht. Das steigerte sich im Laufe des Jahres (damals machten wir nur einmal im Jahr Urlaub) bis auf 20 pro Tag und mehr. Der Urlaub war für mich auch immer "Rekonvaleszens". Ich wollte meinem Körper eine Chance geben. Wegen der problemlosen Aussetzung des Rauchens betrachtete ich mich auch nicht als Süchtiger. Das änderte sich. Schlagartig konnte ich mich am "Entzugtag" um die Mittagszeit nicht mehr beherrschen.Ich musste rauchen. Ich war süchtig.
Kann es sein, dass ich ein sehr hohes Suchtpotential hatte? (Mir fällt kein besseres Wort für das was ich meine ein. Aber ich denke, Sie verstehen mich.)
Kann es sein, dass meine Sucht sehr "tief" war und ich deshalb so unter dem Entzug gelitten habe? Bei anderen, die nicht so tief drin waren, war es eben nicht so schlimm?
Lieber Paul,
wenn ich mal so rumspekulieren darf : Ich nehme an mit "tief" meinen Sie tief in die Persönlichkeit "eindringend"? Ich denke, aufgrund der eher geringen psychotropen Wirkung geht Rauchen nur selten wirklich "tief", zumal Sie es ja über viele Jahre noch gut kontrollieren konnten.
Was Sie beschrieben haben, nennt man auch "kontextabhängiges Lernen". Man assoziiert den Tabakkonsum über die Zeit an bestimmte (innere oder äußere) Situationen, die dann zu Auslösereizen werden; im Sinne Klassischer Konditionierung (das war das mit dem Glockentonsabbernden Hund). Man "lernt", man könnte auch sagen "trainiert" den Konsum z. B. nach den Mahlzeiten, vor dem eigenen Fernseher usw. Wenn man dagegen im Urlaub nie konsumiert hat, dann hat man es dort eben auch nicht "gelernt", d. h. das Verhalten wird nicht assoziativ, als pawlowscher Reflex, ausgelöst. Dann fällt es leicht, nicht zu konsumieren. Das ist auch ein Grund, warum die Menschen, z. B. in Suchtrehakliniken über Wochen abstinent bleiben, aber gleich am ersten Abend zuhause geht es dann schief.
Irgendwann hat man das Rauchen an so viele Auslösesituationen gekoppelt, daß man es buchstäblich immer macht; zum Auslöser wird dann endgültig das Abfallen des Nikotinspiegels im Blut (interne Auslösung).
Das ist jetzt nur eine Dimension der Sucht, aber eine wichtige, wie mir scheint.
Zitat Und siehe da: nach drei (auch körperlich ätzenden) Tagen war ich durch damit, bis heute. All die Male davor hatte ich mich wochenlang gequält, mit(rückblickend) "gefühlten" Körpersymptomen. Der Grund war, so bin ich heute überzeugt, daß ich noch ambivalent war in der Entscheidung. Ich glaube, daß der psychische Entzug wesentlich von Ambivalenz der Entscheidung mitbestimmt wird. Erfahrungen von Vietnamsoldaten sprechen dafür, daß das sogar auch bei Heroin der Fall ist (wenngleich der Vergleich zu Tabak sich hier natürlich verbietet).
Lieber Doeding,
das deckt sich komplett mit meinen Erfahrungen. Als jahrelang sehr starker Raucher mit mehreren Versuchen zur Abstinenz (Im Urlaub in Norwegen kaufte mir meine Frau irgendwann ein Päckchen Tabak und präsentierte es mir mit den Worten: "Rauche lieber wieder...") habe ich mir das Laster während eines Segeltörns endgültig abgewöhnt, schlicht weil Kinder dabei waren und die verbliebenen "Raucheroptionen" allesamt lächerlich anmuteten.
Bezüglich Heroin: Ist Ihnen "Romancing Opiates: Pharmacological Lies And The Addiction Bureaucracy" (2006) ISBN 1-59403-087-1 von Theodore Dalrymple bekannt? Seine Thesen summiert er hier auf.
Herzlich, Thomas
Lieber Thomas Pauli,
ich kenne das Buch nicht, aber der link ist sehr interessant. Tatsache ist, daß ein Heroinentzug von der schwere der Symptomatik einem mittelschweren grippalen Infekt entspricht und medizinisch unbedenklich ist. Junkies machen nur immer so einen Hermann ;-). Anders als Alkoholiker, deren Entzug wirklich lebensbedrohlich ist. Das Phänomen (zumindest auch) als "moral hazard" zu sehen hätte den Vorteil, daß die Eigenverantwortung für die Lösung des Problems wieder mehr bei den Betroffenen angesiedelt wäre (und genau bei dieser Haltung beobachtet man bei den Betroffenen heute ja oft Defizite). Die Betrachtung als "Krankheit" hat dagegen den Vorteil, daß weniger Stigmatisierung stattfindet. Noch vor 50 Jahren sah man Sucht ja eigentlich so ähnlich wie Darlymple (nur abwertender); als "Charakterschwäche"; "der will nur nicht"; "asozial" usw. Das hatte zweifellos auch eine Menge Nachteile, und die Leute sind halt trotzdem verelendet und gestorben.
Was aber hier -wie immer- gilt: das Hilfsangebot "zieht" sich seine Klientel, und sei es nur durch immer größere Pathologisierung; vor einiger Zeit hatte ich im Blog was zur Inflationierung psychischer Diagnosen geschrieben. Jetzt kommen ja die "Verhaltenssüchte" auf uns zu; ich nehme an, man plant bereits die ersten Rehazentren.
Zitat von Doeding im Beitrag #84 Irgendwann hat man das Rauchen an so viele Auslösesituationen gekoppelt, daß man es buchstäblich immer macht; zum Auslöser wird dann endgültig das Abfallen des Nikotinspiegels im Blut (interne Auslösung).
Danke, lieber Andreas Doeding, ich habe heute etwas dazu gelernt. Es war also ein guter Tag.
Mit "tief" hatte ich eher die stoffliche Seite, also das Verlangen des Körpers nach dem "Stoff" im Sinn. Neulich sagte mir jemand, dass jeder Krebs anders sei. Es ist wohl bei der Sucht ebenso. So wie kein Mensch dem anderen gleicht (bei eineiigen Zwillingen gibt es wohl Ausnahmen), so gleicht keine Krankheit und damit auch keine Sucht der anderen. Jede hat eine eigene Ausformung. Warum soll es bei der Entstehung und dem Bestand der Sucht anders sein? Wie bei jeder Krankheit gibt es unterschiedliche Schweregrade. Das war's, was ich mit "Tiefe" gemeint habe. Je schwerer die Erkrankung desto komplizierter die Heilung, so sie denn überhaupt möglich ist.
Zu meiner "Lebensrettung" hat meine Frau vor mehr als 35 Jahren den Grundstein gelegt. Ein halbes Jahr vorher habe ich meine Absicht das Rauchen aufzugeben überall kundgetan. Der erwähnte Chefarzt sagte mir, dass es so wie ich das mache, nichts werden könnte. Das war der eigentliche Motivationsschub für mich. Dem Astloch wollte ich es beweisen. Auch meine Kinder zweifelten an, dass ich es schaffen würde. Damit war dann der "Sack zu". Der "ganzen Welt" wollte ich nun beweisen, was ich für ein Kerl bin. Und ich habe es geschafft. Ein innerer Vorbeimarsch war es mir, dass der Chefarzt sich immer wieder bei meiner Sekretärin erkundigt hat, ob ich rückfällig geworden sei. Mich hat er nie darauf angesprochen.
Heute bin ich meiner Frasu sehr dankbar dafür, dass sie "den Stein in's rollen" gebracht hat.
Bezüglich des Rauchens: Staatliche Erziehung oder Gesundheits-Aufklärung, Werbeverbote und die infantile Zwangsbeschriftung entsprechender Behältnisse - das alles ungefragt und natürlich auf meine (Steuerzahler-)Kosten halte ich für vollkommen sinnlos!
Bei unseren Kindern ließen wir übrigens jeden Zeigefinger beiseite. Sie wurden sehr früh (mit etwa zehn Jahren) von uns genötigt zum Rauchen. Sie mußten unter Aufsicht und Rauchabzug eine (beim Nachbarn geschnorrte) Zigarette richtig (mit Lunge und so weiter) bis zum bitteren Ende qualmen. Und damit hatte sich jede weitere "Erklärung" erledigt - lebenslang.
mfG
----------------------------------------------------- Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel
Zitat von HausmannBei unseren Kindern ließen wir übrigens jeden Zeigefinger beiseite. Sie wurden sehr früh (mit etwa zehn Jahren) von uns genötigt zum Rauchen. Sie mußten unter Aufsicht und Rauchabzug eine (beim Nachbarn geschnorrte) Zigarette richtig (mit Lunge und so weiter) bis zum bitteren Ende qualmen. Und damit hatte sich jede weitere "Erklärung" erledigt - lebenslang.
Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel.
Verzeihen Sie mir bitte, lieber Hausmann, aber ich konnte nicht anders
Herzlichen Dank für Ihre freundliche Zustimmung, lieber Herr Döding!
Meine Lebenserfahrung besagt, daß Kinder bestimmte Erfahrungen einfach selber machen müssen; das ist durch nichts ersetzbar.
Es gibt zum Beispiel heiße Stellen in der Wohnung usw. Aber ohne irgendwelche Versuche / leichten Verbrennungen (am Ofen, Bügeleisen ... ) wird man das nicht "verstehen". Auch der Straßenverkehr ist gefährlich. Ich habe damals literweise geschwitzt, wenn die Kinder (nach entsprechender Vorübung) alleine über die Straße gehen mußten und stand zwei Meter zitternd hinter ihnen; habe aber nie eingegriffen. Es gab trotzdem später einige leichtere Unfälle, die jedoch (auch wegen ihres sportlichen Trainings) glimpflich ausgingen.
Nach dem Abitur wurden sie rausgeschmissen. Dabei haben wir Eltern vermutlich (im Stillen) am meisten geheult. Aber: So haben sie sich berappelt, sind flügge geworden und kommen jetzt immer mal wieder gerne heim; inzwischen auch mit Enkeln! :-))
mfG
----------------------------------------------------- Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel
Zitat von Paul im Beitrag #81 Ich habe mal die entscheidende Passage markiert. Sie haben auch gelesen, wie sehr ich unter den Entzugserscheinungen gelitten habe. Ich weiß, Sie haben es nicht so gemeint und wollten mich auch nicht kränken, mit dieser kurzen Charakterisierung meiner Persönlichkeit.
Sie wissen doch, lieber Paul, wie in jeder Unterhaltung über mögliche Schwächen und Fehler sind Anwesende grundsätzlich und immer ausgenommen. :)
Aber ernsthaft: Ob Sie sich den Schuh anziehen wollen ist am Ende ihre Sache. Es entspricht einfach meiner Lebenserfahrung das Menschen, die ihre eigene Person und ihr Leben sehr stark bejahen, deutlich weniger anfällig gegen Süchte sind. Ganz platt könnte man sagen: Wer "high" an sich selbst ist, braucht keinen zusätzlichen Stoff mehr. Ebenso haben im Umkehrschluss Menschen, die ihr Leben eher stark in Frage stellen und eben nicht so positiv bewerten, einen viel stärkeren Hang zur Flucht vor der Realität. Und Drogen sind ein Weg dazu. Wie immer im echten Leben im Unterschied zur grauen Theorie sind Menschen aber natürlich nicht binär, zwischen schwarz und weiss existieren unendlich viele Grautöne.
Nun ist es bei Ihnen ebenso wie bei mir schon eine Weile her, aber ich würde jedem empfehlen der heute vor dem Problem steht, mehr Vertrauen in sich selbst zu haben und sich selber toll zu finden. Dann wird der Entzug einfacher.
Zitat Einig sind wir uns darüber, dass die Suchtanfälligkeit Personenabhängig ist. Da ist Jeder anders als der Andere.
Richtig. Und dennoch gibt es Korrelationen zwischen Suchtanfälligkeit und bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen. Wohlgemerkt, Korrelationen. Das sagt über den Einzelfall tatsächlich nichts aus.
Zitat von HausmannBei unseren Kindern ließen wir übrigens jeden Zeigefinger beiseite. Sie wurden sehr früh (mit etwa zehn Jahren) von uns genötigt zum Rauchen. Sie mußten unter Aufsicht und Rauchabzug eine (beim Nachbarn geschnorrte) Zigarette richtig (mit Lunge und so weiter) bis zum bitteren Ende qualmen. Und damit hatte sich jede weitere "Erklärung" erledigt - lebenslang.
Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel.
Verzeihen Sie mir bitte, lieber Hausmann, aber ich konnte nicht anders
Aber grundsätzlich ziehen Sie, geehrter Doeding, die Idee des "mehr Liberalismus wagen" ja auch in Zweifel und führen jedes Argument, auch paternalistische Argument und sogar das trojanische Krankenkassenpferd ins Feld, um den Status Quo zu erhalten.
PS: Bezüglich des trojanischen Krankenkassenpferdes ist dies übrigens besonders wenig überzeugend, wenn man für "kulturell akzeptierte" Drogen eine Ausnahme macht: Warum solle jemand, auch und gerade aus einer Selbstverantwortung achtenden, liberalen Sicht verpflichtend für die Kosten der festgefahrenen "Traditionserhaltung" anderer aufkommen? Wenn man erst einmal diesen Kurs einschlägt kann man höchstens bei den Punkten halt machen, die für den Erhalt der (freien) Gesellschaft notwendig sind, wie beispielsweise Gesundheitsgefahren der Fortpflanzung oder Berufsrisiko eines Polizisten oder Feuerwehrmanns.
Bei unseren Kindern ließen wir übrigens jeden Zeigefinger beiseite. Sie wurden sehr früh (mit etwa zehn Jahren) von uns genötigt zum Rauchen. Sie mußten unter Aufsicht und Rauchabzug eine (beim Nachbarn geschnorrte) Zigarette richtig (mit Lunge und so weiter) bis zum bitteren Ende qualmen. Und damit hatte sich jede weitere "Erklärung" erledigt - lebenslang.
Das gibt es doch garnicht, lieber Hausmann. Mit meinem Bruder, 12 Jahre jünger als ich, habe ich das auch so gemacht. Nachdem ich ihn, er war auch etwa 10 Jahre alt, beim rauchen erwischt hatte, habe ich ihn gezwungen eine Zigarette unter meiner Aufsicht zu rauchen. Auf Lunge. Rotz und Wasser hat er geheult. Es half ihm nichts, er musste den "Kelch bis zur Neige leeren". Dann habe ich ihm angedroht, dass ich dies, sollte ich ihn noch einmal beim rauchen erwischen, jederzeit wiederholen würde. Nach eigenem bekunden hat er nie wieder in seinem Leben eine Zigarette angerührt.
Sicherlich haben wir Glück gehabt, dass unsere Schützlinge keinen anderweitigen Schaden für's Leben erlitten haben, weil das höchstwahrscheinlich pädagogisch völlig falsch war. (Allerdings kenne ich einen Fall, ganz anderer Art, wo unter fachärztlicher Aufsicht etwas ähnliches gemacht wurde. Ein Patient mit einer Straßenbahnphobie wurde gezwungen Straßenbahn zu fahren.)
Zitat von Hausmann im Beitrag #89Meine Lebenserfahrung besagt, daß Kinder bestimmte Erfahrungen einfach selber machen müssen; das ist durch nichts ersetzbar.
Das sagte auch der gute Schopenhauer in seiner «Einleitung in die Philosophie», in einem Nebensatz zur Geschichte der Philosophie:
Zitat von Arthur SchopenhauerNehmen wir nun dem Gesagten zufolge eine gewisse notwendige Entwickelung und Fortschreitung in der Geschichte der Philosophie an, so müssen wir auch ihre Irrthümer und Fehler als im gewissen Sinne nothwendige erkennen, müssen sie ansehen, wie im Leben des einzelnen vorzüglichen Menschen die Verirrungen seiner Jugend, die nicht verhindert werden durften, sondern in denen man ihn gewähren lassen mußte, damit er eben vom Leben selbst diejenige Art der Belehrung und Selbstkenntniß erhielte, die ihm auf anderem Wege nicht beigebracht werden konnte, für die es kein Surrogat gab. Denn das Buch wird nie geschrieben werden, welches die Erfahrung ersetzen könnte
Zitat von HausmannMeine Lebenserfahrung besagt, daß Kinder bestimmte Erfahrungen einfach selber machen müssen; das ist durch nichts ersetzbar.
Natürlich, lieber Hausmann. Der Unterschied ist lediglich eine Frage der Betonung. Ob man sie also auf "selber" legt oder auf "müssen". Beides ist zugleich wohl nicht möglich, man kann eigene Erfahrung nicht von außen erzwingen; außer der "Erfahrung" des fremdbestimmt werdens. Aber der pädagogische Zweck mag die Mittel heiligen. Was war noch gleich so schlimm an Schockbildern auf Zigarettenpackungen?
Zitat von TechniknoerglerAber grundsätzlich ziehen Sie, geehrter Doeding, die Idee des "mehr Liberalismus wagen" ja auch in Zweifel und führen jedes Argument, auch paternalistische Argument und sogar das trojanische Krankenkassenpferd ins Feld, um den Status Quo zu erhalten
.
Da haben Sie wohl recht, lieber Techniknoergler. Jedenfalls wenn Sie Liberalismus an Heroinfreigabe festmachen. Es liegt vermutlich daran, daß mir meine juvenilen und sonstigen Weltverbesserungsideen vor etwa 25 Jahren abhanden gekommen sind und es mir bis heute nicht gelingt, sie reuig zu vermissen. Mein Fehler. Mich stören viele einzelne Mißstände in diesem Land, aber davon ab: ich mag diesen Staat. Ich finde die Bundesrepublik Deutschland toll. Ich halte sie für eines der lebenswertesten Länder der Erde. Trotz aller Mißstände (und das BTM-Gesetz empfinde ich nicht als solchen). So, jetzt ist es raus. Es tut mir so leid.
Zitat von Doeding im Beitrag #95[Da haben Sie wohl recht, lieber Techniknoergler. Jedenfalls wenn Sie Liberalismus an Heroinfreigabe festmachen. Es liegt vermutlich daran, daß mir meine juvenilen und sonstigen Weltverbesserungsideen vor etwa 25 Jahren abhanden gekommen sind und es mir bis heute nicht gelingt, sie reuig zu vermissen. Mein Fehler. Mich stören viele einzelne Mißstände in diesem Land, aber davon ab: ich mag diesen Staat. Ich finde die Bundesrepublik Deutschland toll. Ich halte sie für eines der lebenswertesten Länder der Erde. Trotz aller Mißstände (und das BTM-Gesetz empfinde ich nicht als solchen). So, jetzt ist es raus. Es tut mir so leid.
Herzliche Grüße, Andreas Döding
Auch hier volle Zustimmung meinerseits. Mag aber auch daran liegen, dass ich ohnehin eine ambivalente Einstellung habe. Zumindest im theoretischen Überbau und in der Praxis der vergangenen Jahrzehnte - leider aber nicht mehr ganz so sehr in der Gegenwart - hat sich das Misch-System der BRD hervorragend bewährt. Es gewährt jedem ausreichend Freiheit und ausreichend Sicherheit. Alleine, dass jede "linke" Partei aufschreien würde und jeder der hier anwesenden Libertaristen mir an die Gurgel gehen möchte, zeigt mir, dass die soziale Marktwirtschaft und der ordoliberale Aufbau unserer Gesetzgebung richtig sind und funktioniert haben. Nein, das Problem ist nicht die BRD oder das politische System der BRD - das Problem ist, dass wir extrem staatsgläubige und authoritäre Parteien haben, die diese beiden als Geisel genommen haben. Das hat auch seine Gründe - aber diese werden von den Libertaristen gerne übersehen: der Mensch ist eben nicht nur (positiv) egoistisch und versucht seinen eigenen Vorteil zu sichern, also besser zu werden. Der Mensch ist leider - gerade in größerer Anzahl - auch ein mißgünstiges Herdentier, welches zufrieden gestellt werden kann, wenn es anderen nicht besser geht als ihm.
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #91Aber grundsätzlich ziehen Sie, geehrter Doeding, die Idee des "mehr Liberalismus wagen" ja auch in Zweifel und führen jedes Argument, auch paternalistische Argument und sogar das trojanische Krankenkassenpferd ins Feld, um den Status Quo zu erhalten.
Aus libertärer Sicht haben Sie sicherlich recht, lieber techniknörgler. Allerdings geht die reine libertäre Lehre hier auch fehl. Was passiert denn, wenn wir alle sozialen Sicherungssysteme ersatzlos streichen? a) die Menschen sind alle glücklich und leben in Frieden und Wohlstand oder b) spätestens, wenn der erste Mitmensch einen qualvollen (und medial begleiteten) Tod aufgrund von fehlenden Mitteln erlitten hat, gehen sie haufenweise auf die Straße und errichten die nächste sozialistische Diktatur.
Man muss hier sehr genau aufpassen, dass aus "das richtige Wollen und das dafür notwendige tun" nicht "das falsche erreichen" erreichen wird. Ich bin einmal ganz frei und postuliere, dass der Mensch für sich alleine betrachtet genau ins liberale/libertäre Menschenbild passt (also aus purem Eigennutz die Situation für sich selbst, aber auch für andere zu verbessern versucht, und dadurch das "richtige tut"), aber in der Horde eben dieser zivilisierte Überbau vergessen wird. Menschen in Horden sind auch "egoistisch" und machen alles aus Eigennutz, nein nicht -nutz, sondern zum Fremdschaden eigentlich.
Zitat von HausmannMeine Lebenserfahrung besagt, daß Kinder bestimmte Erfahrungen einfach selber machen müssen; das ist durch nichts ersetzbar.
Natürlich, lieber Hausmann. Der Unterschied ist lediglich eine Frage der Betonung. Ob man sie also auf "selber" legt oder auf "müssen". Beides ist zugleich wohl nicht möglich, man kann eigene Erfahrung nicht von außen erzwingen; außer der "Erfahrung" des fremdbestimmt werdens. Aber der pädagogische Zweck mag die Mittel heiligen. Was war noch gleich so schlimm an Schockbildern auf Zigarettenpackungen?
Herzliche Grüße, Andreas Döding
Die Unfreiheit wählen zu können. Hier gehts ja um "Erwachsene".
(Kinder dürfen ja gar nicht.)
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Zitat von adderAlleine, dass jede "linke" Partei aufschreien würde und jeder der hier anwesenden Libertaristen mir an die Gurgel gehen möchte, zeigt mir, dass die soziale Marktwirtschaft und der ordoliberale Aufbau unserer Gesetzgebung richtig sind und funktioniert haben.
So ist es. Solange ich für Linke als rechts gelte, für Rechte als links und für Libertäre als Etatist, weiß ich, daß ich mich am (für mich) richtigen Platz befinde, nämlich in der Mitte des Dreiecks, dessen Ecken die drei großen Menschheitsideologien besetzen. Geometrisch maximal weit entfernt von jeder der drei ideologischen Extrempositionen also.
Nachtrag. Wobei ich mich nicht wirklich in der Mitte verorten würde, sondern im Mittelfeld von liberal und konservativ, aber dergleichen Unterschiede sind natürlich, von den Extremen aus gesehen, marginal.
Zitat von Doeding im Beitrag #98So ist es. Solange ich für Linke als rechts gelte, für Rechte als links und für Libertäre als Etatist, weiß ich, daß ich mich am (für mich) richtigen Platz befinde, nämlich in der Mitte des Dreiecks, dessen Ecken die drei großen Menschheitsideologien besetzen. Geometrisch maximal weit entfernt von jeder der drei ideologischen Extrempositionen also.
Nachtrag. Wobei ich mich nicht wirklich in der Mitte verorten würde, sondern im Mittelfeld von liberal und konservativ, aber dergleichen Unterschiede sind natürlich, von den Extremen aus gesehen, marginal.
Herzliche Grüße, Andreas Döding
Wobei, lieber Doeding, in der Diskussion nicht immer klar ist, welcher Kommentar innere Überzeugung ist, und welcher ganz einfach Widerspiegelung des Stands der Wissenschaft und der rechtlichen Rahmenbedingungen ist, die ein seriöse praktizierender Arzt schlicht zu seiner Arbeitsgrundlage machen muss / sollte. Man kann sich ja aus allen möglichen Quellen informieren und eigene Überzeugungen entwickeln, in der professionellen Umsetzung kann man sich aber kaum von politischen Erwägungen leiten lassen.
Zitat von Doeding im Beitrag #98So ist es. Solange ich für Linke als rechts gelte, für Rechte als links und für Libertäre als Etatist, weiß ich, daß ich mich am (für mich) richtigen Platz befinde, nämlich in der Mitte des Dreiecks, dessen Ecken die drei großen Menschheitsideologien besetzen. Geometrisch maximal weit entfernt von jeder der drei ideologischen Extrempositionen also.
Nachtrag. Wobei ich mich nicht wirklich in der Mitte verorten würde, sondern im Mittelfeld von liberal und konservativ, aber dergleichen Unterschiede sind natürlich, von den Extremen aus gesehen, marginal.
Herzliche Grüße, Andreas Döding
Wobei, lieber Doeding, in der Diskussion nicht immer klar ist, welcher Kommentar innere Überzeugung ist, und welcher ganz einfach Widerspiegelung des Stands der Wissenschaft und der rechtlichen Rahmenbedingungen ist, die ein seriöse praktizierender Arzt schlicht zu seiner Arbeitsgrundlage machen muss / sollte. Man kann sich ja aus allen möglichen Quellen informieren und eigene Überzeugungen entwickeln, in der professionellen Umsetzung kann man sich aber kaum von politischen Erwägungen leiten lassen.
Gruß, Martin
Lieber Martin, das ist wohl richtig. Allerdings kann der Eindruck auch dadurch entstehen, daß sich meine persönliche Einstellung in weiten Teilen mit den gesetzlich-professionellen Rahmenbedingungen decken. Hier im Forum finde ich eine solche Vermischung auch vergleichsweise unbedenklich (anders als im beruflichen Kontext, wo Sie völlig recht haben).
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