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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 156 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

27.06.2013 15:34
#101 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #95

Zitat von Techniknoergler
Aber grundsätzlich ziehen Sie, geehrter Doeding, die Idee des "mehr Liberalismus wagen" ja auch in Zweifel und führen jedes Argument, auch paternalistische Argument und sogar das trojanische Krankenkassenpferd ins Feld, um den Status Quo zu erhalten
.

Da haben Sie wohl recht, lieber Techniknoergler. Jedenfalls wenn Sie Liberalismus an Heroinfreigabe festmachen. Es liegt vermutlich daran, daß mir meine juvenilen und sonstigen Weltverbesserungsideen vor etwa 25 Jahren abhanden gekommen sind und es mir bis heute nicht gelingt, sie reuig zu vermissen.



Aber ihre Weltverbesserungsideen haben sie doch immer noch. Sie sind nur bereits umgesetzt...

Zitat

Mein Fehler.
Mich stören viele einzelne Mißstände in diesem Land, aber davon ab: ich mag diesen Staat. Ich finde die Bundesrepublik Deutschland toll. Ich halte sie für eines der lebenswertesten Länder der Erde. Trotz aller Mißstände (und das BTM-Gesetz empfinde ich nicht als solchen). So, jetzt ist es raus. Es tut mir so leid.



Verstehe nicht, wie man jetzt auf das Thema Ablehnung oder Nichtablehnung der Bundesrepublik kommt. Das die Bundesrepublik trotz allem noch einer der freiheitlichsten Staaten der Welt ist, steht ja außer Frage.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Christoph Offline




Beiträge: 241

27.06.2013 15:56
#102 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Lieber adder,

Zitat von adder im Beitrag #96
[…]Es gewährt jedem ausreichend Freiheit und ausreichend Sicherheit. Alleine, dass jede "linke" Partei aufschreien würde und jeder der hier anwesenden Libertaristen mir an die Gurgel gehen möchte, zeigt mir, dass die soziale Marktwirtschaft und der ordoliberale Aufbau unserer Gesetzgebung richtig sind und funktioniert haben

Also wenn Libertaristen Ihnen an die Gurgel gehen wollen, ist die Gesetzgebung richtig? Ich verstehe ganz und gar nicht, wo da das Argument liegen soll.

Zitat
Nein, das Problem ist nicht die BRD oder das politische System der BRD - das Problem ist, dass wir extrem staatsgläubige und authoritäre Parteien haben, die diese beiden als Geisel genommen haben. Das hat auch seine Gründe - aber diese werden von den Libertaristen gerne übersehen: der Mensch ist eben nicht nur (positiv) egoistisch und versucht seinen eigenen Vorteil zu sichern, also besser zu werden. Der Mensch ist leider - gerade in größerer Anzahl - auch ein mißgünstiges Herdentier, welches zufrieden gestellt werden kann, wenn es anderen nicht besser geht als ihm.


Also soll man einen Haufen Geld umverteilen, um dem Herdentier im Menschen ein paar Brocken hinzuwerfen, damit es sich in die Höhle verzieht und nicht «die nächste sozialistische Diktatur» errichtet? Mutter Staat als Opium für das Volk? Wenn der Mensch die Wahl hat, seine eigene Situation zu verbessern oder die seines Nächsten zu verschlechtern – sollte man dann nicht eher versuchen, den letzteren Weg zu verbauen statt das man es dem Staat gestattet, seine Macht dazu zu missbrauchen, dem Nächsten zu schaden?

Die hässliche Wahrheit ist doch: der Staat kann viele Probleme, gerade ökonomische nicht lösen. Man sollte deshalb gar nicht erst versuchen, ihn an Symptomen herumkurieren zu lassen, denn dabei richtet er doch meist mehr Schaden als Nutzen an.

Zitat
Allerdings geht die reine libertäre Lehre hier auch fehl. Was passiert denn, wenn wir alle sozialen Sicherungssysteme ersatzlos streichen?
a) die Menschen sind alle glücklich und leben in Frieden und Wohlstand oder
b) spätestens, wenn der erste Mitmensch einen qualvollen (und medial begleiteten) Tod aufgrund von fehlenden Mitteln erlitten hat, gehen sie haufenweise auf die Straße und errichten die nächste sozialistische Diktatur.


Wenn man die staatlichen Sicherungssysteme streicht, entstehen andere, so wie es heute schon die «Tafeln» gibt und private Krankenversicherungen. Auch im England des 19. Jahrhunderts wurden Krankenhäuser errichtet – aus Privat-Mitteln. Andersherum könnte man ja fragen: was tut der mitfühlende Mensch, wenn er einen Mitmenschen ohne Zuwendung sterben sieht:
a) Er bemüht sich, Zuwendung für solche Fälle zu organisieren, damit es bei diesem Einzelfall bleibt
b) Er haut alles kurz und klein, aus Wut, dass kein anderer (der Staat) der armen Kreatur geholfen hat

Dass wir die zweite Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, liegt nicht nur in der menschlichen Natür begründet, sondern auch darin, wie ein Jahrhundert Sozialstaat eine Gesellschaft formen. Der Sozialstaat ist als Suchtmittel ebenso gefährlich, wie Alkohol und Heroin – und die erkrankte Gesellschaft ruft, wie man beobachten kann, immer häufiger nach Flasche oder Spritze: Mietpreisbremse, Quote und Vermögensabgabe von der SPD; Mietpreisbremse, Rentenerhöhung, Betreuungsgeld von der CDU. Diese Suchterkrankung ist leider nicht nur ein Problem autoritärer und staatsgläubiger Parteien sondern durchaus eines des Staates und der Staatsform: ein Entzug ist nicht vorgesehen, und selbst zaghafte Schritte in diese Richtung führen zu heftigen Protesten der Patienten und ihrer Dealer. Siehe: Streit um die «Schuldenbremse».

Zitat
Man muss hier sehr genau aufpassen, dass aus "das richtige Wollen und das dafür notwendige tun" nicht "das falsche erreichen" erreichen wird. Ich bin einmal ganz frei und postuliere, dass der Mensch für sich alleine betrachtet genau ins liberale/libertäre Menschenbild passt (also aus purem Eigennutz die Situation für sich selbst, aber auch für andere zu verbessern versucht, und dadurch das "richtige tut"), aber in der Horde eben dieser zivilisierte Überbau vergessen wird.
Menschen in Horden sind auch "egoistisch" und machen alles aus Eigennutz, nein nicht -nutz, sondern zum Fremdschaden eigentlich.


Wenn es so wäre (ich will über die Natur des Menschen hier keine Spekulationen anstellen), dann ist die fürsorgende Mutter Staat gerade deshalb im Unrecht, weil ihre Fürsorge die kreativen Kräfte des Menschen lähmt und den destruktiven Trieb der Horde bestätigt und bekräftigt (statt ihn zu neutralisieren, oder zu kanalisieren, wie Sie, wenn ich sie recht verstehe, denken).

Viele Grüße,
Christoph

adder Offline




Beiträge: 1.073

27.06.2013 16:27
#103 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat von Christoph im Beitrag #102
Lieber adder,

Zitat von adder im Beitrag #96
[…]Es gewährt jedem ausreichend Freiheit und ausreichend Sicherheit. Alleine, dass jede "linke" Partei aufschreien würde und jeder der hier anwesenden Libertaristen mir an die Gurgel gehen möchte, zeigt mir, dass die soziale Marktwirtschaft und der ordoliberale Aufbau unserer Gesetzgebung richtig sind und funktioniert haben

Also wenn Libertaristen Ihnen an die Gurgel gehen wollen, ist die Gesetzgebung richtig? Ich verstehe ganz und gar nicht, wo da das Argument liegen soll.


Sie haben zwar alles zitiert - aber nur einen Teil wahrgenommen. Wenn "Linke"* und Libertäre gleichzeitig etwas ablehnen, dann muss es richtig sein. [* ja, natürlich auch konservative und Etatisten]. Das ist nun einmal ein Kern der Ordo-Position: wenn alle etwas nicht mögen, dann scheint es richtig zu sein.

Zitat

Zitat
Nein, das Problem ist nicht die BRD oder das politische System der BRD - das Problem ist, dass wir extrem staatsgläubige und authoritäre Parteien haben, die diese beiden als Geisel genommen haben. Das hat auch seine Gründe - aber diese werden von den Libertaristen gerne übersehen: der Mensch ist eben nicht nur (positiv) egoistisch und versucht seinen eigenen Vorteil zu sichern, also besser zu werden. Der Mensch ist leider - gerade in größerer Anzahl - auch ein mißgünstiges Herdentier, welches zufrieden gestellt werden kann, wenn es anderen nicht besser geht als ihm.


Also soll man einen Haufen Geld umverteilen, um dem Herdentier im Menschen ein paar Brocken hinzuwerfen, damit es sich in die Höhle verzieht und nicht «die nächste sozialistische Diktatur» errichtet? Mutter Staat als Opium für das Volk? Wenn der Mensch die Wahl hat, seine eigene Situation zu verbessern oder die seines Nächsten zu verschlechtern – sollte man dann nicht eher versuchen, den letzteren Weg zu verbauen statt das man es dem Staat gestattet, seine Macht dazu zu missbrauchen, dem Nächsten zu schaden?

Die hässliche Wahrheit ist doch: der Staat kann viele Probleme, gerade ökonomische nicht lösen. Man sollte deshalb gar nicht erst versuchen, ihn an Symptomen herumkurieren zu lassen, denn dabei richtet er doch meist mehr Schaden als Nutzen an.




1) Sie verkürzen wieder. Ich wiess darauf hin, dass extrem authoritäre Parteien und extrem staatsgläubige das politische System in Geiselhaft genommen haben. Das haben Sie gleich unter den Tisch fallen lassen, um dann mir Etatismus und Staatsglauben vorzuwerfen.
2) Wobei Sie mit letzterem gar nicht so falsch liegen: der "Staat" - das sind wir alle zusammen und ein Haufen von meist sinnvollen Gesetzen und Regeln, die die Grundlage für die friedliche Koexistenz in dieser Republik legen. Diesen Staat halte ich für sehr wichtig - solange er sich um das kümmert, was seine Aufgabe ist - nämlich die Rahmenbedingungen zu setzen und die Regeln durchzusetzen. Und ja, auch die Verteidigung des Staates und des Staatswesens gegen innere und äußere Gefahren ist wichtig. Und das Sozialsystem der BRD ist ein solches Verteidigungsinstrument gegen aufkeimenden Sozialismus gewesen. Es wurde nur in der Geiselhaft pervertiert und muss dringend reformiert werden - aber nicht eingeschläfert.
3) Wenn Ihr letzter Satz stimmen sollte, wozu brauchen Sie dann überhaupt den Staat? Wäre ein Verzicht auf jede Ordnung nicht besser? Immerhin ist ja der Staat immer unfähiger als jede andere Option? ... nur wohin führt das? Ins Chaos. Und außer Anarchisten wollen das wohl nur sehr wenige. Dann lieber ein Staat, der ein wenig zu fett ist, als einen, der deutlich zu mager ist.

Zitat
Wenn man die staatlichen Sicherungssysteme streicht, entstehen andere, so wie es heute schon die «Tafeln» gibt und private Krankenversicherungen. Auch im England des 19. Jahrhunderts wurden Krankenhäuser errichtet – aus Privat-Mitteln. Andersherum könnte man ja fragen: was tut der mitfühlende Mensch, wenn er einen Mitmenschen ohne Zuwendung sterben sieht:
a) Er bemüht sich, Zuwendung für solche Fälle zu organisieren, damit es bei diesem Einzelfall bleibt
b) Er haut alles kurz und klein, aus Wut, dass kein anderer (der Staat) der armen Kreatur geholfen hat



c) er interessiert sich nur wenig dafür und sagt "der ist ja selbst schuld, er hat ja [bitte irgendeinen Grund, z.B. "geraucht" einfügen]!"
d) er hilft vielleicht in seinem persönlichen Umfeld, schreit aber trotzdem eher danach, dass andere helfen sollen (i.S.v.: er organisiert eine "Spendensammlung")

Die wahrscheinlichste Option ist b), dicht gefolgt von c) und d). Der Idealfall a) dürfte extrem selten sein. Diese Art von Handeln bringt dem Menschen nämlich nur dann evolutionäre Vorteile, wenn er dadurch a) einen Partner ins Bett bekommt oder b) selber auch einmal in dieser Lage sein wird.

Zitat
Dass wir die zweite Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, liegt nicht nur in der menschlichen Natür begründet, sondern auch darin, wie ein Jahrhundert Sozialstaat eine Gesellschaft formen. Der Sozialstaat ist als Suchtmittel ebenso gefährlich, wie Alkohol und Heroin – und die erkrankte Gesellschaft ruft, wie man beobachten kann, immer häufiger nach Flasche oder Spritze: Mietpreisbremse, Quote und Vermögensabgabe von der SPD; Mietpreisbremse, Rentenerhöhung, Betreuungsgeld von der CDU. Diese Suchterkrankung ist leider nicht nur ein Problem autoritärer und staatsgläubiger Parteien sondern durchaus eines des Staates und der Staatsform: ein Entzug ist nicht vorgesehen, und selbst zaghafte Schritte in diese Richtung führen zu heftigen Protesten der Patienten und ihrer Dealer. Siehe: Streit um die «Schuldenbremse».



Das hat aber rein gar nichts mit der durchaus notwendigen Kritik am Zustand unseres Gemeinwesens zu tun, sondern ist einfache Fehlübertragung. Nur weil CDU und SPD (noch stärker Linke und Grüne) extrem etatstisch sind, muss der Sozialstaat noch nicht falsch sein.
Ich empfehle, sich mal mit Erhard, Eucken oder Müller-Armack zu beschäftigen.

Zitat
Wenn es so wäre (ich will über die Natur des Menschen hier keine Spekulationen anstellen), dann ist die fürsorgende Mutter Staat gerade deshalb im Unrecht, weil ihre Fürsorge die kreativen Kräfte des Menschen lähmt und den destruktiven Trieb der Horde bestätigt und bekräftigt (statt ihn zu neutralisieren, oder zu kanalisieren, wie Sie, wenn ich sie recht verstehe, denken).



Das sehe ich anders. Wenn wir den Massen kein sinnvolles Leben anbieten können (im Sinne von "Vorbild sein"), dann werden sie sich natürlich jemandem zuwenden, der ihnen dieses verspricht. Es gibt nun einmal nicht nur Liberale und schon gar nicht nur Libertäre auf der Welt. Es gibt immer noch die anderen Extreme - und durch extremen Libertarismus werden diese Extreme in ihren Machtmöglichkeiten verstärkt.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

27.06.2013 16:40
#104 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat von Christoph
Dass wir die zweite Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, liegt nicht nur in der menschlichen Natür begründet, sondern auch darin, wie ein Jahrhundert Sozialstaat eine Gesellschaft formen. Der Sozialstaat ist als Suchtmittel ebenso gefährlich, wie Alkohol und Heroin – und die erkrankte Gesellschaft ruft, wie man beobachten kann, immer häufiger nach Flasche oder Spritze: Mietpreisbremse, Quote und Vermögensabgabe von der SPD; Mietpreisbremse, Rentenerhöhung, Betreuungsgeld von der CDU. Diese Suchterkrankung ist leider nicht nur ein Problem autoritärer und staatsgläubiger Parteien sondern durchaus eines des Staates und der Staatsform: ein Entzug ist nicht vorgesehen, und selbst zaghafte Schritte in diese Richtung führen zu heftigen Protesten der Patienten und ihrer Dealer. Siehe: Streit um die «Schuldenbremse».



Schrieben Sie nicht kürzlich völlig richtig, daß die Dosis das Gift mache, lieber Christoph? Natürlich haben wir einen z. T. absurd überdehnten Sozialstaat und ein verboten verschwenderisches Subventionssystem. Die Frage ist, ob die Abschaffung sämtlicher Wohlfahrtsanteile eine Lösung ist. Wenn man sich die Liste der Staaten nach BIP ansieht
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L...oinlandsprodukt
wird man feststellen, daß, mit Ausnahme des kommunistischen Chinas, ausschließlich Wohlfahrtsstaaten unter den ersten Plätzen sind, egal nach welcher Klassifikation von Wohlfahrtsstaat man schaut
http://de.wikipedia.org/wiki/Wohlfahrtss...hlfahrtsstaaten
Und auch kleine Wohlfahrtsstaaten wie Dänemark oder Schweden sind wirtschaftlich erfolgreich.

Edit und hier noch ein gewichtetes Ranking, in das mehrere Faktoren eingehen (mit gleichem Ergebnis):
http://www.thedailybeast.com/newsweek/20...-countries.html

Nun kann man sagen, daß nur reiche Länder sich einen Wohlfahrsstaat leisten können (was stimmt), aber zumindest steht in den genannten Ländern das Vorhandensein eines solchen seit Jahrzehnten nicht gegen den wirtschaftlichen Erfolg. Inhaltlich mag das mit den Vorteilen des hohen sozialen Friedens in diesen Ländern begründbar sein, der attraktiv für Investoren sein mag. Umgekeht ist ein nicht vorhandener Wohlfahrtsstaat offenbar keine hinreichende Bedingung für wirtschaftlichen Erfolg.
Ergo: die Dosis macht das Gift.

Edit: ich sehe erst jetzt die teilweisen Übereinstimmungen mit adders Beitrag, Redundanzen bitte ich zu entschuldigen.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

27.06.2013 17:19
#105 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat
Alleine, dass jede "linke" Partei aufschreien würde und jeder der hier anwesenden Libertaristen mir an die Gurgel gehen möchte, zeigt mir, dass die soziale Marktwirtschaft und der ordoliberale Aufbau unserer Gesetzgebung richtig sind und funktioniert haben.



Wie kann das sein? Wie kann ihnen die Quelle des Widerpsruchs beweisen, dass Sie recht haben? Das geht nur aus dem Blickwinkel, eine oder beide der genannte Gruppen als Feindbild zu nehmen, und ihr "Irren" quasi naturgesetzlich anzunehmen.

Auf so einer Grundlage lässt sich aber nicht nur nicht diskutieren, es ist auch nicht aufgeklärt.


Zitat von adder im Beitrag #96


Zitat von Techniknörgler im Beitrag #91
Aber grundsätzlich ziehen Sie, geehrter Doeding, die Idee des "mehr Liberalismus wagen" ja auch in Zweifel und führen jedes Argument, auch paternalistische Argument und sogar das trojanische Krankenkassenpferd ins Feld, um den Status Quo zu erhalten.


Aus libertärer Sicht haben Sie sicherlich recht, lieber techniknörgler. Allerdings geht die reine libertäre Lehre hier auch fehl. Was passiert denn, wenn wir alle sozialen Sicherungssysteme ersatzlos streichen?
a) die Menschen sind alle glücklich und leben in Frieden und Wohlstand oder
b) spätestens, wenn der erste Mitmensch einen qualvollen (und medial begleiteten) Tod aufgrund von fehlenden Mitteln erlitten hat, gehen sie haufenweise auf die Straße und errichten die nächste sozialistische Diktatur.



Bloß unterstellen Sie mir hier nun eine Forderung, die ich gar nicht erhoben habe. Ich wende mich gegen das trojanische Gesundheitspferd. Es spricht den Menschen bis ins Mark die Fähigkeit zu eigenverantwortlichen Handeln ab. Selbst wenn jemand eindeutig selbstverschuldet in eine Lage geraten ist, so muss ihm geholfen werden: Auf diese Anspruch kann er nicht verzichten (so eine Möglichkeit wäre angeblich unsozial), aber es wird daraus geschlussfolgert, er könne nun nicht mehr frei über sich selbst verfügen, sondern Dritte haben nun Anspruch auf den Erhalt seiner Gesundheit. Darum hat der Betroffene aber nicht unbedingt gebeten - also kann man ihn auch nicht dafür verantwortlich machen, das andere ihm einen Anspruch geben, der als Einfallstor für Freiheitseinschränkungen dienen soll.

Würde man es anders sehen, dann liefert es eine Steilvorlage, für linke Erziehen aller Art, die andere Menschen bevormunden wollen. Es wird keine Grenzen mehr kennen.

Natürlich hat es seien Grenzen im praktikabel Vertretbaren: Die ist aber gerade hier nicht überschritten. Ein frühzeitigeres Versterben spart aller Wahrscheinlichkeit den Sozialsystemen unterm Strich auch noch Geld, selbst wenn nicht, so ist es zumindest kein großes Minus. Und ein kleines Minus ist es nicht Wert die Tore für ein trojanisches Sozialpferd zu öffnen, da belässt man es lieber bei der Akzeptanz eines aufrichtig Gauls.

Nicht nur die Schweiz mit einer regulierten Abgabe, sondern auch andere Länder wie Portugal haben Erfahrung mit einer weniger restriktiven Politik gesammelt.

Mal von abgesehen: Die sozialistische Diktatur ist in den USA noch meilenweit entfernt, oder?

Zitat

[edit: Zitierung korrigiert, rein technisch]



Das muss nicht extra vermerkt werden, insbesondere wenn es zeitnah erfolgt. Kann aber natürlich vermerkt werden.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Christoph Offline




Beiträge: 241

27.06.2013 21:14
#106 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Lieber adder,

Zitat von adder im Beitrag #103
Sie haben zwar alles zitiert - aber nur einen Teil wahrgenommen. Wenn "Linke"* und Libertäre gleichzeitig etwas ablehnen, dann muss es richtig sein. [* ja, natürlich auch konservative und Etatisten]. Das ist nun einmal ein Kern der Ordo-Position: wenn alle etwas nicht mögen, dann scheint es richtig zu sein.

Gut, das hatte ich tatsächlich missverstanden, aber ehrlich gesagt verstehe ich diese Art von «Logik», falls es so etwas sein soll, immer noch nicht. Dort wo Denkschulen sind, ist der Irrtum und die Wahrheit findet man auf den Äquidistanten zwischen der Irrtümern? Das ist, als hätte ich Krebs und würde einen Arzt, einen Astrologen und einen Priester fragen, wie er zu behandeln sei, und wenn sie alle sagen, ich solle den Mut nicht verlieren, müsste ich genau das tun und mich aufhängen.

Zitat
1) Sie verkürzen wieder. Ich wiess darauf hin, dass extrem authoritäre Parteien und extrem staatsgläubige das politische System in Geiselhaft genommen haben. Das haben Sie gleich unter den Tisch fallen lassen, um dann mir Etatismus und Staatsglauben vorzuwerfen.


Ich lese in meinen Ausführungen keinen Vorwurf gegen Sie. Die Fragezeichen sind tatsächlich als solche zu verstehen.

Zitat
2) Wobei Sie mit letzterem gar nicht so falsch liegen: der "Staat" - das sind wir alle zusammen und ein Haufen von meist sinnvollen Gesetzen und Regeln, die die Grundlage für die friedliche Koexistenz in dieser Republik legen. Diesen Staat halte ich für sehr wichtig - solange er sich um das kümmert, was seine Aufgabe ist


Ich bin skeptisch, ob die Gesetze und Regeln tatsächlich «meist sinnvoll» sind, aber ansonsten stimme ich zu. Die Frage ist eben nur: was ist die Aufgabe? Ich sehe den Fehler nicht alleine bei den von Ihnen genannten «autoritären und staatsgläubigen Parteien», die diese Aufgabe zu weit ausdehnen. Ich sehe den Fehler auch in der Gesellschaft und der Verfassung, die ihnen das erlauben. Das Parteien autoritär und staatsgläubig sind liegt auch in ihrer Natur, denn Einfluss in der Politik suchen doch gerade jene Menschen, die glauben zu wissen, was anderen gut tut.

Zitat
- nämlich die Rahmenbedingungen zu setzen und die Regeln durchzusetzen.


Darauf könnte man sich einigen, wenn man wüsste, was unter «Rahmenbedingungen» und «Regeln» zu verstehen ist. Mir scheint das zu weit gefasst.

Zitat
Und ja, auch die Verteidigung des Staates und des Staatswesens gegen innere und äußere Gefahren ist wichtig.


Auch der Begriff der «inneren Gefahren» ist mir hier zu schwammig, denn meist wird er gebraucht, wenn der Staat sich selbst vor seinen Bürgern schützen will, statt einen Bürger vor dem anderen, wie es seine Aufgabe wäre.

Zitat
Und das Sozialsystem der BRD ist ein solches Verteidigungsinstrument gegen aufkeimenden Sozialismus gewesen.


Rückzug als Verteidigung? Mir scheint, diese Strategie hat versagt, denn im Moment ist doch die Sozialpolitik nicht das Bollwerk gegen den Sozialismus sondern das Einfallstor dafür.

Zitat
Es wurde nur in der Geiselhaft pervertiert und muss dringend reformiert werden - aber nicht eingeschläfert.


Unabhängig davon, wie diese Reform aussehen könnte, sehe ich nicht, wie man sie durchsetzen sollte. Die Perversion ist nämlich im Keim des Sozialstaats schon angelegt: der Anspruch, von anderen aus Notlagen befreit zu werden, egal, wie man hineingeraten ist. Und da man auch den Begriff der «Notlage» weit dehnen kann, ist Missbrauch vorprogrammiert.

Zitat
3) Wenn Ihr letzter Satz stimmen sollte, wozu brauchen Sie dann überhaupt den Staat?


Um die Freiheit des Einzelnen zu schützen. Gegen die Willkür der Anderen und gegen die Willkür fremder Staaten (das wäre dann die äußere Sicherheit). Natürlich nur soweit, dass eben der zu schützende Einzelne nicht selber zum Opfer staatlicher Willkür wird. Das erreicht er durch das Verbot von Übergriffen auf Leben und Eigentum (vom Diebstahl von Hühnereiern bis zum Mord) und indem er die Einhaltung geschlossener Verträge garantiert. Evtl. kann er auch durch eine Kartellbehörde für einen funktionierenden Wettbewerb sorgen.

Zitat
Wäre ein Verzicht auf jede Ordnung nicht besser?

Keinesfalls. Das impliziert auch meine Aussage nicht. Nebenbei gesagt kann Ordnung ja nicht nur vom Staat geschaffen werden.

Zitat
Immerhin ist ja der Staat immer unfähiger als jede andere Option?

Der Staat ist dazu fähig, die oben gennante Aufgabe zu erfüllen. Dazu sind seine Institutionen geschaffen. Sie sind nicht dazu gemacht, die Probleme zu lösen, die sich sonst im Leben des Einzelnen ergeben (welchen Beruf soll ich erlernen, wie komme ich zur Arbeit, soll ich heiraten? Aber wen? Ist gekochtes Gemüse gesünder als rohes Fleisch?)

Zitat
... nur wohin führt das? Ins Chaos. Und außer Anarchisten wollen das wohl nur sehr wenige. Dann lieber ein Staat, der ein wenig zu fett ist, als einen, der deutlich zu mager ist.

Ab wann wäre ein Staat denn «deutlich zu mager»?
Das Problem ist auch nicht in erster Linie ein Staat, der «ein wenig zu fett ist» sondern ein Staat, der, einmal der Freßsucht verfallen, stets weiter zu- und nie wieder abnimmt. Gerade die pragmatische Argumentation: «aber auch bei XY kann ja ein wenig Staatseingriff nicht schaden» ebnet den Weg dorthin. Geplagte Menschen finden stets noch ein Problem, dass sie der Gemeinschaft aufhalsen können.


Zitat

Zitat
was tut der mitfühlende Mensch, wenn er einen Mitmenschen ohne Zuwendung sterben sieht:
a) Er bemüht sich, Zuwendung für solche Fälle zu organisieren, damit es bei diesem Einzelfall bleibt
b) Er haut alles kurz und klein, aus Wut, dass kein anderer (der Staat) der armen Kreatur geholfen hat



c) er interessiert sich nur wenig dafür und sagt "der ist ja selbst schuld, er hat ja [bitte irgendeinen Grund, z.B. "geraucht" einfügen]!"
d) er hilft vielleicht in seinem persönlichen Umfeld, schreit aber trotzdem eher danach, dass andere helfen sollen (i.S.v.: er organisiert eine "Spendensammlung")

Die wahrscheinlichste Option ist b), dicht gefolgt von c) und d). Der Idealfall a) dürfte extrem selten sein. Diese Art von Handeln bringt dem Menschen nämlich nur dann evolutionäre Vorteile, wenn er dadurch a) einen Partner ins Bett bekommt oder b) selber auch einmal in dieser Lage sein wird.


Diese Rangfolge ist doch Spekulation. Der mitfühlende Betrachter organisiert also keine Hilfe, weil seine Fortpflanzungs-Chancen dadurch nicht steigen würden, haut aber alles kurz und klein? Wen kriegt er denn damit ins Bett? Anderen zu helfen ist durchaus eine attraktive Handlungsoption. Es steigert das eigene Selbstbewusstsein und verschafft soziales Ansehen.


Zitat
Nur weil CDU und SPD (noch stärker Linke und Grüne) extrem etatstisch sind, muss der Sozialstaat noch nicht falsch sein.


Er hat aber dazu beigetragen, dass sie sich damit durchsetzen können. Indem er «Wohltaten» verteilt (weit über die Hilfe in Notlagen hinaus) schafft er auch immer neue Begehrlichkeiten.

Zitat
Ich empfehle, sich mal mit Erhard, Eucken oder Müller-Armack zu beschäftigen.


Gut. Das werde ich bei Gelegenheit sicher tun.

Zitat
Das sehe ich anders. Wenn wir den Massen kein sinnvolles Leben anbieten können (im Sinne von "Vorbild sein"), dann werden sie sich natürlich jemandem zuwenden, der ihnen dieses verspricht.


Was für ein Vorbild soll das sein? Ein staatlicher Muster-Lebenslauf zum Abarbeiten? Ein Ansehen der «Massen» als derartig dumm lässt sich mit einer Demokratie auch kaum vereinbaren.

Viele Grüße,
Christoph

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

27.06.2013 21:31
#107 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat

Unabhängig davon, wie diese Reform aussehen könnte, sehe ich nicht, wie man sie durchsetzen sollte. Die Perversion ist nämlich im Keim des Sozialstaats schon angelegt: der Anspruch, von anderen aus Notlagen befreit zu werden, egal, wie man hineingeraten ist. Und da man auch den Begriff der «Notlage» weit dehnen kann, ist Missbrauch vorprogrammiert.



Grundsätzlich muss ich adder allerdings zustimmen, dass ein gewisses, auch staatlicherseits (mit zwangweise eingetriebenen Abgaben) aufrechterhaltenes Sicherheitsnetz sinnvoll ist. Gerade auch um jungen Menschen, die für die Situation, in die sie hinein geboren wurden nun wirklich nichts können, faire Startchancen zu geben. Das kann keine absolute Gleicheit garantieren und rechtfertigt auch kein Ausbremsen, nur damit alle gleich schlecht sind. Grundsätzlich aber ist es sinnvoll.

Auch wäre es der heutigen Zivilisation nicht würdig, jemanden Verhungern zu lassen oder ihm Kleidung und ein Dach über dem Kopf zu verwehren. Will man Leuten einen Wiedereinstieg ins Berufsleben nach einer Krise ermöglichen, so müssen auch Kommunikationsmittel (Telefon und heute auch Internet) jedem gewährleistet werden (nicht aber Fernseher oder auch das feingeistigere Theater oder die Oper, auch muss es kein Internetanschluss mit mehr als 10 Mbit/s sein).

Und es wäre in der Tat unmenschlich, jemandem, der (aller Wahrscheinlichkeit nach) unverschuldet oder zumindest ohne allzu fahrlässiges oder ungewöhnliches Verhalten einer schweren Krankheit erliegt ihm die Behandlung zu verweigern (natürlich hat auch das Grenzen, die Allgemeinheit kann nicht mal ebenso für all zuviele Menschen Millionen zahlen, auch wenn die Behandlung so teuer wäre).

Und niemand sollte für das vorgenannte Betteln müssen.

Aber wenn beispielsweise vor einer gefährlichen Handlung ständig gewarnt wird und die Allgemeinheit deutlich macht, sie wolle für etwas nicht aufkommen, und jemand macht es trotzdem, dann hat die Gemeinschaft zwar nicht das recht in zu bestrafen oder es ihm zu verbieten, aber die Allgemeinheit für das informiert selbst verschuldete Verhalten, vor dem Ausdrücklich gewarnt wurde keine Pflicht aufzuerlegen, für den den Schaden aufzukommen, ist ja auch kein Verbot. Sollte die Allgemeinheit dann doch dafür Aufkommen, so ist das ihre Entscheidung und damit unzufriedene Individuen (wie Sie, lieber Christoph) können sich deutlich dagegen aussprechen. Aber die Lage nun zu verdrehen und aus diesem einseitigen Angebot der Gemeinschaft nun einen Grund abzuleiten, allen Mitgliedern der Gesellschaft ohne Wahl etwas zu verbieten, wäre ein ganz starkes Einfallstor für unfreiheit. Und dann ist man vom Sozialstaat nicht nur beim Wohlfartsstaat angekommen, sondern beim Erziehungsstaat (Mutter- und Vater- Staat: Vater verbietet etwas, weil es Mutti sorgen macht und sie den Schaden wieder ausbügeln muss. Was auch gerechtfertigt ist, denn ein Kind ist ja noch nicht mündig. Ich aber schon, den Minderjährig bin ich nicht mehr).

Nachtrag:
Wenn der Staat sich bezüglich sozialer Sicherheit auf die oben aufgeführten Punkte beschränkt, diese aber durchaus wahrnimmt, dann kann der Rest privater Initiative überlassen werden. Diese ist dann nämlich nicht damit abgelenkt, erst einmal niemanden Verhungern zu lassen, was mit ziemlicher Sicherheit, das dürfte weitgehender Konsens sein, oberste Priorität hat und daher sowie so von anderen gemeinnützigen Handlungsmöglichkeiten ablenkt. Private Innitiative hat gerade dort ihren Platz, wo die Lage komplexer ist. Das niemand Verhungern soll, ist aber ein ziemlich schlichtes Problem und auch ziemlich schlicht zu lösen.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

27.06.2013 21:39
#108 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat von Christoph im Beitrag #106
Nebenbei gesagt kann Ordnung ja nicht nur vom Staat geschaffen werden.

Wir können lang und breit die Diskussionen nachvollziehen, die im Netz und vor ihm immer wieder geführt wurden, und es wird am Ende immer nur übrig bleiben: Ordnung schreit aus verschiedenen Gründen nach Allgemeingeltung, und wer auch immer dieses Bedürfnis hinreichend befriedigt, wird zu Recht "Staat" genannt werden. Alternativ gibt es noch Raum für tribalistische, religiöse und von anderen beherrschte Gemeinschaften.

Der Staat ist für ein Leben, wie wir es uns anders nicht vorstellen wollen, eine notwendige Institution. Aber er hat den Drang, seine Zuständigkeiten ins Unendliche auszuweiten. Was man m.E. nur durch ein einziges Gebot verhindern kann: Kleinteiligkeit. Je mehr der Staat sich in Personen übersetzen lässt, die ihn tragen, um so besser lässt er sich begrenzen. Je anonymer er wird und je weniger Berührung der normale Bürger mit seinen Vertretern hat, um so mehr wird er sich in Richtung Moloch entwickeln.

Es gibt keine Gesellschaftsverträge, aber ein Staat sollte so beschaffen sein, dass es einen solchen geben könnte.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

Christoph Offline




Beiträge: 241

27.06.2013 21:46
#109 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Lieber Andreas Döding,

Zitat von Doeding im Beitrag #104
Schrieben Sie nicht kürzlich völlig richtig, daß die Dosis das Gift mache, lieber Christoph?

Jede Analogie hat ihre Grenzen, aber gut: ein schlanker Sozialstaat hätte natürlich weniger schädliche Auswirkungen als der heutige. Ich sehe vor allem ein Problem: sobald man einen Sozialstaat einführt, findet man keine sinnvollen Grenzen mehr dafür. Mit Wilhelm Busch könnte man es so umschreiben:

Zitat von Wilhelm Busch
Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt wird, kriegt augenblicklich Junge


Auch im Sozialstaat rechtfertigt eine Wohlfahrt die nächste.
Nach Olaf Schubert könnte man auch von einem «selbstaufpustenden Pustekuchen» sprechen.

Zitat
Natürlich haben wir einen z. T. absurd überdehnten Sozialstaat und ein verboten verschwenderisches Subventionssystem. Die Frage ist, ob die Abschaffung sämtlicher Wohlfahrtsanteile eine Lösung ist.

Vielleicht nicht kurzfristig, aber man sollte zumindest darüber nachdenken, wie man einen Rückbau durchsetzen kann.

Zitat
Wenn man sich die Liste der Staaten nach BIP ansieht
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L...oinlandsprodukt
wird man feststellen, daß, mit Ausnahme des kommunistischen Chinas, ausschließlich Wohlfahrtsstaaten unter den ersten Plätzen sind, egal nach welcher Klassifikation von Wohlfahrtsstaat man schaut
http://de.wikipedia.org/wiki/Wohlfahrtss...hlfahrtsstaaten
Und auch kleine Wohlfahrtsstaaten wie Dänemark oder Schweden sind wirtschaftlich erfolgreich.


Wie Sie schon anmerken: produktive Länder können eine Wohlfahrt länger unterhalten. Zum anderen stehen wir im Wettbewerb nicht wegen unser guten Politik so gut da, sondern eher aufgrund der Schwäche der anderen. Viele Länder leiden an Diktatur, Korruption und mangelnder Rechtssicherheit – nicht so sehr an mangelnder Umverteilung.

Zitat
Umgekeht ist ein nicht vorhandener Wohlfahrtsstaat offenbar keine hinreichende Bedingung für wirtschaftlichen Erfolg.
Ergo: die Dosis macht das Gift.


Nur davon, dass ich keine Zigaretten rauche, werde ich aber auch nicht gesund :).

Viele Grüße,
Christoph

Llarian Offline



Beiträge: 6.919

27.06.2013 22:16
#110 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #95
Mich stören viele einzelne Mißstände in diesem Land, aber davon ab: ich mag diesen Staat. Ich finde die Bundesrepublik Deutschland toll. Ich halte sie für eines der lebenswertesten Länder der Erde. Trotz aller Mißstände (und das BTM-Gesetz empfinde ich nicht als solchen). So, jetzt ist es raus. Es tut mir so leid.

Ich mag den Staat nicht. Ich mag seinen Anspruch nicht, ich finde seine Umsetzung schlecht, ich finde er hat Mißstände en masse und es werden jedes Jahr eher mehr als weniger. Was nichts daran ändert das ich gerne in Deutschland lebe und es tatsächlich ziemlich lebenswert ist. Was aber etwas ganz anderes ist. Deutschland ist NICHT der Staat. Deutschland ist erst einmal eine Kultur, eine Gesellschaft, ein Wertesystem oder eben auch nur eine Gemeinschaft bestimmter Menschen in einem bestimmten geographischen Raum. Und die meisten dieser Menschen kann ich schätzen, genauso wie ich den geographischen Raum wunderschön finde (kein Land ist so schön wie die Heimat) und die Kultur sagt mir auch zu. Aber all das ist NICHT der Staat.

All das gab es auch bereits als der Staat nur halb oder gar ein Viertel so gross war wie er heute war. All das ist nicht durch den Staat geformt worden. All das hat nichts damit zu tun, dass sich der Staat zum Herscher der Gesellschaft aufspielt, es hat nichts mit einer Exekutive zu tun, die statt die Rahmenbedingungen zu setzen lieber die Gesellschaft gestalten möchte. Es hat nichts mit einer Legislative zu tun, die mehr Gesetze produziert als ganze Kontinente. Und es hat auch nichts mit einer Judikative zu tun, die ihre Aufgabe mehr und mehr in der Erziehung von Straftätern verortet. Der Staat wie er heute ist und sich mehr und mehr entwickelt ist eigentlich ein Gegenentwurf zu dem was sich in Jahrhunderten Kultur in diesem Lande gebildet hat. Und er arbeitet daran genau das, was dieses Land so lebenswert macht, systematisch zu unterminieren.

Glaubt denn wirklich jemand das unterscheidende Element in der Arbeitsmoral in Deutschland und der Arbeitsmoral in Griechenland habe etwas mit dem Staat zu tun ? Oder der Grund warum es in Deutschland vergleichsweise wenig Kriminalität existiert sei eine Leistung des Staates ? Oder der Grund für die hohe Qualifikation der deutschen Arbeitnehmer gehe auf den Staat zurück ? Dieser ganze Staat wie er heute existiert könnte morgen nach Burkina Faso umsiedeln und würde dort nichts an den Lebensverhältnissen verbessern. Er würde in Italien nicht dafür sorgen das weniger gestreikt würde, er würde in den USA nicht dafür sorgen, das weniger Morde geschähen und er würde in Saudi Arabien nichts an der Diskriminierung von Frauen ändern. Der Grund für die Lebensqualität in Deutschland ist nicht der Staat. Es ist die Kultur. Es ist die Gesellschaft. Es sind deren Individuen. Und das ist nicht der Staat. Wir sind nicht der Staat. Wir haben einen Staat und der arbeitet für uns. Und das macht er zunehmend schlecht. Es geht nur gerne unter dem unter, dass wir eine reiche und gute Gesellschaft haben, die eben auch einen schlechten Staat gut aussehen lässt.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

27.06.2013 22:36
#111 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #110
Es ist die Kultur. Es ist die Gesellschaft. Es sind deren Individuen.
Es sind die Institutionen.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

Christoph Offline




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28.06.2013 00:34
#112 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #108
Zitat von Christoph im Beitrag #106
Nebenbei gesagt kann Ordnung ja nicht nur vom Staat geschaffen werden.

Wir können lang und breit die Diskussionen nachvollziehen, die im Netz und vor ihm immer wieder geführt wurden, und es wird am Ende immer nur übrig bleiben: Ordnung schreit aus verschiedenen Gründen nach Allgemeingeltung, und wer auch immer dieses Bedürfnis hinreichend befriedigt, wird zu Recht "Staat" genannt werden.

Ich bin mir nicht sicher, ob wir hier wirklich das selbe unter «Ordnung» verstehen. Denn die Ordnung der staatlichen Gesetze ist doch nur die Spitze des Eisbergs. Es ist ja nicht die gesetzliche Ordnung, die uns zwingt, um acht Uhr auf Arbeit zu erscheinen, sondern der Vertrag mit dem Arbeitgeber, es ist kein Gesetz, dann uns zwingt, anderen Leuten zum Geburtstag zu gratulieren, das Opernhaus nicht im Schlafanzug zu betreten. Oder zählt das nicht zur Ordnung, weil man es missachten kann, ohne im Gefängnis zu landen?

Zitat
Der Staat ist für ein Leben, wie wir es uns anders nicht vorstellen wollen, eine notwendige Institution. Aber er hat den Drang, seine Zuständigkeiten ins Unendliche auszuweiten. Was man m.E. nur durch ein einziges Gebot verhindern kann: Kleinteiligkeit. Je mehr der Staat sich in Personen übersetzen lässt, die ihn tragen, um so besser lässt er sich begrenzen. Je anonymer er wird und je weniger Berührung der normale Bürger mit seinen Vertretern hat, um so mehr wird er sich in Richtung Moloch entwickeln.


Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Zwar weiß ich nicht, ob Kleinteiligkeit das einzig mögliche Gebot ist, aber es ist zweifellos ein effektives. Wiederspricht das aber nicht gerade einer angestrebten Allgemeingültigkeit?

adder Offline




Beiträge: 1.073

28.06.2013 09:56
#113 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat von Christoph im Beitrag #106
Gut, das hatte ich tatsächlich missverstanden, aber ehrlich gesagt verstehe ich diese Art von «Logik», falls es so etwas sein soll, immer noch nicht. Dort wo Denkschulen sind, ist der Irrtum und die Wahrheit findet man auf den Äquidistanten zwischen der Irrtümern? Das ist, als hätte ich Krebs und würde einen Arzt, einen Astrologen und einen Priester fragen, wie er zu behandeln sei, und wenn sie alle sagen, ich solle den Mut nicht verlieren, müsste ich genau das tun und mich aufhängen.


Es ist vielleicht nicht ganz so rübergekommen wie gemeint, daher ein Versuch es von anderer Seite aus zu beleuchten:
[img=http://www.mega.nu/ampp/rummel/tch.fig31.2.gif]

Geht man davon aus, dass dieses Dreieck die politischen Strömungen richtig wiedergibt (was ich tue), dann befindet sich die Ordo-Position etwas (eigentlich nur minimal) oberhalb des Mittelpunktes. Zentristische Politik achtet darauf, die persönliche Freiheit so wenig wie möglich (aber so viel wie nötig) zu beschränken, den Kollektivierungsdrang so weit wie möglich zu behindern (aber so weit wie nötig zuzulassen), und allen Menschen Chancen"gleichheit" zu gewähren (schlechtes Wort, aber Chancen"gerechtigkeit" ist ja mittlerweile negativ konnotiert - vielleicht: jedem Menschen ausschließlich nach seinen Fähigkeiten Chancen zu geben?).
Wenn man diese Politik vertritt, diese Position einnimmt, dann ist eine Maßnahme richtig, wenn alle drei Extreme sie ablehnen. Natürlich ist das nur ein Indikator.

Zitat
Ich lese in meinen Ausführungen keinen Vorwurf gegen Sie. Die Fragezeichen sind tatsächlich als solche zu verstehen.



Dann bitte ich um entschuldigung.


Zitat

Zitat
Und ja, auch die Verteidigung des Staates und des Staatswesens gegen innere und äußere Gefahren ist wichtig.


Auch der Begriff der «inneren Gefahren» ist mir hier zu schwammig, denn meist wird er gebraucht, wenn der Staat sich selbst vor seinen Bürgern schützen will, statt einen Bürger vor dem anderen, wie es seine Aufgabe wäre.

Zitat
Und das Sozialsystem der BRD ist ein solches Verteidigungsinstrument gegen aufkeimenden Sozialismus gewesen.


Rückzug als Verteidigung? Mir scheint, diese Strategie hat versagt, denn im Moment ist doch die Sozialpolitik nicht das Bollwerk gegen den Sozialismus sondern das Einfallstor dafür.




Ein radikaler Abbau des Sicherheitsnetzes würde nur dazu führen, dass die breite Masse protestiert und im schlimmsten (aber wahrscheinlichsten) Fall nach einer Revolution (oder durch zurückrudernde Politiker) der im demokratischen Staat notwendige Minderheitenschutz in einem kollektiven Anfall von "Gerechtigkeit" zerschlagen wird.
Weimar ist nicht nur aufgrund äußeren Einflusses zugrunde gegangen, sondern zu einm großen Teil war die Beeinflussbarkeit der (vernachlässigten) Massen durch sozialistische Politik das Problem. In den letzten Wahlen lag der Stimmenanteil der beiden extremistisch-sozialistischen Parteien bei über 55% (März 33), bzw. 49% (November 32). Nimmt man die etatistisch-sozialdemokratische SPD dazu, haben 73% (März 33) bzw. 69% (November 32) der Wähler sozialistische Positionen gewählt.
Ich hoffe zwar, dass die Bürger heute nicht mehr so anfällig sind, aber der Anteil an mindestens sozialdemokratischen Wählern ist heute auch sehr groß. Selbst wenn man die sozialdemokratische Merkel-CDU nur zur Hälfte rechnet, liegt er bei über 70%.

Zitat
Um die Freiheit des Einzelnen zu schützen. Gegen die Willkür der Anderen und gegen die Willkür fremder Staaten (das wäre dann die äußere Sicherheit). Natürlich nur soweit, dass eben der zu schützende Einzelne nicht selber zum Opfer staatlicher Willkür wird. Das erreicht er durch das Verbot von Übergriffen auf Leben und Eigentum (vom Diebstahl von Hühnereiern bis zum Mord) und indem er die Einhaltung geschlossener Verträge garantiert. Evtl. kann er auch durch eine Kartellbehörde für einen funktionierenden Wettbewerb sorgen.



Diese Funktion kann der demokratische Staat nur erfüllen, indem er eben auch ein Wohlfahrtsstaat ist. Anderenfalls wird es zu Wahlverhalten kommen, das von Liberalen nicht gewünscht ist. Libertäre Vorstellungen hingegen lassen sich in einem demokratischen Staat fast nie durchsetzen (die USA sind da eine sehr große Ausnahme, die aber auch nicht funktioniert, da auch dort jede Menge Umverteilung stattfindet).

Zitat

Das Problem ist auch nicht in erster Linie ein Staat, der «ein wenig zu fett ist» sondern ein Staat, der, einmal der Freßsucht verfallen, stets weiter zu- und nie wieder abnimmt. Gerade die pragmatische Argumentation: «aber auch bei XY kann ja ein wenig Staatseingriff nicht schaden» ebnet den Weg dorthin. Geplagte Menschen finden stets noch ein Problem, dass sie der Gemeinschaft aufhalsen können.



Jein. Ich halte unseren jetzigen Wohlfahrtsstaat für massiv überdehnt (keine Frage). Allerdings sind gerade die Krankenversicherung und die tatsächliche Absicherung gegen Notfall ja nicht die größten Kostenblöcke. Sie mögen mir auch bitte ein bißchen Eigennutz verzeihen, denn ich profitierte natürlich schon von der Krankenversicherung - und bin immer noch gesetzlich versichert, obwohl ich es nicht müßte. Alleine die Operationen als Jugendlicher hätte meine Mutter nie selbst bezahlen können (Erbkrankheit).

Zitat

Zitat
Nur weil CDU und SPD (noch stärker Linke und Grüne) extrem etatstisch sind, muss der Sozialstaat noch nicht falsch sein.


Er hat aber dazu beigetragen, dass sie sich damit durchsetzen können. Indem er «Wohltaten» verteilt (weit über die Hilfe in Notlagen hinaus) schafft er auch immer neue Begehrlichkeiten.



Er hat sogar den Willen, diese etatistischen und sozialistischen Umtriebe stärker zu propagieren, verhindert.

Zitat
Was für ein Vorbild soll das sein? Ein staatlicher Muster-Lebenslauf zum Abarbeiten? Ein Ansehen der «Massen» als derartig dumm lässt sich mit einer Demokratie auch kaum vereinbaren.



Der einzelne mag nicht derart dumm sein. Zusammen ergeben viele leidlich intelligente oder schlaue Einzelne aber häufiger eine "dumme"(triebgesteuerte) Masse.



Zitat von Techniknörgler im Beitrag #107

Zitat

Unabhängig davon, wie diese Reform aussehen könnte, sehe ich nicht, wie man sie durchsetzen sollte. Die Perversion ist nämlich im Keim des Sozialstaats schon angelegt: der Anspruch, von anderen aus Notlagen befreit zu werden, egal, wie man hineingeraten ist. Und da man auch den Begriff der «Notlage» weit dehnen kann, ist Missbrauch vorprogrammiert.


Grundsätzlich muss ich adder allerdings zustimmen, dass ein gewisses, auch staatlicherseits (mit zwangweise eingetriebenen Abgaben) aufrechterhaltenes Sicherheitsnetz sinnvoll ist. Gerade auch um jungen Menschen, die für die Situation, in die sie hinein geboren wurden nun wirklich nichts können, faire Startchancen zu geben. Das kann keine absolute Gleicheit garantieren und rechtfertigt auch kein Ausbremsen, nur damit alle gleich schlecht sind. Grundsätzlich aber ist es sinnvoll.



Vollkommen richtig. Es darf auch keine Gleichheit garantieren - abseits von der Chance, alle diese Aufstiegschancen oder Lebenschance ergreifen zu können, falls geeignet.

Zitat
Auch wäre es der heutigen Zivilisation nicht würdig, jemanden Verhungern zu lassen oder ihm Kleidung und ein Dach über dem Kopf zu verwehren. Will man Leuten einen Wiedereinstieg ins Berufsleben nach einer Krise ermöglichen, so müssen auch Kommunikationsmittel (Telefon und heute auch Internet) jedem gewährleistet werden (nicht aber Fernseher oder auch das feingeistigere Theater oder die Oper, auch muss es kein Internetanschluss mit mehr als 10 Mbit/s sein).



Interessant. Ich hätte die Grenze restriktiver gezogen, aber Sie haben da vollkommen recht. Ein Internetanschluss (mit einstelligen Mbit/s) ist tatsächlich für die beruflichen Chancen der Jüngeren notwendig (leider nicht hinreichend...).

Zitat
Und es wäre in der Tat unmenschlich, jemandem, der (aller Wahrscheinlichkeit nach) unverschuldet oder zumindest ohne allzu fahrlässiges oder ungewöhnliches Verhalten einer schweren Krankheit erliegt ihm die Behandlung zu verweigern (natürlich hat auch das Grenzen, die Allgemeinheit kann nicht mal ebenso für all zuviele Menschen Millionen zahlen, auch wenn die Behandlung so teuer wäre).



Genau das wird ja auch versucht durch die ganzen "Evidenzbasierte Nutzenbewertung" (IQWIG, DE) und "Quality adjusted life years" (NICE, UK). Mehr schlecht als recht und die Leute im IQWIG maßen sich eine Kompetenz und eine Macht an, die sie gar nicht haben, aber das ist ein ganz anderer Punkt. Grundsätzlich stimme ich der Intention dieser Institutionen und der zugrunde liegenden Gesetze zu: die Allgemeinheit kann nur innerhalb bestimmter Grenzen die medizinisch notwendige Behandlung des Einzelnen stemmen.

Zitat
Aber wenn beispielsweise vor einer gefährlichen Handlung ständig gewarnt wird und die Allgemeinheit deutlich macht, sie wolle für etwas nicht aufkommen, und jemand macht es trotzdem, dann hat die Gemeinschaft zwar nicht das recht in zu bestrafen oder es ihm zu verbieten, aber die Allgemeinheit für das informiert selbst verschuldete Verhalten, vor dem Ausdrücklich gewarnt wurde keine Pflicht aufzuerlegen, für den den Schaden aufzukommen, ist ja auch kein Verbot.



Das Problem dieser Sichtweise (die ich persönlich teile, politisch aber aufgrund dieses Problems nicht als sinnvoll erachte) liegt darin, dem Einzelnen in einer akzeptablen Zeit (natürlich am besten vor einer Behandlung, denn die Behandlung erst nachher kostenpflichtig zu machen, wäre ja auch eine Zwangsmaßnahme - vielleicht hätte er sie dann ja abgelehnt?) das Selbstverschulden nachzuweisen.

Zitat
Sollte die Allgemeinheit dann doch dafür Aufkommen, so ist das ihre Entscheidung und damit unzufriedene Individuen (wie Sie, lieber Christoph) können sich deutlich dagegen aussprechen. Aber die Lage nun zu verdrehen und aus diesem einseitigen Angebot der Gemeinschaft nun einen Grund abzuleiten, allen Mitgliedern der Gesellschaft ohne Wahl etwas zu verbieten, wäre ein ganz starkes Einfallstor für unfreiheit. Und dann ist man vom Sozialstaat nicht nur beim Wohlfartsstaat angekommen, sondern beim Erziehungsstaat (Mutter- und Vater- Staat: Vater verbietet etwas, weil es Mutti sorgen macht und sie den Schaden wieder ausbügeln muss. Was auch gerechtfertigt ist, denn ein Kind ist ja noch nicht mündig. Ich aber schon, den Minderjährig bin ich nicht mehr).



Ja. Schon. In Bezug auf viele, vor allem gesellschaftlich akzeptierte (vielleicht mit Warnungen belegte, aber dennoch akzeptierte) Verhaltensweisen [Alkoholkonsum, Tabakkonsum, Sport, ...) trifft es meiner Auffassung nicht zu. Wenn die Gesellschaft Alkoholkonsum toleriert - wie kann ich dann einem Süchtigen die Behandlung (auch seiner Gesundheitsprobleme aufgrund der Sucht) verweigern?
Bei gesellschaftlich nicht akzeptierten Verhaltensweisen (Konsum illegaler Drogen? "Bullenklatschen"?) hingegen wäre es ja einfach möglich, die Behandlung zu verweigern. Wäre es aber nicht sinnvoller, gleich präventiv das "Bullenklatschen" zu unterbinden, bevor irgendwelche Kids nach einem solchen mit kleineren Verletzungen vor dem Krankenhaus abgeladen werden?

Vielleicht eine kleine Erläuterung zum BtMG in Bezug auf illegale Drogen: das BtMG regelt Besitz, Herstellen und Abgeben solcher Drogen. Problematisch ist vor allem das Herstellen und der Handel - man könnte nun sicherlich den Besitz (zumindest von Mengen für den Eigengebrauch) erlauben (d.h. aus dem Gesetz ausnehmen). Technisch kein Problem, wird daraus ein Strafverfolgungsproblem, denn jeder Dealer würde nun mit "Eigengebrauch" argumentieren - außerdem müssten sich dann Juristen wieder einen Kopf machen, damit der gewünschte Effekt (keine Diskriminierung von Süchtigen) nicht unerwünschte "Freiheiten" (Straffreiheit für kriminelle Dealer) zur Folge hat.
Man kann natürlich auch einen ganz anderen Weg gehen:
(Vorschlag) Betäubungsmittel gehören in die Apotheke (nicht die Internet-/Versandapotheke), und dort kann sie jeder nach Vorlage seines Personalausweises erwerben.
(Vorteil) Wegfall der Diskriminierung, kein Gewinn bei Kriminellen und vor allem: endlich mal saubere Drogen ohne die ganzen gesundheitschädlichen Beimengungen.
(Nachteil) So ein Gesetz würde gleich wieder die Medien und so gegen die FDP aufhetzen...

Zitat
Nachtrag:
Wenn der Staat sich bezüglich sozialer Sicherheit auf die oben aufgeführten Punkte beschränkt, diese aber durchaus wahrnimmt, dann kann der Rest privater Initiative überlassen werden. Diese ist dann nämlich nicht damit abgelenkt, erst einmal niemanden Verhungern zu lassen, was mit ziemlicher Sicherheit, das dürfte weitgehender Konsens sein, oberste Priorität hat und daher sowie so von anderen gemeinnützigen Handlungsmöglichkeiten ablenkt. Private Innitiative hat gerade dort ihren Platz, wo die Lage komplexer ist. Das niemand Verhungern soll, ist aber ein ziemlich schlichtes Problem und auch ziemlich schlicht zu lösen.



Gute Idee.

Christoph Offline




Beiträge: 241

28.06.2013 14:33
#114 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat von adder im Beitrag #113
Es ist vielleicht nicht ganz so rübergekommen wie gemeint, daher ein Versuch es von anderer Seite aus zu beleuchten: [img=http://www.mega.nu/ampp/rummel/tch.fig31.2.gif]

Geht man davon aus, dass dieses Dreieck die politischen Strömungen richtig wiedergibt (was ich tue), dann befindet sich die Ordo-Position etwas (eigentlich nur minimal) oberhalb des Mittelpunktes. […]Wenn man diese Politik vertritt, diese Position einnimmt, dann ist eine Maßnahme richtig, wenn alle drei Extreme sie ablehnen. Natürlich ist das nur ein Indikator.

Ganz richtig: es ist eben nur ein Indikator zur politischen Positionsbestimmung – ähnlich dem amazon Vorschlagsalgorithmus «Wähler, die sich ‹Bürgerversicherung› angesehen haben, votierten auch für ‹Energiewende geschlechtergerecht gestalten› und ‹Recht auf Kita-Plätze›». Über die «Richtigkeit» einer Maßnahme sagt das aber nichts aus.

Ansonsten liest sich Ihr Beitrag für mich immer noch so, als hielten sie den Sozialstaat vor allem für ein strategisches Instrument gegen Leute, die noch mehr Sozialismus wollen. Ich denke, man sollte schon trennen, zwischen dem, was man grundsätzlich für richtig hält – und dem, was man mit einer Mehrheit durchsetzen kann.

Zitat
Ich hoffe zwar, dass die Bürger heute nicht mehr so anfällig sind, aber der Anteil an mindestens sozialdemokratischen Wählern ist heute auch sehr groß. Selbst wenn man die sozialdemokratische Merkel-CDU nur zur Hälfte rechnet, liegt er bei über 70%.


Das mag so sein, aber mir scheint es bedenklich, die Wahl an infratest und Allensbach auszulagern, die feststellen, dass zwei Drittel sozialdemokratisch denken, woraufhin fünf sozialdemokratische Parteiprogramme geschrieben und fünf sozialdemokratisch besetzte Listen zur «Wahl» gestellt werden. Die Minderheit von 20-30% ist dann darauf angewiesen, dass auch ein paar «Querulanten» mit «durchrutschen». Wenn man Minderheitsmeinungen schon im Vorhinein tilgt, kann die Wahl kein Abbild der Mehrheit mehr ergeben.

Zitat
Diese Funktion kann der demokratische Staat nur erfüllen, indem er eben auch ein Wohlfahrtsstaat ist. Anderenfalls wird es zu Wahlverhalten kommen, das von Liberalen nicht gewünscht ist.


Das ist aber kein Grund, seine Position schon von vorn herein preiszugeben. Der Sozialstaat muss sich ja immer weiter ausdehnen, wenn nur die ihre Stimme erheben, die ihn ausgedehnt sehen möchten – die, die ihn schlank halten wollen dagegen schweigen, aus Angst vor der Mehrheit. Im Moment geraten wir in eine Situation, in der eine Mehrheit die Staatsmacht missbraucht, um sich auf Kosten einer Minderheit zu bereichern (schon vor zehn Jahren haben 10% der Bevölkerung50% der Steuern gezahlt). Sollte es so weiter gehen, steht für mich die Legitimität der Demokratie insgesamt in Frage.

Zitat
Sie mögen mir auch bitte ein bißchen Eigennutz verzeihen, denn ich profitierte natürlich schon von der Krankenversicherung - und bin immer noch gesetzlich versichert, obwohl ich es nicht müßte. Alleine die Operationen als Jugendlicher hätte meine Mutter nie selbst bezahlen können (Erbkrankheit).


Am Streben nach Eigennutz ist ganz und gar nichts verwerfliches, nur ist er eben nicht mit einem Nutzen für die Allgemeinheit zu verwechseln. Zudem sind in diesem individuellen Fall zwei besondere Voraussetzungen gegeben:
1. eine existentielle Notlage
2. die Unfähigkeit, sich selbst daraus zu befreien
Wir reden aber nicht über ein Verbot für solche Notlagen vorzusorgen, was auch ganz rational ist (die Feuerschutzversicherung hat sich auch auf dem freien Markt entwickelt). Wir reden über einen staatlichen Zwang, sich gegen jedes Kribbeln der Kopfhaut zu versichern, was höchst irrational ist, wenn man auch mit der Hälfte seines Einkommens angenehm leben könnte, und leicht ein paar tausend € selbst aufbringen könnte.

Zitat

Zitat
Will man Leuten einen Wiedereinstieg ins Berufsleben nach einer Krise ermöglichen, so müssen auch Kommunikationsmittel (Telefon und heute auch Internet) jedem gewährleistet werden […]


Interessant. Ich hätte die Grenze restriktiver gezogen, aber Sie haben da vollkommen recht. Ein Internetanschluss (mit einstelligen Mbit/s) ist tatsächlich für die beruflichen Chancen der Jüngeren notwendig (leider nicht hinreichend...).



Da liegt der Hund begraben. Wenn man dann erstmal einen Internetanschluss hat (den gibt es auch in der Kommunal-Bibliothek), braucht man auch einen Computer dazu. Und wäre der komplett ohne Drucker, Scanner, Webcam?

Zitat
Ja. Schon. In Bezug auf viele, vor allem gesellschaftlich akzeptierte (vielleicht mit Warnungen belegte, aber dennoch akzeptierte) Verhaltensweisen [Alkoholkonsum, Tabakkonsum, Sport, ...) trifft es meiner Auffassung nicht zu. Wenn die Gesellschaft Alkoholkonsum toleriert - wie kann ich dann einem Süchtigen die Behandlung (auch seiner Gesundheitsprobleme aufgrund der Sucht) verweigern?


Das kann sie selbstverständlich! Es gibt doch keine Pflicht der Gesellschaft, dem Einzelnen den rechten Weg zu weisen, und keine Pflicht des Einzelnen, ihm zu folgen! Noch weniger ist eine gesetzliche Erlaubnis eine Empfehlung, irgendetwas zu tun, nur weil es nicht verboten ist! Das Gesetz sollte die Grenze des gesellschaftlich erträglichen markieren, so wie die Leitplanke einer Straße, die nicht gemacht ist, damit ein Fahrer mit der rechten Autotür sich bis zum Ziel daran entlang schrammt (um sich die Lackschäden dann von der staatlichen Vollkasko ersetzen zu lassen).

Zitat
Vielleicht eine kleine Erläuterung zum BtMG in Bezug auf illegale Drogen: das BtMG regelt Besitz, Herstellen und Abgeben solcher Drogen. Problematisch ist vor allem das Herstellen und der Handel

Dass man den Konsum von Drogen für gefährlich hält, kann ich nachvollziehen, aber «das Herstellen und der Handel» sind doch vollkommen unproblematisch! Niemand wäre geschädigt, wenn ich ein paar kg Mohn aus Afghanistan einführte, ihn (lege artis) zu Heroin verarbeitete und einem anderen weiterverkaufte.

Ulrich Elkmann Online




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28.06.2013 15:45
#115 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #22
Zitat von Christoph im Beitrag #19
Soweit ich weiß, ist das Kokain als Medikament entstanden.


Heroin auch, aber was sagt das, lieber Christoph


http://de.wikipedia.org/wiki/Doramad
_______________
"Doramad war eine Zahncreme, die bis 1945 von der Berliner Auergesellschaft hergestellt wurde. Sie enthielt Thorium-X.

Das Mittel versprach strahlend weiße Zähne und Bakterienabtötung durch radioaktive Strahlung.
Die Verpackung warb mit der Angabe:
„Besondere biologische Heilwirkungen durch Radium-Strahlen. Tausendfach ärztlich verordnet und empfohlen.“

Auf der Rückseite der Zahnpastatube war folgendes zu lesen:[1]

„Was leistet Doramad? Durch ihre radioaktive Strahlung steigert sie die Abwehrkräfte von Zahn u. Zahnfleisch. Die Zellen werden mit neuer Lebensenergie geladen, die Bakterien in ihrer zerstörenden Wirksamkeit gehemmt. Daher die vorzügliche Vorbeugungs- und Heilwirkung bei Zahnfleischerkrankungen. Poliert den Schmelz aufs Schonendste weiß und glänzend. Hindert Zahnsteinansatz. Schäumt herrlich, schmeckt neuartig, angenehm, mild u. erfrischend. Ausgiebig im Gebrauch.“"
______________

Techniknörgler Offline



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28.06.2013 18:05
#116 Zwar kein Quiz, aber trotzdem ein paar Fragen: Antworten

Bevor ich auf den Rest des Beitrages antworte (kann noch dauern) hier nur schon mal eine Bemerkung, die ich los werden möchte:

Zitat

Das Problem dieser Sichtweise (die ich persönlich teile, politisch aber aufgrund dieses Problems nicht als sinnvoll erachte) liegt darin, dem Einzelnen in einer akzeptablen Zeit (natürlich am besten vor einer Behandlung, denn die Behandlung erst nachher kostenpflichtig zu machen, wäre ja auch eine Zwangsmaßnahme - vielleicht hätte er sie dann ja abgelehnt?) das Selbstverschulden nachzuweisen.



Diesen Vorbehalt höre ich häufig. Eigentlich ja eine nachvollziehbare und sinnvolle Position, aber leider unpraktikabel. Wirklich? Unpraktikabler als jemandem in einem rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren mit den hohen Ansprüchen der Strafprozessordnung (in dubio pro reo, evt. Recht auf einen Anwalt auf Staatskosten) und teuren Folgen (teuerer Strafvollzug, Bewährungsaufsicht, Maßregeln der Besserung und Sicherung, selbst wenn keine vollstreckte Haftstrafe die Folge ist) eine "gemeinschaftsschädlichen" Handlung erfolgreich Schuldig zu sprechen?

Im übrigen haben wir das Problem auch in einem anderen Bereich:

Zitat

Bei HIV-Risikokontakt (zum Beispiel ungeschützter Geschlechtsverkehr oder Nadelstichverletzung) wird empfohlen, vor Ablauf von 24 Stunden mit einer postexpositionellen Prophylaxe zu beginnen. Die besten Ergebnisse sind innerhalb eines Zeitfensters von zwei Stunden zu erwarten. Mehr als 72 Stunden nach dem Ereignis wird im Allgemeinen keine PEP mehr empfohlen. [...] Je mehr Zeit vor Therapiebeginn vergeht, um so geringer sind die Erfolgschancen, eine möglicherweise erfolgte Infektion noch abzuwehren. In keinem Fall besteht ein 100%iger Schutz vor einer HIV-Infektion.

Im Falle eines ungeschützten Geschlechtsverkehres mit einer (potentiell) HIV-positiven Person werden die Behandlungskosten nicht unbedingt von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Diesbezüglich sind die Kassen mittlerweile jedoch aufgeschlossener, zumal ihnen im Falle einer tatsächlichen Infektion weit höhere Kosten entstehen. Die Kosten der Prophylaxe belaufen sich für eine übliche vierwöchige Behandlung auf ca. 1550 Euro (Stand Mai 2010) bzw. 3000 CHF in der Schweiz (Stand August 2007). Als Nebenwirkungen werden hauptsächlich Übelkeit, Antriebslosigkeit und Durchfall beschrieben.



https://de.wikipedia.org/wiki/Postexpositionsprophylaxe#HIV

Hier haben wir einen ähnlichen Fall: Es wäre nicht vermittelbar einer unverschuldet in die Situation geratenen Person die Behandlung vorzuenthalten. Aber der Grund kann auch in krasser Fahrlässigkeit bestehen. Die Zeit drängt, die Therapie darf nicht unnötig hinausgeschoben werden. Sie muss im Zweifel auf Verdacht vorgenommen werden, denn jeder Test, ob tatsächlich eine Infektion stattgefunden hat, dauert bis zum vorliegenden Ergebnis viel zu lange. Die Behandlung ist teuer.

Die Zeit reicht wohl kaum für ausreichende Ermittlungen, im Zweifel muss man sich auf die Angaben des Betroffenen verlassen. Eventuell könnte man eine eidesstattliche Versicherung fordern, in der unwahre Behauptungen einen Straftatbestand darstellen würden.

Der Hauptgrund für die Kulanz der Krankenkassen liegt in den eventuell noch höheren Folgekosten, welche die Kassen nach derzeitiger Rechtslage für den Fall einer permanenten Infektion auch bei Selbstverschulden tragen müssen. Abgesehen vom Zeitdruck stellen sich hier aber ähnliche, ideell-dogmatische Probleme.

1. Frage:
Wie soll man mit den beiden Situationen umgehen?

a) Die Sozialsysteme sollen immer für die Kosten aufkommen, egal ob fremd oder selbst verschuldet.

b) Die Sozialsysteme sollen nur bei Fremdverschulden für die Kosten aufkommen. Dies ist eventuell, insbesondere bei Zeitmangel, mit einer strafrechtlich bewährten eidesstattlichen Versicherung des Betroffenen zu klären. Eventuell geht das Sozialsystem in Vorleistung, auch auf das Risiko hin, das Geld bei neuen Erkenntnissen nicht erfolgreich wieder eintreiben zu können. In die, in solchen Fällen erst einmal nur vorläufige, Kostenübernahme mit der Möglichkeit zur Rückforderungen muss der Patient einwilligen, wenn er einen Vorleistung erhalten will.

c) Die Sozialsysteme sollen nur bei nachgewiesenem oder naheliegendem Fremdverschulden zahlen. Im Zweifel gegen die Kostenübernahme.

d) die Sozialsysteme sollen gar nicht aufkommen.

e) Sozialsysteme abschaffen.

Wenn a), b) oder c) gewählt wurde:
Sollten Aufklärungskampagnen bezüglich des Risikos durchgeführt werden, um die Kosten im Griff zu halten?
Sollte außereheliche Geschlechtsverkehr ohne schützendes Kondom unter Strafe gestellt werden?
Sollte Kuppelei wieder unter Strafe gestellt werden?
Sollte der Staat zur Abschreckung restriktiv eines der vorgenannten Verbote durchsetzen, mit großen Polizeiaktionen, martialischem Gebaren und Medienkampagnen agieren und Hausdurchsuchungen bei Gefahr in Verzug oder auf Gerichtsbeschluss (falls es unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ausreichende Anhaltspunkte gibt) durchführen, um potentielle Deliquenten auf frischer Tat zu ertappen?



2.Frage:
Was soll man gegen einen (ausufernden) Kostenausbruch für die Allgemeinheit durch fahrlässiges, selbst schädigendes Verhalten des einzelnen machen? Gehen wir von einer so kritischen Lage aus, das Option a) und b) nicht mehr praktikabel weiterbestehen. Im übrigen bestehen die Antwortoptionen der letzten Frage.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

xanopos ( gelöscht )
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28.06.2013 19:53
#117 RE: Zwar kein Quiz, aber trotzdem ein paar Fragen: Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #116

Wenn a), b) oder c) gewählt wurde:
Sollten Aufklärungskampagnen bezüglich des Risikos durchgeführt werden, um die Kosten im Griff zu halten?


Wer nicht weiß, das ungeschützter Sex unerwünschte Folgen haben kann, dem gehört das passive und aktive Wahlrecht entzogen. Wer betrunken Auto fährt, Führerschein für 10 Jahre weg, inkl. Wahlrecht, usw.

Zitat
Sollte außereheliche Geschlechtsverkehr ohne schützendes Kondom unter Strafe gestellt werden?

Nein, die Folgekosten sind meiner Meinung anch selbst zu tragen, das kann auch eine Deppenversicherung sein, die mann (ja mit zwei n) vorher abgeschlossen hat.

adder Offline




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28.06.2013 22:29
#118 RE: Zwar kein Quiz, aber trotzdem ein paar Fragen: Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #116
Bevor ich auf den Rest des Beitrages antworte (kann noch dauern) hier nur schon mal eine Bemerkung, die ich los werden möchte:

Diesen Vorbehalt höre ich häufig. Eigentlich ja eine nachvollziehbare und sinnvolle Position, aber leider unpraktikabel. Wirklich? Unpraktikabler als jemandem in einem rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren mit den hohen Ansprüchen der Strafprozessordnung (in dubio pro reo, evt. Recht auf einen Anwalt auf Staatskosten) und teuren Folgen (teuerer Strafvollzug, Bewährungsaufsicht, Maßregeln der Besserung und Sicherung, selbst wenn keine vollstreckte Haftstrafe die Folge ist) eine "gemeinschaftsschädlichen" Handlung erfolgreich Schuldig zu sprechen?


zwei Einwände:
1) Strafprozesse werden mit diesem hohen Aufwand betrieben, um die Schuld nachzuweisen. Bei uns gilt immer noch der Grundsatz der Unschuld bis zum Beweis des Gegenteils. Im Prinzip würde ich lieber 100 Schuldige laufen lassen, als auch nur einen einzelnen Unschuldigen einsitzen zu haben - aber das ist nicht so extrem in unserer Prozessordnung vorgesehen.
2) Wendet man einen äquivalenten Maßstab für Gesundheitsaufwendungen, dann sind wir schnell bei Prozesskosten, die den Streitwert locker überschreiten - oder aber wir reden über Gesundheitskosten, die ohnehin kaum jemand je würde zurückzahlen können. Nimmt man noch das obig gesagte hinzu (in diesem Fall eher: lieber 10 selbstverschuldete Fälle bezahlen, als nur einen nicht-selbstverschuldeten Fall abzuweisen?), rechnet sich einfach der Aufwand nicht mehr.
Allerdings muss ich zugeben, dass die GKV in diesem Land ohnehin recht rigide vorgeht - da werden Rezepte für einen Haufen Kohle geprüft, um die wenigen Fälle herauszufischen, in denen die Apotheker ein teureres Präparat abgegeben haben als vorgesehen (und tatsächlich so doof waren, das auch noch zu vermerken) - gleichzeitig darf der Apotheker aber auch nicht dann den Preis des billigeren abrechnen (selbst wenn er wollte), dann wird nämlich auch nichts bezahlt... und mit dem Patienten sind die Krankenkassen auch nur dann generös, wenn es um Nebenkosten wie Kururlaub oder ein Wellness-Wochenende geht.

Zitat
Im übrigen haben wir das Problem auch in einem anderen Bereich:
(...)
Hier haben wir einen ähnlichen Fall: Es wäre nicht vermittelbar einer unverschuldet in die Situation geratenen Person die Behandlung vorzuenthalten. Aber der Grund kann auch in krasser Fahrlässigkeit bestehen. Die Zeit drängt, die Therapie darf nicht unnötig hinausgeschoben werden. Sie muss im Zweifel auf Verdacht vorgenommen werden, denn jeder Test, ob tatsächlich eine Infektion stattgefunden hat, dauert bis zum vorliegenden Ergebnis viel zu lange. Die Behandlung ist teuer.



Im Falle von Ärzten und anderem medizinischen Personal, die eine Nadelstich-Verletzung haben, wird die Behandlung ohne Prüfung bezahlt (da Fahrlässigkeit hier nur schwer nachweisbar wäre).
Im Falle von Geschlechtsverkehr: wie bitte wollen wir denn einem auch nur halbwegs cleveren Päarchen nachweisen, dass sie tatsächlich selbstverschuldet ungeschützt waren? Das Kondom kann geplatzt sein oder das Frauenkondom einen Riss gehabt haben. Wird dann jeder, der sein Kondom nicht vorlegen kann, abgewiesen? Es ist unpraktikabel, in diesem speziellen Fall sogar sehr.

Zitat
Die Zeit reicht wohl kaum für ausreichende Ermittlungen, im Zweifel muss man sich auf die Angaben des Betroffenen verlassen. Eventuell könnte man eine eidesstattliche Versicherung fordern, in der unwahre Behauptungen einen Straftatbestand darstellen würden.



Höhere Bürokratiekosten. Auch nicht so toll... Daran krankt unser Krankenversicherungssystem ohnehin. Wir haben wesentlich höhere Bürokratiekosten als nötig - und das liegt vor allem an planwirtschaftlichen Eingriffen ins Gesundheitssystem (auch "Gesundheitsreform", oder "AMNOG" genannt).

Zitat
Der Hauptgrund für die Kulanz der Krankenkassen liegt in den eventuell noch höheren Folgekosten, welche die Kassen nach derzeitiger Rechtslage für den Fall einer permanenten Infektion auch bei Selbstverschulden tragen müssen. Abgesehen vom Zeitdruck stellen sich hier aber ähnliche, ideell-dogmatische Probleme.



Selbst wenn man Selbstverschulden nachweisen könnte: wer wäre denn bereit, diese Menschen nicht zu behandeln? Wer könnte - noch dazu als Arzt mit Hippokratischem Eid gebunden - einfach Menschen ohne Behandlung sterben (oder auch nur leiden) lassen? Auf der authoritär-sozialistischen Seite gäbe es sicher gleich jemanden, der das könnte, solange der selbstverschuldet Kranke nur "reich" genug ist...

Zitat
1. Frage:
Wie soll man mit den beiden Situationen umgehen?

a) Die Sozialsysteme sollen immer für die Kosten aufkommen, egal ob fremd oder selbst verschuldet.

b) Die Sozialsysteme sollen nur bei Fremdverschulden für die Kosten aufkommen. Dies ist eventuell, insbesondere bei Zeitmangel, mit einer strafrechtlich bewährten eidesstattlichen Versicherung des Betroffenen zu klären. Eventuell geht das Sozialsystem in Vorleistung, auch auf das Risiko hin, das Geld bei neuen Erkenntnissen nicht erfolgreich wieder eintreiben zu können. In die, in solchen Fällen erst einmal nur vorläufige, Kostenübernahme mit der Möglichkeit zur Rückforderungen muss der Patient einwilligen, wenn er einen Vorleistung erhalten will.

c) Die Sozialsysteme sollen nur bei nachgewiesenem oder naheliegendem Fremdverschulden zahlen. Im Zweifel gegen die Kostenübernahme.

d) die Sozialsysteme sollen gar nicht aufkommen.

e) Sozialsysteme abschaffen.

Wenn a), b) oder c) gewählt wurde:
Sollten Aufklärungskampagnen bezüglich des Risikos durchgeführt werden, um die Kosten im Griff zu halten?
Sollte außereheliche Geschlechtsverkehr ohne schützendes Kondom unter Strafe gestellt werden?
Sollte Kuppelei wieder unter Strafe gestellt werden?
Sollte der Staat zur Abschreckung restriktiv eines der vorgenannten Verbote durchsetzen, mit großen Polizeiaktionen, martialischem Gebaren und Medienkampagnen agieren und Hausdurchsuchungen bei Gefahr in Verzug oder auf Gerichtsbeschluss (falls es unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ausreichende Anhaltspunkte gibt) durchführen, um potentielle Deliquenten auf frischer Tat zu ertappen?



Mir fehlt eine Position zwischen a und c, die different zu b ist. Ich würde sagen, dass die Sozialsysteme erst einmal generell aufkommen, außer bei auffälligem Mißbrauch oder krassem Selbstverschulden - eben weil eine Tiefen-Prüfung wahrscheinlich zu teuer kommt. Stichpunktartiges Prüfen ist sicherlich trotzdem sinnvoll (Fehlverhalten wird nicht durch Strafe unterdrückt, sondern durch die Gewissheit/Chance, erwischt zu werden).
Präventionskampagnen halte ich für sinnvoll - aus reinen Kostengründen. Ganz ehrlich: wenn statt dass die EU lächerliche Packungsbilder zusätzlich zu den eh nicht funktionierenden Beschriftungen drucken läßt, eine Anti-Tabak-Organisation in innovative Präventionskampagnen investiert hätte, wären wir wahrscheinlich auch nicht so different am diskutieren. Natürlich kann man niemanden zwingen, etwas nicht zu tun, was immer noch legal ist. Gleichzeitig können aber Informationen über einen potentiell gesundheitsschädlichen Lebensstil nicht schaden.


Zitat

2.Frage:
Was soll man gegen einen (ausufernden) Kostenausbruch für die Allgemeinheit durch fahrlässiges, selbst schädigendes Verhalten des einzelnen machen? Gehen wir von einer so kritischen Lage aus, das Option a) und b) nicht mehr praktikabel weiterbestehen. Im übrigen bestehen die Antwortoptionen der letzten Frage.



Ehrliche Antwort? Wenn die Kosten so sehr aus dem Ruder gelaufen sind, dass wir medizinisch notwendige Maßnahmen nicht mehr durchführen können (ob selbstverschuldet oder nicht), dann haben wir wahrscheinlich ein wesentlich größeres Problem als nur das Gesundheitssystem...

adder Offline




Beiträge: 1.073

28.06.2013 22:33
#119 RE: Zwar kein Quiz, aber trotzdem ein paar Fragen: Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #117
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #116

Wenn a), b) oder c) gewählt wurde:
Sollten Aufklärungskampagnen bezüglich des Risikos durchgeführt werden, um die Kosten im Griff zu halten?


Wer nicht weiß, das ungeschützter Sex unerwünschte Folgen haben kann, dem gehört das passive und aktive Wahlrecht entzogen. Wer betrunken Auto fährt, Führerschein für 10 Jahre weg, inkl. Wahlrecht, usw.

Zitat
Sollte außereheliche Geschlechtsverkehr ohne schützendes Kondom unter Strafe gestellt werden?
Nein, die Folgekosten sind meiner Meinung anch selbst zu tragen, das kann auch eine Deppenversicherung sein, die mann (ja mit zwei n) vorher abgeschlossen hat.




Wird eine Frau trotz Einnahme eines oralen Kontrazeptivums (vulgo "der Pill") schwanger, so ist das Kind nicht als Schaden zu betrachten. Leider habe ich das entsprechende Urteil auf die schnelle nicht gefunden.
Zumindest brauchen weder Arzt noch pharmazeutisches Unternehmen zahlen, wenn ihnen kein Fehler vorzuwerfen ist. Hat man natürlich geschlampt und statt der Wirkstoffe Zucker eingefüllt... - dann wird Unterhalt fällig...

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

28.06.2013 22:44
#120 RE: Zwar kein Quiz, aber trotzdem ein paar Fragen: Antworten

Zitat
zwei Einwände:
1) Strafprozesse werden mit diesem hohen Aufwand betrieben, um die Schuld nachzuweisen. Bei uns gilt immer noch der Grundsatz der Unschuld bis zum Beweis des Gegenteils. Im Prinzip würde ich lieber 100 Schuldige laufen lassen, als auch nur einen einzelnen Unschuldigen einsitzen zu haben - aber das ist nicht so extrem in unserer Prozessordnung vorgesehen.
2) Wendet man einen äquivalenten Maßstab für Gesundheitsaufwendungen, dann sind wir schnell bei Prozesskosten, die den Streitwert locker überschreiten - oder aber wir reden über Gesundheitskosten, die ohnehin kaum jemand je würde zurückzahlen können. Nimmt man noch das obig gesagte hinzu (in diesem Fall eher: lieber 10 selbstverschuldete Fälle bezahlen, als nur einen nicht-selbstverschuldeten Fall abzuweisen?), rechnet sich einfach der Aufwand nicht mehr.



Ja, wie können Sie denn dann die strafrechtliche Regelung mit Drogenverbot als alternative Anpreisen, um die Mehrbelastung der Krankenkassen durch Selbstschädigung einzudämmen, wenn Sie selber eingestehen, dass die Prozesskosten das nicht wert sind?

Zitat



Im Falle von Ärzten und anderem medizinischen Personal, die eine Nadelstich-Verletzung haben, wird die Behandlung ohne Prüfung bezahlt (da Fahrlässigkeit hier nur schwer nachweisbar wäre).
Im Falle von Geschlechtsverkehr: wie bitte wollen wir denn einem auch nur halbwegs cleveren Päarchen nachweisen, dass sie tatsächlich selbstverschuldet ungeschützt waren? Das Kondom kann geplatzt sein oder das Frauenkondom einen Riss gehabt haben. Wird dann jeder, der sein Kondom nicht vorlegen kann, abgewiesen? Es ist unpraktikabel, in diesem speziellen Fall sogar sehr.



Ja, aber strafrechtliche Verbote sollen bei der Eindämmung der Kosten helfen?

Zitat
Selbst wenn man Selbstverschulden nachweisen könnte: wer wäre denn bereit, diese Menschen nicht zu behandeln?



Vielleicht Leute, die sogar zum Strafrecht greifen würden?

Zitat

Wer könnte - noch dazu als Arzt mit Hippokratischem Eid gebunden - einfach Menschen ohne Behandlung sterben (oder auch nur leiden) lassen?



Als Arzt in eigener Verantwortung ginge das nicht. Aber auch ein Arzt braucht Geld zum behandeln...

Aber davon mal abgesehen: Niemand wird einen Menschen sterben lassen wollen. Aber in wie fern helfen hier nun Verbote und insbesondere strafrechtlich untermauerte Verbote? Und sind solche Verbote, um Menschen von Selbstschädigung abzuhalten, wirklich moralisch mehr gerechtfertigt? Ist das Recht auf Leben eines des Individums oder eines der Gesellschaft, die es zur "Pflicht zu leben" für das Individuum umdefiniert?

Nachtrag:

Zitat
Mir fehlt eine Position zwischen a und c, die different zu b ist. Ich würde sagen, dass die Sozialsysteme erst einmal generell aufkommen, außer bei auffälligem Mißbrauch oder krassem Selbstverschulden - eben weil eine Tiefen-Prüfung wahrscheinlich zu teuer kommt. Stichpunktartiges Prüfen ist sicherlich trotzdem sinnvoll (Fehlverhalten wird nicht durch Strafe unterdrückt, sondern durch die Gewissheit/Chance, erwischt zu werden).



Ich glaube, was sie fordern ist genau das, worauf b) hinausläuft. Auch mit ihrem letzten Satz (samt Klammer) haben Sie recht - aber was nützt ein stichpunktartiges Überprüfen, wenn es keine Konsequenzen hat. Deshalb könnte im Zweifel durchaus die Forderung nach einer eidesstattliche Versicherung sinnvoll sein - weil sie strafbewehrt ist. Eigentlich ist das, was sie fordern, genau worauf mein Punkt b) praktisch hinausläuft, nur formal anders formuliert, um bezüglich der zugrunde liegenden Prinzipien in sich geschlossen zu sein.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

29.06.2013 00:10
#121 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat von CHristoph
Ich bin mir nicht sicher, ob wir hier wirklich das selbe unter «Ordnung» verstehen.

Ich glaube, wir müssen nicht ernsthaft über Dinge diskutieren, die 99% der Anwesenden ohne zu zögern als außerhalb der staatlichen Zuständigkeit einordnen würden.

Zitat von Christoph
Wiederspricht das aber nicht gerade einer angestrebten Allgemeingültigkeit?

Es ist ein Spannungsverhältnis, muss es sein.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

flippah Offline



Beiträge: 3

29.06.2013 00:12
#122 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Gesondert ausgewiesene Raucherräume wären natürlich gestattet.

Und der wesentliche Unterschied zwischen Rauchen und allen aufgeführten Dingen, die ebenfalls für die Umstehenden schädlich sind, ist der absolute Nullnutzen des Rauchens.

Es ist durchaus ok, Kollateralschäden von etwas nützlichem hinzunehmen. Kollateralschäden von etwas unnützen hingegen finde ich nur schwer hinnehmbar.

Ich darf ja auch nicht meinem Nachbarn das Messer in den Oberschenkel rammen, nur weil ich es bei mir selbst auch tue.

HR ( gelöscht )
Beiträge:

29.06.2013 01:06
#123 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat
Es ist mir nicht egal, wenn Alkoholismus der stärkste Kausalfaktor häuslicher Gewalt und sexuellen Mißbrauchs ist. Und ein starker Faktor bei Totschlagsdelikten.



Wo findet man eigentlich den Kausalfaktor, der zum Alkoholismus führt?

Llarian Offline



Beiträge: 6.919

29.06.2013 02:20
#124 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat von flippah im Beitrag #122
Gesondert ausgewiesene Raucherräume wären natürlich gestattet.

Zum einen, lieber flippah, da Sie neu sind: Es ist Stil des kleinen Zimmers denjenigen auf den man sich bezieht zu zitieren, sonst weiss keiner wen Sie eigentlich ansprechen. Zum anderen: Diese Raucherräume gibt es doch bereits. Sie nennen sich Kneipen nur wurde es dort bereits verboten. Wie übrigens nahezu überall ausserhalb der eigenen vier Wände.

Zitat
Und der wesentliche Unterschied zwischen Rauchen und allen aufgeführten Dingen, die ebenfalls für die Umstehenden schädlich sind, ist der absolute Nullnutzen des Rauchens.


Ich bitte Sie noch einmal den eigentlichen Artikel zu lesen. Das Rauchen ein Nullnutzen sein soll ist schlicht falsch. Nur weil der Nutzen sich IHNEN nicht erschliesst heisst das nicht das das bei anderen auch so sein muss. Rauchen entspannt manche Leute, Rauchen kann die Konzentrationsfähigkeit deutlich steigern, Rauchen kann helfen den Appetit zu zügeln, Rauchen kann einen Aufwärmen und Rauchen ist oftmals auch eine durchaus sehr soziale Tätigkeit die das Miteinander fördert. Alles Zwecke die Ihnen nicht wichtig erscheinen mögen, aber sie wegzuwischen ist schlicht sachlich falsch.

Zitat
Es ist durchaus ok, Kollateralschäden von etwas nützlichem hinzunehmen.


Finde ich nun gar nicht, der Zweck heiligt kaum die Mittel, zumal der Nutzen ja nicht demjenigen zukommt, der auch den Schaden trägt. Schaden, so er denn da ist, was ja durchaus diskutiert werden kann und sollte, ist nicht dadurch zu rechtfertigen das ein anderer einen Nutzen zieht.

Zitat
Ich darf ja auch nicht meinem Nachbarn das Messer in den Oberschenkel rammen, nur weil ich es bei mir selbst auch tue.


Der Vergleich war schon beim ersten mal nicht sachdienlich und er wird durch Wiederholung nicht besser.

Christoph Offline




Beiträge: 241

29.06.2013 03:11
#125 RE: Über das Recht zur Dummheit Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #121

Zitat von CHristoph
Ich bin mir nicht sicher, ob wir hier wirklich das selbe unter «Ordnung» verstehen.
Ich glaube, wir müssen nicht ernsthaft über Dinge diskutieren, die 99% der Anwesenden ohne zu zögern als außerhalb der staatlichen Zuständigkeit einordnen würden.


Lieber Rayson,

Worüber diskutieren wir denn dann? Es gibt eine (mehr oder weniger) allgemeinverbindliche staatliche Ordnung – aber auch dort, wo keine Staatsgewalt droht, verhalten sich Menschen oft geordnet, unter ökonomischen, technischen, vertraglichen, sozialen oder religiösen Zwängen. Nun werden die Anwesenden sicher darin übereinstimmen, dass bestimmte Dinge eben nicht in staatlicher Zuständigkeit liegen, aber wo diese Grenze zu ziehen ist, bleibt strittig.
So meinen viele Bürger und Politiker, es sei durchaus Aufgabe des Staates, die Öffnung von Geschäften nach 20:00 zu unterbinden – und malen zu ihrer Rechtfertigung das Bild von tausenden Verkäuferinnen, die ihre geliebte Familie alleine zurücklassen müssen, um mitten in der Nacht in ansonsten menschenleeren Geschäften hocken während die potentielle Kundschaft in den Betten schnarcht. Das Verfassungsgericht meint sogar, die Verfassung verbiete es, sein Geschäft an Sonntagen zu öffnen. Würden nach einer Freigabe nun alle Geschäfte zu unmöglichen Zeiten öffnen? Natürlich nicht. In den Innenstädten sind viele Geschäfte schon um 18:00 und am Sonnabend um 14:00 geschlossen, auch wenn es länger erlaubt wäre.

Viele Grüße,
Christoph

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